Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 24. Juli 2018 insoweit abgeändert, als die aufschiebende Wirkung der Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden vom 12. April 2018 (S 8 BA 31/18) hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 83.397,04 € angeordnet wird.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat 2/5 und die Antragsgegnerin 3/5 der Kosten beider Instanzen zu tragen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 28.244,87 € festgesetzt.
Gründe
Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin mit dem sinngemäßen Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 24. Juli 2018 abzuändern und den Antrag, die aufschiebende Wirkung der vor dem Sozialgericht Wiesbaden anhängigen Klage (S 8 BA 31/18) (auch) hinsichtlich der Nachforderung von Beiträgen für C. A. und D. A. in Höhe von 112.979,48 € anzuordnen, abzulehnen,
hat in der Sache zum Teil Erfolg.
Gegenstand der Beschwerde der Antragsgegnerin ist die vom Sozialgericht mit Beschluss vom 24. Juli 2018 angeordnete aufschiebenden Wirkung der Klage (S 8 BA 31/18) gegen die mit Bescheid vom 22. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2018, abgeändert durch die Bescheide vom 3. Mai und 3. Juli 2018 festgesetzte Beitragsnachforderung für die Gesellschafter-Geschäftsführer (Gesellschafter-GF) der Antragstellerin, C. und D. A., im Hinblick auf die Beitragserhebung zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, nach dem Recht der Arbeitsförderung und der Umlage zum Insolvenzgeld. Demgegenüber hat die Antragsgegnerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage in Bezug auf die festgesetzte Nachforderung der Umlagen U1 und U2 für die drei Gesellschafter-GF der Antragstellerin (E., C. und D. A.) ausdrücklich nicht angefochten.
Das Sozialgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der mit Klage angefochtenen Bescheide der Antragsgegnerin hinsichtlich der Nachforderung von Beiträgen zur Rentenversicherung für C. und D. A. bestehen. Hingegen war die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Nachforderung von Beiträgen in Bezug auf die Kranken- und Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie der Insolvenzgeldumlage nicht anzuordnen. Bestehende Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Beitragserhebung sind nicht von solchem Gewicht, dass dies die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigt.
Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt bei Entscheidungen über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten (§ 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG). Im vorliegenden Verfahren betreffen der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. März 2018, abgeändert durch Bescheid vom 3. Mai 2018, nochmals abgeändert durch Bescheid vom 3. Juli 2018 die Verpflichtung der Antragstellerin zur Nachentrichtung u. a. von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 199.067,96 € für ihre Gesellschafter-Geschäftsführer C. A. und D. A. (Anteil am Stammkapital von jeweils 33,4 %) sowie D. A. (33,2 %).
Für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in einem solchen Fall die Regelung des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG heranzuziehen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Denn der Gesetzgeber hat in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage das öffentliche Interesse an einem Sofortvollzug höher eingeschätzt als das Interesse des Betroffenen an der Nichtzahlung von Beiträgen, um die Finanzierungsgrundlage und damit die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger sicherzustellen. Diese gesetzliche Risikoverteilung würde unterlaufen, wenn bereits bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens die Vollziehung ohne weiteres ausgesetzt würde (ständige Rechtsprechung des Senats, siehe zuletzt: Beschluss vom 15. März 2018, L 8 BA 2/18 B ER).
Das Sozialgericht hat diesen Maßstab im Beschluss vom 24. Juli 2018 in Bezug auf die Nacherhebung von Beiträgen zur Rentenversicherung für C. und D. A. richtig angewandt. Der Senat teilt die Auffassung, dass an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide insoweit ernstliche Zweifel bestehen.
Zwar sind beide Gesellschafter-GF auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der der Senat in seiner ständiger Rechtsprechung folgt, als abhängig Beschäftigte im Sinne von § 7 SGB IV anzusehen. Eine abhängige Beschäftigung des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH – wie vorliegend – liegt auf der Grundlage des in § 37 Abs. 1 GmbHG normierten Weisungsunterworfenheit gegenüber der Gesellschafterversammlung grundsätzlich vor, solange er nicht über die erforderliche Rechtsmacht verfügt, ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwehren. Dies ermöglicht ihm erst eine Beteiligung am Stammkapital von größer oder gleich 50%. Eine im Gesellschaftsvertrag verankerte effektive Sperrminorität kann im Falle einer niedrigeren Beteiligung denselben Effekt haben (BSG, Urteile vom 14. März 2018, B 12 KR 13/17 R und vom 11. November 2015, B 12 KR 10/14 R). Vorliegend sind die Gesellschafter-GF C. A. und D. A. nur mit einem Anteil von jeweils 33,4 % am Stammkapital der Antragstellerin beteiligt, ohne dass ihnen der Gesellschaftsvertrag eine Sperrminorität verleiht.
