S 6 R 143/15

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 6 R 143/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
S 2 R 421/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligen haben einander keine Kosten zu erstatten. 

Tatbestand

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Erstattung der Kosten, Gebühren und Auslagen für die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens. 

Die 1986 in Kolumbien geborene Klägerin erhielt am 26. September 2014 erstmals eine Rentenversicherungsnummer von dritter Stelle, die durch die Beklagte freigegeben wurde. Die Versicherungsnummer lautete xxxxx1. 

Am 22. Oktober 2014 legte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegen die Feststellung der Versicherungsnummer vom 15. Oktober 2014 „Widerspruch“ ein. Die Versicherungsnummer sei unzutreffend. Bei der Versicherten handele es sich um eine weibliche Versicherte. Die Prüfziffern seien für einen männlichen Versicherten ausgestellt worden.

Die Beklagte legte diese Versicherungsnummer sogleich still und vergab eine neue Versicherungsnummer xxxxx2. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2014 teilte sie die zutreffende Versicherungsnummer der Klägerin mit. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2014 teilte die Beklagte der Prozessbevollmächtigten die gültige Versicherungsnummer mit.

Hiergegen legte die Prozessbevollmächtigte am 30. Dezember 2014 Widerspruch ein. Mit der Zuteilung der zutreffenden Versicherungsnummer sei dem Widerspruch abgeholfen worden. Er sei jedoch keine Kostenentscheidung getroffen worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2015 wies der Beklagte den Widerspruch als unzulässig zurück. Der Widerspruch müsste sich gegen einen Verwaltungsakt richten. Bevor eine Beschwer geltend gemacht werden könne, müsse eine Regelung ergangen sein, die gegebenenfalls in Rechte eingreift. Die Vergabe einer Versicherungsnummer nach § 147 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) sei kein Verwaltungsakt, weil sie lediglich organisatorische Gründe habe und keine rechtliche Regelung darstelle. Die Kosten seien daher nicht zu erstatten.

Die Prozessbevollmächtigte übersandt am 5. Januar 2015 eine Kostenrechnung, mit der sie eine Geschäftsgebühr nach Ziff. 2302 Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV-RVG) in Höhe von 300,00 €, eine Einigungs-/Erledigungsgebühr nach 1006 VV-RVG in Höhe von 300,00 €, Pauschale für Entgelte für Post- und Kommunikationsleistungen nach 7002 VV-RVG in Höhe von 20,00 € sowie Umsatzsteuer, insgesamt 737,80 € geltend machte. Die Beklagte lehnte die Erstattung ab.

Am 13. März 2015 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. 

Sie ist der Auffassung, dass die Beklagte dem Widerspruch hinsichtlich der unzutreffenden Versicherungsnummer abgeholfen habe. Bei der Vergabe von Versicherungsnummer handle es sich um einen Verwaltungsakt. Die Versicherungsnummer habe für die Rentenversicherung eine weit über die interne Datenerfassung hinausgehende Bedeutung.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2015 zu verurteilen, ihr die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen in Höhe von 320,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer in gesetzlicher Höhe zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist im Wesentlichen der Auffassung, dass die Erstvergabe einer Versicherungsnummer keinen Verwaltungsakt darstellt. Dies sei anders zu beurteilen, als die Neuvergabe einer Versicherungsnummer aufgrund z.B. fälschlichen Geburtsdatums (§ 33 SGB IV).

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichts- sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind. 

Entscheidungsgründe

Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß §§ 54 Abs. 4, 56 Sozialgerichtsgesetz statthafte Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ihr steht kein Anspruch auf die Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen für die Durchführung des Widerspruchsverfahrens gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch   Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdaten-schutz – (SGB X) zu. 

Nach § 63 SGB X hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Gemäß § 63 Abs. 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 HS. 1 SGB X setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest. Gebühren und Auslagen im Sinne des § 63 Abs. 2 SGB X sind die gesetzlichen Gebühren. Aufwendungen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung sind grundsätzlich auch die Gebühren und Auslagen, die ein Rechtsanwalt seinem Mandanten in Rechnung stellt. Diese Vergütung bemisst sich seit dem 1. Juli 2004 nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RVG), sowie dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG). 

Zwar hat die Beklagte vorliegend auf „Widerspruch“ der Klägerin die zunächst vergebene Versicherungsnummer für einen männlichen Versicherten geändert. Der „Widerspruch“ vom 15. Oktober 2014 war im Ergebnis jedoch unzulässig. 

