S 29 AS 1139/08 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 29 AS 1139/08 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 350/08 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beigeladene wird verpflichtet, den Antragstellerinnen zu 1 und 3 vorläufig im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die durch Vorlage der Monatskarten nachgewiesenen Fahrkosten für öffentliche Verkehrsmittel zwischen Wohnort und Schule ab dem 1. September 2008 bis zur Bestandskraft eines Widerspruchsbescheides zu erstatten.

Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Die Beigeladene hat der Antragstellerin 1/3 ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

I.

Die Antragstellerinnen begehren die Übernahme von Kosten für Schulverpflegung, Schulmaterialien sowie Schulfahrtkosten.

Die Antragstellerinnen stehen seit dem 1. Januar 2005 zusammen mit ihrer Mutter im laufenden Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites Buch (SGB II) bei der Antragsgegnerin. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören neben den Antragstellerinnen die Mutter B. A. sowie ihr Ehemann E. A. Die 1991 geborene Antragstellerin zu 1 sowie die 1989 geborene Antragstellerin zu 3 besuchen die 11. Klasse der F-Schule in F-Stadt, die 1996 geborene Antragstellerin zu 2 besucht die M 1. Klasse der G-schule in F-Stadt.

Für die Antragstellerinnen zu 1 und 3 fallen monatliche Kosten für die Busfahrten zur und von der Schule in Höhe von derzeit jeweils 55,30 € an. Zudem fielen jeweils 30 € an Lernmittel und Schulbedarf an. Für die Antragstellerin zu 2 fallen Kosten der Mittagsverpflegung in Höhe von 3,30 € pro Tag, d.h. ca. 50 € monatlich, an. Dazu kommt an Lernmittel und Schulbedarf ein Betrag von 30 € plus 8 € monatlich für Arbeitsmaterialien.

Am 14. August 2008 beantragten die Antragstellerinnen die Übernahme der Schulkosten durch die Antragsgegnerin, was diese mit Bescheid vom 25. August 2008 ablehnte. Die Beigeladene lehnte ebenfalls einen Antrag der Antragstellerinnen auf Übernahme der begehrten Kosten ab.

Mit Schreiben vom 1. September 2005 beantragte die Mutter der Antragstellerinnen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht Gießen die Übernahme der Kosten durch die Antragsgegnerin.

Die Antragstellerinnen sind der Auffassung, die Antragsgegnerin sei verpflichtet, die begehrten Kosten zu übernehmen.

Die Antragstellerinnen beantragen sinngemäß,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihnen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig die Kosten für die Schulfahrten, das Mittagessen und für Schulmaterialien zu erstatten.

Die Antragsgegnerin beantragt,

 den Antrag abzulehnen.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, es bestehe im Rahmen des SGB II keine Anspruchsgrundlage der Antragstellerinnen auf Übernahme der begehrten Kosten durch die Antragsgegnerin. Auch eine darlehensweise Übernahme nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II komme aufgrund des wiederkehrenden Charakters der Kosten nicht in Betracht.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 1. September 2009 die Beigeladene nach § 75 Abs. 2 Alt. 2 beigeladen, da sie als leistungspflichtig in Betracht kam.

Die Beigeladene hat im Rahmen des Verfahrens Stellung genommen, jedoch von einem eigenen Antrag abgesehen. Die Beigeladene ist im Wesentlichen der Auffassung, die begehrten Kosten seien von ihr nicht nach § 73 SGB XII zu übernehmen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen, welche Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

II.

Der Antrag ist zulässig, insbesondere kann die Bevollmächtigung der Mutter der Antragstellerinnen zur Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 73 Abs. 2 Satz 2 SGG unterstellt werden.

Der Antrag ist jedoch gegenüber der Antragsgegnerin unbegründet. Die Antragstellerinnen haben keinen hinreichenden Anordnungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin glaubhaft gemacht, da die begehrten Leistungen nicht zu den nach dem SGB II zu gewährenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zählen. Im Hinblick auf die Schulfahrtkosten besteht jedoch ein Anordnungsanspruch gegenüber der Beigeladenen nach § 73 SGB XII.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. 

