Mit dem Inkrafttreten des BTHG kann die begehrte Leistung der Kfz-Beihilfe nach §§ 53, 54 SGB XII ab 1. Januar 2020 nicht mehr gewährt werden, weil diese Vorschriften nicht mehr gelten.
Der Leistungsanspruch muss nunmehr auf die Regelungen des §§ 114, 113 Abs. 2 Nr. 7, 83 SGB IX gestützt werden, daher handelt es sich um eine neue Sozialleistung.
Die mit der Einführung der Vorschriften einhergehende zeitliche Zäsur lässt das Rechtsschutzbedürfnis entfallen.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
3. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Kfz-Beihilfe im Rahmen der Leistungen zur Eingliederung nach §§ 53 ff SGB XII.
Der rollstuhlmobilisierte Kläger leidet an einer neurologischen Systemerkrankung mit Gangstörung, reduzierter geistiger Leistungsfähigkeit und chronischer Neuroborreliose (Bl. 178- 179 GA).
Bereits im Juli 2015 übersandte der Kläger ein Angebot für den Kauf und den Umbau eines behindertengerechten Fahrzeuges (Bl. 341- 351 VA Annex). Das Angebot sah vor, einen Lenkradkombinationsknopf LENKOK einzubauen (Bl. 347 VA Annex).
Der Kläger beantragte am 20. Januar 2016, eingegangen am 22. Januar 2016, eine entsprechende Beihilfe (dünne Akte). Er benötige aufgrund schlechter Verkehrsanbindung das Auto zum Einkaufen, für Fahrten zur Selbsthilfegruppe und zum Arzt.
Mit Schreiben vom 25. Januar 2016 wandte sich der Beklagte an den Kläger und teilte mit, dass hinsichtlich des Antrags auf Bewilligung einer Finanzierungshilfe für ein Auto noch weitere Ermittlungen notwendig seien. Es wird unter anderem ausgeführt, dass der beantragte Einbau des Lenkradkombinationsknopfes LENKOK mit der Führerscheinauflage 35 verbunden ist. Es wurde gebeten mitzuteilen, ob entsprechende Eintragungen in der Fahrerlaubnis bestehen. Um Vorlage der Kopie des Führerscheins wurde gebeten (Bl. 319 VA Annex). Des Weiteren wurde der Kläger aufgefordert, zwei weitere Kostenvoranschläge vorzulegen.
Mit Bescheid vom 25. Januar 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016 die Kostenübernahme für acht Fahrten mit dem Behindertenfahrdienst pro Monat (Bl. 328 VA Annex).
Der Kläger wurde am 26. April 2016 durch das Gesundheitsamt des Main-Kinzig-Kreises begutachtet. Die Gutachterin kommt zum Ergebnis, dass der im Rollstuhl sitzende Kläger keine relevanten Hinweise auf eine Behinderung der oberen Extremitäten zeige. Er könne sich ohne Hilfe umsetzen. Das Umsetzen ins Auto sei ihm wahrscheinlich möglich. Das Führen eines umgebauten Kfz sei dem Kläger wahrscheinlich möglich. Bei chronischer ZNS-Erkrankung sei für Fahrtauglichkeitsfrage, eine entsprechende Untersuchung zu empfehlen.
Am 23. Juni 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger monatlich vier weitere Fahrten im Rahmen des Behindertenfahrdienstes (Bd. 1 Betreutes Wohnen).
Mit Schreiben vom 6. Juli 2016 teilte der Beklagte mit, dass er beabsichtigte den Antrag abzulehnen.
Für den Kläger wurde mitgeteilt, dass er auf das Kfz angewiesen sei, um an seinen ehrenamtlichen Aktivitäten teilnehmen zu können. Auch habe er nachgewiesen, dass er mit Handsteuerung ein Fahrzeug steuern könne.
Der Kläger fragte nach dem Stand der Antragsbearbeitung (vgl. Email 14. September 2016). Mit Schreiben vom 14. September 2014 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die Bearbeitung noch andauere.
