1. Der Bescheid der Beklagten vom 04.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2014 wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass keine Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. bei der Klägerin seit dem 11.01.2013 besteht.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über das Vorliegen der Versicherungspflicht aufgrund einer Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. seit 11.01.2013 bei der Klägerin als Hygienefachkraft.
Die Klägerin ist eine Fachklinik für integrative Onkologie.
Die 1976 geborene Beigeladene zu 1. ist ausgebildete Fachkinderkrankenschwester für Hygiene (Hygienefachkraft) und bietet unter dem Namen E. E-Stadt entsprechende Dienstleistungen an.
Im Zeitraum vom 01.06.2007 bis zum 30.06.2011 war die Beigeladene zu 1. in Teilzeit mit einer halben Stelle als Hygienefachkraft bei der F-Klinik GmbH in F-Stadt abhängig beschäftigt, wobei sie sich den größten Teil der Beschäftigungszeit in Elternzeit bzw. in unbezahltem Urlaub befand. Wie sich aus den beigezogenen Unterlagen der Beigeladenen zu 4. ergibt, beantragte die Beigeladene zu 1. am 20.06.2011 einen Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) ab dem 02.07.2011 als selbständige Hygienefachkraft. Sie legte einen entsprechenden Businessplan vor. Im Wesentlichen besteht die Unternehmenstätigkeit der Beigeladenen zu 1. hiernach darin, in verschiedenen Einrichtungen wie Krankenhäusern oder Pflegeheimen direkt vor Ort Hygieneschulungsmaßnahmen durchzuführen und Missstände aufzudecken und zu beseitigen. Darüber hinaus waren weitere Dienstleistungen im Angebot der Beigeladenen zu 1., wie die Beratung in Hygienefragen, die Erstellung von Standards, Fortbildung und Protokollierung. Mit Bescheid vom 02.08.2011 bewilligte die Beigeladene zu 4. die Gewährung eines Gründungszuschusses für die Aufnahme dieser selbständigen Tätigkeit für den Zeitraum vom 02.07.2011 bis zum 01.04.2012 in Höhe von monatlich 913,80 Euro. Mit Bescheid vom 25.04.2012 gewährte die Beigeladene zu 4. den Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit über den 01.04.2012 hinaus bis zum 01.10.2012 in Höhe von 300,00 Euro weiter.
Am 11.01.2013 schlossen die Klägerin und die Beigeladene zu 1. einen Beratervertrag. Vertragsgegenstand ist die Sicherstellung der Tätigkeiten einer Hygienefachkraft innerhalb des Hygienemanagements der von der Klägerin betriebenen Klinik. Die Beigeladene zu 1. übernimmt die hygienerelevante Betreuung der von der Klägerin betriebenen Klinik vor Ort. Nach der Anlage 1 zum Vertrag fällt in die Zuständigkeit der Beigeladenen zu 1. insbesondere
- die Aufdeckung und Beseitigung von vorhandenen Missständen in Absprache mit der Geschäftsleitung der Klägerin,
- die Beratung von Mitarbeitern bei mikrobiologischen und hygienerelevanten Fragestellungen in Problemsituationen,
- die Beratung und Empfehlung bei der Auswahl und Einführung hygienerelevanter Verfahren und Produkte,
- die Erstellung von Standards zum Management bei speziellen Erkrankungen und speziellen Erregern,
- die Überwachung, Überarbeitung und Schulung der Hygienepläne und Reinigung und Desinfektionspläne,
- die Ermittlung des hygienerelevanten Fortbildungsaufwandes und die Planung und Organisation von hygienerelevanten Fortbildungsveranstaltungen sowie deren Durchführung und Protokollierung,
- die eigenverantwortliche Planung und Organisation für Begehungen und Hygienevisiten und deren Durchführung,
- die Erstellung hygienerelevanter Protokolle,
- die Durchführung der Belehrungen nach § 43 Infektionsschutzgesetz (IfSG) nach Absprache sowie
- die Organisation und Protokollierung des „Arbeitskreises Hygiene“.
Das monatliche Zeitkontingent der Tätigkeit umfasst nach § 2 des Beratervertrags 35 Stunden, wobei die Vertragsparteien den Ort der Tätigkeit je nach Bedarf im Einzelnen festlegten.
Unter § 3 des Beratervertrags heißt es, dass die personalrechtliche Weisungsbefugnis gegenüber der Beigeladenen zu 1. als Auftragnehmerin bei der Geschäftsleitung liegt.
Nach § 4 liegt die Verantwortung aller rechtlichen und sonstigen Vorschriften für die Klinik im Hygienemanagement bei der Geschäftsleitung als Auftraggeber.
