S 18 BA 93/18

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 18 BA 93/18
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 BA 36/21
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1). Die Beigeladenen zu 2) bis 4) tragen ihre Kosten jeweils selbst.

Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund der Tätigkeit für die Klägerin.

Die Klägerin ist eine Bank, die unter anderem Finanzprodukte vertreibt.

Der 1987 geborene Beigeladene zu 1) war vom 1. November 2013 bis 31. März 2016 für die Klägerin tätig. Dem lag ein am 7. Oktober 2013 geschlossener „Handelsvertretervertrag“ mit der A. Privat- und Geschäftskunden AG, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist, zu Grunde. Danach war der Beigeladene zu 1) Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB. Die Tätigkeit konnte selbstständig gestaltet und die Arbeitszeit frei bestimmt werden (§ 1). Der Vertreter war berechtigt und verpflichtet, Produkte des Konzerns der Klägerin für die Bank zu beraten und auf deren Rechnung zu vermitteln. Maßgeblich seien „Provisionstabellen“ die als Anlage 2 dem Vertrag beigefügt waren. Der Vertreter verpflichtete sich, die in den Tabellen aufgeführten Produkte, ausschließlich an/über die Bank zu vermitteln. Die Klägerin verpflichtete sich, den Beigeladenen zu 1) nach § 2 Abs. 10 KWG als so genannten vertraglich gebundenen Vermittler bei der BaFin anzuzeigen (§ 3). Der Beigeladene zu 1) war verpflichtet, die Kunden und potentielle Kunden vor Aufnahme der Vermittlungstätigkeit über seinen Status als vertraglich gebundenen Vermittler zu informieren und sie unverzüglich von der Beendigung des Status in Kenntnis zu setzen (§ 3 Ziff. 4). Nach § 4 war der Beigeladene zu 1) verpflichtet, bei der Ausübung der Tätigkeit die Interessen der Bank und der Vertriebsgesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes wahrzunehmen. Zugleich wurde ihm von Seiten der Bank Unterstützung zugesagt. Zudem war der Beigeladene zu 1) verpflichtet, über seine Vertriebsaktivitäten Bericht zu erstatten. Bei der Aufklärung und Beratung von Kunden hatte er sich an die erteilten, jeweils gültigen fachlichen Informationen und Richtlinien zu halten. Der Beigeladene zu 1) war nicht berechtigt, rechtsgeschäftliche Erklärungen unter anderem für die Bank abzugeben, es sei denn, dass er hierzu ausdrücklich schriftlich ermächtigt worden war. Nach § 4 Ziffer 10 leitete der Beigeladene zu 1) die Kundenanträge an die für die Bearbeitung zuständige Stelle der Klägerin weiter. Zudem verpflichtete er sich, im Rahmen seiner Tätigkeit gegenüber Interessenten und Kunden ausschließlich die seitens der Bank oder der Vertriebsgesellschaft zur Verfügung gestellten Briefbögen, Visitenkarten, Begleitzettel und dergleichen zu verwenden. Es war dem Beigeladenen zu 1) untersagt, für seine nach diesem Vertrag ausgeübte Tätigkeit eine Vergütung und/oder Sachleistung vom Kunden zu verlangen oder anzunehmen bzw. diesen zu gewähren. Soweit der Beigeladene zu 1) auf eigene Kosten ein Beratungsbüro einrichtete, durfte die Ausgestaltung und der Standort den berechtigten Interessen der Klägerin dann nicht entgegenstehen, wenn der Vertreter beabsichtigte, hierbei das Logo und/oder den Namen der Klägerin zu verwenden. In diesem Fall müsse eine Abstimmung und Genehmigung durch die Klägerin erfolgen. Dem Vertreter stand es frei, Büro- und andere interne Hilfskräfte zu beschäftigen. Der Beigeladene zu 1) übernahm ein festgelegtes räumliches Arbeitsgebiet, für welches weder Gebiets- noch Kundenschutz bestand (§ 5). Nach § 6 erhielt der Beigeladene zu 1) die für die Beratung der Kunden erforderlichen Daten von der Klägerin. Nach § 9 war es dem Beigeladenen zu 1) grundsätzlich erlaubt, für Dritte tätig zu werden. Ausnahmen bestanden für eine beabsichtigte Konkurrenztätigkeit. Die Klägerin verpflichtete sich nach § 10 des Vertrages, den Beigeladenen zu 1) in seiner Vermittlungstätigkeit werblich zu unterstützen. Zu diesem Zweck wurden ihm produktbezogene Werbematerialien und/oder Produktbeschreibungen kostenlos zur Verfügung gestellt. Werbeanzeigen, Werbemaßnahmen sowie sonstige Veröffentlichungen über Produkte des Konzerns der Klägerin insbesondere auch die Verwendung des Logos bedürfen durften in jedem Fall der schriftlichen Einwilligung der Klägerin. Sofern der Beigeladene zu 1) beabsichtigte, mit einem eigenen Internetauftritt unter Verwendung des Logos bzw. Produkte der Klägerin Kunden zu werben, war er verpflichtet, das einheitlich standardisierte Angebot der Bank zu nutzen. Nach § 12 wurde für die Produktvermittlung eine Provision gezahlt. Hierfür hatte der Beigeladene zu 1) Anträge und einen ausgefüllten Abrechnungsbogen an die Bank zu übersenden. Die Provisionstabellen und -bedingungen konnten von der Klägerin einseitig ohne Zustimmung des Vertreters geändert werden, sofern gesetzliche Bestimmungen, amtliche Auflagen oder geschäftspolitische Gründe dies veranlassten. Nach § 14 war die Einschaltung Dritter zur Beratung von Kunden von der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Klägerin abhängig. Nach § 18 verpflichtete sich der Beigeladene zu 1), eine bestimmte Berufs-Haftpflichtversicherung mit einer bestimmten Deckungssumme (Gruppenvertrag) abzuschließen. Zusätzlich unterzeichnete der Beigeladene zu 1) eine Verpflichtungserklärung für die Benutzung der Client-PCs der Klägerin zur Abfrage von Kundendaten. Beigefügt war dem Vertrag zu dem als Anlage 6 Verhaltensregeln für die Nutzung von elektronischen Kommunikationssystemen und Anwendungen in der Gruppe der Klägerin, ein Nutzungsvertrag über Vertriebssoft- und Hardware (Anlage 7). Danach wurden dem Kläger ein Laptop und die entsprechende Software kostenlos zur Verfügung gestellt. Der Support wurde durch eine von der Klägerin beauftragte Firma erbracht.