Mit Bescheid vom 18. November 2016 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Die Fahrten zum Arzt könnten nicht berücksichtigt werden. Die anderen Fahrten seien nur gelegentlich erforderlich.
Der Kläger legte, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Widerspruch ein.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2017 zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 22. März 2017 Klage beim Sozialgericht in Frankfurt erhoben.
Mit Bescheid vom 28. Februar 2017 hat der Beklagte 12 Fahrten pro Monat mit dem Behindertenfahrdienst bewilligt (Ende VA Annex). Die Weiterbewilligung in diesem Umfang wurde vom 1. Juli 2018 bis zum 31. Dezember 2019 mit Bescheid vom 20. Juli 2018 gewährt (Bl. 109 GA). Mit Bescheid vom 6. Januar 2020 wurde die Kostenzusage für die Fahrten mit dem Behindertenfahrdienst im zuletzt bewilligten Umfang verlängert (Bl. 192 GA).
Im gerichtlichen Verfahren wurden Befundberichte eingeholt. Auf die Frage, ob der Kläger fahrtauglich sei, wurde mitgeteilt, dass dem Kläger im Mai 2016 empfohlen wurde, sich einer gutachterlichen Untersuchung bezüglich der Fahrtauglichkeit zu unterziehen. Ob dies erfolgt sei, entziehe sich der Kenntnis der behandelnden Neurologin (Bl. 173 GA).
Der behandelnde Facharzt für Innere Medizin hat am 23. Juli 2020 angegeben, dass sich bei ihm sich der Kläger zuletzt am 24. August 2017 vorstellte und dass die Fahrtauglichkeit von seiner Seite nicht beurteilt werden könne (Bl. 178 GA).
Im gerichtlichen Verfahren wurde der Führerschein in Kopie vorgelegt. Auf diesem sind keine Eintragungen vermerkt (Bl. 212 GA)
Der Kläger vertritt die Ansicht, dass der angegriffene Bescheid rechtswidrig sei und ihn seinen Rechten verletze. Der Beklagte habe zu Unrecht den Antrag abgelehnt, denn er habe hierbei die gesetzlichen Vorgaben verkannt.
Rechtsfehlerhaft meine der Beklagte, dass Fahrten zu ambulanten, ärztlichen Behandlungen und stationären Krankenhausbehandlungen oder anderen ärztlich verordneten Maßnahmen im Rahmen der Anspruchsprüfung nicht zu berücksichtigen seien. Hierbei werde die Rechtsprechung des BSG verkannt, wonach nicht die Vorstellung der Beklagten oder des Gerichts die Reichweite und Häufigkeit der Teilhabe des behinderten Menschen bestimmten.
Der Beklagte verkenne auch, dass der Umstand, dass der Kläger ohne Begleitung das Haus nicht mehr verlasse, nicht gleichbedeutend mit der Unfähigkeit sei, ein Fahrzeug im Straßenverkehr zu führen.
Des Weiteren wird von Klägerseite eingewandt, dass unklar bleibe, ob ausreichend Behindertenfahrdienst zur Verfügung stünden. Zudem verkenne der Beklagte, dass die individuelle Nutzbarkeit der Taxidienste bei spontanen Bedarfslagen nicht möglich sei. Jede Fahrt müsse vorab geplant und bei dem Taxiunternehmen angemeldet werden, wobei selbst bei einer Anmeldung keine Garantie dafür bestünde, dass eine Fahrt auch durchgeführt werden könne.
Es käme hinzu, dass der Kläger über Elektrofahrzeug der Marke Kyburz verfüge, welches er in der Natur nutzen möchte. Dies mache einen Transport des Fahrzeugs erforderlich, der ebenfalls nicht ohne weiteres durch ein Taxi erfolgen könne. Ohne dieses könne der Kläger jedoch seine Outdoor-Aktivitäten nicht durchführen. Mit dem Elektrofahrzeug könne er annähernd das gleiche Terrain wie vor seiner Behinderung bewältigen, was eine erhebliche Lebensqualität bedeute.