§ 86 b Abs. 2 SGG unterscheidet zwischen Sicherungsanordnungen und Regelungsanordnungen. Während die Sicherungsanordnung gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG der Sicherung der Rechte des Antragstellers dient, kann mit der Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG auch eine Rechtsposition vorläufig begründet oder erweitert werden (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 8. Auflage 2005, § 86 b Rdnr. 25-25b). Die Antragstellerinnen begehren hier mit ihren Anträgen auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG.

Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist sowohl ein Anordnungsanspruch (d.h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines materiellen Leistungsanspruchs) als auch ein Anordnungsgrund (d.h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile). Der Antragsteller muss glaubhaft machen (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Zivilprozessordnung - ZPO -), dass ihm aus dem streitigen Rechtsverhältnis ein Recht zusteht, für das wesentliche Gefahren drohen (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O. Rdnr. 27a) und weiteres Zuwarten für ihn mit besonderen, wesentlichen Nachteilen verbunden wäre.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern eine Wechselbeziehung besteht. Die Anforderungen an den Anordnungsanspruch sind mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Beschluss des 7. Senates des Hessischen Landessozialgerichts vom 29.06.2005, Az. L 7 AS 1/05 ER; Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr. 28). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet und das angegriffene Verwaltungshandeln offensichtlich rechtswidrig bzw. bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Leistungsträgers, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.05.2004, Az. L 16 B 15/04 KR ER; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 31.07.2002, Az. L 18 B 237/01 V ER). In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, wobei jedoch auf einen Anordnungsgrund nicht gänzlich verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden.

Die Antragstellerinnen haben gegenüber der Antragsgegnerin keinen hinreichenden Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Im Hinblick auf die geltend gemachten Kosten für Lernmittel, Schulbedarf und die Mittagsverpflegung der Antragstellerin zu 2 sind die genannten Bedarfe bereits in der Regelleistung nach § 20 Abs. 1 SGB II pauschalisierend abgedeckt. Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Zum Bedarf des täglichen Lebens gehört bei Schulkindern auch die Anschaffung der für die Schule erforderlichen Lernmittel und des Schulbedarfs. Die begehrte Mittagsverpflegungskosten der Antragstellerin zu 2 ist Teil des zur Ernährung vorgesehenen Anteils der Regelleistung.

Eine abweichende Festlegung des Bedarfs der Antragstellerinnen ist gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II ausgeschlossen. Die Anspruchsgrundlagen des SGB II sind insoweit abschließend. Ein gesonderter Anspruch auf Übernahme von Schulkosten außerhalb der in § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB II berücksichtigten Klassenfahrten ist – bislang – nicht vorgesehen.

Auch eine darlehensweise Gewährung der Bedarfe nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II scheidet aus, da § 23 SGB II von seiner Konstruktion und seinem Regelungszweck her auf einmalige besondere Bedarfe und nicht auf wiederkehrende Dauerbedarfe zugeschnitten ist (so auch Knickrehm, Sozialrecht aktuell 2006, 159, 160). Eine wiederkehrende und von vornherein absehbare wiederholte Darlehensgewährung zur Befriedigung eines Dauerbedarfes würde die gesetzlichen Regelungen über die Regelleistungen umgehen (BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az. B 7b AS 14/06 R, Rn. 20 – zitiert nach juris; vgl. hierzu auch LSG Niedersachsen Bremen, Urteil v. 21.06.2007 - L 8 AS 491/05), deren Erhöhung außerhalb besonderer gesetzlicher Tatbestände der Gesetzgeber ersichtlich vermeiden wollte.

Gleiches gilt im Hinblick auf die geltend gemachten Schulfahrtkosten, da auch dieser Bedarf der Antragstellerinnen bereits im Rahmen der Regelleistung als Ausgaben für Verkehr berücksichtigt wird.

Ein Anordnungsanspruch bezüglich der Schulfahrtkosten besteht jedoch gegenüber der Beigeladenen.

