1. Der Bescheid vom 09.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2016 wird aufgehoben und festgestellt, dass die vom Kläger in der Zeit vom 27.11.2014 bis 23.01.2015 für die Beigeladene zu 1. ausgeübte Tätigkeit als selbständige Tätigkeit ausgeübt wurde.
2. Die Beklagte hat dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers, der vom 27. November 2014 bis 23. Januar 2015 als Filmeditor für ein Projekt der Beigeladenen zu 1 tätig war.
Am 9. April 2015 ging der Antrag auf Feststellung bei der Beklagten ein (Bl. 1 VA).
Der Kläger und die Beigeladene zu 1 schlossen einen Werkvertrag für den Leistungszeitraum vom 27. November 2014 bis 23. Januar 2015. Der Vertrag liegt nicht unterschrieben vor (Bl. 10 ff VA).
Gemäß § 1 des Vertrages beauftragte die Beigeladene zu 1 den Kläger mit der Erstellung und Produktion des künstlerischen Bildschnittes. Seine Tätigkeit umfasse sämtliche branchenüblichen von einem Filmeditor zu erbringenden Tätigkeiten, insbesondere alle Vor- und Nachbearbeitungsarbeiten, sowie Überwachung-, Beratung- und sonstige Tätigkeiten. Der Vertragspartner ist in der Gestaltung seiner Tätigkeit selbständig tätig und vollkommen frei, wobei er auf die aus der Zusammenarbeit sich ergebenden betrieblichen Belange und Interessen im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit Rücksicht nehmen werde.
Unter § 1 Nr. 2 des Vertrages heißt es, dass sich die Parteien einig sind, dass kein Arbeitsverhältnis zwischen ihnen besteht. Der Beigeladener zu 1 unterliegt keinen Weisungen und ist hinsichtlich Ort und Zeit seiner Leistungserbringung frei.
Der Kläger erbringe seine Leistung höchstpersönlich und ist nicht berechtigt, dem Produzenten gegenüber Dritten in irgendeiner Form zu verpflichten. Der Vertragspartner wird bei seiner Tätigkeit die inhaltlichen Vorgaben und Anregung des Produzenten berücksichtigen.
Dem Kläger steht es ferner frei, während des Vertragszeitraums auch für Dritte zu arbeiten. Er gewährleistet allerdings, dass es durch eine solche, anderweitige Tätigkeit nicht zu zeitlichen Verzögerungen oder qualitativen Einschränkungen bezüglich seiner vertragsgegenständlichen Leistung kommt.
Gemäß Nr. II 1 erfolgt die Ablieferung des Werkes zu einem noch einvernehmlich festzulegenden Termin. Als Vergütung ist unter der Voraussetzung der Abnahmefähigkeit des Werkes einer voraussichtliche Pauschalvergütung i.H.v. 12.600 € vereinbart (anderer Wert als Wort ausgeschrieben) (vergleiche Bl. 11 VA). Dem liege ein Tageshonorar von 300 € zu Grunde. Die Vergütung verstehen sich zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer.
Aus den sonstigen Vertragsbedingungen geht hervor, dass Reisekosten und Fahrtkosten übernommen werden (Bl. 12 VA).
In dem Antrag wird angegeben, dass der Kläger mit der Erstellung und Produktion künstlerischen Bildschnittes beauftragt sei. Der Auftragnehmer soll das Werk künstlerisch und technisch einwandfrei herstellen. Dies werde mit einer Abnahme durch den Auftraggeber kontrolliert. Hinsichtlich der Ausführung sei der Kläger frei.
Es bestünden keinerlei Vorgaben, wann der Kläger, und gehe, dies konnte er selbst entscheiden. Meistens habe er zwischen 9:00 Uhr und 10:00 Uhr mit der Arbeit begonnen und war im Zeitraum zwischen 23/ 24 Uhr fertig.
Die Tätigkeit wurde an einem Schnittplatz in B-Stadt bei der Produktion ausgeführt. Der Kläger hatte das Wahlrecht, ob er seinen normalen Schnittplatz aus in A-Stadt arbeitete oder auf eigene Kosten in B-Stadt näher an der Produktion arbeitete, was wegen der Abstimmung einfacher gewesen sei.