Die Abrechnung der Tätigkeit erfolgte entsprechend des Vertrages über ein bei der Klägerin geführtes Kontokorrent, über welches unter anderem auch der Beitrag zur Berufshaftpflichtversicherung abgebucht wurde. Monatlich erzielte der Beigeladene zu 1) weit überwiegend weniger als 1.000,- € an Provisionen. Im November und Dezember 2013 erhielt der Beigeladene zu 1) jeweils 2.000,- € als Provisionsvorschuss Ausbildungsphase. Januar bis März 2014 erhielt er jeweils 2.000,- € als Provisionsvorschuss Startphase.

Bis 30. Juni 2014 war der Beigeladene zu 1) dem Gebiet C-Stadt, sodann dem Gebiet F Stadt u.a. der Finanzagentur G-Stadt zugeordnet. Agenturleiter dieser Finanzagentur war ein Herr G., der mit der Klägerin ebenfalls einen Handelsvertretervertrag sowie einen weiteren Agenturleitervertrag geschlossen hatte. Der Agenturleiter partizipierte an den Provisionen der ihm zugeordneten Finanzberater.

Der Beigeladene zu 1) beantragte im Januar 2016 bei der Beklagten die Feststellung des versicherungsrechtlichen Status für diese Tätigkeit als abhängige Beschäftigung. Er gab hierbei an, dass er als Finanzberater alle in einer Bankfiliale anfallenden Arbeiten abwickle, insbesondere die Öffnungszeiten gewährleisten. Ihm hätten Arbeitsplätze in der Filiale in C-Stadt zur Verfügung gestanden. Donnerstags habe er wegen Teammeetings früher als zu den Öffnungszeiten erscheinen müssen. In der Filiale in C-Stadt hätten 50 weitere Mitarbeiter gearbeitet. Bei Erkrankungen habe er sich beim Filialleiter abgemeldet. Im Fall der Vertretung habe er diese aus den Reihen des Teams organisieren müssen. Er habe die Programme der Klägerin auf deren Rechnern genutzt. Eine Individualisierung der Unterlagen sei aufgrund des Corporate Designs nicht möglich gewesen. Auch das Beratungsgespräch sei sowohl inhaltlich als auch seitens der Unterlagen vorgegeben gewesen. Er selbst habe keine Arbeitsmittel gestellt. Die Umsätze der einzelnen Finanzberater seien überwacht worden. Er sei zudem angehalten gewesen regelmäßig Fort- und Weiterbildungen zu besuchen. Zudem hätten wöchentlich Telefoncalls stattgefunden. Er sei komplett in die Organisation der Klägerin eingebunden gewesen. Die Anpassung des Dispositionsrahmens eines Kunden sei nur mithilfe eines Mitarbeiters der Klägerin möglich gewesen. Alle Daten seien online gewesen und ständig gemonitort worden. Bei Abweichungen habe es umgehend ein Personalgespräch geführt. Ein fester Mindestumsatz sei erwartet worden. Die Kundenansprache sei nur in einem dem Berater zugeordneten Umfeld erlaubt gewesen. Die Bank habe immer das letzte Wort gehabt und auch Berater aus laufenden Gesprächen mit Kunden abgezogen. Alles habe dokumentiert werden müssen. Eine eigenmächtige Einstellung einer Assistenz sei ohne Zustimmung der Klägerin nicht möglich gewesen. Der Beigeladene zu 1) sei im Namen der Klägerin aufgetreten. Lediglich die Namensschilder und die Visitenkarten hätten einen kleinen Hinweis enthalten.

Der Beigeladene zu 1) schilderte beispielhaft einen Tag in der Filiale in G-Stadt. Hierzu gab an, dass diese Filiale zunächst geschlossen und sodann in eine Finanzagentur umbenannt und mit freien Finanzberatern besetzt worden sei. Die Kunden seien es jedoch aus der Vergangenheit gewohnt gewesen, vor Ort bedient zu werden. Dementsprechend seien durch die Regionsleitung Öffnungszeiten festgesetzt worden. Die Kunden seien größtenteils in F-Stadt zugeordnet gewesen, weswegen die Finanzdienstleister mit diesen kein Geschäft hätten abwickeln dürfen. Die Finanzdienstleister seien angehalten gewesen, die Servicedienstleistungen für die Kunden zu erledigen. Es sei auch in der Praxis unumgänglich gewesen, die Anliegen der Kunden zu bearbeiten, um überhaupt die Chance zu haben, anschließend mit ihnen über weitere Produkte sprechen zu können. Kundenbeschwerden hätten negativen Einfluss auf die betriebsinterne Bewertungsmatrix gehabt. Jeder Arbeitsschritt habe eine Zusammenarbeit über Telefon, Mail oder Fax mit dem Backoffice der Klägerin vorausgesetzt, da Entscheidungskompetenzen oder Nutzungsrechte für die Software nur eingeschränkt vorhanden gewesen wären. Auch hätte es oft Rückläufer aus der bankinternen Abteilung mit Arbeitsaufträgen gegeben. Regelmäßig habe auch ein Kollege nach H-Stadt abgestellt werden müssen, um die dortigen Öffnungszeiten gewährleisten zu können. Es seien täglich Reportings zu erbringen gewesen, die per Mail, Telefon oder schriftlich weiterzugeben waren. Zudem sei es verpflichtend gewesen, einmal im Monat ein Mitarbeitergespräch zu führen. Erfüllte man den gewünschten Mindestumsatz von 50.000,- € im Jahr nicht, stand man auf einer Blacklist, was zur Kündigung führen würde. Wenn es um die über die Deutsche Vermögensberatungs AG vermittelten Kunden an die Klägerin ging, durfte mit diesen Kunden keinerlei Geschäft abgewickelt werden. Sie seien jedoch verpflichtet gewesen, anfallende Servicedienstleistungen abzuwickeln. Wohlhabende Kunden seien besonderen Beratern zugeordnet gewesen.

