S 20 R 521/17

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 20 R 521/17
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

1.    Der Bescheid vom 02.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2017 wird aufgehoben und festgestellt, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Wissenschaftsjournalistin bei der Klägerin seit dem 01.06.2013 im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit ausgeübt wird und keine Versicherungspflicht besteht. 

2.    Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Widerspruchsverfahren bei dem die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten notwendig war. 

3.    Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt. 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen zu 1.

Die Beigeladene zu 1 stellte am 7. Oktober 2016 einen Antrag auf Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status. In dem Antrag gab sie an als selbständige Journalistin für die A. tätig zu sein, für die sie die Wissenschaftsseite produziere. In dem Antrag wurde angegeben, dass sie für zwei Auftraggeber tätig sei. Die Tätigkeit für die Klägerin werde seit Juni 2013 ausgeübt. 
In der Anlage zum Statusfeststellungsantrag führt die Beigeladene zu 1 aus, dass sie den Auftrag habe, für die Klägerin wöchentlich sechs Wissenschaftsseiten zu liefern. Bei der Konzeption, Auswahl der Texte und Gestaltung sei sie frei. Gelegentlich schreibe sie aus ihrem Fachgebiet Wissenschaft auch Texte für andere Seiten. Sie mache Vorschläge oder werde gefragt, ob sie ein Thema bearbeiten wolle. Diese Aufträge könne sie auch jeweils ablehnen. 
Sie stelle die Wissenschaftsseite völlig eigenverantwortlich zusammen. Sie wähle die Themen selbst aus, recherchieren, schreibe einem beträchtlichen Teil selbst und suche sich Material aus den Nachrichtenagenturen. 
Es gebe niemanden, der sie zu Terminen schicke oder ihr im Hinblick auf zu behandelnden Themen Vorschriften mache. Sie habe keine ständige Dienstbereitschaft. Sie habe keine Anwesenheitspflicht.
Arbeitsort und Arbeitszeit seien ihr freigestellt. Sie investiere so viel Zeit, wie sie für ihre Arbeit benötige und müsse keine festen Zeiten einhalten. Die einzige Vorgabe, die sie habe, bestehe darin, dass die Seite jeweils am Tag vor dem Erscheinungsdatum um 16:00 Uhr fertig sein müsste. 
Es sei ihr freigestellt, wo sie arbeitet. In der Redaktion hätte sie keinen festen Arbeitsplatz. In ihrer Wohnung habe sie ein Arbeitszimmer, wo sie arbeite. Gelegentlich fahre sie auch in die Redaktion, um zu arbeiten. Wann sie das tue, an welchen Tagen und zu welchen Uhrzeiten sei ihr aber freigestellt. An Konferenzen nehmen sie gelegentlich teil, etwa wenn es um ressortübergreifende Themenplanung gehe, beispielsweise für die Seite „Thema des Tages“ oder für Serien. 
In Dienstpläne sei sie nicht eingetragen. 
Sie übernehme keine Wochenenddienste und müsse sich Urlaub nicht genehmigen lassen, ebenso wenig müsse sie bei Krankheit Arbeitsunfähigkeit nachweisen. 
In ihrer Mietwohnung verfüge sie über ein eigenes Arbeitszimmer, dass sie nur zum Arbeiten nutze und für das sie die Kosten für Miete, Strom etc. selbst aufbringe. In ihrem Arbeitszimmer ständen ihr Computer, Drucker und Telefon zur Verfügung. Sie benutze ihr Privatauto als Dienstwagen, von der Klägerin werde kein Kilometergeld erstattet. Sie kaufe ihr Büromaterial selbst.

Die Klägerin und die Beigeladene zu 1 schlossen am 3. Mai 2013 folgende Vereinbarung mit Wirkung zum 1. Juni 2013: 

„1.Sie werden als freiberufliche Journalistin Insbesondere für das Ressort Regional/Lokal der A. tätig. Bei der Durchführung der Ihnen übertragenen Aufgaben unterliegen Sie keinen Weisungen und sind hinsichtlich Ort, Zeit und konkreter Ausgestaltung Ihrer Mitarbeit vollkommen frei. […]

3. Sie erhalten vom 1. Juni 2013 an ein monatliches Pauschalhonorar in Höhe von 3.000,00 EUR (in Worten: dreitausend Euro) zuzüglich Umsatzsteuer. Dieses Pauschalhonorar wird zwölfmal im Jahr gezahlt. Mit der Zahlung des Honorars ist auch die Einräumung und Nutzung der In Ziffer 2 dieses Vertrages genannten Rechte abgegolten. […] Für die Versteuerung des Honorars haben Sie selbst Sorge zu tragen.

