S 2 R 889/07

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 2 R 889/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 74/17
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

1. Die Klage wird abgewiesen. 

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung von in der ehemaligen UdSSR zurückgelegter Versicherungszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) als nachgewiesene Zeiten anstatt als glaubhaft gemachte Zeiten sowie um die Berechnung der zugrunde zu legenden Entgeltpunkte. 

Der 1950 in C-Stadt/UdSSR geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Er ist am 06.12.1990 aus der ehemaligen UdSSR in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Er ist Inhaber eines Vertriebenenausweises Buchstabe „A“. 

Im Oktober 1991 beantragte er die Kontenklärung seines Versicherungskontos bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Er gab an, von 1967-1972 ein Maschinenbaustudium absolviert zu haben. Des Weiteren gab er an, ab September 1972 mit einigen Unterbrechungen in Vollzeitbeschäftigung in verschiedenen Betrieben im Bereich Maschinenbau teils in Leistungsfunktion gearbeitet zu haben. 
Er legte die Kopie seines Arbeitsbuchs der UdSSR bei der Beklagten vor. 
Hieraus gehen insbesondere folgende Beschäftigungszeiten hervor: 

-    05.10.1972 – 06.10.1975 als Meister bzw. Hauptdispatscher, Petropawlowsk, Schwermaschinenbauwerk
-    31.10.1975 – 25.04.1979 als Leiter für die technische Seite
-    23.05.1979 – 26.01.1987 und vom 30.01.1987 - 13.11.1990 in verschiedenen technischen Leistungsfunktionen im Werkzeugmaschinenwerk D. und E.

Mit Bescheid vom 21.01.1997 stellte die Beklagte nach § 149 Abs. 5 SGB VI die zurückgelegten Zeiten bis zum 31.12.1990 verbindlich fest. 
Für die Zeiträume vom 

-    05.10.1972 – 06.10.1975
-    31.10.1975 – 25.04.1979
-    23.05.1979 – 26.01.1987
-    30.01.1987 – 13.11.1990

erkannte die Beklagte als Pflichtbeitragszeiten an und teilte mit, dass diese Zeiten zu 5/6 angerechnet werden. 
Entgeltpunkte sind im Bescheid vom 21.01.1997 nicht ausgewiesen.
Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden. 

Mit Bescheid vom 22.10.2003 stellte die Beklagte weitere Zeiten nach § 149 Abs. 5 SGB VI verbindlich fest. 

Am 09.06.2006 beantragte der Kläger die Überprüfung der festgestellten rentenrechtlichen Zeiten vom 23.05.1979 bis 26.01.1987 und 30.01.1987 bis 13.11.1990 unter Vorlage der Bescheinigungen Nr. xxx4 und xxx5 des ehemaligen Arbeitgebers, der Offenen Aktiengesellschaft, Werk für Maschinenbau D. in D-Stadt, Republik Ukraine vom 12.05.2006, in denen das jeweilige monatliche Arbeitsentgelt der Jahre 1979 bis 1987 ausgewiesen war. Zudem legte er die Bescheinigung Nr. xxx6 des Arbeitgebers vom selben Tag vor, aus der hervorgeht, dass der Kläger im Zeitraum vom 23.05.1979 bis zum 26.01.1987 im Werk D. in D-Stadt gearbeitet und dass es keinerlei Arbeitsunterbrechungen gegeben habe. Darüber hinaus legte der Kläger die Bescheinigungen Nr. 03-34/1870 und 04/1811 des Werks E., beide vom 25.05.2006, vor. Aus der Bescheinigung Nr. 03-34/1870 geht für den Zeitraum vom 30.01.1987 bis 13.01.1990 hervor, dass auch hier keine Arbeitsunterbrechungen vorgelegen haben. Aus der Bescheinigung Nr. 04/1811 gehen die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte hervor. 
Der Kläger begehrte die Anerkennung der Zeiten von 1979 bis 1990 als nachgewiesene anstatt als glaubhaft gemachte Zeiten. 