Vorgelegt wurden zudem verschiedene E-Mails zwischen Regionalleiter, Gebietsleiter und Agenturleitern. Unter anderem bat die Assistenz des Gebietsdirektors F-Stadt/J-Stadt im März 2015 um Mitteilung der Urlaubsplanung für das Jahr 2015.

Mit Schreiben vom 6. Juni 2017 hörte die Beklagte die Klägerin dahingehend an, dass sie beabsichtige, die Versicherungspflicht in der Kranken-, der Pflege- und der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festzustellen.

Die Klägerin führte aus, dass der Beigeladene zu 1) selbständig gewesen sei. Er habe seine Arbeitszeit frei bestimmen und die Tätigkeit gestalten können. Er sei damit betraut gewesen, Produkte der Klägerin an die Kunden sowie Interessenten zu vermitteln. Die Abrechnung sei auf Provisionsbasis erfolgt. Ort und Umfang der Tätigkeit habe er selbst bestimmen können. Er sei nicht verpflichtet gewesen, sich an- oder abzumelden. Berichtspflichten hätten nur entsprechend § 86 HGB bestanden. Der Beigeladene zu 1) sei verpflichtet gewesen, ein Namensschild mit dem Zusatz „selbständiger Finanzberater“ in den Räumlichkeiten der Klägerin zu tragen. Fest angestellte Mitarbeiter verfügten über größere Kompetenzen, unter anderem dürften diese Legitimationsprüfungen durchführen und Zusagen über Kredite machen. Auch seien nur fest angestellte Mitarbeiter verpflichtet, Servicetätigkeiten gegenüber den Kunden zu erbringen. Weisungen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus seien nicht erfolgt. Die Tätigkeit sei nicht in der Filiale in C-Stadt geschuldet gewesen. Der Beigeladene zu 1) habe lediglich die Bedarfsberatungsplätze nutzen können. Er habe jedoch keinen Anspruch auf einen festen Beratungsplatz oder gar einen Arbeitsplatz innerhalb von Filialräumen der Klägerin wie ein angestellter Mitarbeiter gehabt. Auch habe er die Öffnungszeiten nicht einhalten müssen. Auch sei keine Teamarbeit erforderlich gewesen. Weisungen seien lediglich hinsichtlich der zu vermittelnden Produkte erfolgt.

Mit zwei Bescheiden vom 17. Juli 2017 gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) stellte die Beklagte die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ab 1. November 2013 bis 31. März 2016 aufgrund eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses fest. Der selbständige Handelsvertreter sei in §§ 84 ff. HGB geregelt. Es handele sich grundsätzlich um ein Rechtsverhältnis zwischen Auftraggeber und Handelsvertreter zwischen zwei selbstständigen Unternehmen. Maßgeblich sei, ob nach den Abreden in dem zwischen dem Handelsvertreter und dem beauftragenden Unternehmer geschlossenen Vertrag und der gesamten tatsächlichen Ausgestaltung der Beziehungen der Handelsvertreter im Rechtssinn eine persönlich selbständige Stellung als Unternehmer und ein eigenes Gewerbe innehabe. Wer jedoch ständig damit betraut sei, wie ein Arbeitnehmer Geschäfte für einen Dritten zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gelte als Angestellter. Entscheidend sei das Gesamtbild der Tätigkeit. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, das die Tätigkeit in den Räumlichkeiten in C-Stadt geschuldet gewesen sei, die notwendigen Betriebsmittel zur Verfügung gestellt worden seien, die Öffnungszeiten der Filiale zu gewährleisten sein, die Tätigkeit im Team ausgeübt worden sei, Vorgaben zu Art und Ausführung von Kundengesprächen vorgelegen hätten, keine Erfüllungsgehilfen vorhanden sein und die Arbeit sich nicht wesentlich von derjenigen abhängig beschäftigter Kundenberater einer Bankfiliale unterschieden habe. Das Merkmal für eine selbständige Tätigkeit, dass die Tätigkeit aufgrund von Provisionsbasis vergütet worden sei, könne demgegenüber nicht überwiegen. Der Ort der Arbeitsverrichtung sei durch ein einseitiges Direktionsrecht zugewiesen worden. Ein unternehmerisches Risiko, bei dem einem ungewissen Vergütungserfolg Gewinnchancen gegenüberstehen, habe nicht vorgelegen.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Der Beigeladene zu 1) sei im Vertrag als Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB bezeichnet worden. Das Bundesarbeitsgericht habe vielfach ausgeführt, dass solche Handelsvertreter keine Arbeitnehmer seien. Eine Finanzagentur sei nicht mit einer Filiale der Klägerin gleichzusetzen. Das äußere und innere Erscheinungsbild sei unterschiedlich. Auch lege nicht die Klägerin, sondern die Agenturleitung mit den zugeordneten Finanzberatern die Öffnungszeiten der von ihm selbstständig geleiteten Agentur fest. An den Agenturen seien Folien angebracht, auf denen auf die Tätigkeit selbständiger Finanzberater hingewiesen werde, sowie die Finanzberater namentlich aufgelistet worden seien. Fest angestellte Mitarbeiter der Klägerin würden in den Finanzagenturen keine Tätigkeiten erbringen. Die Entscheidung zur Umsetzung von C-Stadt nach G-Stadt habe der Beigeladene zu 1) getroffen. Ihm sei auch lediglich ein Arbeitsgebiet vorgegeben worden, jedoch kein Arbeitsort. Die Öffnungszeiten seien durch die Agenturleitung festgelegt worden. Die Entgegennahme von Kundenaufträgen und Hilfestellung bei der Bedienung des SB-Geräts sei weder von der Klägerin verlangt noch erwartet worden. Den Finanzberatern fehlten jegliche Kompetenz um beispielsweise Daueraufträge oder Ähnliches einzurichten. Der Beigeladene zu 1) habe lediglich die Anträge weitergeleitet, ohne Geschäfte im Namen der Klägerin abzuschließen. Ein Fernbleiben von Teammeetings habe auch keine negativen Folgen gehabt. Die Agenturleitung sei ebenfalls ein selbstständiger Handelsvertreter und über einen weiteren Agenturleitervertrag mit der Klägerin verbunden.