Auch wenn die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer danach als abhängig Beschäftigte anzusehen sind, sprechen auch aus Sicht des Senats gewichtige Gründe dafür, der Antragstellerin aufgrund der Bescheide der früheren Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 8. Februar 1990 gegenüber D. A. und vom 11. Juli 1991 gegenüber C. A. Vertrauensschutz hinsichtlich der Annahme zuzubilligen, diese beiden GF seien selbständig tätig und unterlägen nicht der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung. Die BfA hat mit Bescheid vom 8. Februar 1990 gegenüber D. A. und mit Bescheid vom 11. Juli 1991 gegenüber C. A. betreffend „Bargeldlose Beitragsentrichtung“ jeweils festgestellt: „Sie sind berechtigt, freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten zu entrichten.“ Grundlage dieser Feststellungen war § 10 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten (AnVNG) in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung. Mit Einführung des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch (SGB VI) zum 1. Januar 1992 trat an Stelle von § 10 AnVNG die Vorschrift des § 7 SGB VI (Dackelmann in jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2018, § 7, Rn. 8 - 11). Wie bei § 7 SGB VI war auch bei § 10 AnVNG Tatbestandsvoraussetzung, dass eine Sozialversicherungspflicht nicht besteht.
Das Sozialgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Feststellung der Berechtigung zur freiwilligen Versicherung somit zumindest konkludent die Feststellung beinhaltete, es bestehe keine Versicherungspflicht als Arbeitsnehmer. Den Bescheiden, mit denen für C. A. und D. A. die Berechtigung zur Entrichtung freiwilliger Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten festgestellt worden war, lag nach dem substantiierten Vorbringen der Antragstellerin ein Verwaltungsverfahren zugrunde, in dem die Versicherungspflicht der Gesellschafter-GF geprüft und verneint worden war. Hierbei kann es im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dahinstehen, ob diese Bescheide tatsächlich eine bindende Feststellung über das Nichtvorliegen von Versicherungspflicht beinhalten mit der Folge, dass einer Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen bereits die Bestandskraft dieser Bescheide entgegenstünde. Denn jedenfalls vermittelten diese Bescheide den Gesellschafter-GF den Glauben, seitens des Rentenversicherungsträgers sei das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit geklärt, weil Voraussetzung für die Befreiung das Nichtvorliegen von Versicherungspflicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung war, beide zur Prüfung dieses Tatbestands der BfA verschiedene Unterlagen vorgelegt hatten und die BfA nach Prüfung dieses Sachverhalts eine Entscheidung getroffen hatte, die das Nichtvorliegen einer abhängigen Beschäftigung voraussetzte. Aus Sicht des Senats spricht auch viel dafür, dass ein den Gesellschafter-GF zuzubilligender Vertrauensschutz bei einer Familiengesellschaft, bei der die Gesellschafter-GF gleichzeitig die Träger der Gesellschaft sind, auch der Gesellschaft zugutekommen muss.
Dagegen kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der Beiträge zu den anderen Versicherungszweigen nicht in Betracht. Der Senat hat keine erheblichen Zweifel - im Sinne eines Überwiegens derartiger Zweifel - an der Rechtmäßigkeit hinsichtlich der Nachforderung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für D. A. sowie nach dem Recht der Arbeitslosenförderung und von Insolvenzumlagen für C. und D. A. im streitigen Zeitraum der Jahre 2012 bis einschließlich 2015. Zwar erscheint es nicht von Vornherein ausgeschlossen, einen durch die Bescheide der BfA ausgelösten Vertrauensschutz auch auf andere Versicherungszweige zu erstrecken. Die BfA entschied allerdings formal allein über die Frage der Versicherungsberechtigung in der Rentenversicherung. Für die Prüfung anderer Versicherungszweige (Kranken- und Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung) war sie im Verfahren der Prüfung der Voraussetzungen einer freiwilligen Rentenversicherung nicht zuständig. Es erscheint auch nicht unzweifelhaft, ob sich die Antragstellerin darauf verlassen konnte, dass mit dieser Entscheidung der BfA der sozialversicherungsrechtliche Status der beiden Gesellschafter-GF C. und D. A. in allen Versicherungszweigen umfassend geklärt war. Für eine umfassende Prüfung der Versicherungspflicht wäre nach der damals geltenden Rechtslage vielmehr die Zuständigkeit der Einzugsstelle gem. § 28h a.F. SGB IV gegeben gewesen.
Dementsprechend ist der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts abzuändern. Von der vom Sozialgericht Wiesbaden im Beschluss vom 24. Juli 2018 angeordneten und bezifferten aufschiebenden Wirkung der Klage (S 8 B 31/18) in Höhe von 126.287,68 € ist die Nachforderung von Beiträgen für C. A. im Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2015 nach dem Recht der Arbeitsförderung und der Insolvenzumlage sowie für D. A. im gleichen Zeitraum zur Kranken- und Pflegeversicherung, nach dem Recht der Arbeitsförderung und der Insolvenzumlage im Umfang von insgesamt 42.890,64 € abzuziehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 52, 53 Abs. 3 Nr. 4 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache als Streitwert anzusetzen ist (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23. April 2012, L 1 KR 95/12 B ER).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).