S 7 P 48/20

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 7 P 48/20
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 6 P 31/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung

LSG  verb. mit L 6 P 32/21

1.    Die Klage wird abgewiesen.

2.    Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Im Streit steht der Umfang von Entlastungsleistungen nach § 45b SGB XI.

Der 1974 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich pflegeversichert und erhält Pflegegeld nach dem Pflegegrad 3 (vgl. Bescheid vom 18.10.2017). 

Er schloss mit dem Sozialwerk Haushalt und Familie Hessen e.V., Sozialdienst B-Stadt, eine Leistungsvereinbarung über „Hauswirtschaftliche Unterstützung und Hilfe im Garten“ zu 26,50 € pro Stunde zuzüglich 6,00 € Hausbesuchspauschale als Betreuungs- und Entlastungsleistung nach § 45b SGB XI

Mit Schreiben aus Juni bis August 2020 bat der Kläger die Beklagte um Klarstellung des Umfangs von Entlastungsleistungen nach § 45b SGB XI, insbesondere für Haushalts- und Gartenarbeiten. U.a. verlangte er auch Listen anerkannter Anbieter von Leistungen zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a SGB XI sowie vergleichende Preislisten. Die Beklagte übermittelte dem Kläger hierauf allgemeine Information zur Übernahmefähigkeit von Entlastungs- und Betreuungsleistungen. Gartenarbeiten seien nach dem Verständnis der Beklagten nicht umfasst. Lege der Kläger Rechnungen vor, würden diese konkret geprüft und beschieden. Der Kläger erhob Widerspruch. Diesen wies die Beklagte mit Bescheid vom 26.08.2020 als unzulässig zurück mit der Begründung, dass die erteilten Informationen keine anfechtbaren Bescheide seien. 

Mit Schreiben vom 31.08.2020 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung der Kostenübernahme für Gartenarbeit nach § 45b SGB XI. Mit Bescheid vom 16.11.2020 führte die Beklagte aus, der Antrag sei abzulehnen, da Gartenarbeit generell keine Leistung im Sinne des § 45b SGB XI sei. 

Am 26.11.2021 hat der Kläger Klage erhoben und beantragt, „ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 [SGG] durch Gerichtsbescheid zu entscheiden“. In der Sache möchte er festgestellt haben, welche Leistungen genau als Entlastungsleistungen erbracht werden können. Insbesondere erwähnt werden Gartenarbeiten, das Hinausstellen von Mülltonnen, Kehr- und Winterdienst und das Einkaufen sowie die Höhe der erstattungsfähigen Kosten. Beigefügt hat der Kläger die mit dem Sozialwerk Haushalt und Familie Hessen e.V. geschlossene Leistungsvereinbarung.

Der Kläger beantragt (sinngemäß), 

festzustellen, in welchem Umfang die Beklagte dem Kläger Entlastungsleistungen nach § 45b SGB XI – insbesondere für Gartenarbeiten – zu gewähren hat.

Die Beklagte beantragt, 

die Klage abzuweisen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2021 hat die Beklagte den gegen den Bescheid vom 16.11.2020 erhobenen Widerspruch zurückgewiesen.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 07.06.2021 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid bzw. durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die als Feststellungsklage erhobene Klage ist bereits unzulässig. Grund hierfür ist der hier zu beachtende Vorrang der Leistungsklage gegenüber der Feststellungsklage. 

Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Es kann auch auf Feststellung einzelner Rechte und Pflichten geklagt werden, die auf dem Rechtsverhältnis basieren bzw. von seinem Inhalt abhängen. Hierzu zählt auch die Feststellung der Leistungspflicht im Einzelfall. Dabei ist jedoch die grundsätzliche Nachrangigkeit der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage zu beachten (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 55, Rn. 19 ff.). 

Soweit sich der Feststellungsantrag auf in der Vergangenheit in Anspruch genommene und in Rechnung gestellte Haushalts- und Gartenarbeiten bezieht, ist er unzulässig. Denn hierfür könnte der Kläger die fraglichen Rechnungen bei der Beklagten einreichen und im Ablehnungsfall im Wege der vorrangigen Leistungsklage die Erstattung entstandener Kosten gerichtlich geltend machen. 

Soweit es um Entlastungsbeträge für zukünftige Haushalts- und Gartenarbeiten geht, gilt: Zukünftige Rechtsverhältnisse können nur ausnahmsweise Gegenstand einer Feststellungsklage sein, wenn ein besonderes Feststellungsinteresse vorliegt. Ein zukünftiges Rechtsverhältnis kann nicht Gegenstand einer gerichtlichen Feststellung sein, solange wesentliche Elemente noch unbestimmt sind. Die maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen müssen schon gelegt sein. Regelmäßig wird jedenfalls zu fordern sein, dass das dem Klagevortrag zugrundeliegende Geschehen zeitlich und örtlich festgelegt ist und die Beteiligten individualisiert sind (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, Kommentar, 12. Auflage 2017, § 55, Rn. 8b). 

Es ist nicht ersichtlich, um welche konkreten Leistungen es im Einzelnen gehen soll, wie oft hierfür Kosten entstehen werden und in welcher Höhe. Dies steht erst nach der Leistungserbringung und -abrechnung fest. Dann aber ist der Kläger darauf zu verweisen, die Rechnungen bei der Beklagten einzureichen und diese konkret prüfen zu lassen.

Die Kammer vermag daher auch nicht zu erkennen, dass die Feststellungsklage den Kläger hier ausnahmsweise besser schützen würde als die Leistungsklage.

Die Klage war somit abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Rechtskraft
Aus
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