4. Sollten für Ihre Berichterstattung Reisen im In- und Ausland erforderlich oder nützlich sein, so führen Sie diese in eigener Verantwortung und auf eigene Gefahr durch. Wir empfehlen dringend, vor Reiseantritt eine Überprüfung ihres Versicherungsschutzes, insbesondere auf Auslandsreisen, vorzunehmen, 

5. Die Erstattung von Reisekosten und sonstigen Nebenkosten bedarf für jeden Einzelfall einer gesonderten Vereinbarung, 

6. Diese Vereinbarung kann von jedem Vertragspartner mit einer Frist von sechs Wochen zum Monatsende gekündigt werden.

Mit Wirkung zum 1. Oktober 2016 vereinbarten die Klägerin und die Beigeladene zu 1 Folgendes:

„Sie werden als freiberufliche Journalistin insbesondere für die Wissensseiten der A. tätig. Bel der Durchführung der Ihnen übertragenen Aufgaben unterliegen Sie keinen Weisungen und sind hinsichtlich Ort, Zeit und konkreter Ausgestaltung Ihrer Mitarbeit vollkommen frei“.

Sie erhalten vom 1. Oktober 2016 an ein monatliches Pauschalhonorar in Höhe von 3.000,00 EUR (in Worten: dreitausend Euro) zuzüglich Umsatzsteuer. Dieses Pauschalhonorar wird zwölfmal im Jahr gezahlt. Mit der Zahlung des Honorars ist auch die Einräumung und Nutzung der In Ziffer 2 dieses Vertrages genannten Rechte abgegolten. Ferner besteht Einigkeit dahingehend, dass dieses Pauschalhonorar einer angemessenen Vergütung im Sinne des § 32 Urheberrechtsgesetz entspricht […]. Für die Versteuerung des Honorars haben Sie selbst Sorge zu tragen. 

4.Sollten für Ihre Berichterstattung Reisen im In- und Ausland erforderlich oder nützlich sein, so führen Sie diese in eigener Verantwortung und auf eigene Gefahr durch. Wir empfehlen dringend, vor Reiseantritt eine Überprüfung Ihres Versicherungsschutzes, insbesondere auf Auslandsreisen, vorzunehmen. 

5.Die Erstattung von Reisekosten und sonstigen Nebenkosten bedarf für jeden Einzelfall einer gesonderten Vereinbarung.

6. Diese Vereinbarung kann von jedem Vertragspartner mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende gekündigt werden.

7. Der Vertrag über die freie Mitarbeit vom 3. Mai 2013 endet hiermit einvernehmlich.“ (Bl. 11-16 VA).

Auf Nachfrage der Beklagte teilte die Beigeladene zu 1 mit, dass die von ihr erstellte Wissenschaftsseite an sechs Tagen in der Woche erscheine. Sie müsse dafür Sorge tragen, dass an diesen Tagen jeweils zu Redaktionsschluss eine Wissenschaftsseite vorliege. Das hieße der Erscheinungstermin bedinge auch die Abgabe. Sie könne die Seiten aber auch vorher abliefern oder auch mehrere Seiten auf Vorrat fertig stellen, wichtig sei nur, dass eben immer eine Seite da sei. 
Vorgaben hinsichtlich des Inhalts des zu schreibenden Artikels müsse sie nicht beachten, außer dass die Inhalte aus ihrem Ressort, der Wissenschaft stammen müssten. Sie stelle die Inhalte grundsätzlich selbst zusammen. Die Texte auf der Seite müssen vom Umfang her zum Seitenformat der Klägerin passen. Die Layoutvorgaben der Zeitung müssen hierbei beachtet werden und seien im Redaktionssystem hinterlegt. Sie teile gelegentlich festangestellten Kollegen mit, welche Themen sie für ihre Seite plane, insbesondere, wenn es um große, wichtige Termine gehe. Manchmal verschönere auch die Layout-/ Grafikabteilung die von ihr abgelieferte Seite. 
Sie erhalte weder Aufträge noch Anweisung von den festangestellten Kollegen, noch erteile sie selbst Aufträge. Sie müsse auch niemanden vertreten. Sie bekomme keine Aufträge. Sie habe den Auftrag, sechs Wissenschaftsseiten in der Woche zu erstellen. Sie bekomme hierfür ein Pauschalhonorar (plus Mehrwertsteuer) und schreibe eine monatliche Rechnung (Bl. 19-21 VA).