Es habe keinerlei Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Beigeladenen zu 1 bestanden.
Der Auftragnehmer sei seit vielen Jahren als Filmeditor tätig, habe einen regelmäßigen Kundenstamm. Eigene Werbung funktioniere über Mund-zu-Mundpropaganda. In der Preisgestaltung sei der Auftragnehmer völlig frei. So habe er für diesen Vertrag die vorgeschlagene pay out Gage abgelehnt und eine höhere Gage verlangt.
Er sei auf eigene Kosten nach B-Stadt gefahren und habe dort auf eigene Kosten ein Zimmer gemietet, auch habe er Titel, Abstand und einzelne VFX Szenen mit eigenen Schnittrechnern und Schnittprogrammen erstellt (Bl. 8, 9 VA).
Mit Schreiben vom 20. April 2015 wandte sich die Beklagte an den Kläger und die Beigeladene zu 1. Auf eine Erinnerung der Beklagten teilte der Kläger mit, dass er während der Dreharbeiten als Filmeditoren insbesondere folgende Aufgaben eigenständig und mit eigenschöpferischen Gespür durchgeführt habe:
1. Phase 1
- - Kritischer und zeitnaher Sichtung des aufgenommenen Rohmaterials
- - eigenständige Bewertung der Aufnahmequalität sowohl in technischer als auch inhaltlicher Sicht, wie z.B. die Bewertung der Lichtsitzung oder die szenische Darstellung der Schauspieler
- - die Vorauswahl der einzelnen Szenen und deren Rohmontage in Anpassung an Drehbuch bzw. Treatment
- - die erste Montage von Bildern und Tönen, um die emotionale Kraft sowie Filmdramen und ontologische Auflösung der einzelnen Szenen bewerten zu können
- - Sichtung und Besprechung des Rohmaterials und der Montage mit Regisseur und Kameramann, gegebenenfalls mit dem Vorschlag von nachträglich bei mangelhaften Aufnahmen
2. Phase 2
- - endgültige Sichtung und künstlerische Bewertung, welche Szenen des Filmmaterials für die Erstellung der Rohschnittfassung herangezogen werden
- - Erstellung des Rohschnitts mit dem der Erzählrhythmus des Filmes, die dramaturgisch stimmigen Schnittwechsel, Auflösung der Szenenabfolge bei Ortswechsel, Aufnahmen und Gegenaufnahmen, Wechsel von totaler und Nahaufnahme etc. festgelegt wird
- - Fertigstellung des Rohschnitts zur Abnahme von Produzent und Fernsehredakteur
- Erstellung des Feinschnitt auf Grundlage des Rohschnitt unter besonderer Beachtung der endgültig festgelegten Dauer des Filmes und der präzisen Schnittfolge, bei der sekundengenau die einzelne Schnittabfolgen festgelegt werden müssen, da erst hierdurch der einem filmeigen Erzählrhythmus bewirkt wird, der mit dem jetzigen Inhalt korrigieren muss, wie zum Beispiel schnelle Schritte bei Eckchen sehen oder langsam Einstellung bei emotional bewegenden Sinn, wobei nunmehr auch die für den Film ausgewählte Musik in Einklang mit der Schnittfolge gebracht werden muss
- filmgerechter Einarbeitung von VFX- Szenen.
Als Filmeditor sei er allein für die Vor- und Nachbereitung der Produktion verantwortlich. Der zeitliche Rahmen der Tätigkeit richte sich nach den Erfordernissen der Produktion und sei mit der Produktionsfirma abgestimmt.
Er sei innerhalb dieser Produktion frei in der Einteilung seiner Arbeitszeit und habe sie nach seinen eigenen Vorstellungen genutzt, also auch abends, nachts und an Wochenenden, soweit dies notwendig war. Eine Anwesenheit in den Drehtagen war daher nicht erforderlich. Er hatte jederzeit Zugang zu seinem Schnittplatz; eine Kontrolle der Arbeitszeit erfolgte nicht. Er konnte selbst über den Ort entscheiden, an dem der Schnitt im Studio folgte. Hierfür habe er freiwillig B-Stadt gewählt. Die hierbei entstandenen Reisekosten habe er selbst getragen. Grund hierfür war, dass die möglichen Besprechungen mit der Regie so zeitnahe persönlich in B-Stadt stattfinden konnten. Die Arbeitsleistung hätte aber auch an seinem eigenen Stellplatz in A-Stadt ausgeführt werden können.