Demgegenüber könne er ein Elektrorollstuhl nur im Urbanbereich nutzen, so dass dieser keine Alternative darstelle und ein diesbezüglicher Transport durch die Taxiunternehmen nicht ausreiche.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 18. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten unter Berücksichtigung der Auffassung des Gerichts über den Antrag des Klägers neu zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, der angegriffene Bescheid sei rechtmäßig. Es sei rechtlich darauf hinzuweisen, dass eine Kfz-Finanzierungshilfe sowohl als Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben als auch als Leistung der Eingliederungshilfe gewährt werden kann. Hierbei gelte aber, dass aus dem Merkmal „insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben“ gefolgert werde, dass die Häufigkeit der notwendigen Benutzung des Fahrzeugs zur sozialen Teilhabe in gleichem Umfang bestehe, wie bei einem berufstätigen Leistungsberechtigten.
Mit den in Form von Fahrdienst und Assistenzstunden bereits bewilligten Leistungen werde dem Kläger bereits mehrmals monatlich die soziale Teilhabe ermöglicht.
Zudem verweist der Beklagte auf den integrierten Hilfeplan für den Zeitraum 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2020, aus dem hervorginge, dass der Kläger sich mit dem Elektro-Rollstuhl in seiner Wohnung gut fortbewegen könne. Im öffentlichen Raum sei er jedoch auf Hilfe angewiesen. Er nutze hier insbesondere in der warmen Jahreszeit die Möglichkeit in Begleitung nach draußen zu gehen, da er die Natur liebe und sich gern an der frischen Luft bewege. Unter 1.5 heiße es: „Herr A. lebt sehr zurückgezogen und verlässt seine Wohnung nur selten und zunehmend nur noch in Begleitung. Außergewöhnliche Situationen lösen schnell Stress und Überforderung aus. Konzentration und Merkfähigkeit ist zeitweise eingeschränkt. Geplant wird weiterhin, dass Einkäufe und Erstellung von Einkaufslisten stellvertretend über Annexleistungen und Betreutes Wohnen erfolgen. Der Kläger nahm an Treffen der MS Selbsthilfegruppe teil und nutzte den Fahrdienst C. Inzwischen hat der Kläger einen Fahrdienst. den D. Service D. gefunden, der ihn auch mit seinem EIektro-Rollstuhl transportiert. Seit 1. Juli 2018 liegt hierfür auch eine Kostenzusage des Beklagten vor“.
Der Beklagte verweist darauf, dass von Januar bis Juni 2019 lediglich im Monat Januar die bewilligten Fahrten monatlich annähernd ausgeschöpft wurden, in den Monaten Februar bis Juni wurde noch nicht einmal die Hälfte der bewilligten Fahrten abgerechnet (Bl. 137 ff GA).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unzulässig und unbegründet.
1. Aufgrund der zwischenzeitlichen Erledigung des Klagebegehrens ist die Klage unzulässig.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer KFZ-Beihilfe. Streitig ist nicht die Kostenerstattung einer durch den Kläger selbstbeschafften Leistungen, sondern die Gewährung der Leistung als solches.
Zum Zeitpunkt der Beantragung der Leistung im Januar 2016 und der Entscheidung des Beklagten fand sich die Rechtsgrundlage in §§ 53, 54 SGB XII i.V.m. Kraftfahrzeughilfe-Verordnung. Seit dem 1. Januar 2020 gelten nunmehr die Regelungen, die durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) eingeführt worden sind. Damit finden sich die gesetzlichen Grundlagen nun im SGB IX.
§ 114 SGB IX regelt, dass bei den Leistungen zur Mobilität nach § 113 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX die Regelung des § 83 SGB IX mit der Maßgabe gilt, dass
1. die Leistungsberechtigten zusätzlich zu den in § 83 Absatz 2 genannten Voraussetzungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ständig auf die Nutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen sind und
2. abweichend von § 83 Absatz 3 Satz 2 die Vorschriften der §§ 6 und 8 der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung nicht maßgeblich sind (§ 114 SGB IX in der Fassung vom 23.12.2016).