Aus den vorliegenden Rechnungen ergibt sich, dass die Beigeladene zu 1 im Zeitraum Juni 2013 bis November 2016 monatlich 3.000 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer gegenüber der Klägerin abrechnete (Bl. 22-109 VA). 
Des Weiteren liegen zwei Rechnungen an die D. GmbH vor mit denen Aufträge im September 2014 und September 2016 jeweils i.H.v. 400 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer abgerechnet werden (Bl. 37, 63 VA).
Mit Rechnung vom 9. Dezember 2015 stellte die Beigeladene zu 1 für ein Projekt einen Bruttobetrag für 1450,01 Euro weiteren Auftraggeber in Rechnung (Bl. 119 GA). Vom 1. Mai 2018 datiert eine weitere Rechnung i.H.v. 350 Euro und am 28. April 2020 von 374,50 Euro an einen anderen Auftraggeber (Bl. 120, 123 GA). Am 5. Juni 2019 stellte die Beigeladene zu 1 einem weiteren Auftraggeber 32,10 Euro und am 20. Dezember 2019 64,20 Euro in Rechnung (Bl. 121, 122 VA)

Die Klägerin teilte mit, dass die Beigeladene zu 1 grundsätzlich von zu Hause aus arbeite. Es bestünde keine Erwartung oder Verpflichtung in der Redaktion zu arbeiten. Es würde kein Arbeitsplatz, weder fest noch flexibel, für die Beigeladene zu 1 vorgehalten. 
Die Beigeladenen zu 1 produziere die täglich erscheinende Wissenschaftsseite. Die tägliche Erscheinungsweise bedinge, dass die fertige Seite zum jeweiligen Redaktionsschluss vorliegen müsse. Wann die jeweilige Seite erstellt werde, obliege der Beigeladenen zu 1 selbst. 
Bei der Erstellung müsse das Grundlayout der Tageszeitungsseiten eingehalten werden. Die Beigeladene zu 1 informiere den Auftraggeber grob über die von ihr ausgewählten Themen. Die Informationen dienten der Vermeidung von Themendoppelung innerhalb der Zeitungsausgabe. 
Die Beigeladene zu 1 habe keine Weisungsbefugnis gegenüber fest Angestellten und diese seien ihr gegenüber nicht weisungsbefugt. Die Beigeladene zu 1 arbeite grundsätzlich zu Hause und auf Termin mit eigenem Equipment. Wenn sie in seltenen Fällen auf Eigeninitiative hin, z.B. nach einem Termin in der Nähe der Redaktion, in den Räumlichkeiten der Klägerin einen Text finalisiere, benutze sie redaktionseigene Technik. 
Da die Zahlung des Honorars nachträglich am Monatsende erfolge, ginge die Beigeladene zu 1 hinsichtlich der ihr entstehenden laufenden Kosten in Vorleistung. Ihre Arbeitsmittel bezahle sie selbst. 
Die Beigeladene habe das Auftragsangebot der Klägerin angenommen, eine täglich erscheinende Wissenschaftsseite komplett abzuliefern. Daneben böte die Klägerin ihr gelegentlich Einzelaufträge an, z.B. einen Text für ein anderes Ressort zu schreiben. Die Einzelaufträge könne sie jederzeit annehmen oder ablehnen. (Bl. 111 f VA).

Mit Schreiben vom 22. Februar 2017 hörte die Beklagte die Klägerin und die Beigeladene zu 1 dahingehend an, dass beabsichtigt sei einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung seit 1. Juni 2013 zu erlassen. Es sei beabsichtigt festzustellen, dass in der von der Beigeladenen zu 1 ausgeübten Beschäftigung Versicherungspflicht in der Kranken-, der Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe (Bl. 113, 115 VA).