Er habe keine Arbeitsnachweise führen müssen.
Die von ihm geleisteten Schnittergebnisse wurden regelmäßig mit dem Regisseur diskutiert. Da er sich entschieden habe in B-Stadt zu arbeiten, wurde ihm ein Schnittplatz vom Produzenten gestellt. Einige VFX Satz (computergenerierte Effekte) sowie der Abspann und den Haupttitel habe er auf seinem eigenen Schnittlaptop unter Nutzung der von ihm angeschafften Software gestaltet. Die Übertragung der Tätigkeit des Filmeditors an Dritte sei in der Filmbranche nicht üblich.
Er habe ein pauschales Honorar erhalten.
Auf Bl. 24 der Verwaltungsakte befindet sich die Rechnung, der Rechnungsbetrag enthält Anteile für die Pensionskasse.
Des Weiteren legte der Kläger eine Kopie der Rechnung über die Untervermietung eines Zimmers an den Kläger für den Zeitraum 20. November 2014 bis 23. Dezember 2014 vor (Bl. 33 VA).
Mit Schreiben vom 7. September 2015 hörte die Beklagte den Kläger und den Beigeladenen dahingehend an, dass beabsichtigt sei, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu erlassen (Bl. 35 und 37 VA).
Am 9. Oktober 2015 erließ die Beklagte gegenüber dem Beigeladenen zu 1 und dem Kläger einem Bescheid, in dem festgestellt wurde, dass die von dem Kläger als Filmeditor für den Beigeladenen ausgeübte Tätigkeit vom 27. November 2014 bis zum 23. Januar 2015 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Versicherungspflicht beginne am 27. November 2014 (Bl. 40, 43 VA).
Der Kläger legte vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 3. November 2015 Widerspruch ein Klammerblatt 46 VA). Der Widerspruch wurde im Folgenden damit begründet, dass die Tätigkeit des Klägers als selbständige zu bewerten sei. In der Widerspruchsbegründung wird darauf verwiesen, dass Grundlage für die Prüfung der Abgrenzungskatalog der Spitzenorganisation von Sozialversicherungsträger vom 5. Juli 2005 sei. Der Kläger sei Filmeditor. In Z. 3.3 des Abgrenzungskatalogs werden Editoren ausdrücklich als selbständige Mitarbeiter genannt, wenn sie einzelvertraglich verpflichtet werden und der eigenschöpferischer Teil der Leistung überwiege. Dies sei bei der streitgegenständlichen Tätigkeit des Klägers für die Filmproduktion eindeutig der Fall.
Der Bescheid habe lediglich die pauschalen Definitionen einer programmgestaltenden Tätigkeit beschrieben, sich jedoch nicht konkret damit auseinandergesetzt, inwieweit diese beim Kläger vorlagen. Der Kläger habe im Verfahren seinen von ihm erbrachten eigenschöpferischen Anteil an der Filmproduktion beschrieben. In dem Bescheid würden mehrere Merkmale für eine selbständige Tätigkeit aufgeführt wie die Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung, Einhaltung terminliche Vorgaben, keine programmgestaltende Tätigkeit, dem Auftraggeber vorrangig zur Verfügung stehen, inhaltliche Vorgaben und Anregungen des Produzenten seien zu berücksichtigen, kein unternehmerisches Risiko. Die Beklagte setzte sich insofern nicht mit den tatsächlichen Voraussetzungen hinreichend auseinander. Die Beklagte verkenne, dass ein Filmeditor eine individuelle künstlerische Handschrift habe. Jede Fernsehproduktion muss sich aus Vertragsgründen mit den Sendern an Produktionszeiten und Abnahmetermine halten.