Nach § 73 SGB XII können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen, wobei Geldleistungen als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden können. Es handelt sich um eine generalklauselartig formulierte subsidiäre Auffangvorschrift, die atypische Bedarfe in sonstigen Lebenslagen erfassen soll, für die eine speziell gesetzliche Regelung fehlt. Die Vorschrift beinhaltet für eine atypische Bedarfssituation, die Hilfen in sonstigen Lebenslagen erfordert, unbestimmte Rechtsbegriffe, deren Auslegung und Anwendung vollständig der sozialgerichtlichen Kontrolle unterliegen (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. Dezember 2007, Az. L 7 AS 666/07 ER).

Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 7. November 2006 (Az. B 7b AS 14/06 R) die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 73 SGB XII auf Leistungsempfänger nach dem SGB II trotz des grundsätzlich abschließenden Charakters der Ansprüche nach dem SGB II bejaht. Dabei darf § 73 SGB XII nicht beliebig als Auffangvorschrift herangezogen werden, da sonst der pauschalisierende Charakter der Regelleistung nach § 20 SGB II umgangen werden könnte. Anwendung kann § 73 SGB XII jedoch in solchen Fällen finden, in denen eine gewisse Nähe zu den in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen besteht. Es muss sich demnach um eine atypische Bedarfslage von besonderem Gewicht handeln. Allein ein erhöhter Bedarf reicht nicht aus. Für die Anschaffung von Schulmaterialien und die zusätzlichen Kosten durch Schulverpflegung, die bereits im Rahmen der Regelleistung berücksichtigt wurden, scheidet ein solcher Anspruch daher aus. Eine atypische Bedarfslage hat das Bundessozialgericht in der o.g. Entscheidung dagegen bei der Übernahme von Fahrtkosten im Rahmen des elterlichen Umgangsrechts anerkannt.

Eine ebensolche atypische Bedarfslage ist im Falle der Antragstellerinnen zu 1 und 3 darin zu sehen, dass sie ohne die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht in der Lage sind, die 11. Klasse der F-Schule in F-Stadt zu besuchen. Die Entfernung zwischen der Schule und dem Wohnort der Antragstellerinnen beläuft sich auf ca. 11,5 km. Den Antragstellerinnen ist es nicht zumutbar, diese Strecke an den Schultagen über das gesamte Schuljahr hinweg zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mittels Fahrgemeinschaften zu bewältigen. Die Entfernung reicht nach Ansicht des Gerichts im vorliegenden Einzelfall aus, um die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu rechtfertigen. Ohne Übernahme der Fahrtkosten wären die Antragstellerinnen gegebenenfalls gezwungen, ihre schulische Ausbildung abzubrechen, da bei dauerhaftem Bezug von SGB II-Leistungen nicht davon ausgegangen werden kann, dass die erforderlichen Kosten aus dem im Regelsatz vorgesehenen Bedarf für Transport und Verkehr sowie der zumutbaren Ansparleistung der Bedarfsgemeinschaft gedeckt werden können.

Als weiteres Erfordernis für die Hilfeleistung gemäß § 73 SGB XII kommt hinzu, dass die sonstige Bedarfslage den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen muss. Geboten ist eine wertende Entscheidung mit anderen Bedarfslagen, wobei Ausmaß und Schwere der atypischen Lebenssituation in den Vergleich einzubeziehen sind. Zu berücksichtigen ist auch, ob durch die erforderliche Hilfestellung etwaige spätere und unter Umständen höhere Kosten vermieden werden können (Berlit in LPK-SGB XII § 73 Rz. 9). Entscheidend ist insoweit, ob Art und Dringlichkeit der sonstigen Lebenslage eine Hilfestellung erfordern, ohne dass die Vorschrift des § 73 SGB XII zu einem allgemeinen Auffangbecken für sämtliche Notlagen wird. Das ist vorliegend zu bejahen.