Im Rahmen des Anhörungsverfahrens vertrat die Klägerin der Ansicht, dass die Herstellung von Wissenschaftsseiten ihrem Wesen nach insgesamt eine schöpferische Tätigkeit journalistischer Art sei. Die Herstellung von Texten für die Wissenschaftsseite sei eine gestaltende Tätigkeit, der die von der Beigeladenen zu 1 geschriebenen Texte auf ihrer gestaltenden Idee und Umsetzungen beruhen und damit von Ausgabe zu Ausgabe charakterlichen Veränderungen unterlägen. 
Die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 sei dabei gestalterisches Kernstück der Produktion, da sie bestimme, welches Thema sie in welcher Art und Weise ins Bild setze. 
Bei der Ausübung der Tätigkeit unterliege die Beigeladene zu 1 weder hinsichtlich ihrer Arbeitszeit, ihrem Arbeitsort oder der Art und Weise ihrer Tätigkeit den Weisungen der Klägerin. Sie entscheide selbst, wann und mit welchem Inhalt sie die Wissenschaftsseiten erstelle. Aufgrund des bestehenden Vertrages bestünde keine Verpflichtung, sich in ständiger Dienstbereitschaft zu halten. Auch sei sie nicht gehindert für weitere Auftraggeber tätig zu werden. Zudem sei von der Beklagten nicht berücksichtigt worden, dass die Beigeladene zu 1 ein unternehmerisches Risiko trage. 
Bei einer Gesamtwürdigung sprächen die relevanten Merkmale für eine selbständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 (Bl. 118 VA).

Die Beigeladene zu 1 erläuterte auf die Anhörung, dass die Vergütung an den Umfang des Auftrages angepasst worden sei. Da der zeitliche und materielle Aufwand des Auftrages in etwa immer gleich sei, sei ein monatlicher Festpreis vereinbart worden. Des Weiteren führte sie aus, dass sie sich die Zeit frei einteilen könne und keine feste Zusammenarbeit mit den angestellten Kollegen erfolge. Zudem leisten sie über ihre Mitgliedschaft in der Künstlersozialversicherung die ganze Zeit Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. (Bl. 135 VA). 

Im Rahmen des Anhörungsverfahrens wurden verschiedene von der Beigeladenen zu 1 verauslagten Rechnungen für Arbeitsmittel vorgelegt (Bl. 139 ff VA).

Mit Bescheid vom 2. Mai 2017 stellte Beklagte gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 als Wissenschaftsjournalistin seit dem 1. Juni 2013 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde, in welchem Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung beginnend ab 1. Juni 2013 bestehe (Bl. 149, 152 VA).

Die Klägerin und die Beigeladene zu 1 legten Widerspruch ein (Bl. 155, 165 VA).

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin verwies in der Widerspruchsbegründung zum einen darauf hin, dass die Versicherungspflicht der Beigeladenen nach dem KSVG mit Bescheid vom 12. Dezember 1994 festgestellt worden sei. Diese Entscheidung sei rechtskräftig geworden. Der Bescheid der Künstlersozialkasse entfalte im Hinblick auf die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7 a SGB IV Sperrwirkung. Die Beklagte sei an die getroffene Feststellung der Künstlersozialkasse gebunden. 
Der angefochtene Bescheid sei auch bei einer Gesamtwürdigung aller tatsächlichen Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalles rechtsfehlerhaft. Die Beigeladene zu 1 übe als Wissenschaftsjournalistin eine selbständige Tätigkeit aus. Sie sei vom technischen Apparat der Klägerin unabhängig, da sie in ihrer Wohnung ein eigenes Büro mit einer eignen technischen Ausstattung unterhalte und ihr bei der Klägerin kein fester Büroplatz zur Verfügung stehe. Sie arbeite in ihrem Homeoffice unabhängig und sei in die Produktionsabläufe der Klägerin nicht eingebunden. Die Kosten für das Homeoffice trage sie selbst. 
Bei der Wahl ihrer journalistischen Themen sei sie völlig frei und erhalte von der Klägerin keinerlei Weisungen zur Themenwahl. Die Klägerin habe auch keine Möglichkeit die Beigeladene zu 1 ohne Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung zur Arbeit heranzuziehen. 
Bei der von der Beigeladenen zu 1 ausgeübten Tätigkeit handele es sich um eine publizistische Tätigkeit im Sinne des KSVG.
Die Beklagte verkenne, dass die Beigeladene zu 1 anders als in einem Arbeitsverhältnis nicht verpflichtet sei, die Leistung ist persönlich zu erbringen. Sie sei berechtigt im Falle ihrer Verhinderung eine Ersatzkraft zu stellen. 
Die Pauschalvergütung der Aufträge spreche anders als im angefochtenen Bescheid angenommen gerade für eine selbständige Tätigkeit. Denn eine abhängige Beschäftigung werde für gewöhnlich pro erbrachter Arbeitsstunde vergütet. 
Des Weiteren sei das unternehmerische Risiko der Beigeladenen zu 1 nicht hinreichend berücksichtigt worden. 
Die Pflicht zur Einhaltung von Abgabetermin und der Beachtung von Layoutvorgaben stünden einer selbständigen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 nicht entgegen. In der Gesamtwürdigung aller Umstände sei von einer selbständigen Tätigkeitsausübung der Beigeladenen zu 1 auszugehen.