Der Beigeladene zu 1) führte aus, dass der Gebietswechsel nicht freiwillig erfolgt sei. In C Stadt habe der Beigeladenen zu 1) regelmäßig Liste von abzutelefonierenden Kunden erhalten. Die Öffnungszeiten seien durch die Regionalleitung der Klägerin vorgegeben gewesen. Auch sei nicht nachvollziehbar, wie die Klägerin in den Besitz von Einsatzplänen der Filiale in G-Stadt gekommen sei, wenn diese nicht zu melden seien. Die Servicedienstleistungen seien zu erbringen gewesen. Deswegen habe es auch das Werkzeug „Auftrag direkt“ im System gegeben. Auch seien vom Service der Klägerin regelmäßig Arbeitsanweisungen, wie beispielsweise die Anforderung weiterer Unterlagen, Stellungnahmen usw. an die Finanzberater gegeben worden. Dem Beigeladenen zu 1) sei nicht nur die gesetzlich vorgesehene Dokumentation vorgegeben worden, sondern in einer umfangreichen Handlungsanweisung der exakte Wortlaut.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 2018 als unbegründet zurück. Eine wesentlich freie Gestaltung der Art und Weise sei wegen der fehlenden Gestaltungsmöglichkeiten nicht möglich gewesen. Der Beigeladene zu 1) habe vor Ort die ihm zugewiesenen Kunden beraten. Es habe eine enge Zusammenarbeit mit fest angestellten Mitarbeitern gegeben, da der Beigeladene zu 1) nur eingeschränkten Zugriff auf die Programme gehabt habe und gewisse Serviceleistungen nur durch Mitarbeiter hätten vorgenommen werden können. Auch hätten wöchentliche Teamsitzung stattgefunden. Zudem seien ihm die Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt worden. Der Beigeladene zu 1) habe überwiegend die eigene Arbeitskraft eingesetzt, ohne finanzielle Mittel in erheblichem Umfang mit der Gefahr des Verlustes einzusetzen.

Hiergegen hat die Klägerin Klage am Sozialgericht für das Saarland am 20. April 2018 erhoben. Mit Beschluss vom 12. Oktober 2018 hat sich das Sozialgericht für das Saarland für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Frankfurt am Main verwiesen.

Die Klägerin wiederholt zunächst ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren. Die vorgelegten E-Mails seien ausschließlich an den Agenturleiter gerichtet gewesen, nicht an den Beigeladenen zu 1). Der Schreibtisch in der Finanzagentur habe nur zu den Öffnungszeiten genutzt werden können. Eine Nichtteilnahme des Beigeladenen zu 1) an Veranstaltungen oder Besprechung hätte für ihn keinerlei Konsequenzen gehabt.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 17. Juli 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. März 2018 aufzuheben und festzustellen dass der Beigeladene zu 1) für seine Tätigkeit als Finanzberater für die Klägerin im Zeitraum 1. November 2013 bis 31. März 2016 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist hinsichtlich ihres Vortrags auf die Ausführungen im Bescheid und Widerspruchsbescheid.

Der Beigeladene zu 1) beantragt,

    die Klage abzuweisen.

Der Beigeladene zu 1) trägt vor, dass die Tätigkeit nicht getrennt vom Filialbetriebe in C Stadt ausgeübt worden sei. Er sei dem Privatkundenbereich, insbesondere immer dem gleichen Platz, zugeordnet gewesen. Habe ein Kunde eine Baufinanzierung, einen Kredit oder eine entsprechende Wertpapier/Portfolioberatung abschließen wollen, habe zwingend ein Mitarbeiter der Bank eingebunden werden müssen. Über das CR Tool sei ein fester Kundenbetreuer zugeordnet worden, wer das Erstanspracherecht habe. Seitens der Klägerin seien jedoch regelmäßig Vertriebsmaßnahmen erstellt worden, die im Zusammenhang mit produktspezifischen Themen standen. Diese seien entsprechend gemonitort worden und seien innerhalb von Fristen abzuarbeiten gewesen. Diesbezüglich sei die Kontrolle und Ansprache durch Mitarbeiter und Vorgesetzter aus dem Hause der Klägerin erfolgt. Die damalige stellvertretende Teamleiterin C-Stadt habe immer wieder darauf hingewiesen, dass der standardisierte Gesprächsleitfaden einzuhalten sei. Auch seien auf einem Whiteboard die wöchentlichen Ziele festgehalten worden, unter Einbezug der Leistung des Beigeladenen zu 1). Auch hätten Mitarbeitergespräche regelmäßig stattgefunden. Abends habe der Beigeladene zu 1) Kunden abtelefonieren müssen. Die Filiale in G-Stadt sei bis März 2014 eine Bankfiliale der Klägerin gewesen, dann habe ein zweiwöchiger Umbau stattgefunden und zum 1. April 2014 sei sie als A. Agentur wieder eröffnet worden. Die Kunden hätten auch weiterhin ihre Bankgeschäfte dort abwickeln können. Auf Führungsebene der Region sei darauf bestanden worden, die vorgegebenen Öffnungszeiten einzuhalten. Die Finanzberater hätten den vollen Schalterservice einer Bankfiliale erbracht. Sie hätten vorgeschlagen, nur vormittags für das Laufkundschaft zu eröffnen. Dies sei abgelehnt worden. Änderungen an der Außenwirkung, personalisierte Flyer, Änderung der Einrichtung, Schaukasten für das Schaufenster für Immobilieninserate, seien von der Klägerin untersagt vor. Der Standort G-Stadt sei in die Gesamtbetrachtung der Hauptgeschäftsstelle in F-Stadt mit eingeflossen. Er habe regelmäßig bis Freitag mittags 12:00 Uhr, teilweise täglich Reportings an den Filialleiter der Klägerin in F-Stadt versenden müssen. Man sei auf Umsätze bzw. Nichtabschlüsse angesprochen worden. Auch seien Vorgaben gemacht worden, welche Finanzprodukte in der Beratung im Vordergrund stehen sollten. Seitens des Backoffice der Klägerin seien Arbeitsanweisungen zur abschließenden Bearbeitung erteilt worden. In C-Stadt habe er seine Anwesenheitszeiten durch eine Zugangskarte dokumentieren müssen. Habe ein Telefonanruf in der Finanzagentur nicht entgegengenommen werden können, sei dieser an die Telefonzentrale der Klägerin weitergeleitet worden, die dann Rückrufersuchen oder Terminvorschläge in das System für die Finanzberater eingestellt habe.

Die Beigeladenen zu 2) bis 4) stellen keinen Antrag.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.


Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beigeladenen zu 2) bis 4) im Termin zur mündlichen Verhandlung am 8. März 2021 entscheiden, da sie auf diese Möglichkeit in der Ladung hingewiesen worden sind, vgl. § 110 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 17. Juli 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. März 2018, den die Klägerin mit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage nach §§ 54 Abs. 1, 55, 56 SGG angreift.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Es ist nicht festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin ab 1. November 2013 unterlag. Der Bescheid vom 17. Juli 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. März 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Vorliegend ist alleiniger Regelungsgegenstand des angegriffenen Bescheids i.S. eines Verwaltungsaktes gemäß § 31 Abs. 1 Zehntes Sozialgesetzbuch die Feststellung der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin. Der wörtlich zuletzt im Widerspruchsbescheid ausgesprochenen Feststellung, dass die Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird, kommt kein eigenständiger Regelungscharakter zu.

Ein Verwaltungsakt nach § 31 S. 1 SGB X ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Der Verwaltungsakt trifft eine Regelung, wenn er darauf gerichtet ist, eine Rechtsfolge zu setzen, wenn er also ein subjektives Recht feststellt oder beseitigt oder eine Pflicht begründet (BSG Urt. v. 5.9.2006 – B 4 R 71/06 R).

Ob eine Regelung i.d.S. vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Die Auslegung eines Verwaltungsaktes hat ausgehend von seinem Verfügungssatz und der Heranziehung des in § 133 BGB ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens zu erfolgen, dass es nicht auf den Buchstaben, sondern den wirklichen Willen der Behörde bzw. des Verwaltungsträgers ankommt, soweit er im Bescheid greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Für die Ermittlung des erklärten Willens sind dabei auch die Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts der Verfügung beitragen können und die den Beteiligten bekannt sind, wenn der Verwaltungsakt sich erkennbar auf sie bezieht. Maßstab der Auslegung ist insofern der verständige und Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte (vgl. BSG Urt. v. 22.3.2018 - B 5 RE 5/16 R).

Nach diesen Grundsätzen sind die Ausführungen der Beklagten im Bescheid und Widerspruchsbescheid dahingehend auszulegen, dass die wörtliche Feststellung einer abhängigen Beschäftigung lediglich eine stilistisch vorangestellte Feststellung ist, die sodann das Ergebnis der Prüfung, Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung, einleiten soll, jedoch nach dem Willen der Beklagten keinen eigenständigen Regelungscharakter hat. Dies ergibt sich insbesondere in der Zusammenschau mit der Begründung, aus der sich ergibt, dass aufgrund des Ergebnisses dieses einen Elements der Prüfung im Verfahren nach § 7a SGB IV sodann die abschließende Entscheidung der Versicherungspflicht ergeht. Die „Feststellung“ einer abhängigen Beschäftigung ist in diesem Zusammenhang nicht darauf gerichtet, eine Rechtsfolge zu setzen (vgl. hierzu BSG Urt. v. 26.2.2019 – B 12 R 8/18 R).

Diese Feststellung der Beklagten im angegriffenen Bescheid entspricht den gesetzlichen Vorgaben.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen grundsätzlich in der Renten , Kranken-, Pflege- und und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 1 S. 1 Nr. 1 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI), § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V), § 20 Abs. 1 Nr. 1 Elftes Sozialgesetzbuch (SGB XI), § 25 Abs. 1 Drittes Sozialgesetzbuch (SGB III)). Nach § 7 Abs. 1 Viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV) ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Eine Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (st. Rspr., vgl. BSG Urt. v. 24.1.2007 – B 12 KR 31/06 R; Urt. v. 29.08.2012 – B 12 R 25/10 R m.w.N.).

Für den Handelsvertreter gilt nach diesen Grundsätzen: Er kann bei der Gestaltung seiner Tätigkeit auch Weisungen des Unternehmers, für den er tätig ist, unterliegen. Diese dürfen aber zur Abgrenzung vom abhängig beschäftigten Handlungsgehilfen gemäß § 59 HGB nicht so stark ausgestaltet sein, dass die dadurch bewirkten Einschränkungen der unternehmerischen Freiheit des Handelsvertreters diese in ihrem Kerngehalt beeinträchtigen (BSG Urt. v. 29.1.1981 – 12 RK 63/79). Wenn der Beauftragte seine Tätigkeit und seine Arbeitszeit wie ein Angestellter einrichten muss, kann er nicht mehr als selbständig und damit als Handelsvertreter angesehen werden. Während der Unternehmer über die Arbeitskraft des abhängig beschäftigten Handlungsgehilfen durch einseitig erteilte Weisungen grundsätzlich unbeschränkt verfügen kann, fehlt eine derartige persönliche Abhängigkeit beim Handelsvertreter, der seinem Auftraggeber in einem Verhältnis persönlicher Selbständigkeit und Gleichstellung gegenüber steht. Zur Überzeugung des Gerichts liegt durch die gewählte Struktur eine solche einseitige Weisungslage vor.
Nach diesen Grundsätzen ist der Beigeladene zu 1) zur Überzeugung des Gerichts bei der Klägerin nicht selbständig beschäftigt gewesen. Das Gericht hat hierbei alle für und gegen eine Selbständigkeit sprechenden Indizien herangezogen und gewertet.

Grundlage der Tätigkeit bildet der schriftliche Vertrag vom 7. Oktober 2013. Die Beteiligten bezweckten mit dem Vertrag ausweislich seines Wortlauts eine Stellung des Beigeladenen zu 1) entsprechend § 84 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB). Danach ist Handelsvertreter, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist hierbei, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Dementsprechend ist der Vertrag zwischen den Beteiligten ausgestaltet worden dadurch, dass Bezug auf § 84 Abs. 1 HGB genommen worden ist. Ausweislich § 1 wurde die Tätigkeit als „selbständig“ bezeichnet, die Arbeitszeit konnte frei gestaltet werden. Für eine Bewertung als selbständige Tätigkeit spricht zudem das Vergütungssystem, das ausschließlich am Vermittlungserfolg eines bestimmten, in der Anlage zum Vertrag aufgeführten Produkts in unterschiedlicher prozentualer Höhe ausgestaltet war. Der Beigeladene zu 1) konnte theoretisch durch effektiveren Einsatz seiner Zeit seine Vergütung erhöhen und war nicht vertraglich verpflichtet, eine bestimmte „Arbeitszeit“ einzuhalten. Eingeschränkt wird dieses Indiz jedoch wiederum dadurch, dass es der Klägerin nach § 12 möglich war, die Provisionsvereinbarung einseitig, d.h. ohne Zustimmung des Beigeladenen zu 1) zu ändern, wenn dies durch gesetzlichen Bestimmungen, amtliche Auflagen oder geschäftspolitische Gründe veranlasst war. Während es sich bei den ersten beiden Fällen um zwingende durch Dritte gesetzte Gründe handelt, ermöglicht der dritte Tatbestand der Klägerin im Wege eines höchst unbestimmten Begriffs die Vergütung eines Vermittlers uneingeschränkt abzuändern.

Diese Indizien für eine selbständige Tätigkeit, der schriftliche Vertrag und die ausschließlich erfolgsabhängige Vergütung, treten jedoch in der Gesamtabwägung aller für und wider eine selbständige Tätigkeit sprechenden Gründe zurück.

Die schriftlichen Vereinbarungen wurden von der tatsächlich gelebten Zusammenarbeit überlagert, die eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in den Betrieb der Klägerin bedingen. Der Beigeladene zu 1) war nicht entsprechend § 1 des Vertrags selbständig und in der Gestaltung seiner Arbeitszeit überwiegend frei, vielmehr lag eine funktionsgerecht dienende Teilhabe vor. Dies gilt sowohl für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) in C-Stadt bis 30. Juni 2014, als auch bis zum Vertragsende in G-Stadt. Die Klägerin hat nach eigener Schilderung den Bereich der Vermittlung von Finanzdienstleistungen derart gestaltet, dass es einen angestellten Regionalleiter gibt, die darunter befindliche Struktur sodann ausschließlich durch Personen ausgestaltet ist, die auf der Grundlage von Handelsvertreterverträgen „selbständig“ tätig sind. Im täglichen Geschäft gab es keinen unmittelbaren Kontakt zwischen dem Beigeladenen zu 1) und dem angestellten Regionalleiter. Jedoch ist die Struktur der Handelsvertreter, der darüber stehenden Agenturleiter sowie der darüber stehenden Gebietsleiter so aufgebaut, dass hierdurch im Ergebnis eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) erfolgt. Nach den Schilderungen der Klägerin, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, sind die Gebietsleiter (formal als selbständige Handelsvertreter) gegenüber dem Regionalleiter zu Berichten über die geschäftliche Entwicklung in ihrem Gebiet sowie der Ursachen verpflichtet. Vorgaben des Regionalleiters werden sodann durch den jeweiligen Gebietsleiter an seine Agenturleiter weitergegeben, die dies dann wiederum in ihren Agenturen an die dort angesiedelten Vermittler wie den Beigeladenen zu 1) weitergeben.

Dieses System wird dadurch verstärkt, dass die jeweils in der Hierarchie über den Vermittlern stehenden Personen (Agenturleiter, Gebietsleiter) an den Geschäftsentwicklungen der ihnen untergeordneten Personen durch Provisionen partizipieren. Das System der Klägerin stellt hierdurch sicher, dass die vom Regionalleiter und dadurch durch die Klägerin gewünschte Geschäftsentwicklung tatsächlich umgesetzt wird. Diese Berichts- und Rechenschaftskaskade wirkt sich dergestalt aus, das im Ergebnis die Vermittler in den Agenturen mittelbar die Weisungen des Regionalleiters zu Geschäftsaufstellung und aufzunehmenden geschäftsfördernden Maßnahmen erhält. Dass die Klägerin vorträgt, dass sie keine Tätigkeitsberichte der Vermittler, die über den gesetzlich vorgesehenen Dokumentationsumfang hinausgehen, erhält und auch nie angefordert hat, kann dahinstehen. Denn sie erhält diese mittelbar über die vom jeweiligen Gebietsleiter geforderten Berichte über die Geschäftsentwicklung in seinem Gebiet sowie die Rechenschaft hierüber. Diese Abhängigkeit der übergeordneten Agentur- und Gebietsleiter zeigt sich zudem darin, dass der Beigeladene zu 1) seine Kündigung des Vertrags auf einen späteren Zeitpunkt auf Bitten des Gebietsleiters verschob, da dieser für die Jahresprämie von einer höheren Anzahl an ihm zugeordneten Vermittlern profitierte.

Exemplarischer Ausdruck dieses Systems sind die vom Beigeladenen zu 1) vorgelegten Emails. Diese verdeutlichen, dass bestimmte durch den angestellten Regionalleiter zu erreichende Ziele vorgegeben und sodann durch diesen strukturiert und durch vorgegebene Termine, erreicht werden sollten. Beispielhaft ist auch die versandte Liste von Vermittlern, die ausweislich der Email des Herrn L. quasi an den Pranger gestellt wurden, weil diese keine Provisionen erzielten, verbunden mit der Aufforderung an die Agenturleiter, dies zu ändern. In einer weiteren Email werden die Gebietsleiter sodann aufgefordert, die Vermittlung bestimmter Produkte zu intensivieren. Für das Gericht hat der Beigeladene zu 1) in diesem Zusammenhang glaubhaft dargelegt, dass diese Emails zur Weitergabe dieser „Aufforderung“ durch den Regionalleiter an die einzelnen Vermittler führte sowie zu Anweisungen, den eigenen Umsatz zu steigern bzw. bestimmte Produkte in den Vordergrund ihrer Vermittlung zu stellen. Diese Rechenschaftspflichten sind für das Gericht mit einer Selbständigkeit der Vermittler, Agenturleiter und Gebietsleiter unvereinbar. Festgelegte Vermittlungsziele der Höhe und der Produktarten nach, die durch Personen zu erfüllen sind, sind vielmehr Ausdruck einer Eingliederung in den Geschäftsbetrieb der Klägerin und damit einer abhängigen Beschäftigung. Sie widersprechen der vertraglichen Vereinbarung, wonach der Beigeladene zu 1) berechtigt und verpflichtet war, die in der Anlage aufgeführten Produkte, jedoch keine Verpflichtung, bestimmte Produkte bevorzugt und verstärkt zu vermitteln.

Diese von der Klägerin aufgebaute Struktur zeigt sich zudem in der Zuordnung des Beigeladenen zu 1) zu einer bestimmten Agentur und einem dort zuständigen und verantwortlichen Agenturleiter ohne Gebietsschutz nach § 5 des Vertrags. Die Zuweisung zu einem bestimmten Bezirk oder einem bestimmten Kundenkreis ist nach § 87 Abs. 2 S. 1 HGB möglich und bedingt, dass der Handelsvertreter auch dann eine Provision für Geschäfte aus diesem Bezirk oder von einem ihm zugewiesenen Kunden erhält, wenn dem keine nachweisbare Tätigkeit des Handelsvertreters zugrunde liegt. Eine solche tatsächlich gelebte Provisionskultur lag bezüglich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin jedoch nicht vor. Diese war bereits durch den schriftlichen Vertrag nach § 5 HGB ausgeschlossen, wonach zwar ein räumlich festgelegtes Arbeitsgebiet zugewiesen wurde, in diesem jedoch weder Kunden- noch Gebietsschutz bestand (anders in BSG Urt. v. 29.1.1981 – 12 RK 63/79). Dies verdeutlicht zudem die Vielzahl an Vermittlern, insbesondere in G-Stadt. Dies wiederum bedingte die vom Beigeladenen zu 1) aufzuwendende Zeit: Ohne Anwesenheit in der Agentur war es ihm mangels Gebiets- und Kundenschutzes nicht möglich, Provisionen zu erwirtschaften, da es allein auf seine konkrete Vermittlungstätigkeit ankam. Der Beigeladene war gezwungen, während der Öffnungszeiten der Agentur vor Ort zu sein, um die Möglichkeit zu haben, mit Kunden der Klägerin in Kontakt zu kommen und diesen Produkte vermitteln zu können. Vielmehr wurde auch die Akquirierung neuer Kunden, für die die Klägerin angestellte Vermittler vorgesehen hatte, untersagt und auch nicht mit einer Provision honoriert. Beispielhaft hat der Beigeladene zu 1) den Fall der Vermittlung einer betrieblichen Altersvorsorge dargestellt. Dass die Klägerin dem Beigeladenden zu 1) die weitere Vermittlung im Hinblick auf Bedenken hinsichtlich Kompetenz und rechtlicher Zulässigkeit der Vermittlung untersagt hat, erklärt nicht, weshalb der Beigeladene zu 1) für diesen Erstkontakt nicht zumindest eine Provision erhalten hat.

Gegen die Eingliederung durch Nutzung der Agenturarbeitsplätze spricht auch nicht, dass es dem Beigeladenen zu 1) ausweislich des Vertrags möglich gewesen wäre, eine eigene Betriebsstätte zu unterhalten. Denn dann wäre der Beigeladene zu 1) ausweislich § 4 Ziffer 14 des Vertrags verpflichtet, sich den Standort und die Ausgestaltung durch die Klägerin genehmigen zu lassen, da er das Logo der Klägerin verwendet hätte. Denn hierzu war er ebenfalls aufgrund § 4 Ziffer 12, Verwendung von Briefbögen, Visitenkarten, Begleitzettel und dergleichen, verpflichtet.

Der Beigeladene zu 1) hat zudem überzeugend geschildert, dass der für normale Kunden der Klägerin sowie dritte Partner der Klägerin (bspw. die Deutsche Vermögensberatung) Serviceleistungen erbracht hat, die über die vertraglich vereinbarte Vermittlung von Finanzprodukten und Versicherungen hinausgingen. Von der Klägerin zuletzt in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen war es insbesondere möglich, dass der Beigeladene zu 1) mit dem sogenannten Back-Office der Klägerin bezüglich Servicewünschen der Kunden, die in keinem Zusammenhang mit einer durch ihn veranlassten Vermittlung standen, zu kommunizieren. Das Back-Office der Klägerin wandte sich sodann an die Vermittler als im System hinterlegte Auftraggeber mit Arbeitsanweisungen zurück, ohne hierbei die selbständige Stellung der Vermittler und deren vertraglich geschuldete Tätigkeit zu achten. Auch wenn die Klägerin nach ihrem Vortrag diesbezüglich keine explizite Weisung erteilt hat, so hat sie dennoch auch keine Mechanismen in ihrem System eingebaut, dass es zu solchen Servicedienstleistungen außerhalb des zur Vermittlung erforderlichen Umfangs nicht kommt. Auch wenn, wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung geschildert hat, einzelne im System mögliche Serviceaufträge wie die Bestellung einer neuen Karte dem Vermittler, der die Kontoeröffnung vermittelt, möglich sein müssen, so müsste es gleichermaßen dem Back-Office der Klägerin möglich sein zu erkennen, dass ein Vermittler keine neue Karte im Rahmen einer Kontoneueröffnung bestellt, sondern eine Ersatzkarte in einem bereits bestehenden Vertragsverhältnis mit einem Kunden.

