L 6 VS 2595/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 VS 4459/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VS 2595/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. November 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Guillain-Barré-Syndroms (GBS) als Folge einer Wehrdienstbeschädigung und die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) aufgrund einer Vierfach-Impfung im Rahmen der Vorbereitung auf einen Auslandseinsatz.

Er ist 1974 geboren und hat nach dem Abschluss der Hauptschule, der Handelsschule und einer Wirtschaftslehre, unterbrochen vom 12-monatigen Wehrdienst, bei der Post gearbeitet. Seit 1995 war er Zeit- und seit 2003 Berufssoldat. Seit Juli 2019 ist er nicht mehr im Dienst. Er lebt seit 2010 in einer eigenen Wohnung in B2, ist nicht verheiratet und kinderlos. Seine Lebensgefährtin lebt mit einer kleinen Tochter in der Nähe von Ulm (Anamnese B).

Zur Herstellung des Impfstatus für eine Auslandsverwendung wurde der Kläger am 30. Mai 2012 mit dem Impfstoff Repevax (Vierfachimpfung gegen Diphtherie, Keuchhusten, Kinderlähmung und Wundstarrkrampf) geimpft.

Am 3. Juli 2012 erstattete das Bundeswehrkrankenhaus Ulm (BWK) die ärztliche Meldung über eine mögliche Wehrdienstbeschädigung und gab zum Sachverhalt an, dass ein GBS (entzündliche Veränderungen des peripheren Nervensystems besonders der aus dem Rückenmark hervorgehenden Nervenwurzeln [Polyradikulitis] und der dazugehörigen Nervenabschnitte) bestanden habe, das im Anschluss an die Herstellung des Impfstatus für eine Auslandsverwendung aufgetreten sei.

Die Beklagte zog Behandlungsunterlagen des Klägers sowie Kopien der G-Karten des Sanitätszentrums bei, aus denen sich unter anderem die verabreichten Schutzimpfungen ergaben.

Im Bericht der Kliniken des Landkreises S über die Vorstellung am 12. Juni 2012 wurden nicht spezifische Sensibilitätsstörungen der Fingerkuppen beidseits und der Zehen links beschrieben. In der Computertomographie (CT) habe sich keine Hirnischämie und keine Hirnblutung gezeigt, sodass ein Schlaganfall habe ausgeschlossen werden können.

Die Weiterbehandlung erfolgte im BWK. Im Entlassungsbericht über die stationäre Behandlung vom 12. Juni bis 5. Juli 2012 wurde ausgeführt, dass der Kläger bei diffusen Kribbelparästhesien und heftigen Kopfschmerzen sowie einer progredienten Atemnot zur weiteren Abklärung und Diagnostik stationär aufgenommen worden sei. Die zuständige Truppenärztin habe telefonisch mitgeteilt, dass er im April 2012 an einer viralen Meningitis erkrankt gewesen sei. In der Notaufnahme habe er eine Kribbelsymptomatik beschrieben und dass er sich seit geraumer Zeit schwach fühle. Das Kribbeln und die Atemnot seien am Vortag aufgetreten. Es hätten Kribbelparästhesien der Finger der rechten und der linken Hand bestanden, daneben ein Taubheitsgefühl, vor allem des linken, aber auch des rechten Fußes. Zusätzlich hätten sich keine Paresen oder Schwächen gezeigt, jedoch progrediente Myalgien. Wegen der angegebenen viralen Meningitis sei zunächst eine Behandlung mit Ampicillin erfolgt. Borrelien-IgG als auch IgM seien im Liquor völlig unauffällig gewesen. Im stationären Verlauf habe sich der Zustand deutlich verschlechtert, es sei von einem GBS ausgegangen er und deswegen fünf Tage intravenös mit Immunglobolinen behandelt worden. Zur Überwachung sei die Verlegung auf die internistische Intensivstation, nach Stabilisierung die Rückverlegung auf die neurologische Peripherstation erfolgt. Die elektrophysiologische Befundkontrolle habe eine temporale Dispersion der MSAPs, deutlich verlängerte distale Latenzen und verlangsamte Nervenleitgeschwindigkeiten gezeigt, aber keine sicheren Zeichen einer axonalen Schädigung. Nachdem der Symptombeginn im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung liege und keine Hinweise für eine parainfektöse Ursache bestünden, sei die Impfung als Ursache in Betracht zu ziehen.

Ab dem 10. Juli 2012 wurde die Anschlussheilbehandlung in den Kliniken S1 durchgeführt. Zum psychischen Aufnahmebefund wurde beschrieben, dass der Kläger wach, bewusstseinsklar, allseits orientiert und ohne grobe kognitiv-mnestische Beeinträchtigungen gewesen sei. Bei unauffälligem Affekt hätten sich keine Hinweise auf formale oder inhaltliche Denkstörungen ergeben. Nach dem Entlassungsbericht habe der Kläger Ende Mai 2012 eine Vierfachimpfung erhalten und gleich am nächsten Tag Schweißausbrüche und Unwohlsein bemerkt. Diese Beschwerden hätten sich in den nächsten Tagen verschlechtert. Er habe Taubheitsgefühle, Kribbeln im Bereich des linken Armes verspürt, später im Bereich des linken Beines. Die Schlafqualität sei schlechter geworden. In der zweiten Juniwoche sei eine ärztliche Kontrolle aus anderem Anlass erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt habe sich eine schnelle Erschöpfbarkeit entwickelt, die Sensibilitätsausfälle seien intensiver gewesen. Bei Halbseitensymptomatik habe das Krankenhaus S einen Schlaganfall ausgeschlossen und die Verlegung ins BWK wegen unklarer neurologischer Symptomatik veranlasst. Während der intensivmedizinischen Behandlung habe sich eine deutliche Parese im Bereich der oberen und unteren Extremitäten entwickelt, sodass ein Normalgang überhaupt nicht mehr möglich gewesen sei. Es habe eine Fazialis-Schwäche links bestanden, die Gesichtsmotorik und -sensibilität seien unauffällig gewesen. Neurophysiologisch hätten sich normgerecht bis sehr gute basale Aufmerksamkeitsleistungen gezeigt. Bei Entlassung sei der Normalgang unauffällig und der Strichgang ausreichend sicher gewesen, das monopedale Stehen und Sitzen unauffällig. Es finde sich noch eine leichte Fazialisschwäche links.

