S 28 KR 105/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 28 KR 105/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 32/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 15/20 B
Datum
Kategorie
Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Kodierbarkeit des OPS Kodes 8-98f.41 (aufwendige intensivmedizinische Komplexbehandlung) für die Vergütung einer Krankenhausbehandlung streitig.

Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte am xx. xxx 1947 geborene C. (im Folgenden: Versicherter) befand sich vom 5. Februar bis 1. April 2015 in stationärer Behandlung in der Klinik der Klägerin. 

In dem Arztbrief der Klägerin vom 1. April 2015 wurden ein prolongiertes Weaning nach infektexazerbierter chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung und rezidivierenden ventilatorassoziierten Pneumonien sowie ein schweres prolongiertes Delir bei dem Versicherten diagnostiziert. Der Versicherte war via Rettungsdienst eingeliefert worden. Es erfolgt die sofortige Verlegung auf die Intensivstation unter Bebeutelung. Dort erfolgte die endotracheale lntubation und Einleitung einer invasiven Beatmungstherapie sowie Katecholamintherapie bei Kreislaufinsuffizienz. Am 19. Februar 2015 fand die chirurgische Tracheotomie statt. Das weitere Weaning zeigte sich deutlich prolongiert. Nach entsprechender Mobilisation konnte der Versicherte am 1. April 2015 dennoch in die neurologische Rehabilitationsbehandlung nach Bad Camberg verlegt werden.

Sodann stellte die Klägerin für die Behandlung des Versicherten unter Zugrundelegung der DRG A09B (Beatmung > 499 Stunden oder > 249 Stunden mit int. Komplexbeh. > 2352/1932/2208 P., mit angeb. Fehlbild. od. Tumorerkr., Alter < 3 J. oder mit hochkompl. Eingr. oder mit kompl. OR-Proz. oder int. Komplexbeh. > 1764/1932/- P. und Alter < 16 Jahre) 75.750,35 € der Beklagten mit Schreiben vom 9. Juni 2015 in Rechnung. 

Nach Übermittlung der Daten und der Überweisung des Rechnungsbetrages am 8. Juli 2015 zeigte die Beklagte Zweifel an der Abrechnung an und schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Hessen ein. 

Mit dem Grundsatzgutachten vom 27. Oktober 2015 führte der MDK aus, dass am 9. Oktober 2015 eine Prüfung vor Ort und ein gemeinsames Gespräch mit Vertretern der Klägerin sowie eine anschließenden Begehung der Intensivstation stattgefunden habe. Die Behandlung intensivpflichtiger Patienten erfolge hierbei in der seit dem Jahr 2014 baulich umgestalteten Intensivstation, die nach den Umbaumaßnahmen über insgesamt 29 Betten verfüge. Die Intensivstation bestehe aus den Bereichen A und B, die über einen Gang verbunden seien. Sie werde räumlich, ärztlich und pflegerisch als eine organisatorische Einheit betrieben. Zur Gewährleistung eines kardiologischen Konsiliardienstes inklusive interventioneller Kardiologie mit Akut-PTCA (perkutane transluminale coronare Angioplastie) sei aufgrund des Fehlens eines Herzkatheterlabors bei der Klägerin selbst seit Dezember 2014 ein Kooperationsvertrag mit dem Hospital zum heiligen Geist Frankfurt am Main geschlossen worden. Weiter wurde in dem Gutachten ausgeführt: 
„Die Version 2015 des OPS-Kodes 8-98f aufwendige intensivmedizinische Komplexbehandlung (Basisprozedur) beinhalte als zur Kodierung erforderliches Mindestmerkmal - unter anderem - die 24-stündige Verfügbarkeit der interventionellen Kardiologie mit Akut-PTCA. Zur Klärung der Frage, ob die im OPS-Kode 8-98f geforderte 24-stündige Verfügbarkeit der im Wortlaut des OPS-Kodes aufgelisteten Verfahren auch dann erfüllt ist, wenn im Rahmen eines Kooperationsvertrages beispielsweise Patienten in ein anderes Krankenhaus verbracht werden müssen, haben wir bereits 2013 eine Anfrage an das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) gestellt. In einer schriftlichen Stellungnahme vom 17.0.2013 antwortete uns das DIMDI: „Für die Anwendung des OPS-Kodes 8-98f ist die 24-stündige Verfügbarkeit der folgenden Verfahren erforderlich:
-    Apparative Beatmung
-    Nicht invasives und invasives Monitoring
-    Kontinuierliche oder intermittierende Nierenersatzverfahren
-    Radiologische Diagnostik mittels CT, DSA oder MRT
-    Interventionelle Kardiologie mit Akut-PTCA
-    Endoskopie
Diese Bedingung des OPS-Kodes kann nicht durch eine Kooperation mit anderen Kliniken gewährleistet werden. Mit diesem Kode sollen auch die Vorhaltekosten, die diesen Kliniken entstehen, dokumentiert werden."
Der Wortlaut des OPS-Kodes 8-98f hat sich diesbezüglich in der aktuell gültigen Version des Jahres 2015 im Vergleich zum Wortlaut der Version des Jahres 2013 nicht geändert, so dass die Stellungnahme des DIMDI vom 17.09.2013 unverändert Bestand hat und in der sozialmedizinischen Beurteilung für den MDK verbindlich ist. Das im OPS-Kode 8-98f aufwendige intensivmedizinische Komplexbehandlung (Basisprozedur) geforderte strukturelle Mindestmerkmal der 24-stündigen Verfügbarkeit der interventionellen Kardiologie mit Akut-PTCA kann vor diesem Hintergrund bei Fehlen eines eigenen Herzkatheterlabors im Bürgerhospital Frankfurt am Main nicht über die seit Dezember 2014 bestehende Kooperation erfüllt werden.“ 
Im Ergebnis führte der MDK aus, das aufgrund der vorliegenden Unterlagen und der im Rahmen der Begehung gewonnenen Erkenntnisse davon auszugehen sei, dass die Mindestmerkmale zur Verschlüsselung des OPS-Kodes 8-98f aufwendige intensivmedizinische Komplexbehandlung (Basisprozedur) bei der Klägerin nicht erfüllt sind. 