Leistungen zur Mobilität umfassen nach § 83 Abs. 1 SGB IX
1. Leistungen zur Beförderung, insbesondere durch einen Beförderungsdienst, und
2. Leistungen für ein Kraftfahrzeug.
Leistungen nach § 83 Abs. 1 SGB IX erhalten Leistungsberechtigte nach § 2 SGB IX, denen die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und Schwere ihrer Behinderung nicht zumutbar ist. Leistungen nach § 83 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX werden nur erbracht, wenn die Leistungsberechtigten das Kraftfahrzeug führen können oder gewährleistet ist, dass ein Dritter das Kraftfahrzeug für sie führt und Leistungen nach Abs. 1 Nr. 1 nicht zumutbar oder wirtschaftlich sind (§ 83 Abs. 2 SGB IX).
Für die Leistungserbringung nach dem SGB IX wäre der Beklagte gemäß § 2 Abs. 4 Hessisches Gesetz zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes zuständig.
Der 1953 geborene Kläger hat er die Altersgrenze des § 235 SGB VI überschritten. Diese wurde mit der Vollendung des 65 Lebensjahr und 7 Monaten erreicht. Zwar sind nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Hessisches Gesetz zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes die örtlichen Träger der Eingliederungshilfe für die Leistungen der Eingliederungshilfe zuständig, wenn diese erstmals nach Erreichen der individuellen Regelaltersgrenze nach § 235 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch beantragt werden. Es wurden jedoch vom Beklagten durchgehend Leistungen gewährt, so dass dessen Zuständigkeit als überörtlichen Trägers nach § 2 Abs. 3, 4 Hessisches Gesetz zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes für die Leistungsgewährung nach dem SGB IX besteht.
Trotz der Zuständigkeit des Beklagten für die Leistungsgewährung im Fall des Klägers nach dem SGB IX ist der hiesige Rechtstreit dennoch erledigt, da eine andere Leistung als zuvor begehrt wird (vgl. §§ 28, 28a SGB I).
Mit dem Inkrafttreten des BTHG kann die begehrte Leistung der Kfz-Beihilfe nach §§ 53, 54 SGB XII ab 1. Januar 2020 nicht mehr gewährt werden, weil diese Vorschriften nicht mehr gelten (in diesem Sinne für die Ablösung der Arbeitslosenhilfe durch das SGB II, BSG, Urteil vom 23. November 2006, Az.: B 11b AS 3/06 R, Rn. 21). Der Leistungsanspruch muss nunmehr auf die Regelungen des §§ 114, 113 Abs. 2 Nr. 7, 83 SGB IX gestützt werden, daher handelt es sich um eine neue Sozialleistung. Die mit der Einführung der Vorschriften einhergehende zeitliche Zäsur lässt das Rechtsschutzbedürfnis entfallen (zur Ablösung der Alhi durch das SGB II vgl. etwa BSG, Urteile vom 23. November 2006, Az.: B 11b AS 1/06 R, Rn. 41; BSG, Urteil vom 23. November 2006, Az.: B 11b AS 3/06 R; andere Ansicht: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10. November 2020, Az.: L 8 SO 84/20 ER, Rn. 12).
Der der vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen im Beschluss vom 10. November 2020 (L 8 SO 84/20 ER –, Rn. 11, juris) vertretenen Ansicht, wonach keine Erledigung aufgrund Normänderungen durch das BTHG eingetreten sei, ist auf den hiesigen Fall nicht übertragbar.
Keine Beachtung finden in der genannten Entscheidung die in diesem Zusammenhang mit dem Erlass des BTHG einhergehenden Änderungen des SGB I, die dafürsprechen, dass es sich nach dem Willen des Gesetzgebers um eine neue Sozialleistung handelt.