Mit Bescheid vom 17.07.2006 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 21.01.1997 und des Bescheides vom 22.10.2003 ab. Das Recht sei weder unrichtig angewandt noch sei von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden. Den vorgelegten Arbeitgeberbescheinigungen käme kein höherer Beweiswert als dem bereits vorliegenden Arbeitsbuch zu, so dass es bei den getroffenen Feststellungen verbliebe. 

Der hiergegen am 14.08.2006 erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg. 

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. 
Die Feststellungen in den angegriffenen Bescheiden beruhten auf der Vorlage des sowjetischen Arbeitsbuches des Klägers. Hierin seien lediglich Beginn und Ende eines Beschäftigungsverhältnisses dokumentiert. Daher sei es zum Nachweis nicht ausreichend, da Unterbrechungen nicht dokumentiert würden. Auch die nun vorgelegten Unterlagen seien nicht zum Nachweis geeignet, da auch hieraus keine Fehlzeiten hervorgingen. Diese seien aber erforderlich, da bei Arbeitunfähigkeit keine Beiträge zur sowjetischen Sozialversicherung hätten entrichtet werden müssen, worauf es aber nach § 15 FRG ankomme. 

Hiergegen richtet sich die am 18.12.2006 erhobene Klage zu dem Sozialgericht Gießen, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 24 AS 600/06 geführt wurde. Ab 16.10.2007 wurde die Klage unter dem Aktenzeichen S 11 R 889/07 bzw. nach einem Wechsel der Kammerzuständigkeit unter dem Aktenzeichen S 2 R 889/07 geführt. 

Bereits mit Beschluss vom 07.08.2007 wurde das Verfahren hinsichtlich der Absenkung der Entgeltpunkte auf 60% abgetrennt und zunächst unter dem Aktenzeichen S 24 AS 715/07 geführt. Nach Abgabe innerhalb des Sozialgerichts Gießen wurde es unter dem Aktenzeichen S 11 R 890/07 bzw. S 2 R 890/07 geführt und schließlich mit Beschluss vom 26.02.2008 mit dem Verfahren S 2 R 889/07 verbunden.  

Mit Bescheid vom 06.11.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.12.2006 und mit Bescheid vom 07.11.2007 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 01.12.2007. Die Beklagte ging davon aus, dass die Bescheide gem. § 96 SGG Gegenstand des hiesigen Klageverfahrens geworden sind. 

Der Kläger wendete sich im laufenden Klageverfahren nun auch gegen die Bescheide vom 06.11.2007 und 01.07.2007. Er begehrte insbesondere statt der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ohne Abschlag mit einem Zugangsfaktor 1,0.

Im Hinblick auf die nicht im hiesigen Verfahren anhängigen Streitgegenstände hielt die Beklagte die Klageerweiterung für unzulässig. Die Bescheide, mit denen dem Kläger Erwerbsminderungsrente gewährt worden sei, seien lediglich hinsichtlich der Frage der Anrechnung der in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten Zeiten Gegenstand des hiesigen Klageverfahrens geworden. Soweit nun darüber hinausgehende Korrekturen verlangt würden, sei zunächst ein Vorverfahren durchzuführen. 

Der Kläger hat im laufenden Klageverfahren weitere Bescheinigungen Nr. xxx1, xxx2, xxx3 vom 14.05.2007 des Werkes D. vorgelegt. Aus ihnen geht die Anzahl der jeweiligen Arbeitstage im Kalendermonat, die tatsächlich gearbeiteten Tage sowie Urlaubs- und Krankheitstage für den Zeitraum Januar 1983 bis Januar 1987 hervor. Es sind krankheits- und urlaubsbedingte Fehlzeiten ausgewiesen. 
Ergänzend hat der Kläger des Weiteren die Bescheinigung Nr. xxx7 vom 26.06.2008 vorgelegt. Hieraus geht hervor, dass der Kläger als Vertreter des staatlichen Komitee für Qualitätssicherung im Werk „E.“ in D-Stadt vom 30.01.1987 bis zum 13.11.1990 gearbeitet habe. Es wurden monatliche Gehälter für vier verschiedene Zeiträume angegeben und ausgeführt, dass die tatsächlichen Auszahlungen Zuschüsse und andere Zuschläge enthielten. 