Eine programmgestaltende Tätigkeit des Klägers sei darin zu sehen, dass diese bereits während der Dreharbeiten wichtige programmgestaltende Funktionen einnehme. Aufgrund der zeitlichen Vorgaben bleibe während der Produktion nur wenig Raum für andere Tätigkeiten innerhalb dieses Zeitraums. Die im Bescheid angegebene pauschale Behauptung, dass der Produzent Vorgaben hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung vornehme sei fallspezifisch haltlos, denn dann würde der Produzent keine kreativen Filmschaffenden benötigen.
Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Kläger kein unternehmerisches Risiko trage, er besitze einen eigenen Schnittplatz in A-Stadt, den er auf eigene Kosten und Risiko eingerichtet habe und unterhalten müsse. Die Reisekosten habe der Antragsteller selber übernommen. Einige computergenerierte Effekte sowie Film Abspann und die Einleitung habe er auf seinem eigenen Schnitt Laptop unter Nutzung der von ihm gekauften Software bearbeitet.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2016 zurück (Bl. 76 VA). Dort wird ausgeführt:
In der Filmbranche tätige nicht programmgestaltende Mitarbeiter sind nach Ziffer 3.1 des Abgrenzungskatalogs vom 05.07.2005 grundsätzlich abhängig beschäftigt. Nur in Ausnahmefällen können Editoren / Cutter als nicht programmgestaltende (technische) Mitarbeiter dennoch selbständig tätig sein, nämlich dann, wenn sie für Produktionen einzelvertraglich verpflichtet wurden und überwiegend eigenschöpferisch tätig sind.
Fraglich ist, was unter „überwiegend eigenschöpferisch" zu verstehen ist. Schon die Systematik des Abgrenzungskatalogs, der unter Ziffer 3.3 lediglich Ausnahmen von einer nach BAG-Rechtsprechung grundsätzlichen sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung (vgl. Ziffer 3.1) benennt, legt eine enge Auslegung nahe.
Das FG Hamburg hat sich - nach Anhörung eines Sachverständigen - in seinem Urteil vom 16.12.2004 - VI 263/02, mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Video-Editor bzw. Cutter künstlerisch tätig ist.
Danach liege das Wesen künstlerischer Betätigung nach allgemeiner Ansicht und nach der Rechtsprechung des BFH und des Bundesverfassungsgerichts (Vgl. z. B. BFH-Urteile vom 15.10.1998, IV R 1/97, BFH NV 1999, 465; vom 11.07.1991, IV R 102/90, BStBI II 1992, 413; BVerfG v.24.02.1971, 1 BvR 435/68, BVerfGE 30, 173; vom 17.07.1984, 1 BvR 16/82, BVerfG 67, 213) in der freien schöpferischen Gestaltung, in der der Steuerpflichtige seine individuelle Anschauungsweise und Darstellungskraft zum Ausdruck bringt und die über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine gewisse Gestaltungshöhe erreicht. Dabei spiegele sich eine künstlerische Leistung vornehmlich in einer eigenen Formensprache wider. Eine kreative bzw. künstlerische Leistung liege daher dann vor, wenn eine eigene Formensprache entwickelt und versucht werde, Deutungsräume zu erweitern. Dabei sei eine handwerklich sehr gute Arbeit, die gängige Formsprachen verwende noch keine künstlerische Tätigkeit. Für eine künstlerische Tätigkeit komme es auf die Entwicklung einer eigenen Formensprache und das Einfließen eigener Erfindungen und Ideen in das Arbeitsergebnis an. Gerade im Bereich des Schnitts bestehe - so der gehörte Sachverständige - nur ausnahmsweise Raum für eine neue Formensprache, bspw. bei der „Erfindung" des sog. Jump Cuts, einer bis dahin ungewöhnlichen und geradezu vermiedenen Schnitttechnik. Dabei könne zwar nicht täglich eine neue Formensprache erfunden werden, es sei aber durchaus möglich eine vorhandene Formensprache auf eigene Art weiter zu entwickeln oder neu einzusetzen.