Mit weiteren Gutachten vom 17. Dezember 2015 führte der MDK bezogen auf den konkreten Behandlungsfall aus, dass der OPS 8-98f.41 nicht erfüllt sei. Diese Einschätzung teilte die Beklagte der Klägerin am 29. Dezember 2015 mit und schloss sich ihr an. 

Unter dem 15./22. Januar 2015 erklärte die Beklagte mittels Zahlungsavis die Aufrechnung des hier streitigen Betrages in Höhe von 20.112,05 € mit Forderungen aus unstreitigen Behandlungsfällen der Klägerin. 

Unter dem 25. Februar 2016 hat die Klägerin bei dem hiesigen Gericht mit dem Ziel Klage erhoben, die Beklagte zu einer Zahlung von 20.112,05 € verurteilen zu lassen. Sie ist der Auffassung, dass sie das Mindestmerkmal „24-stündige Verfügbarkeit folgender Verfahren: (...) Interventionelle Kardiologie mit Akut-PTCA" durch die Kooperation mit dem Hospital zum heiligen Geist Frankfurt erfülle. Im OPS-Kode 8-98f (Version 2015) werde nur auf eine 24-stündige Verfügbarkeit der „interventionellen Kardiologie mit Akut-PTCA" abgestellt. Es werde nicht festgelegt, dass die 24-stündige Verfügbarkeit der „interventionellon Kardiologie mit Akut-PTCA" im behandelnden Krankenhaus selbst zur Verfügung stehen müsse. Insoweit lasse der Wortlaut zwei Varianten zu: Die interventionelle Kardiologie mit Akut-PTCA werde als Verfahren im Krankenhaus selbst durchgeführt (1. Variante) bzw. die interventionelle Kardiologie mit Akut-PTCA werde in einem Nachbarkrankenhaus, das ein Herzkatheterlabor vorhält, durchgeführt (2. Variante). Nach dem Wortlaut sei eine Einschränkung der Verfügbarkeit ausschließlich beim behandelnden Krankenhaus nicht erkennbar.