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Zeiten 05.10.1972 bis 06.10.1975, 31.10.1975 bis 25.04.1979, 23.05.1979 bis 26.01.1987 und 30.01.1987 bis 13.11.1990 nachgewiesen und nicht lediglich glaubhaft gemacht worden seien. Durch die Bescheinigungen des ehemaligen Arbeitgebers seien diese Zeiten nachgewiesen. Dies könnten auch mehrere benannte Zeugen bestätigen.
Im Übrigen würden die Versicherungsbeiträge an die Rentenversicherung in der Ukraine ungeachtet der tatsächlichen Arbeitsleistung erbracht, so dass es auf Fehlzeiten nicht ankomme. Die Schwankungen in der Lohnhöhe ergäben sich aus Zuschüssen für gute Arbeit, die auf das monatliche Grundgehalt aufgeschlagen worden seien. 
Im Übrigen seien beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten nicht zu kürzen. 
Auch sei eine Absenkung in Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG auf 60 % nicht zulässig und die Entgeltpunkte seitens der Beklagten fehlerhaft berechnet.  

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt zuletzt,

1.    die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 17.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2006 aufzuheben und in Abänderung der Bescheide vom 21.01.1997 und 22.10.2003 einen neuen Bescheid über die Feststellung zurückgelegter Zeiten bis zum 31.12.1996 zu erlassen und dabei die Zeiten vom 05.10.1972 bis 06.10.1975, vom 31.10.1975 bis 25.04.1979, vom 23.05.1979 bis 26.01.1987 und vom 30.01.1987 bis zum 13.11.1990 als nachgewiesene Beitragszeiten mit 6/6-Werten zu berücksichtigen,

hilfsweise, im Falle der Feststellung der Rechtmäßigkeit einer 1/6-Kürzung, wird beantragt, unter Zugrundelegung von ungekürzten Entgeltpunkten für Beitragszeiten bei der Berechnung der Entgeltpunkte für beitragsgeminderte, beitragsfreie und Berücksichtigungszeiten diese bei der Rente zu berücksichtigen,

2.    die Beklagte zu verurteilen, bei der Berechnung der Rente ungekürzte Entgeltpunkte ohne Absenkung auf 60% in Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG für Beitragszeiten bei der Berechnung der Entgeltpunkte für beitragsgeminderte, beitragsfreie und Berücksichtigungszeiten zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist auf ihre Ausführungen im Widerspruchbescheid. Darüber hinaus ist sie der Ansicht, dass die im Klageverfahren vorgelegten Bescheinigungen des Arbeitgebers widersprüchlich und nicht zum Nachweis der Zeiten ausreichend seien. Im Übrigen sei die Klage unzulässig, denn über die Bewertung der Zeiten nach dem FRG werde erst im Leistungsfall entschieden.  

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen. 