Im Widerspruchsverfahren wurde der Bescheid der Künstlersozialkasse vom 3. Februar 1995 vorgelegt.

Die Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2017 zurückgewiesen (Bl. 26, 30 VA).

Die Klägerin hat am 27. September 2017 Klage beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben.

Am 9. November 2017 erging der Beiladungsbeschluss (Bl. 23 GA).

Aus den im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Einkommenssteuerbescheiden ergeben sich folgende Einkünfte der Beigeladenen zu 1 aus selbständiger Tätigkeit (Bl. 124 ff GA):

2013 27.864 Euro
2014 29.995 Euro
2015 28.108 Euro
2017 31.135 Euro

 
Die Klägerin ist unter Wiederholung ihres Vorbringens im Verwaltungsverfahren weiterhin der Ansicht, dass die von der Beigeladenen zu 1 ausgeübten Tätigkeit, als selbständige zu qualifizieren sei, bei der keine Versicherungspflicht bestünde.

Die Klägerin beantragt, 
1.    den Bescheid vom 02.05.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2017 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Wissenschaftsjournalistin bei der Klägerin seit dem 01.06.2013 im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit ausgeübt wird. 

2.    die Beklagte zu verurteilen, die notwendigen Aufwendungen der Klägerin im Widerspruchsverfahren zu erstatten und festzustellen, dass die Hinzuziehung der Kanzlei Rechtsanwälte Dr. B. als Bevollmächtigte im Widerspruchsverfahren notwendig war.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass der angegriffene Bescheid rechtmäßig sei und verweist zur weiteren Begründung auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid.

Die Beigeladene zu 1 teilt die Ansicht der Klägerin und führt im gerichtlichen Verfahren aus, dass sie durchaus die Möglichkeit gehabt hätte, weit mehr Aufträge anzunehmen. Allerdings habe es im Herbst 2013 eine Zäsur in ihrem Leben gegeben, die es für sie äußerst schwierig bzw. eigentlich unmöglich machte, für weitere Auftraggeber tätig zu sein, da sie sich um ihre pflegebedürftigen Eltern kümmerte. Diese Situation hätte sich noch verschärft, so dass an das Akquirieren zusätzliche Aufträge nicht zu denken gewesen sei. 
Um ihre Arbeit als Journalistin und die Tätigkeit als pflegende Angehörige überhaupt irgendwie unter einen Hut bringen zu können, sei für sie beruflich eine große Flexibilität und die Möglichkeit einer freien Zeiteinteilung unabdingbar.