Bei der Erstvergabe einer Versicherungsnummer bzw. bei der Unterrichtung des Versicherten über die Vergabe handelt es sich nach Auffassung der Kammer nicht um einen Verwaltungsakt (a.A.: Diel in: Hauck/Noftz, SGB, 06/12, § 147 SGB VI, Rn. 18 unter Bezugnahme auf die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 17. November 2006 zum Az.: L 1 R 948/06, Rn. 13, wobei dieses nicht die Erst- sondern die Neuvergabe betrifft; Paulus in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 147 Rn. 44 ohne Unterscheidung zwischen Erst- und Neuvergabe). Die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens setzt gemäß §§ 77, 78, 83 SGG einen Verwaltungsakt voraus. Gemäß § 31 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Dabei liegt eine Regelung vor, wenn die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat. Die Erklärung der Behörde ist unter entsprechender Anwendung der Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen auszulegen. Maßgebend ist daher der objektive Sinngehalt der Erklärung, wie der Empfänger sie bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste. Eine Regelung zielt allgemein ab auf die Begründung rechtlicher Verpflichtungen, entweder zu Lasten der Behörde oder zu Lasten des Bürgers. Dies ist der Fall, wenn Rechte begründet, abgelehnt, aufgehoben, festgestellt oder geändert werden oder wenn dies (jeweils) abgelehnt wird. Im Regelfall korrespondiert der Regelung mithin eine Rechtsposition auf Seiten des Regelungsadressaten (Bürger oder auch andere Verwaltungsträger). Liegt eine solche vor, so ist dies Indiz für den Regelungscharakter der Maßnahme. Nicht erforderlich ist, dass die Entscheidung eine Rechtsänderung herbeiführen muss. Die Möglichkeit der Feststellung bereits bestehender Rechtsverhältnisse oder Rechtspositionen zeigt, dass eine Regelung auch dann angenommen werden kann, wenn ein rechtlicher Zustand durch eine behördliche Entscheidung lediglich deklaratorisch, insbesondere zu Nachweis- und Beweiszwecken im Rechtsverkehr, nachvollzogen wurde.139 Indes ist die Regelung von der „Maßnahme“ abzugrenzen. Letztere bezeichnet das faktische Tun der Behörde, die Regelung dagegen das angestrebte verbindliche Ergebnis (vgl. Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 31 SGB X, Rn. 39). 

Mit der Erstvergabe der Versicherungsnummer, die gemäß § 2 der Verordnung über die Versicherungsnummer, die Kontoführung und den Versicherungsverlauf in der gesetzlichen Rentenversicherung, Versicherungsnummern-, Kontoführungs- und Versicherungsverlaufsverordnung (VKVV) aus der Bereichsnummer, Geburtsdatum, Anfangsbuchstabe des Geburtsnamens, Seriennummer und der Prüfziffer besteht, werden nach Auffassung der Kammer keine Rechte begründet, abgelehnt, aufgehoben, festgestellt oder geändert. Vielmehr dient die Versicherungsnummer nach dem Wortlaut des § 147 Abs. 1 Satz 1 SGB VI in erster Linie der Zuordnung der Daten. Diese wird danach vergeben, „wenn dies zur personenbezogenen Zuordnung der Daten für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe nach diesem Gesetzbuch erforderlich oder dies durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmt ist“. Zwar wird der Versicherungsnummer aufgrund der darin enthaltenen personenbezogenen Daten eine weitergehende Bedeutung beigemessen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Vergabe an sich und die anschließende Mitteilung keine Regelung im Sinne des § 31 SGB X enthält. 

Hiervon zu unterscheiden ist die Neuvergabe einer Versicherungsnummer. Der Anspruch auf Neuvergabe (Berichtigung für die Zukunft) einer Versicherungsnummer richtet sich nach § 147 und § 152 Nr. 3 SGB VI in Verbindung mit VKVV. Der § 152 Nr. 3 SGB VI ermächtigt den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zusammensetzung der Versicherungsnummer sowie über ihre Änderung zu bestimmen. Auf dieser Ermächtigungsgrundlage beruht die VKVV, welche in § 3 Abs. 1 das Nähere für die zwischen den Beteiligten streitige Vergabe einer neuen Versicherungsnummer wegen Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit des in der bisherigen Versicherungsnummer eingetragenen Geburtsdatums regelt. Danach wird eine Versicherungsnummer nur einmal vergeben und grundsätzlich nicht berichtigt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VKVV). Nur Versicherungsnummern, die auf Grund einer nach § 33a Sozialgesetzbuch Erstes Buch   Allgemeiner Teil – (SGB I) zu berücksichtigenden Änderung des Geburtsdatums fehlerhaft geworden sind, werden gesperrt (§ 3 Abs. 1 Satz 2 VKVV). 

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze handelte es sich bei dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 15. Oktober 2014 nicht um einen Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt, sondern um einen Antrag auf Neuvergabe einer Versicherungsnummer. Diesem Antrag wurde seitens der Beklagten entsprochen. Ein Widerspruchsverfahren war nicht durchzuführen, jedenfalls war der als „Widerspruch“ bezeichnete Antrag auf Neuvergabe der Versicherungsnummer als solcher unzulässig. 

Nach alledem war die Klage abzuweisen. 

Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass vorliegend auch die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten für die Beantragung der Neuvergabe der Versicherungsnummer zweifelhaft ist. Im Ergebnis kam es jedoch nach vorstehenden Ausführungen nicht darauf an. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens. 

Die Berufung ist nicht statthaft, da der Beschwerdewert von 750,00 € nicht überschritten ist.

Rechtskraft
Aus
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