Entscheidungsgründe

Gegenstand des Klageverfahrens ist alleine der Bescheid vom 17.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2006 und damit lediglich die Feststellung der zurückgelegten rentenrelevanten Zeiten. Die später ergangenen Bescheide betreffend die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung sind weder nach § 96 Sozialgerichtsgesetz – SGG – Gegenstand des Klageverfahrens geworden noch ist eine Klageänderung im Sinne einer Klageerweiterung i.S.v. § 99 SGG zulässig gewesen. 
Die Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 SGG liegen nicht vor, denn die Bescheide, die die Gewährung der Erwerbsminderungsrente betreffen, stellen keine Änderung oder Ersetzung der hier im Streit stehenden Bescheide dar. Vielmehr hat die Beklagte neue Regelungen hinsichtlich der Gewährung der Rente, ihrer Höhe und Dauer getroffen. Soweit die im hiesigen Verfahren streitgegenständlichen Zeiten die Grundlage auch der Rentenbescheide bilden, handelt es sich um eine wiederholende Verfügung des im hiesigen Verfahren betroffenen Streitgegenstandes. Die Voraussetzungen des § 99 Abs. 1 SGG sind nicht erfüllt, weil die Beklagte weder in die Klageänderung eingewilligt hat – was sie ausdrücklich mit Schreiben vom 28.10.2008 deutlich gemacht hat – und das Gericht die Änderung nicht für sachdienlich hält, da hinsichtlich der genannten neuen Regelungsgegenstände die Klagevoraussetzungen – nämlich die Durchführung des Vorverfahrens - noch nicht vorliegen. 

Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. 

Der Bescheid vom 17.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2006 sowie die Bescheide vom 21.01.1997 und 22.10.2003 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in ihren Rechten. 

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Änderung der Bescheide vom 21.01.1997 und 22.10.2003 und die Anerkennung der Zeiten vom 05.10.1972 bis 06.10.1975, vom 31.10.1975 bis 25.04.1979, vom 23.05.1979 bis 26.01.1987 und vom 30.01.1987 bis 13.11.1990 als nachgewiesene anstatt lediglich als glaubhaft gemachte Zeiten. 

Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 44 Abs. 2 SGB X).

Gemäß § 15 Abs. 1 S.1 in Verbindung mit § 1 a) Fremdrentengesetz - FRG – stehen bei einem anerkannten Vertriebenen – wie dem Kläger - Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich.
§ 4 Abs. 1 FRG bestimmt, dass es für die Feststellung der nach diesem Gesetz erheblichen Tatsachen genügt, wenn sie glaubhaft gemacht sind. 
Während der vollständige Beweis einer Beitragszeit deren ungeschmälerte Anrechnung zur Folge hat, sieht das Fremdrentenrecht bei lediglich glaubhaft gemachten Beitragszeiten jedoch seit jeher nur eine eingeschränkte rentenrechtliche Berücksichtigung vor. Nach § 22 Abs. 3 FRG in der ab 1. Januar 1992 geltenden neuen Fassung (n.F.) findet bei lediglich glaubhaft gemachten Beitrags- oder Beschäftigungszeiten demgegenüber eine Kürzung der zu ermittelnden Entgeltpunkte um ein Sechstel statt. Die Kürzung auf fünf Sechstel beruht dabei in beiden Fällen auf der durch statistische Untersuchungen gewonnenen Erfahrung, dass auch die durchschnittliche Beitragsdichte im Bundesgebiet (nur) diesem Umfang entspricht (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 19 Abs. 2 FRG in Bundestags-Drucksache 3/1109, S. 42 sowie BSG SozR 5050 § 15 Nr. 4 und 16 m.w.N.). Um eine Besserstellung des fremdrentenberechtigten Personenkreises gegenüber den in der Bundesrepublik Deutschland rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern zu vermeiden, muss eine höhere Beitragsdichte bezüglich etwaiger Fremdrentenzeiten deshalb jeweils im Einzelfall nachgewiesen werden (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 17.07.2009, Az. L 5 R 209/08).
Wie sich aus § 4 Abs. 1 Satz 2 FRG ergibt, ist eine Tatsache glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Für die Glaubhaftmachung ist es demgemäß ausreichend, wenn bei Würdigung aller Gesamtumstände die gute Möglichkeit besteht, dass sich der Vorgang so, wie es behauptet wird, zugetragen hat, und wenn für das Vorliegen dieser Möglichkeit trotz verbleibender begründeter Zweifel letztlich mehr spricht als dagegen. Der vollständige Beweis (Nachweis) ist demgegenüber regelmäßig erst dann geführt, wenn für das Vorliegen der behaupteten rechtserheblichen Tatsachen ein derart hoher, an Gewissheit grenzender Grad von Wahrscheinlichkeit spricht, dass sämtliche begründeten Zweifel demgegenüber aus der Sicht eines vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen vollständig zu schweigen haben (vgl. BSGE 6, 144).