In der mündlichen Verhandlung wurde der Geschäftsführer der Klägerin und die Beigeladene zu 1 befragt. In der mündlichen Verhandlung gaben der Geschäftsführer der Klägerin und die Beigeladenen zu 1 übereinstimmend an, dass die Beigeladene zu 1 selbstbestimmt die Wissenschaftsseite der Klägerin erstelle. Sie entscheide selbst über die Auswahl der Themen und den Erscheinungszeitraum. Redaktionelle Vorgaben würden diesbezüglich von Seiten der Klägerin nicht erfolgen. Es erfolgte auch keine redaktionelle Endabnahme der von der Klägerin übersandten Seite. Diese werde so wie von der Klägerin übermittelt abgedruckt. 
Im Termin hat der Geschäftsführer der Klägerin erläutert, warum zwei fast Wortlaut identische Verträge mit der Beigeladenen zu 1 vorliegen; das sei auf die Insolvenz der Klägerin zurückzuführen. Nach der Neugründung sei der Vertrag vom Oktober 2016 maßgeblich. Hinsichtlich der Vergütung hat der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass der Beigeladenen zu 1 gewährte Vergütung deutlich über dem Einstiegsgehalt von fest angestellten Mitarbeitern liege. Eine Steigerung der Vergütung sei nicht erfolgt, da die Klägerin bei sinkendem Absatz in einem stark umkämpften Markt tätig sei. Auch der in der Branche bestehende Tarifvertrag sei in den letzten Jahren nicht angehoben worden.
Übereinstimmend haben die Beigeladene zu 1 und der Geschäftsführer der Klägerin ausgeführt, dass die Beigeladene zu 1 keinen zeitlichen Weisungen der Klägerin unterliege. Sie sei weder in Dienstpläne der Klägerin integriert, noch habe sie Wochenenddienste zu leisten. Die Beigeladene zu 1 hat dargelegt, dass der Auftrag ihr die nötige zeitliche Flexibilität gewähre, die sie bräuchte um ihre berufliche Tätigkeit mit ihrer pflegerischen Tätigkeit zu vereinbaren. Aufgrund der Pflege ihres Vaters sei sie nicht in der Lage weitere Aufträge in größerem Umfang anzunehmen. 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 1. März 2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2017 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, denn entgegen der Ansicht der Beklagten stand die Beigeladene zu 1 bei der Klägerin nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, so dass keine Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. 
Aus diesem Grund ist der Bescheid aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit der Beigeladene zu 1 seit Juni 2013 nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausübte wird, sondern sie vielmehr einer selbständigen Tätigkeit nachgeht.
Das LSG Baden-Württemberg hat im Urteil vom 13.09.2016 (L 4 R 2120/15 ZVW, Rn. 37, juris) zutreffend ausgeführt, „dass nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine Beschäftigung voraussetzt, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 30.04.2013 B 12 KR 19/11 R – juris, Rn. 13; BSG, Urteil vom 30.10.2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 23;   BSG, Urteil vom 31.03.2015 – B 12 KR 17/13 R – juris, Rn. 15, jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20.05.1996 – 1 BvR 21/96 – juris, Rn. 6 ff.). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 24.01.2007 – B 12 KR 31/06 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15 f.; BSG, Urteil vom 30.10. 2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 23 ff. – jeweils m.w.N.)“.
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 08.12.1994 – 11 RAr 49/94 – juris, Rn. 20; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 13.09.2016 – L 4 R 2120/15 ZVW –, Rn. 60, juris). 
Maßgeblich für die Beurteilung des Charakters der Tätigkeit ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24.01.2007 – B 12 KR 31/06 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 16).
Daher ist zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbständigkeit zunächst vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen (BSG, Urteil vom 29.07.2015 – B 12 KR 23/13 – juris, Rn. 17).

Nach Auswertung der vorliegenden Unterlagen und nach Befragung der Beigeladenen zu 1 und des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ist die Kammer der Ansicht, dass das hier streitige Auftragsverhältnis der Beigeladenen zu 1 als selbständige Tätigkeit anzusehen ist. 

Aus den Verträgen, welche die Klägerin und die Beigeladene zu 1 schlossen, geht hervor, dass beide Seiten davon ausgingen, dass eine freie selbständige Tätigkeit ausgeübt wird. Aus den vertraglichen Regelungen, welche dem Auftragsverhältnis zugrunde liegen, ergibt sich, dass die Beigeladene zu 1 zeitlich frei ist und ihre Tätigkeit nicht weisungsgebunden erbringt.

Für eine selbständige Tätigkeit spricht neben dem inhaltlich gestalterischen Freiraum der Beigeladenen zu 1 bei der Ausführung ihrer Tätigkeit (a) auch die arbeitsorganisatorische Gestaltung (b) und das von ihr getragene unternehmerische Risiko (c). 