Das Honorar beträgt pauschal 1.280,00 Euro monatlich zzgl. Mehrwertsteuer. Bei Überschreitung des Stundenkontingents verpflichtete sich der Auftraggeber zur Zahlung eines Stundenhonorars von 55,00 Euro zzgl. Mehrwertsteuer für jede über das monatliche Zeitkontingent hinausgehende Stunde.
§ 5 des Vertrages stellt fest, dass die Durchführung der Leistungen im Hygienemanagementbereich ausschließlich im Namen, Interesse und auf Rechnung der Klinik als Auftraggeber erfolgt.
Der Vertrag trat mit Unterzeichnung in Kraft und hatte eine Gültigkeitsdauer von einem Jahr, wobei er sich automatisch um ein weiteres Kalenderjahr verlängert, wenn die Vertragsparteien ihn nicht kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate zum Monatsende. Auf den Vertrag und die Anlage wird im Übrigen Bezug genommen.
Der Vertrag ist nach den übereinstimmenden Angaben der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. bis zum Tag der mündlichen Verhandlung ungekündigt.
Am 08.10.2013 beantragte die Beigeladene zu 1. bei der Beklagten die Feststellung, dass eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei der Klägerin nicht vorliegt. Sie gab im Antrag an, für ca. zehn verschiedene Einrichtungen tätig zu sein und ab August 2013 eigene Arbeitnehmer zu beschäftigen.
Im Fragebogen für Arbeitgeber beantragte die Klägerin ebenfalls die Feststellung, dass die Beigeladene zu 1. nicht abhängig bei ihr beschäftigt sei.
Die Klägerin führte auf Anfrage der Beklagten u.a. aus, dass die Beigeladene zu 1. im Rahmen des geschlossenen Beratervertrags mit der Geschäftsführung der Klägerin zusammenarbeite. Arbeitsmittel würden ihr nicht gestellt. Die Ausübung erfolge persönlich durch die Beigeladene zu 1. Eine Ersatzkraft könne nicht gestellt werden. Die Aufgabenstellung sei durch gesetzliche Vorschriften im Wesentlichen vorgegeben.
Die Beigeladene zu 1. gab im Wesentlichen an, mit einem Hygienebeauftragten der Klägerin zusammenzuarbeiten. Sie führe eine beratende Tätigkeit aus.
Nach Anhörung der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. mit Schreiben vom 05.12.2013 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 04.02.2014 fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. als Hygienefachkraft bei der Klägerin seit dem 11.01.2013 im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werde und in dem Beschäftigungsverhältnis eine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung ab diesem Zeitpunkt bestehe. Eine Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung bestehe dagegen nicht. Im Wesentlichen führte die Beklagte zur Begründung aus, dass die Beigeladene zu 1. in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden sei und deren Direktionsrecht unterliege.
Mit Schreiben vom 20.02.2014 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein. Es könne nicht sein, dass die Beigeladene zu 1. noch für andere Häuser tätig und bei mehreren Arbeitgebern versicherungspflichtig beschäftigt sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2014 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Beklagte führte aus, dass die Tätigkeit für mehrere Arbeitgeber eine abhängige Beschäftigung nicht ausschließe. Zudem verwies sie wiederum auf ein bestehendes Weisungs- und Direktionsrecht der Klägerin. Die Beigeladene zu 1. gliedere sich klassischerweise in das betriebliche Gefüge der Klinik ein. Auch werde sie erfolgsunabhängig bezahlt, so dass es an einem unternehmerischen Risiko fehle. Sie setze auch ausschließlich ihre eigene Arbeitskraft dienend in einer fremden Arbeitsorganisation ein.
Hiergegen erhob die Klägerin am 23.10.2014 Klage bei dem Sozialgericht Gießen.
Mit Beschluss vom 09.02.2015 hat das Gericht die Beigeladene zu 1. zum Verfahren notwendig beigeladen, mit Beschluss vom 21.03.2016 die Beigeladenen zu 2. - 4.