Ausgehend von diesen Grundsätzen können die von dem Kläger behaupteten Beitragszeiten, die im Gebiet der ehemaligen UdSSR zurückgelegt worden sind, nur als glaubhaft gemacht, nicht aber als bewiesen angesehen werden. Denn es steht lediglich fest, dass der Kläger in der ehemaligen UdSSR zu bestimmten Zeiten in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden hat und dass er während dieser Zeiten grundsätzlich der Beitragspflicht zur dortigen Rentenversicherung unterlag. Echte Beitragszeiten im Sinne des § 15 FRG können jedoch nur als bewiesen angesehen werden, soweit feststeht, dass für einen bestimmten Zeitraum auch tatsächlich Beiträge entrichtet worden sind. Ausreichend ist dabei jedes irgendwie geartete Beitragsaufkommen, das auf die betreffenden Zeiten zu beziehen ist (vgl. BSGE 6, 263, 265; BSG vom 10.12.1971 in SozR Nr. 16 zu § 15 FRG; BSG vom 31.08.1977 in BSGE 44, 223; BSG vom 27.05.1970, Az. 11 RA 147/67). Nachgewiesen sind Beitragszeiten in diesem Sinne allerdings nicht bereits dann, wenn lediglich Anfang und Ende des jeweiligen Zeitraums einer beitragspflichtigen Beschäftigung genau bekannt sind. Vielmehr muss darüber hinausgehend auch feststehen, dass währenddessen keine Ausfalltatbestände (krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit usw.) eingetreten sind, die zu einer – wenn auch nur vorübergehenden – Unterbrechung der Beitragsentrichtung geführt haben (vgl. BSGE 38, 80; BSG vom 24.07.1980, Az. 5 RJ 38/79).

Für die Zeiträume vom 05.10.1972 bis 06.10.1975, vom 31.10.1975 bis 25.04.1979 ergibt sich dies bereits daraus, dass der Kläger weder im Verwaltungsverfahren noch im Klageverfahren ergänzende Unterlagen vorgelegt hat. Sämtliche im Überprüfungsverfahren vorgelegten Bescheinigungen beziehen sich auf die Zeiträume vom 23.05.1979 bis 26.01.1987 und vom 30.01.1987 bis 13.11.1990, in denen er bei dem Werk D. bzw. E. in D-Stadt beschäftig war. Die Feststellung der davor liegenden Zeiträume beruht alleine auf der bereits bei Beantragung 1991 vorgelegten Kopie des Arbeitsbuches des Klägers. Es ist weder ersichtlich, dass die Beklagte insoweit von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, noch das Recht unrichtig angewandt hat. Die sich aus dem Arbeitsbuch der ehemaligen UdSSR ergebende Beschäftigungszeiten weisen lediglich den Beginn und das Ende der Tätigkeit aus, sie enthalten jedoch keine Angaben über Arbeitsunterbrechungen. Daher ist das Arbeitsbuch nicht geeignet, den Nachweis einer ununterbrochenen Beitragsleistung zu führen (BSG, Urteil vom 21.04.1982, Az. 4 RJ 33/81). 

Aber auch für die Zeiträume vom 23.05.1979 bis 26.01.1987 und vom 30.01.1987 bis 13.11.1990 liegen die Voraussetzungen des § 44 SGB X nicht vor.
Die eingereichten Bescheinigungen des Rechtsnachfolgers des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers sind nicht ausreichend, um die bestehenden Zweifel auszuräumen und sind nicht geeignet, als Nachweis der Beschäftigungszeiten zu dienen. Es verbleibt bei der Glaubhaftmachung der Zeiten i.S.d. § 4 FRG, denn die Bescheinigungen weisen erhebliche Widersprüche und Ungereimtheiten auf. 