Der Einsatz öffentlicher Mittel zur Übernahme der Schülerbeförderungskosten in der atypischen Situation der Antragstellerinnen ist deshalb geboten, um ihre Teilhabechancen für Jugendliche aus Haushalten von SGB II-Leistungsbeziehern zu fördern. In der Bundesrepublik Deutschland haben derzeit Kinder und Jugendliche aus armen Haushalten nicht dieselben Chancen, am Bildungserfolg zu partizipieren wie Kinder und Jugendliche von besser situierten Eltern. So haben z.B. Kinder aus der oberen Einkommensschicht bei gleichen kognitiven Fähigkeiten eine sechs Mal höhere Chance, ein Gymnasium zu besuchen, als jene aus unteren bis mittleren Einkommensschichten (BT-Drucksache 16/5253). Der Zugang zu Bildung ist eine zentrale Aufgabe des Einsatzes öffentlicher Mittel, weil dadurch die Zukunftsperspektiven des Landes maßgeblich beeinflusst werden. Dabei ist sicher zu stellen, dass der Zugang zu Bildung nicht nur formal gleichberechtigt allen Kindern und Jugendlichen offen steht, sondern dass auch die materiellen Voraussetzungen geschaffen werden, um die Angebote tatsächlich beanspruchen zu können (BT-Drucksache 16/4486). Dem Einsatz öffentlicher Mittel in Form der Übernahme von Schülerbeförderungskosten für den Fall der Antragstellerinnen stehen folglich keine fiskalischen Gesichtspunkte entgegen (ebenso Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. Dezember 2007, Az. L 7 AS 666/07 ER).

Schließlich ist das nach § 73 SGB XII dem Leistungsträger eingeräumte Ermessen im vorliegenden Einzelfall auf Null reduziert, da bei Ausbleiben der Leistungsgewährung das grundrechtlich geschützte Existenzminimum der Antragstellerinnen in ihrer atypischen Bedarfslage gefährdet wäre.

Die Antragstellerinnen haben jedoch nur für die Antragstellerinnen zu 1 und 3 einen Anspruch auf Schulfahrtkostenerstattung glaubhaft gemacht. Im Hinblick auf die Antragstellerin zu 2, die noch die Vollzeitschulpflicht erfüllt, ist auf die vorrangige Möglichkeit der Übernahme der Schulbeförderung nach § 161 Abs. 1 Hessisches Schulgesetz zu verweisen.

Der glaubhaft gemachte Anordnungsanspruch ist zudem auf den Zeitraum nach Antragstellung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu begrenzen, da Leistungen im Wege des einstweiligen Rechtschutzes regelmäßig nur für die Zukunft gewährt werden können (so bereits zu § 123 VwGO analog Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 07.12.1989, Az. V EABs 83/89; zuletzt zu § 86 b Abs. 2 SGG Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.8.2007, Az. L 26 B 807/07 AS ER; ebenso Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr. 28). Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im – grundsätzlich vorrangigen – Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 – 1 BvR 1586/02, NJW 2003, 1236 und vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05, NVwZ 2005, 927). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung des Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit bereits vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat.

Der erforderliche Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass die Antragstellerinnen als Leistungsbezieher von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II die erforderlichen Kosten der Schulbeförderung derzeit nicht aufbringen können und damit ihr existenzieller Bedarf gefährdet ist. Ein weiteres Zuwarten auf eine Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren ist den Antragstellerinnen nicht zuzumuten.

Auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes kann das Gericht die Beigeladene nach § 75 Abs. 5 SGG zu Leistungen verpflichten, ohne dass es eines weiteren gerichtlichen Verfahrens bedürfte (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 75, Rn. 18a).

Da die Leistungen nach § 73 SGB XII im vorliegenden Fall streng Zweckgebunden sind, war die Vorlage der Monatskarten im Tenor als Voraussetzung der Leistungsgewährung aufzunehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung von § 193 SGG. Dabei können auch der Beigeladenen als Beteiligter des Verfahrens Kosten auferlegt werden (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 193, Rn. 11). Die nur anteilige Erstattungspflicht entspricht dem Umfang der zugesprochenen Leistungen gemessen am Begehren der Antragstellerinnen.

Die Rechtsmittelbelehrung folgt aus § 172 SGG.

Rechtskraft
Aus
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