Die Beigeladene zu 1. hat ihrerseits ebenfalls Klage gegen den Feststellungsbescheid erhoben, die bei dem Sozialgericht Gießen unter dem Aktenzeichen S 2 R 388/15 geführt wurde. Das Gericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 04.05.2015 mangels hinreichenden Rechtsschutzbedürfnisses abgewiesen.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beigeladene zu 1. bei ihr nicht im Status einer abhängigen Beschäftigung tätig sei. Die Klägerin habe mit der Beigeladenen zu 1. einen Beratervertrag geschlossen. Die Vergütung sei erst nach Rechnungsstellung fällig und werde nur nach geleisteten Diensten gezahlt. Anfallende Steuern und Sozialabgaben trage die Beigeladene zu 1. selbst. Sie sei für andere Kliniken tätig, habe nach den Kenntnissen der Klägerin eine eigene Berufshaftpflichtversicherung und sei weisungsfrei tätig. Die Beigeladene zu 1. böte ihre Dienste mehreren Kunden an und schlösse auch mit diesen freiberufliche Beraterverträge. Sie sei auch nicht verpflichtet gewesen, an Fortbildungsmaßnahmen und Besprechungen der Klägerin teilzunehmen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 04.02.2104 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2014 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. bei der Klägerin seit dem 11.01.2013 nicht um eine abhängige Beschäftigung handelt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verbleibt im Wesentlichen bei ihrem Vortrag im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Die Beigeladene zu 1. trägt schriftsätzlich insbesondere vor, dass sie seit Juli 2011 selbständig als freiberufliche Hygienefachkraft tätig sei und Kundenkontakte zu verschiedenen Einrichtungen bestünden. Zwischenzeitlich habe sie vier Mitarbeiter, wovon zwei in Teilzeit und zwei als geringfügig Beschäftigte angestellt seien. Sie hat die jeweiligen Anmeldungen zur Sozialversicherung zu den Akten gereicht, aus denen sich die erste Anmeldung ab dem 01.12.2013 ergibt.
Die Geschäftsführerin der Klägerin und die Beigeladene zu 1. sind in der mündlichen Verhandlung am 17.04.2017 zur Sache befragt worden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Die Beigeladenen zu 2.-4. haben keine Stellungnahmen abgegeben. Die Beigeladene zu 4. hat die Verwaltungsakte betreffend die Beigeladene zu 1. zum Verfahren übersandt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten und der Beigeladenen zu 4., die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 04.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2014 war aufzuheben, da er rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Es war festzustellen, dass keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung, Krankenversicherung und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. bei der Klägerin ab 11.01.2013 besteht.
Der Bescheid der Beklagten vom 04.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2014 ist formell rechtmäßig. Die Beklagte hat eine Anhörung durchgeführt und die Anforderungen an eine Statusfeststellung erfüllt, die das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat (BSG, Urteil vom 11.03.2009, B 12 R 11/07 R; Urteil vom 04.06.2009, B 12 R 6/08 R, juris), und nicht nur eine isolierte Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung "dem Grunde nach", sondern auch über das Vorliegen von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung getroffen. Soweit die Beklagte eine Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung in den angegriffenen Bescheiden nicht festgestellt hat, erfolgt die gleichlautende Feststellung im Urteil nur deklaratorisch.
Materiell-rechtlich ist der angefochtene Bescheid jedoch rechtswidrig, denn die Beklagte hat zu Unrecht eine Beschäftigung und eine Versicherungspflicht der Klägerin in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung im Rahmen der Statusfeststellung festgestellt.
Rechtsgrundlage der Statusfeststellung ist § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Danach hat die Beklagte im Anfrageverfahren über das Vorliegen einer Versicherungspflicht auslösenden Beschäftigung zu entscheiden. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) und § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, grundsätzlich der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung.
Die Klägerin war ab 11.01.2013 bei der Beigeladenen zu 1. nicht gegen Arbeitsentgelt abhängig beschäftigt.
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 01.12.1977, 12/3/12 RK 39/74; Urteil vom 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R; Urteil vom 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R; Urteil vom 22.06.2005, B 12 KR 28/03 R; Urteil vom 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R und Urteil vom 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996, 1 BvR 21/96, juris) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23.06.1994, 12 RK 72/92, juris) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. 02.1995, 12 BK 98/94; Urteil vom 25.04.2012, B 12 KR 24/10 R, juris).
Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben.
Ausgangspunkt der Prüfung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt und sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (Urteil vom 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R; Urteil vom 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R, jeweils m. w. N.). Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht aber der formellen Vereinbarung regelmäßig vor. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen, wenn es der rechtliche Rahmen des Zulässigen erlaubt (BSG, Urteil vom 24.01.2007, a. a. O., m. w. N.). Maßgeblich ist also die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris).