Mit der Bescheinigung Nr. xxx6 vom 12.05.2006 bescheinigte der Vorsitzende des Vorstandes, F., und der Buchhalter, G., der Offenen Aktiengesellschaft, Werk für Maschinenbau D. in D-Stadt, dass der Kläger tatsächlich in der Zeit vom 23.05.1979 bis 26.01.1987 im Werk D. gearbeitet hat und dass in dieser Zeit keine Arbeitsunterbrechungen wegen Krankheit, Streik, Invalidität, Arbeitslosigkeit, Ableistung des Wehrdienstes, Weiterbildung, unbezahltem Urlaub oder aus sonstigen Gründen vorgelegen hätten. 
Auf erneute Anfrage des Klägers stellten dieselben unterzeichnenden Personen die weiteren Bescheinigungen Nr. xxx2 und xxx3 vom 14.05.2008 aus. Hieraus ergeben sich   entgegen der ersten Bescheinigung Nr. xxx6 – für verschiedene Monate nun Urlaubs- und Krankheitszeiten, obwohl alle Daten ausweislich der Bescheinigung Nr. xxx1 aus den Archivunterlagen entnommen sind. 
Dies lässt die Richtigkeit der Angaben des Arbeitgebers insgesamt zweifelhaft erscheinen.  

Darüber hinaus ist aber auch keine der vorgelegten Bescheinigungen geeignet, einen Nachweis i.S.d. FRG zu erbringen. 
Die Bescheinigungen Nr. xxx4, xxx5, xxx6, xxx1 sowie Nr. 03-34/1870, 04/1811 und xxx7 enthalten allesamt keine konkreten Angaben zu den monatlich gearbeiteten Tagen und zu eventuellen Fehlzeiten und sind schon deswegen zum Nachweis ungeeignet. 
Hinsichtlich der Bescheinigungen Nr. 03-34/1870, 04/1811 und xxx7 fällt auf, dass nach der Bescheinigung Nr. 03-34/1870 keinerlei Fehlzeiten vorgelegen haben sollen, die Monate Mai 1989 (220,1 Rubel), September 1990 (250,20 Rubel) und Oktober 1990 (19,95 Rubel) aber geringere Entgelte als das nach der Bescheinigung Nr. xxx7 angebliche monatliche Grundgehalt aufweisen. Dies spricht aber gerade gegen ein fehlzeitenloses Beschäftigungsverhältnis.
Die Bescheinigungen Nr. xxx2 und xxx3 sind aufgrund der nicht nachvollziehbaren und unrealistischen Tagesangaben und der widersprüchlichen Aussagen in den vorgelegten Bescheinigungen nicht zum Nachweis geeignet. Die bescheinigten Arbeitstage in verschiedenen bescheinigten Monaten weichen von den tatsächlich möglichen Arbeitstagen ab. Insoweit wird auf die Ausführungen der Beklagten im Schreiben vom 27.11.2008 Bezug genommen, die sich das Gericht zueigen macht und die der Kläger zur Überzeugung des Gerichts nicht ausreichend widerlegen konnte. 
Darüber hinaus wurden beispielsweise die im Dezember 1986 bescheinigten zwei Krankheitstage nicht von den tatsächlichen gearbeiteten Tagen abgezogen. 

Nach alledem ist im Hinblick auf die vorliegenden Bescheinigungen eine Fülle von Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten feststellbar, so dass sie zur Überzeugung der Kammer lediglich als Mittel der Glaubhaftmachung angesehen werden können. Im Ergebnis kann eine den Anteil von fünf Sechsteln übersteigende höhere Beitragsdichte während der streitigen Zeiträume damit zur Überzeugung der Kammer insgesamt nicht als bewiesen angesehen werden. Denn es spricht für eine ununterbrochene Beitragsentrichtung nicht ein derart hoher, an Gewissheit grenzender Grad von Wahrscheinlichkeit, dass sämtliche begründeten Zweifel demgegenüber aus der Sicht eines vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen vollständig zu schweigen hätten.