Überträgt man diesen Grundgedanken auf die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Editoren / Cuttern und den vorliegenden Fall, ist eine überwiegend eigenschöpferische Tätigkeit nur in Ausnahmefällen und vorwiegend bei der Produktion von Spielfilmen denkbar, nämlich beispielsweise dann, wenn der Editor / Cutter die Handlungsstränge auf so innovative oder kunstvolle Weise und in eigener Formensprache verbindet, dass die Grundaussage des Films dadurch wesentlich beeinflusst wird.
Einen solchen künstlerischen Anspruch dürfte die vorliegend zu beurteilende Tätigkeit nicht erfüllen. Dass Herr A. das Material selbst zusammenstellt, stellt keine überwiegend eigenschöpferische (künstlerische) Leistung dar, sondern macht das Handwerk eines (jeden) Editors aus.
Herr A. trug auch kein nennenswertes Unternehmerrisiko, denn er nutze - bezogen auf das zu beurteilende Vertragsverhältnis — vorwiegend keine eigene Betriebsstätte auf eigene Kosten und eigenes Risiko, sondern nutze einen Schnittplatz der C. Film Produktion GmbH.
Der Kläger hat am 16. März 2016 Klage beim Sozialgericht Köln erhoben.
Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 28. Juni 2016 an das Sozialgericht Frankfurt gemäß § 57 Abs. 7 S. 1 SGG verwiesen.
Mit Beschluss vom 11. Oktober 2016 erfolgte die Beiladung der Beigeladenen (Bl. 89 VA
Der Kläger ist der Ansicht, dass der angegriffene Bescheid rechtswidrig sei, denn er habe für den Beigeladenen zu 1 eine selbständige Tätigkeit ausgeübt.
Der Kläger und die Beigeladene zu 1. beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2016 zu verurteilen, die Tätigkeit des Klägers als Filmeditor für die Beigeladene zu 1. hinsichtlich der Filmproduktion FX. vom 27.11.2014 bis 23.01.2015 als selbständig anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass der angegriffene Bescheid rechtmäßig sei.
Der Beigeladene zu 1 teilt die Ansicht, des Klägers, wonach keine Merkmale für ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV vorliegen. Die Merkmale für eine selbständige Tätigkeit überwögen, denn der Kläger habe keinen Weisungen hinsichtlich Zeit und Ort seiner Leistungserbringung unterlegen. Dies sei im Werkvertrag unter Z. 12 normiert. Das Vertragsverhältnis richte sich nach den wesentlichen Bestimmungen der §§ 631 ff BGB. Die Leistungszeit sei für den Kläger im Vertragsverhältnis begrenzt. Die Parteien kalkuliert mein Zeitraum von ca. 8 Monaten zur Fertigstellung des Films und vereinbarten ein im Sinne des §§ 632 BGB werkvertragstypisches Pauschalhonorar i.H.v. 12.600 €. Diesen Betrag wurde auch die Mehrwertsteuer zugerechnet, so dass der Kläger selbst für die ordnungsgemäße Versteuerung des Pauschalbetrags verantwortlich war. Auch tatsächliche Umstände können keine Annahme begründen, dass der Kläger beim Schneiden des Werks, nicht frei war, denn er konnte bestimmen wann und wo er schneidet ohne Weisungen zu unterliegen. Er sei auch nicht in die Arbeitsorganisation und die Hierarchiestufen der Beigeladenen zu 1 eingebunden gewesen. Er habe keine Personalnummer, keine Visitenkarte, kein eine Telefonnummer erhalten und sei auch nicht als Mitarbeiter präsentiert worden. Er habe auch keinen Arbeitsplatz gehabt.
Auch sei zu berücksichtigen, dass der Kläger als selbständiger Filmeditor am Markt auftreten. Als Unternehmer trage er das volle Auftragsrisiko und das unternehmerische Risiko. Es liege allein in seiner Verantwortung durch Werbung und sonstige Marketingmaßnahmen eine konstante Auftragslage zu erhalten und Kundenakquisition zu betreiben. Er ist Mitglied der Künstlersozialkasse. Dies allein sei schon ein hinreichendes Indiz dafür, dass er selbstständiger künstlerischer Filmeditor anzusehen sei. Die Beigeladene zu 1 verweist auf ein Urteil des Sozialgerichts Köln Aktenzeichen S 22 R 1747/15 und betrifft die Frage der sozialversicherungsrechtlichen Status einer Editorin und Cutterin. Das Sozialgericht Köln kam zum Ergebnis, dass diese nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Krankenversicherung und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Zu einem vergleichbaren Ergebnis kann das Sozialgericht Berlin in Sachen S 198 KR 537/13.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2020 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, denn entgegen der Ansicht der Beklagten stand der Kläger nicht bei der Beigeladene zu 1 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, so dass keine Versicherungspflicht bestand.