Nicht entscheidend ist, ob der/die Beschäftigte von einem anderen Träger der Sozialversicherung eine Leistung erhalten hat, zu deren Voraussetzung die Aufnahme oder Ausübung einer selbständigen Tätigkeit gehört. Deshalb zwingt die Tatsache, dass die Beigeladene zu 1. von der Bundesagentur für Arbeit einen Gründungszuschuss erhalten hat, nicht zur Annahme einer selbständigen Tätigkeit. Die Regelung der Bundesagentur für Arbeit erschöpft sich in diesem Fall in der Gewährung einer Sozialleistung und enthält keine Feststellung, dass die Tätigkeit, für die der Zuschuss gewährt wird, eine selbständige Tätigkeit ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.07.2016, L 11 R 5180/13, juris Rn. 49; Urteil vom 30.09.2014, L 11 R 2662/13, juris). Zu einer die Klägerin rechtlich bindenden Entscheidung wäre die Bundesagentur für Arbeit auch nicht befugt (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.09.2013, L 11 R 2315/13 ER-B, juris).
Unter Berücksichtigung der benannten Grundsätze ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass die Beigeladene zu 1. ab 11.01.2013 keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei der Klägerin ausgeübt hat und daher keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung, Kranken- und Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat bzw. besteht.
Der Vertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. ist als Beratervertrag geschlossen worden. Zwar spricht der schriftlich festgelegte Vertragsinhalt stellenweise für eine abhängige Beschäftigung der Beigeladenen zu 1., so z.B. insbesondere im Bereich der Weisungsbefugnis, der Verantwortlichkeit für die Einhaltungen der Anforderungen im Hygienemanagement und der Haftung, die bei der Klägerin liegen. Wie sich aus den Befragungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, wurde das Vertragsverhältnis jedoch anders gelebt und die für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Merkmale überwiegen.
Für eine selbständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. spricht, dass diese nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung ihre Tätigkeit – entgegen der Regelung des Vertrages - überwiegend weisungsfrei erbringt. Sie ist nach den Angaben der Beteiligten insbesondere an die Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes gebunden, deren Einhaltung sie sicherstellen soll. Rechtliche Regelungen für Hygienefachkräfte finden sich im Infektionsschutzgesetz sowie § 8 der Hessischen Hygieneverordnung (HHygVO). Die Klägerin bedient sich damit der Sachkunde der Beigeladenen zu 1. um ihre eigenen Verpflichtungen zu erfüllen, was einer klassischen Beratertätigkeit entspricht. Soweit sich aus den gesetzlichen Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes ergibt, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. in festgelegten Grenzen zu verrichten ist, bedeutet dies jedoch nicht, dass die Tätigkeit nur im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung verrichtet werden kann. Denn bei den gesetzlichen Bestimmungen handelt es sich nicht um eine Weisung der Klägerin im Sinne einer dienstlichen Anweisung. Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung vorliegt oder nicht, kommt es auf das Verhältnis zwischen der Beigeladenen zu 1. und der Klägerin an.
Die Beigeladene zu 1. hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie im Innenverhältnis zur Klägerin für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben im Hygienebereich verantwortlich und für eine fehlerhafte Erbringung ihrer Dienste auch haftbar gegenüber der Klägerin ist. Insoweit trägt sie ein eigenes Haftungsrisiko.
Die Beigeladene zu 1. ist überdies in ihrer Zeiteinteilung frei. Es besteht keine ständige Dienstbereitschaftspflicht und es werden der Beigeladenen zu 1. von der Klägerin keine festen Arbeitszeiten ohne vorherige Absprache und gegen den Willen der Klägerin zugewiesen, vielmehr bestimmt die Beigeladene zu 1. überwiegend selbst, wann sie die vertraglich geschuldete Leistung für die Klägerin erbringt. Soweit die von der Beigeladenen zu 1. durchzuführenden Fortbildungsmaßnahmen mit dem Sekretariat der Klägerin terminlich abgestimmt werden, ist dies rein organisatorisch nicht anders auszugestalten und liegt in der Natur der Sache. Gleiches gilt für andere Treffen und Begehungen, die eine organisatorische Absprache in zeitlicher Hinsicht und eine Durchführung in den Räumen der Klägerin voraussetzen. Die Beigeladene zu 1. hat glaubhaft ausgeführt, dass sie zur Erlangung eines unverfälschten Eindrucks der hygienerelevanten Prozesse bei der Klägerin, die sie aus hygienefachlicher Sicht zu beurteilen hat, teilweise unangemeldet also gerade ohne vorherige Absprache - in den Räumlichkeiten der Klägerin erscheint. Die Vor- und Nachbereitung führt sie in ihren eigenen Räumlichkeiten in freier Zeiteinteilung durch. Einen ihr zugeteilten Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten der Klägerin hat die Beigeladene zu 1. nicht. Die Beigeladene zu 1. war folglich weder zeitlich noch örtlich in den Betrieb der Klägerin eingegliedert. Sie nahm auch außerhalb ihrer beratenden Tätigkeit nicht an internen Besprechungen oder Fortbildungen teil.