Weitere Ermittlungen waren nicht anzustellen. 
Die Beiziehung der Originalunterlagen konnte unterbleiben, weil Zweifel an der Richtigkeit der gesamten Dokumentation der Arbeitgeber in der ehemaligen UdSSR über die genauen Arbeitszeiten und Fehlzeiten schon deshalb angebracht sind, weil nach dem Recht des Herkunftsgebiets keine Veranlassung bestand, die Listen detailliert zu führen. Denn sie waren in ihren Rechtswirkungen letztlich folgenlos, da in der ehemaligen Sowjetunion in die allgemeine Beschäftigungsdauer neben der sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit unter anderem auch der Militärdienst und weitere Zeiten eingerechnet wurden, in denen ein Arbeitnehmer krank geschrieben war (vgl. dazu Bilinsky, Das Sozial- und Versorgungsrecht in der Sowjetunion, Jahrbuch für Ostrecht Band XIII. 1982 S. 106, vgl. insgesamt u.a. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 17.07.2009, Az. L 5 R 209/08). Sie mussten daher im Arbeitsbuch nicht vermerkt werden (vgl. bereits Hessisches Landessozialgericht vom 11.11.2003, Az. L 2 RJ 25/03). Da auch kürzere Krankheitszeiten als Versicherungszeiten galten, bestand kein Anlass, derartige Zeiten in den – eher betriebswirtschaftlichen Zwecken dienenden – Lohnlisten zu dokumentieren (vgl. Hessisches Landessozialgericht vom 22.05.2001, Az. L 2 RJ 1040/00).
Soweit der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung ein Rechtsgutachten des Institut für Ostrecht München e.V. vom 31.05.2010 vorgelegt hat, aus dem sich ergeben soll, dass Fehlzeiten in der ehemaligen UdSSR entgegen den obigen Ausführungen zu dokumentieren gewesen seien, ist schon nicht erkennbar, in welchem Zusammenhang die Fragestellung erfolgt ist und ob sie auf die Beschäftigungsverhältnisse des Klägers übertragbar sind. 
Die Kammer konnte auch auf die Anhörung der von dem Kläger benannten Zeugen verzichten. Zwar kann der Nachweis einer ununterbrochenen Beschäftigungszeit unter Umständen auch durch zusätzliche Zeugenerklärung erbracht werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.01.1998, Az. L 4 J 164/97). Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sich aus den Zeugenerklärungen mit ähnlicher Sicherheit wie aus Versicherungsunterlagen oder Lohnlisten ergibt, dass eine ununterbrochene Beitragsleistung vorgelegen hat. Nach der Vorlage der widersprüchlichen Arbeitgeberbescheinigungen kann den Zeugenerklärungen schon nicht der ausreichende Beweiswert zukommen. Zudem hatte der Kläger die Zeugen zum Beweis dafür benannt, dass in der Zeit vom 23.05.1979 bis zum 13.11.1990 keine Unterbrechungen in der Beschäftigungszeit gegeben waren und keine Fehlzeiten vorlagen, obwohl er seinen eigenen Vortrag durch die Vorlage der Bescheinigungen Nr. xxx2 und xxx3 bereits dahin gehend geändert hatte, dass doch Arbeitsunterbrechungen vorlagen. 

Der Hilfsantrag zu 1) kann keinen Erfolg haben, denn die Berechung der Entgeltpunkte ist erstmals im Zeitpunkt des Leistungsfalls erfolgt, also mit der Gewährung der Rente wegen Erwerbsminderung. Die entsprechenden Bescheide sind nicht – wie oben ausgeführt – Gegenstand des hiesigen Klageverfahrens. 
Gleiches gilt für den Klageantrag zu 2). 

Nach alledem war die Klage abzuweisen. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten. 
Die Rechtsmittelbelehrung folgt aus §§ 143 ff SGG

Rechtskraft
Aus
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