Die Klägerin hat im weiteren Verlauf den am 15. Dezember 2014 geschlossenen Kooperationsvertrag zwischen ihr und der Stiftung Hospital zum heiligen Geist (SHHG) vorgelegt. Danach stimmten beide Vertragsparteien in der Absicht überein, die Zusammenarbeit im Bereich der Versorgung von Patienten in den Fachbereichen der Kardiologie und Gefäßchirurgie zu intensivieren. Der Kooperationsvertrag solle die Grundlage bilden, dass diesbezügliche konsiliarische Leistungen durch die Ärzte der SHHG für stationäre Patienten der Klägerin erfolgen könnten. Darüber hinaus sollten Vereinbarungen getroffen werden, die die Versorgung stationärer Patienten der Klägerin, die einer PTCA bedürften, betreffen. In § 2 Nr. 1 der Vereinbarung verpflichtete sich die Klägerin zur Kooperation mit der SHHG bei Fällen, die einer kardiologischen Behandlung in Form einer Akut-PTCA bedürfen, sofern keine besonderen Gründe oder Umstände vorliegen, die dem entgegenstehen. Im Gegenzug dazu, verpflichtete sich die SHHG zu einer 24-stündigen garantierten Verfügbarkeit der (Mit-)Behandlung oder Übernahme dieser Patienten. Nach § 2 Nr. 2 der Vereinbarung forderte die Klägerin kardiologische und gefäßchirurgische konsiliarärztliche Leistungen bei den Ärzten der SHHG an. Diese verpflichtete sich demgegenüber innerhalb von max. 30 Minuten am Standort der Klägerin zu sein, um die angeforderten konsiliarärztlichen Leistungen bei intensivpflichtigen Patienten der Klägerin in den genannten Fachbereichen Kardiologie und Gefäßchirurgie zu erbringen. Die Möglichkeit einer 24-stündigen Inanspruchnahme dieser konsiliarischen Leistungen sei hierbei durch die SHHG garantiert und gewährleistet. Die konsiliarischen Leistungen erfolgten an dem Ort, an dem sich der Patient aktuell in Behandlung befindet. Für die vereinbarten Leistungen würden Behandlungs- und Untersuchungszimmer, Untersuchungs- und Behandlungsgeräte und die erforderlichen Sachmittel durch den Leistungsanforderer zur Verfügung gestellt. 

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin den Betrag in Höhe von 20.112,05 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Januar 2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es sei nicht die DRG A09B sondern nur die DRG A09D abzurechnen. Streitgegenstand sei das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für die Kodierung des OPS 8-98f.41. Diese seien ausweislich der vorliegenden Gutachten des MDK nicht erfüllt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Patientenakte sowie des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung am 17. Dezember 2018 gewesen sind.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Bei einer auf Zahlung der (Rest-)Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhauses gegen eine Krankenkasse geht es um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. Juni 2000, Az. B 3 KR 33/99 R; Urteil vom 23. Juli 2002, Az. B 3 KR 64/01 R). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (BSG, Urteile vom 13. Mai 2004, B 3 KR 18/03 R und vom 21. April 2015, B 1 KR 8/15 R).

Die Klage ist allerdings unbegründet. Der ursprünglich entstandene Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Vergütung von Krankenhausbehandlungsleistungen für andere Versicherte ist in Höhe von 20.112,05 € dadurch erloschen, dass die Beklagte mit einem Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des C. in der Zeit vom 5. Februar bis 1. April 2015 am 15./22. Januar 2016 wirksam aufrechnet hat.

Die Anwendbarkeit der §§ 387 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog folgt aus § 69 Abs. 1 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Die Aufrechnung mit der Gegenforderung aus öffentlich-rechtlicher Erstattung gegen die Hauptforderung durch die Beklagte am 15./22. Januar 2016 ist rechtmäßig (vgl. zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch z.B. BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr. 2, Rdnr. 10f. m.w.N.; zur Aufrechnung mit diesen z.B. BSG SozR 4-2500 § 129 Nr. 7 Rdnr. 11; BSGE 106, 303 = SozR 4-2500 § 129 Nr. 6, Rdnr. 10; BSG SozR 4-2500 § 264 Nr. 3 Rdnr. 15) und im Übrigen zwischen den Beteiligten – in Kenntnis der bei dem BSG anhängigen Rechtsfrage unter dem Az. B 1 KR 31/18 R – nicht streitig. Die Rückabwicklungsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern aus einer fehlerhaften, aber intendierten Leistungserbringung für nach dem SGB V Versicherte sind kongruent zu den Leistungsbeziehungen öffentlich-rechtlicher Natur. Der Vergütungsanspruch der Klägerin aus einem unstreitigen Behandlungsfall einerseits und der von der Beklagten geltend gemachte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch betreffend die Behandlung des C. in der Zeit vom 5. Februar bis 1. April 2015 erfüllen zum Zeitpunkt der Aufrechnung die Voraussetzungen der Gegenseitigkeit und der Gleichartigkeit. Der geltend gemachte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch der Beklagten war fällig und der Vergütungsanspruch der Klägerin erfüllbar (zu den Voraussetzungen insgesamt: BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016, Az. B 1 KR 9/16 R). 