Soweit die Beigeladene zu 1. in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass sie entgegen der vertraglichen Vereinbarung unabhängig von der geleisteten Stundenzahl monatlich immer nur die Pauschalvergütung von 1.280,00 Euro geltend macht, spricht auch dies für eine selbständige Tätigkeit. Die Beigeladene zu 1. erbringt die vereinbarte Dienstleistung unter Ansetzung einer pauschalen Vergütung unabhängig davon, welchen Zeitaufwand sie hierfür benötigt. Die Vergütung wird nur fällig, wenn die Beigeladene zu 1. die vereinbarte Leistung erbracht hat und die Vergütung in Rechnung stellt. Entsprechende Abrechnungen, die neben der Vergütung auch die Mehrwertsteuer ausweisen, wurden vorgelegt. Die Beigeladene zu 1. erhält keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und kein Weihnachts- und Urlaubsgeld.
Für eine selbständige Tätigkeit spricht weiter, dass die Beigeladene zu 1. nach ihren glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung für mehrere Auftraggeber tätig ist, die unterschiedlichsten Hygieneanforderungen gerecht werden müssen. Überdies hat die Beigeladene zu 1. seit 2013 eigene Mitarbeiter angestellt. Zwischenzeitlich bestehen zwei sozialversicherungspflichtige und zwei geringfügige Beschäftigungsverhältnisse. Diese Mitarbeiter verfügen zwar nicht über die Qualifikation als Hygienefachkraft, sondern sind Hygieneberater und können dementsprechend nur für bestimmte Aufgaben außerhalb des Pflegebereichs eingesetzt werden. Sie werden aber nach Weisung der Beigeladenen zu 1. eingesetzt und nehmen die von ihr vertraglich geschuldeten Tätigkeiten an ihrer Stelle wahr. Diese Mitarbeiter werden auch im Einverständnis mit der Klägerin in deren Einrichtung tätig. Auch wenn die persönliche Aufgabenwahrnehmung durch die Beigeladene zu 1. bei der Klägerin überwiegt, steht dies vorliegend nicht der Annahme einer selbständigen Tätigkeit entgegen, da dies seine Begründung insbesondere in der erforderlichen fachlichen Qualifikation findet. Auch der Hinweis der Beklagten, dass die Beigeladene zu 1. erstmals im Dezember 2013 einen Mitarbeiter beschäftigt hat, spricht nicht gegen eine selbständige Tätigkeit vor der Einstellung des ersten Mitarbeiters. Dass gegebenenfalls in der Gründungsphase die Mittel nicht für die Beschäftigung von Mitarbeitern ausreichen und alleine aus diesem Grund keine solchen eingestellt worden sind, ist kein Indiz für eine abhängige Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. bei der Klägerin.
Die Beigeladene zu 1. hat zudem - wenn auch nur in eher geringem Maße - ein für Selbständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko zu tragen. Maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlusts eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sachlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Die Beigeladene zu 1. hat - wie es für Dienstleistungen typisch ist - im Wesentlichen ihre Arbeitskraft und weniger Kapital eingesetzt. Aus dem allgemeinen Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft nicht verwerten zu können, folgt allerdings noch kein Unternehmerrisiko wegen der einzelnen Einsätze (BSG, Urt. v. 28. September 2011, B 12 R 17/09 R - juris); dies gilt auch im Hinblick darauf, das Anschlussangebote ungewiss sind. Doch erhält die Beigeladene zu 1. eine Pauschalvergütung nur für erbrachte Leistungen. Damit hing der Verdienst von der eigenen Fähigkeit der Erbringung dieser Leistung ab. Dies galt anfangs für alle Tätigkeiten. Ab der Einstellung von Mitarbeitern gilt dies jedenfalls für die Tätigkeiten, die die Qualifikation als Hygienefachkraft voraussetzen. Ab dem Zeitpunkt, ab dem die Beigeladene zu 1. Mitarbeiter beschäftigt, liegt auch hierin ein Unternehmerrisiko, da deren Gehalt als feststehende Ausgabengröße durch die entgeltliche Tätigkeit erwirtschaftet werden muss.
Nach alledem überwiegen die Merkmale, welche für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit sprechen und der Klage war statt zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 bis 162 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Nach § 154 Abs. 1 VwGO hat die Beklagte als unterliegender Teil allein die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da diese keine Anträge gestellt haben (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
Die Rechtsmittelbelehrung für die alleine beschwerte Beklagte ergibt sich aus §§ 143 ff. SGG.