Dem steht der Verweis auf § 14 SGB IX nicht entgegen. Denn § 14 SGB IX stellt eine Zuständigkeitsregelung dar. Da über den Antrag durch den Beklagten vor Inkrafttreten des BTHG entschieden wurde, kann über die Vorschrift nicht die weitere Zuständigkeit des Beklagten für Folgeanträge begründet werden. Die Zuständigkeit des Beklagten für Leistungen nach §§ 114, 113 Abs. 2 Nr. 7, 83 SGB IX folgt ab 1. Januar 2020 aus § 2 Abs. 3 und 4 Hessisches Gesetz zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes.
Die Fortführung der Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage scheitert aufgrund der geänderten Rechtslage am fehlenden Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Dem steht auch nicht die Entscheidung des BSG vom 18. Mai 2011 (Az.: B 3 KR 7/10 R –, BSGE 108, 206-222, SozR 4-2500 § 33 Nr 34, Rn. 22 - 24) entgegen. In dem Verfahren vor dem BSG hatte sich nicht die anspruchsbegründenden Normen geändert, sondern die Zuständigkeit des Leistungspflichtigen. Im hiesigen Verfahren hingegen kann die Leistungsgewährung aufgrund der geänderten Rechtslage nicht mehr nach §§ 53, 54 SGB XII i.V.m. Kraftfahrzeughilfe-Verordnung begehrt werden.
2. Darüber hinaus ist die Klage unbegründet.
Es fehlt nunmehr an der Passivlegitimation des Beklagten. Die maßgebliche Rechtsgrundlage bilden nunmehr §§ 114, 113 Abs. 2 Nr. 7, 83 SGB IX, daher fehlt es an der Passivlegitimation des Beklagten und somit an der Berechtigung, sich im eigenen Namen gegen Anspruch des Klägers zu verteidigen (B. Schmidt, in Meyer-Ladewig, SGG-Kommentar, 13. Aufl. 2020, SGG § 69 Rn. 4).
Die Kammer schließt sich der Ansicht des BSG an, wonach bei Rechtsstreiten, die auf Leistungsgewährung und nicht auf Kostenerstattung gerichtet sind, die Passivlegitimation des Beklagten nicht mehr besteht. Hierzu hat das BSG, Beschluss vom 25. Juni 2020, Az.: B 8 SO 36/20 B, Rn. 9, ausgeführt:
„Es fehlen hinsichtlich der (konkreten) Klärungsfähigkeit auch Ausführungen zur behördlichen Zuständigkeit/Passivlegitimation, was nicht nur angesichts mehrerer Anträge der Klägerin auf Teilhabeleistungen bei verschiedenen Trägern nahegelegen hätte (vgl. dazu BSG vom 24. Januar 2013, Az.: B 3 KR 5/12 R, RdNr. 15), sondern auch angesichts des mit Wirkung vom 1.1.2020 erfolgten Herauslösens der Eingliederungshilfe aus dem Fürsorgerecht des SGB XII und seiner Überführung in das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - (SGB IX) und der Zuständigkeitsregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX, wonach für die von der Klägerin begehrte Leistung nunmehr die Träger der Eingliederungshilfe und nicht mehr die Träger der Sozialhilfe, die auch keine Rehabilitationsträger mehr sind, zuständig sind (vgl. dazu Siefert, ZAP 2020, 359, 361 f)“ (BSG, Beschluss vom 25. Juni 2020, Az.: B 8 SO 36/20 B, Rn. 9, juris).
Darüber hinaus besteht kein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Gewährung einer Kfz-Beihilfe als Eingliederungshilfe. Denn der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 18. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden durch § 54 Abs. 1 SGB XII (in der Fassung vom 23. Dezember 2016) i. V. m. den dort genannten Vorschriften, insbesondere § 55 SGB IX a. F. und durch die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 60 SGB XII erlassene Eingliederungshilfe-Verordnung (Eingliederungshilfe-VO) konkretisiert.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Eingliederungshilfe-VO wird die Kfz-Beihilfe in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist.
Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Kläger überhaupt fahrtauglich ist. Aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen geht dies nicht eindeutig hervor, so dass diesbezüglich Zweifel bestehen. Diese Frage bedarf aber keiner Entscheidung, da ein Anspruch auf Gewährung der begehrten Leistung auch bei Fahrtauglichkeit des Klägers nicht besteht.