Als Anspruchsgrundlage für die Gegenforderung kommt mangels vorrangiger Regelung lediglich der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Betracht. Die sich aus der Erbringung von Leistungen für nach dem SGB V Versicherte ergebenden Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und als Leistungserbringer zugelassenen Krankenhäusern sind öffentlich-rechtlicher Natur. Bei derartigen öffentlich-rechtlich geprägten Rechtsbeziehungen tritt an die Stelle des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach § 812 BGB der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (BSG, Urteil vom 8. November 2011, Az. B 1 KR 8/11 R). 

Dass die Rechtsbeziehungen zwischen der Krankenkasse und dem Krankenhaus öffentlich-rechtlicher Natur sind, ergibt sich explizit aus § 69 Abs. 1 SGB V.
 
Der im öffentlichen Recht auch ohne ausdrückliche Normierung seit langem anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung herzuleiten. Er setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind.

Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf die weitere hier streitige Vergütung der Krankenhausbehandlung für den am 17. August 1947 geborenen C. auf der Grundlage der von ihr abgerechnete DRG A09B in Höhe von noch 20.112,05 €. Die von der Beklagten vorgetragenen Bedenken vermögen das Gericht im Wesentlichen zu überzeugen. Die zunächst angewiesene Zahlung erfolgte rechtsgrundlos.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist hier § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Abs. 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (KHEntgG) und dem Vertrag über die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft und den Landesverbänden der Krankenkassen. Danach entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinn von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist. Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser im Sinn des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger festgelegt wird.

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass es sich bei der Klägerin um ein zugelassenes Krankenhaus im Sinn des § 108 SGB V gehandelt hat, C. während der Dauer der streitigen Krankenhausbehandlung bei der Beklagten versichert war und ohne Zweifel einer Krankenbehandlung mit den Mitteln eines Krankenhauses bedurfte, weil das Behandlungsziel nicht durch eine teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenbehandlung erreicht werden konnte (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V).

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nr. 1 bis 7 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Damit sind nach ausdrücklicher Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG "alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen" abgegolten (BSG, Urteil vom 25. November 2010, Az. B 3 KR 4/10 R). Streitig ist hier die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) i.V.m. der auf der Grundlage des § 9 KHEntgG und § 17b KHG abgeschlossenen Vereinbarung der Deutschen Krankenhausgesellschaft mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2015 (FPV 2015), welche einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge enthält.

Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG) geordnet. Dabei erfolgt die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalles zu einer DRG in zwei Schritten: Zunächst wird die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Diagnosekode gemäß dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des BMG herausgegebenen Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der deutschen Fassung (ICD-10-GM) sowie ggf. mit einem vom DIMDI herausgegebenen "Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB V" (OPS-301) verschlüsselt (§ 301 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V). In einem zweiten Schritt werden die in den Computer eingegebene Diagnose- und OPS-Kodes einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als "Groupierung" bezeichneten Prozess der Fallgruppenzuordnung (DRG-Zuordnung) liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde. Auf der Basis eines "Entscheidungsbaumes" wird anhand verschiedener Kriterien eine exakte DRG-Zuordnung vorgenommen. Zur Einstufung in die jeweils abzurechnende DRG werden Software-Programme (Grouper) eingesetzt, die vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), einer Einrichtung der Selbstverwaltungspartner, zertifiziert sind. Grundlage hierfür ist ein entsprechendes Definitionshandbuch (BSG, Urteil vom 25. November 2010, Az. B 3 KR 4/10 R; BSG, Urteil vom 8. November 2011, Az. B 1 KR 8/11 R; u.a. SG Stralsund, Urteil vom 14. Dezember 2012, Az. S 3 KR 11/09, BSG, Urteil vom 21. April 2015, Az. B 1 KR 8/15 R Rdnrn. 14, 15). Zur sachgerechten Durchführung dieser Verschlüsselung ("Kodierung") haben die Vertragspartner auf Bundesebene ergänzend "Kodierrichtlinien" beschlossen. Maßgebend für den vorliegenden Abrechnungsfall sind die für den Tag der stationären Aufnahme geltenden Abrechnungsregeln, d.h. vorliegend die Deutschen Kodierrichtlinien 2015 (DKR 2015). 