(a) Klägerin und Beigeladene zu 1 haben in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass die Aufgabe der Beigeladenen zu 1 darin besteht, die von der Klägerin publizierte Wissenschaftsseite werktäglich zu verfassen. Dabei ist die Beigeladene zu 1 an die inhaltliche Ausrichtung des Auftrages (Wissenschaftsseite), das Layout der Zeitung und die Abgabetermine gebunden. Die Art und Weise der Ausführung obliegt der Beigeladenen zu 1. In der mündlichen Verhandlung hat sie dargelegt, dass sie allein über die Auswahl der Themen, Art und Umfang der Berichterstattung und des Erscheinungszeitpunkts entscheide. Für den eigenen Gestaltungsspielraum spricht, dass sie weder vertraglich noch redaktionell Vorgaben der Klägerin bei der Auftragsausübung unterliegt.

Des Weiteren haben sowohl Klägerin als auch die Beigeladene zu 1 glaubhaft erklärt, dass die Beigeladene zu 1 keinerlei Weisung hinsichtlich der zeitlichen Auftragserledigung unterliegt. 

Damit ist festzustellen, dass der Beigeladenen zu 1 ein erheblicher Gestaltungsspielraum sowohl hinsichtlich der Art und Weise der Auftragserledigung zusteht als auch hinsichtlich des Orts und Zeit der Leistungserbringung. 

Nach Auswertung der Unterlagen und Befragung der Beigeladenen zu 1 und der Klägerin unterliegt die Beigeladene zu 1 insoweit keiner entscheidungserheblicher inhaltlichen Einflussnahme durch den Auftraggeber.

(b) Die Beigeladenen zu 1 ist auch nicht in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert. Die Tätigkeit wird überwiegend im Homeoffice ausgeübt. Ein fester Arbeitsplatz in der Redaktion der Klägerin besteht nicht. Für eine Eingliederung spricht allerdings, dass die Beigeladene zu 1 auf das EDV-System der Klägerin zugreifen kann, den die zu produzierenden Seiten der Beigeladene werden von dieser nach ihren Angaben in dem System der Klägerin abgelegt und sie darüber hinaus als freie Mitarbeiterin der Klägerin kostenlosen Zugriff auf z.B. Bilddatenbanken von dpa hat. 

Allerdings fallen diese Umstände hier nicht maßgeblich ins Gewicht, weil es der Beigeladene zu 1 die Tätigkeit für weitere Auftraggeber gestattet ist, wovon diese auch (in geringen Umfang) Gebrauch macht. 

In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die geschuldete Leistung von der Beigeladenen zu 1 überwiegend durch die Nutzung und Verwendung eigener Arbeitsmittel erbracht wird.

(c) Für ein unternehmerisches Risiko des Klägers spricht auch, dass der Beigeladenen zu 1 eine pauschale Vergütung erhält und kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlten Urlaub vereinbart ist. 
Aus dem Vortrag der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 ergibt sich, dass der Beigeladenen zu 1 weder ein Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall noch ein Anspruch auf bezahlten Urlaub zusteht. Das Fehlen dieser Ansprüche ist nach der Rechtsprechung des BSG als Indiz für selbständige Tätigkeit anzusehen (BSG, Urteil vom 12.02.2004 – B 12 KR 26/02 R – juris, Rn. 26 – auch zum Folgenden; Urteil des Senats vom 15.04.2016 – L 4 KR 1612/15 – juris, Rn. 97; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 13.09.2016 – L 4 R 2120/15 ZVW –, Rn. 59, juris). 
Auch die Höhe der vereinbarten Vergütung spricht für eine selbständige Tätigkeit. Das BSG hat im Urteil vom 31. März 2017 (B 12 R 7/15) die Honorarhöhe als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit benannt und ausgeführt: „Liegt das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers (…) und lässt es dadurch Eigenvorsorge zu, ist dies ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit“ (BSG, Urteil vom 31. März 2017 – B 12 R 7/15 R –, BSGE 123, 50-62, Rn. 50). Die gewährte Vergütung von 3.000,00 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer ermöglich eine entsprechende Eigenvorsorge. Diese Eigenvorsorge wird von der Beigeladenen zu 1 über die Künstlersozialversicherung auch tatsächlich geleistet.
In der Würdigung der Gesamtumstände geht die Kammer vom Bestehen einer selbständigen Tätigkeit aus.

Aus diesem Grund ist der angegriffene Bescheid rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weshalb der Bescheid aufzuheben ist und festzustellen ist, dass die Tätigkeit nicht versicherungspflichtig ausgeübt wurde. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.

Rechtskraft
Aus
Saved