Obgleich der Kläger wegen Art oder Schwere seiner Behinderung von einem ihm zur Verfügung stehenden Kfz profitieren würde, so ist er doch auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges nicht angewiesen.
In Hinblick auf das bei jeder Eingliederungsmaßnahme zu prüfende Merkmal der Notwendigkeit (§ 4 Abs. 1 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung) ist dies nur zu bejahen, wenn das Kfz als grundsätzlich geeignete Eingliederungsmaßnahme unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele ist (vgl. Bundessozialgericht – BSG –, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 8 SO 18/12 R – juris Rn. 15 m. w. N.), die darin liegen, eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern (vgl. § 53 Abs. 3 Satz 1 SGB XII). Dabei ist dem behinderten Menschen auch die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern (§ 53 Abs. 3 Satz 2 Var. 1 SGB XII). In welchem Maß und durch welche Aktivitäten ein behinderter Mensch am Leben in der Gemeinschaft teilnimmt, ist abhängig von seinen individuellen Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner Wünsche (vgl. § 9 Abs. 2 SGB XII). Es gilt mithin ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der regelmäßig einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls entgegensteht (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 8 SO 18/12 R –, juris Rn. 15 m. w. N.).
Zwar dürfte die Benutzung eines Kfz im konkreten Fall des Klägers zum Erreichen der Eingliederungsziele geeignet sein. Letztlich kann dies aber offenbleiben, weil das Kfz nicht zum Erreichen der Eingliederungsziele unentbehrlich ist.
Der Kläger kann zur Verwirklichung der Teilhabeziele zumutbar auf vorrangige Hilfsmittel verwiesen werden, mit denen er den erforderlichen Grad an Mobilität erreichen kann, und zwar auf die Inanspruchnahme des öffentlichen Nahverkehrs, des Behindertenfahrdienstes oder eines Taxidienstes.
Der öffentliche Personennahverkehr ist grundsätzlich verpflichtet behinderte Menschen zu transportieren und ist hierauf auch eingerichtet (vgl. Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. November 2013, Az.: L 9 SO 16/11 – juris; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 4. Dezember 2018, Az.: L 9 SO 175/18 B ER, Rn. 6 - 16, juris).
Der Beklagte übernimmt monatlich bis zu 12 Fahrten mit dem Behindertenfahrdienst. Aus dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten ergibt sich, dass dieses zur Verfügung gestellte Kontingent vom Kläger in vielen Monaten nicht ausgeschöpft wird.
Darüber hinaus ist der Kläger mit einem Elektrofahrzeug der Marke Kyburz und einem Elektrorollstuhl versorgt. Dem Kläger sind daher Fahrten in der Natur und im urbanen Bereich möglich, so dass die Mobilität des Klägers grundsätzlich ermöglich ist und damit auch soziale Teilhabe gewährleistet werden kann.
In diesem Zusammenhang ist auch beachtlich, dass die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen keinen Anspruch auf unbegrenzte Sozialisierung der Kosten zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft haben. Hilfen werden in dem Maße gewährt, in dem auch Nichtbehinderte entsprechende Bedürfnisse befriedigen können. Nicht alles, was für behinderte Menschen wünschenswert wäre, kann im Rahmen der Eingliederungshilfe finanziert werden, denn auch Menschen mit geringen finanziellen Mitteln können sich nicht alle ihre Wünsche erfüllen. Behinderte Menschen sollen gleich-, aber nicht bessergestellt werden als vergleichbare Bevölkerungsgruppen (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 19. Juni 2014 – L 9 SO 54/12 PKH; Urteil vom 8. August 2018 – L 9 SO 49/14; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 4. Dezember 2018 – L 9 SO 175/18 B ER –, Rn. 6 - 16, juris; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 4. Dezember 2018 – L 9 SO 175/18 B ER –, Rn. 6 - 16, juris).
Aus den dargelegten Gründen ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision wird nach § 161 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, da der Rechtstreit eine Rechtsfrage betrifft, die bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist.