S 7 SF 306/18 E

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 7 SF 306/18 E
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 AS 507/20 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Unter Abänderung der Vergütungsfestsetzung vom 11.12.2018 wird die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung für das Verfahren S 5 AS 1956/14 auf 761,60 Euro festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Eine Kostenerstattung findet nicht statt.

Die Beschwerde wird zugelassen.


Gründe

I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das der Rechtsanwältin der Klägerin - Erinnerungsführerin  - für das Verfahren S 5 AS 1956/14 aus der Staatskasse zusteht. 

Das Gericht gewährte der Klägerin mit Beschluss vom 25.05.2016 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Erinnerungsführerin für die erste Instanz. Das Verfahren S 5 AS 1956/14 wurde zusammen mit dem Verfahren S 5 AS 1445/14 in einem 75 min dauernden Erörterungstermin am 15.08.2018 erörtert und endete durch einen für beide Verfahren geschlossen, gerichtlichen Vergleich. 

Mit Kostennote vom 22.11.2018 machte die Erinnerungsführerin eine Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG) von 170,00 Euro, eine Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG) von 280,00 Euro, eine Einigungsgebühr (Nr. 1006 VV RVG) von 170,00 Euro und eine Auslagenpauschale von 20,00 Euro geltend. Insgesamt ergab sich unter Berücksichtigung der UmSt. von 19 % ein Gesamtbetrag von 761,60 Euro.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte mit Beschluss vom 11.12.2018 abweichend von der Kostennote der Erinnerungsführerin die entstandene Einigungsgebühr auf 100,00 Euro und dementsprechend die Gesamtvergütung auf 678,30 Euro fest. Da das Verfahren S 5 AS 1956/14 in dem Gerichtstermin am 15.08.2018 zusammen mit dem Verfahren S 5 AS 1445/14 erörtert worden sei und beide Verfahren durch einen Vergleich erledigt worden seien, sei die Einigungsgebühr nur einmal entstanden und auf beide Verfahren aufzuteilen (Beschluss des SG Darmstadt v. 02.03.2017 – S 18 SF 194/15 E). 

Die Erinnerungsführerin hat am 18.12.2018 Erinnerung erhoben mit der sie eine Einigungsgebühr von 170,00 Euro geltend macht. Sie beruft sich auf eine Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 07.04.2016 - L 7/14 AS 35/14 B, wonach eine gesetzliche Grundlage für die Aufteilung der Einigungsgebühr nicht bestehe. 

Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß,

unter Abänderung der Vergütungsfestsetzung vom 11.12.2018 die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung für das Verfahren S 5 AS 1956/14 auf 761,60 Euro festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner beantragt,

die Erinnerung zurückzuweisen.

Der Abschluss eines einheitlichen außergerichtlichen oder gerichtlichen Vergleichs bringe den übereinstimmenden Willen des Gerichts, der Beteiligten und ihrer Bevollmächtigten zum Ausdruck, die Sachen als für die Einigung miteinander verbunden zu behandeln (LSG NRW, Beschluss vom 06.10.2016 – L 19 AS 646/16 B). Als Folge sei die Einigungsgebühr auf beide Verfahren anteilig aufzuteilen. Die von der Erinnerungsführerin zitierte Entscheidung habe sich auf die Rechtslage des RVG in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung bezogen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verfahrensakte S 5 AS 1956/14 Bezug genommen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.


II.

Die zulässige Erinnerung ist begründet. 

Streitig ist allein die Höhe der Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG. Eine solche ist in Höhe von 170,00 Euro entstanden.

Eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1006 VV RVG entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Die Gebühr bestimmt sich auch dann einheitlich nach dieser Vorschrift, wenn in die Einigung Ansprüche einbezogen werden, die nicht in diesem Verfahren rechtshängig sind. Maßgebend für die Höhe der Gebühr ist die im Einzelfall bestimmte Verfahrensgebühr in der Angelegenheit, in der die Einigung erfolgt.

Aus der Vorschrift ergibt sich, dass für die Erledigung eines Verfahrens durch Vergleich eine Einigungsgebühr in Höhe der Verfahrensgebühr entsteht. Soweit keine einheitliche Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vorliegt, kann in jedem Verfahren, das durch einen Vergleich erledigt worden ist, die Gebühr nach Nr. 1000, 1006 VV RVG anfallen (vgl.: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Juni 2019 – L 10 SF 4412/18 E-B –, Rn. 30, juris; Thüringer LSG, Beschluss vom 22.01.2019, L 1 SF 1301/17 B, juris, Rdnrn. 17 ff.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 07.04.2016, L 7/14 AS 35/14 B, juris, Rdnr. 24).

Die gegenteilige Auffassung, wonach die Einigungsgebühr nur einmal entsteht, wenn mehrere (nicht förmlich verbundene) Rechtsstreite derselben Beteiligten durch einen „Mehrvergleich“ erledigt werden (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.02.2019, L 39 SF 50/15 B E, in juris, Rdnr. 30; LSG NRW, Beschluss vom 06.10.2016, L 19 AS 646/16 B, in juris, Rdnr. 80; OVG NRW, Beschluss vom 01.02.2016, 8 E 651/15, in juris, Rdnr. 24; alle m.w.N.) und Literatur (z.B. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl. 2017, VV 1003, 1004 Rdnr. 71 und VV 1000 Rdnr. 311) überzeugt nicht. 

Eine Stütze für die Aufteilung der Einigungsgebühr auf mehrere Verfahren bieten die Gebührenvorschriften nicht. Der in Nr. 1000 S. 2 VV RVG genannte Fall, in dem in die Einigung Ansprüche einbezogen werden, die nicht in diesem Verfahren rechtshängig sind, erfasst die Konstellation, dass über das anhängige Verfahren hinaus weitere Ansprüche in die Einigung einbezogen werden. An einer solchen Einbeziehung fehlt es, wenn mehrere Verfahren parallel verhandelt und durch Abschluss eines Vergleichs beendet werden. 

Es steht nicht zur Disposition der Beteiligten, ob eine Einigungsgebühr in jedem Verfahren oder lediglich eine einheitliche Gebühr für alle gemeinsam verhandelten Verfahren entsteht, allein dadurch, dass ein gemeinsamer Vergleich oder ein auf jedes Verfahren bezogener Vergleich zu Protokoll gegeben wird. Eine sich gebührenrechtlich auswirkende Disposition steht allein dem erkennenden Gericht zu, welches die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden kann (§ 113 SGG). Sieht das Gericht die Voraussetzungen für eine Verbindung als gegeben an und erlässt einen förmlichen Verbindungsbeschluss, wird das Verfahren unter einem Aktenzeichen fortgeführt. In diesem Fall entstehen weitere Gebühren nur noch in dem noch anhängigen Verfahren.

Ist eine förmliche Verbindung der Verfahren nicht erfolgt, fällt in jedem Verfahren, in dem durch den gerichtlichen Vergleich ein gegenseitiges Nachgeben stattgefunden hat, die Einigungsgebühr in Höhe der Verfahrensgebühr an. 

Die übrigen Festsetzungsposten sind mit der Erinnerung nicht angegriffen. 

Gerichtskosten werden gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG in Verfahren über die Erinnerung nicht erhoben. Kosten werden gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG nicht erstattet.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage wird die Beschwerde zugelassen, § 33 Abs. 3 S. 2 RVG.

Die Beschwerde ist schriftlich, elektronisch oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Frankfurt am Main einzulegen (§ 33 Abs. 7 RVG). Sie ist jedoch nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt wird (§ 33 Abs. 3 Satz 3).

Rechtskraft
Aus
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