Streitig und für die Abrechenbarkeit der von der Klägerin zugrunde gelegten DRG weiterhin entscheidungserheblich, ist vorliegend die Kodierbarkeit der Prozedur 8 98f.41(aufwendige intensivmedizinische Komplexbehandlung) die hier nach der von den Selbstverwaltungspartnern bestimmten Entscheidungslogik (dem sog. Entscheidungsbaum) insoweit erlöswirksam ist, als sie eine höher bewertete DRG (A09B anstelle A09D) auslöst.

Die DRG A09B wird nur dann im Groupierungsvorgang angesteuert, wenn Prozeduren nach OPS 8-98f zu kodieren sind. Dies war vorliegend nicht der Fall. 

OPS 8-98f in der hier maßgebenden Fassung setzt eine aufwendige intensivmedizinische Komplexbehandlung u.a. mit folgenden Mindestmerkmalen voraus: 
•    Kontinuierliche, 24-stündige Überwachung und akute Behandlungsbereitschaft durch ein Team von Pflegepersonal und Ärzten, die in der Intensivmedizin erfahren sind und die aktuellen Probleme ihrer Patienten kennen. 
•    Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin", der den überwiegenden Teil seiner ärztlichen Tätigkeit auf der Intensivstation ausübt 
•    Eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation muss gewährleistet sein. Der Arzt der Intensivstation kann zu einem kurzfristigen Notfalleinsatz innerhalb des Krankenhauses (z.B. Reanimation) hinzugezogen werden 
•    24-stündige Verfügbarkeit folgender Verfahren: 
-    Apparative Beatmung 
-    Nicht invasives und invasives Monitoring 
-    Kontinuierliche oder intermittierende Nierenersatzverfahren 
-    Radiologische Diagnostik mittels CT, DSA oder MRT 
-    Interventionelle Kardiologie mit Akut-PTCA 
-    Endoskopie
•    24-stündige Verfügbarkeit von einem der folgenden drei Verfahren: 
-    Intrakranielle Druckmessung 
-    Transösophageale Echokardiographie 
-    Mikrobiologische Diagnostik
•    Mindestens 7 von den 9 folgenden Fachgebieten sind innerhalb von maximal 30 Minuten im Krankenhaus als klinische Konsiliardienste (klinikzugehörig oder aus benachbarten Kliniken) verfügbar: Innere Medizin, Kardiologie, Gastroenterologie, Neurologie, Anästhesiologie, Viszeralchirurgie, Unfallchirurgie, Gefäßchirurgie, Neurochirurgie. 
•    Innerhalb von maximal 30 Minuten im Krankenhaus verfügbare Leistungen von: Laboratorium, Radiologie, Blutbank. 
•    Tägliche Verfügbarkeit (auch am Wochenende) von Leistungen der Physiotherapie. 
•    Die Anzahl der Aufwandspunkte errechnet sich aus der Summe des täglichen SAPS II (ohne Glasgow Coma Scale) über die Verweildauer auf der Intensivstation (total SAPS II) plus der Summe von 10 täglich ermittelten aufwendigen Leistungen aus dem TISS-Katalog über die Verweildauer auf der Intensivstation. 
•    Die zu verwendenden Parameter des SAPS II und des TISS sind im Anhang zum OPS zu finden. 
•    Spezielle intensivmedizinische Prozeduren, wie Transfusion von Plasma und Plasmabestandteilen, Plasmapherese und Immunadsorption, Maßnahmen im Rahmen der Reanimation u.a. sind gesondert zu kodieren. 
•    Dieser Kode ist für Patienten, die bei stationärer Aufnahme das 14. Lebensjahr vollendet haben, anzugeben.

Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 19. Juni 2018 unter dem Aktenzeichen B 1 KR 38/17 R nach Auffassung der Kammer zutreffend ausführt, ist die „… Anwendung der normenvertraglichen Abrechnungsbestimmungen … nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. … Nur dann kann eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, ihren Zweck erfüllen. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes (§ 17b Abs. 2 Satz 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen. …“

Dies zugrunde gelegt, ist zunächst festzustellen, dass der Wortlaut des OPS 8-98f verschiedene Termini zu zeitlichen und organisatorischen Angaben kennt. So wird eine kontinuierliche, 24-stündige Überwachung, neben einer ständigen ärztlichen Anwesenheit, eine 24-stündige Verfügbarkeit sowie eine innerhalb von maximal 30 Minuten Verfügbarkeit zur Komplexbeschreibung verwendet. Auch findet sich im Hinblick auf die konsiliarärztlichen Dienste die Differenzierung in klinikzugehörig oder aus benachbarten Kliniken. Die Kammer geht bezüglich der streitentscheidenden Frage davon aus, dass der Wortlaut der vom DIMDI herausgegebenen "Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB V" (OPS-301) bewusst gewählt wurde und somit maßgebend ist. Danach muss die interventionelle Kardiologie mit Akut-PTCA im Umfang einer 24-stündigen Verfügbarkeit bestehen. Nicht ausreichend ist eine Verfügbarkeit innerhalb von maximal 30 Minuten im Krankenhaus, wie es beispielsweise für Leistungen von Laboratorium, Radiologie und Blutbank geregelt ist. Auch wurde in der Formulierung zur Akut-PTCA nicht in klinikzugehörig oder aus benachbarten Kliniken differenziert, woraus die Kammer schließt, dass es sich um eine von der Klägerin selbst vorzuhaltenden Leistung handelt, die nicht durch andere Kliniken (entgeltlich) erbracht werden kann. Die Regelung zum Vorhalt von weiteren Konsiliardiensten anderer Fachgebiete ist als Ausnahmevorschrift zu verstehen. Ausschließlich diese Leistungen und ggf. die im Rahmen einer 30-minütigen Verfügbarkeit benannten Leistungen können durch anderen Kliniken, als die Klägerin, erbracht werden. Diese Einschätzung trägt dem Umstand Rechnung, dass typischerweise Patienten in akut lebensbedrohlichen Situationen von der aufwendigen intensivmedizinischen Komplexbehandlung betroffen sind, womit zwingend eine schnellstmögliche medizinische Behandlung erforderlich ist. Ferner steht die Einschätzung der Kammer auch im Zusammenhang damit, dass mit dem vorliegenden relativ hoch vergüteten Kode auch die Vorhaltekosten, die der abrechnenden Klinik entstehen, dokumentiert werden sollen. Diese Vorhaltekosten entstehen der Klägerin vorliegend nicht in gleicher Höhe. Ihr entstehen Kosten im Umfang von § 6 der Kooperationsvereinbarung.  

Die Klägerin war im Ergebnis somit nicht berechtigt, die DRG A09B (Beatmung > 499 Stunden oder > 249 Stunden mit int. Komplexbeh. > 2352/1932/2208 P., mit angeb. Fehlbild. od. Tumorerkr., Alter < 3 J. oder mit hochkompl. Eingr. oder mit kompl. OR-Proz. oder int. Komplexbeh. > 1764/1932/- P. und Alter < 16 Jahre) für die Behandlung von C. der Beklagten in Rechnung zu stellen. Die Voraussetzungen für eine Kodierung von OPS 8-98f.41 lagen nicht vor. 

Die Vergütung der stationären Behandlung von C. in der Zeit vom 5. Februar bis 1. April 2015 hat im Ergebnis somit lediglich auf der Grundlage von der DRG-Fallpauschale A09D zu erfolgen. Ein darüber hinausgehender Zahlungsanspruch der Klägerin besteht nicht. Die ursprünglich erfolgte Zahlung der Beklagten erweist sich somit als rechtsgrundlos. Ihr steht ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu. Sie konnte eine wirksame Aufrechnung vornehmen.

Der gerichtlich geltend gemachte Zahlungsanspruch der Klägerin aus einem unstreitigen Behandlungsfall ist damit erloschen und besteht nicht mehr. Die Klage ist mit der Hauptforderung unbegründet. 

Gleiches gilt für die Nebenforderung. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). 

Rechtskraft
Aus
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