Die Klägerin hat durch die Ausgestaltung dieses technischen Systems im Zusammenhang mit der aufgebauten Hierarchie unter dem Regionalleiter und der Ausgestaltung der vormals als „Filiale“ genutzten Räumlichkeiten ein Umfeld geschaffen, in welchem die Vermittler dem Kunden gegenüber als Vertreter der Klägerin erscheinen und diesen den durch die Klägerin „am Schalter“ gewohnten Service erbringen. Die gesamte Ausgestaltung der Agentur, die Anbringung des Leuchtlogos an der Außenseite, die Bebilderung im Corporate-Design in dem der Klägerin zuzuordnenden Blau mit bekannter Schriftart, wecken gegenüber jedem Kunden den Eindruck, dass es sich um eine normale Bankfiliale der Klägerin handelt. Dass ein Schriftzug auf einem Plakat im Fenster der Agentur darauf hinweist, dass es sich um „selbständige“ Vermittler handele und diese ein Namensschild tragen, wonach sie „selbständig“ seien, tritt aus Sicht eines durchschnittlichen Kunden demgegenüber vollumfänglich gegenüber der sonstigen Außengestaltung, sowie der Innengestaltung zurück. Im Eingangsbereich der „Agentur“ trifft der Kunde vielmehr, wie in einer Filiale ebenfalls gewohnt, auf die Selbstbedienungsterminals zum Geldabheben oder Kontoauszüge ausdrucken, sodann nach einer trennenden Glastür auf Personen, die Namensschilder mit dem Logo der Klägerin tragen.

Der Beigeladene zu 1) verfügte zudem weder über das erforderliche Fachwissen noch über die entsprechenden Zulassungen zur Vermittlung der Finanzprodukte nach den gesetzlichen Vorgaben, diese wurden ausschließlich über die Klägerin vermittelt. Der Beigeladene zu 1) war zudem weder bei der Wahl seiner Haftpflichtversicherung, noch seines Geschäftskontos frei. Jegliche Geschäftstätigkeit musste über ein bei der Klägerin geführtes Konto abgewickelt werden, die Klägerin hatte auf dieses Konto uneingeschränkte Zugriffsmöglichkeit hinsichtlich ihrer Rückforderungsansprüche wegen überzahlter Provisionen. Einbezogen hat das Gericht in die Bewertung zudem, dass der Beigeladene zu 1) Geschäfte vermittelt hat, die zum Kerngeschäft der Klägerin zu zählen sind. Denn der Beigeladene zu 1) hat nicht nur Fondssparpläne u.ä. zum Vermögensaufbau vermittelt, sondern bereits die Neueröffnung von Bankkonten.

Eigenes wirtschaftliches Unternehmerrisiko ist über das Risiko, einen Abschluss zu tätigen, nicht ersichtlich. Wesentliches Kriterium für ein Unternehmerrisiko ist, ob eigenes Kapital auch unter Gefahr eines Verlustes eingesetzt wird, so dass der Erfolg des Einsatzes der Mittel ungewiss ist (BSG Urt. v. 28.5.2008 – B 12 KR 13/07). Dem Beigeladenen zu 1) wurden jegliches Werbematerial, sowie der Arbeitsplatz in der Agentur und sein Notebook inklusive Service durch eine Drittfirma von der Klägerin kostenlos zur Verfügung gestellt. Der Beigeladene zu 1) verfügte über keinen eigenen Betriebssitz und keine eigene Organisation, jegliche Unterlagen über Abschlüsse und Abrechnungen verblieben bei der Klägerin. Der Beigeladene zu 1) war zudem keinem Haftungsrisiko für Schlechtleistung ausgesetzt.

Auch war der Beigeladene zu 1) über einen längeren mehrjährigen Zeitraum für die Klägerin als einzige Auftraggeberin tätig. Dem steht nicht die im Rentenversicherungskonto ab 1. September 2015 gespeicherte Ausbildung entgegen. Zum einen ist diese erst zum Ende der Tätigkeit bei der Klägerin angesiedelt. Zudem hat der Beigeladene zu 1) geschilderte, dass es sich lediglich um eine Ausbildung auf dem Papier gehandelt habe, ohne dass er tatsächlich dort tätig gewesen sei. Diese Angabe ist für das Gericht umso glaubhafter, als der Beigeladene zu 1) zur Begründung angegeben hat, dass dieses Ausbildungsverhältnis zur Erlangung von externen Fördermitteln eingegangen worden ist und er somit inzident seine Beihilfe zur möglicherweise unrechtmäßigen Erwerbung dieser Fördermitteln zugegeben hat. Zudem war dem Beigeladenen zu 1) jegliche Konkurrenztätigkeit für Dritte bereits ausweislich § 9 des Vertrags untersagt (vgl. hier Hessisches LSG Urt. v. 29.08.2014 – L 8 KR 376/12).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 154, 155 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Weder die Klägerin noch die Beklagte gehören zum Personenkreis des § 183 SGG, sodass eine gerichtskostenpflichtige Streitsache vorliegt. Aus Billigkeitsgründen hält das Gericht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO eine Kostentragung der Klägerin hinsichtlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1) für angemessen, da dieser selbst einen Antrag gestellt hat, sich damit einem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGGO ausgesetzt hat, und mit diesem erfolgreich war. Von einer Kostentragung der Klägerin hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 4) sieht das Gericht aus Billigkeitsgründen nach § 162 Abs. 3 VwGO, da diese mangels Antragsstellung keinem Kostenrisiko ausgesetzt war, vgl. § 154 Abs. 3 S. 1 VwGO. Eine wesentliche Förderung des Verfahrens durch diese kann die Kammer darüber hinaus nicht erkennen.

Das statthafte Rechtsmittel der Berufung ergibt sich aus §§ 143 ff. SGG.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).

Rechtskraft
Aus
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