Aus diesem Grund ist der Bescheid aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger die Tätigkeit in der Zeit vom 27. November 2014 bis 23. Januar 2015 nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausübte, sondern vielmehr einer selbständigen Tätigkeit nachging.
Das LSG Baden-Württemberg hat im Urteil vom 13.09.2016 (L 4 R 2120/15 ZVW, Rn. 37, juris) zutreffend ausgeführt, „dass nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine Beschäftigung voraussetzt, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 30.04.2013 B 12 KR 19/11 R – juris, Rn. 13; BSG, Urteil vom 30.10.2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 23; BSG, Urteil vom 31.03.2015 – B 12 KR 17/13 R – juris, Rn. 15, jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20.05.1996 – 1 BvR 21/96 – juris, Rn. 6 ff.). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 24.01.2007 – B 12 KR 31/06 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15 f.; BSG, Urteil vom 30.10. 2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 23 ff. – jeweils m.w.N.)“.
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 08.12.1994 – 11 RAr 49/94 – juris, Rn. 20; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 13.09.2016 – L 4 R 2120/15 ZVW –, Rn. 60, juris).
Maßgeblich für die Beurteilung des Charakters der Tätigkeit ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24.01.2007 – B 12 KR 31/06 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 16).
Daher ist zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbständigkeit zunächst vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen (BSG, Urteil vom 29.07.2015 – B 12 KR 23/13 – juris, Rn. 17).
Nach Auswertung der vorliegenden Unterlagen und nach Befragung des Klägers und der Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 1 in der mündlichen Verhandlung ist die Kammer der Ansicht, dass das hier streitige Auftragsverhältnis des Klägers als Filmeditor als selbständige Tätigkeit anzusehen ist.
Aus dem Vertrag den Kläger und Beigeladene zu 1 schlossen, geht hervor, dass beide Seiten davon ausgingen, dass eine freie selbständige Tätigkeit ausgeübt wurde (in diesem Sinne auch: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Februar 2020 L 1 KR 311/16 –, Rn. 25, juris). Aus den vertraglichen Regelungen, welche dem Auftragsverhältnis zugrunde lagen, geht hervor, dass zeitlich frei war und seine Tätigkeit nicht weisungsgebunden erbrachte.
Für eine selbständige Tätigkeit spricht neben dem inhaltlich-künstlerischen Freiraum des Klägers bei der Ausführung seiner Tätigkeit (a) auch die arbeitsorganisatorische Gestaltung (b) und das von ihm getragene unternehmerische Risiko (c).
(a) Kläger und Beigeladene zu 1 haben in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass er während der Drehzeit täglich etwa 2 ½ Stunden von Filmmaterial erhalten hat. Die Aufgabe des Klägers bestand darin, aus diesem Material nach seinen künstlerischen Vorstellungen Filmsequenzen für einen 90minütigen Film herzustellen. Dabei war der Kläger an das Drehbuch und den Vorgaben des Produzenten hinsichtlich der Dauer des Filmes gebunden. Die Art und Weise der Ausführung oblag ihm. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger dargelegt, dass er bereits mehrfach vorher mit dem Regisseur zusammengearbeitet habe und er aufgrund seiner „editorischen Handschrift“ ausgewählt worden sei. Für den eigenen Gestaltungsspielraum spricht, dass der Kläger die einzelnen Szenen zusammenschnitt, diese wurden zum Teil aus verschiedenen Szenenfilmmaterial geschnitten, mit Musik und Ton unterlegt, ohne dass es dafür irgendwelche Vorgaben gegeben hätte.
Damit ist festzustellen, dass dem Kläger ein erheblicher künstlerisch-eigenschöpferischer Gestaltungsspielraum zu stand. Nach Auswertung der Unterlagen und Befragung des Klägers und der Beigeladenen zu 1 unterlag insoweit keiner entscheidungserheblicher inhaltlichen Einflussnahme durch den Auftraggeber.
(b) Der Kläger war nicht in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1 eingegliedert. Dagegen spricht nicht, dass der Kläger laut des Vertrages zur höchst persönlichen Leistungserbringung verpflichtet war. In der mündlichen Verhandlung haben Kläger und Beigeladene zu 1 unwidersprochen dargelegt, dass der Kläger bereits wiederholt mit dem Regisseur des Films zusammengearbeitet hatte und deshalb zum einen ein offenes belastbares Vertrauensverhältnis bestand und zum anderen die künstlerische Handschrift des Klägers vom Regisseur gewünscht worden war.
Des Weiteren war dem Vertrag grundsätzlich die Tätigkeit für weitere Auftraggeber gestattet. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger angegeben, dass er etwa vier bis fünf solcher Projekte pro Jahr bearbeite.
Der Einordnung der Tätigkeit des Klägers als selbständige steht nicht entgegen, dass der Kläger die Tätigkeit auch in von der Beigeladenen zu 1 angemieteten Schnitträumen ausgeübt. Die Kammer sieht darin keine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1, denn zum einen erfolgte der Schnitt nicht in Räumlichkeiten, sondern in von der Beigeladenen zu 1 am Produktionsort in B-Stadt angemieteten Schnitträumen. Zum anderen haben Kläger und Beigeladene zu 1 unwidersprochen ausgeführt, dass die Anmietung der nach Auswahl durch den Kläger erfolgte.
Entscheidend aber ist insoweit, dass der Kläger die geschuldete Leistung auch ohne die von der Beigeladenen zu 1 zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel hätte erbringen können, denn er verfügte über einen eigenen aus seinen Mitteln eingerichteten Schnittplatz an seinem Wohnsitz (anders in den Fällen: Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 14. Juni 2017 - L 9 KR 354/13 -, zitiert nach juris, RdNr. 105; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. November 2018 – L 1 KR 467/17 –, Rn. 67 - 68, juris).
Der Umstand, dass der Kläger über einen eigenen Schnittraum verfügt, welchen er mit eigenen Mitteln einrichtete, wofür er seiner Schätzung nach 30.000 – 50.000 Euro investierte, spricht auch für ein von ihm zu tragendes Unternehmensrisiko.
Für ein unternehmerisches Risiko des Klägers spricht auch, dass mit der Beigeladenen zu 1 als Auftraggeberin eine pauschale Vergütung und kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlten Urlaub vereinbart war.
Das LSG Berlin-Brandenburg kam im Urteil vom 4. April 2014 (– L 1 KR 57/13 –, juris) zum Ergebnis, dass ein Diplom-Schnittmeister, der bei seiner Tätigkeit innerhalb der Post-Produktion von Filmen für ein Unternehmen keinerlei Weisungen unterliegt, er über seine Arbeitszeit frei verfügen kann und er von dem Auftraggeber eine pauschale Vergütung erhält, keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlten Urlaub hat, so sprechen solche Umstände für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit. Geht im Übrigen die Tätigkeit des Schnittmeisters über das einfache Schneiden eines Films weit hinaus, steht ihm vielmehr ein erheblicher künstlerisch-eigenschöpferischer Gestaltungsspielraum zu und unterliegt er damit einer inhaltlichen Einflussnahme seines Auftraggebers nicht, so liegt eine versicherungsfreie selbständige Tätigkeit vor; dies gilt erst recht dann, wenn er für mehrere Auftraggeber tätig ist (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. April 2014 – L 1 KR 57/13 –, Rn.83 ff. - juris).
Diese Umstände liegen hier – wie dargelegt – vor. Aus diesem Grund ist der angegriffene Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Weshalb der Bescheid aufzuheben ist und festzustellen ist, dass die Tätigkeit nicht versicherungspflichtig ausgeübt wurde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.