Am 23. April 2013 stellte sich der Kläger erneut im BWK vor und gab an, dass im privaten Bereich Auto- und Motoradfahren ohne subjektive Einschränkungen problemlos möglich sei. Sportlich könne er bereits wieder acht Kilometer laufen, fühle sich danach aber kaputt und ausgelaugt. Das Gangbild sei unauffällig gewesen, der Zehen- und Fersenstand und -gang regelgerecht, ebenso das monopedale Hüpfen. Aus neurologischer Sicht bestehe eine Tauglichkeit als Militärkraftfahrer. Der Kläger habe alle Funktionen wiedererlangt, die Erholung sei bis auf eine noch raschere und länger anhaltende Erschöpfbarkeit nach körperlicher Belastung erfolgt. In Anbetracht der beklagten schlechten Erholung durch den Nachtschlaf sei ein Schlaftagebuch ausgehändigt worden und im Verlauf an eine Schlaflabordiagnostik zu denken. Weiterhin müsse die derzeit sehr belastende Situation durch die schwere Erkrankung des Vaters als Ursache bedacht werden.

Nachdem das BWK eine Verdachtsfallmeldung an das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) erstattet hatte, empfahl S2 versorgungsärztlich die Beiziehung der Fallbewertung. In dieser Fallbewertung durch den P vom 7. Oktober 2013 wurde dargelegt, dass das GBS im Abschnitt Nebenwirkungen der Fachinformation von Repevax mit Verweis auf Spontanmeldungen aus der Post-Marketing-Beobachtung genannt werde. Für diese Berichte sei die Kausalität nicht bewiesen. Ein Zeitabstand von 11 oder 12 Tagen sei für ein immunologisches Geschehen hinsichtlich der Entwicklung eines GBS plausibel. Der zeitliche Zusammenhang belege einen ursächlichen nicht, da auch rein zufällig Fälle von GBS zu erwarten seien. In etwa 40 bis 70 % der Fälle gehe dem GBS eine akute Infektionskrankheit voraus. Gehe dem GBS kein Infekt voraus, bedeute dies nicht zwangsläufig, dass ein kausaler Zusammenhang zu einer vorausgehenden Impfung bestehen müsse, da etwa 30 bis 60 % aller GBS-Fälle nicht mit einer Infektion assoziiert seien. Bei dem Kläger sei im April 2012 eine virale Meningitis aufgetreten. Der Zeitabstand zwischen viraler Meningitis und Auftreten des GBS habe somit mindestens sechs Wochen betragen, sodass die Infektion nicht als Auslöser des GBS anzusehen sei. Wegen des plausiblen zeitlichen Abstands zur Impfung und des fehlenden Hinweises auf einen vorausgegangenen respiratorischen oder gastrointestinalen Infekt werde der Zusammenhang zwischen der Impfung und dem GBS als „möglich“ gewertet. Es werden keine Impfschäden beurteilt und keine Begutachtung im Rahmen des sozialen Entschädigungsrechts vorgenommen, sondern lediglich der gemeldete Verdacht einer Impfkomplikation im Hinblick auf die Nutzen-Risiko-Bewertung des Impfstoffes bewertet.

Im Truppenärztlichen Gutachten des J vom 20. Mai 2014 wurde zu den „gegenwärtigen Klagen“ eine chronische Müdigkeit, eine eingeschränkte Regeneration sowie eine erhöhte Erschöpfbarkeit beschrieben. Auf gezielte Nachfrage seien eine bessernde Tendenz, eine noch leichte Einschränkung der Feinmotorik, eine leichte Mundastschwäche und Einschlafschwierigkeiten angegeben worden.

Im vorläufigen Abschlussbericht über die stationäre Rehabilitation vom 6. März bis 17. April 2014 der Klinik Q wurden als Funktionsstörungen eine erhöhte Erschöpfbarkeit und eine Mundastschwäche links bei mangelnder Ausdauerleistung und Schmerzen unter körperlicher Belastung angegeben. Es solle eine stufenweise Wiedereingliederung begonnen werden sowie eine Physiotherapie zur Verbesserung der Kondition und Minderung der Erschöpfungssymptomatik. Nach dem Abschlussbericht gab der Kläger bei der Aufnahme an, dass er die prämorbide Leistungsfähigkeit noch nicht wiedererlangt habe. Er habe an einer Weiterbildungsmaßnahme teilgenommen, um auch seine Lizenzen für die Ausbildung im Nahkampf zu erhalten. Die Maßnahme habe ihn zum Teil überfordert und er habe sich einen Muskelfaserriss zugezogen. Des Weiteren habe er aufgrund von Schmerzen Ibuprofen eingenommen. An psychosozialen Belastungen sei die schwere Erkrankung des Vaters hinzugekommen. Psychisch sei der Kläger wach, bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten orientiert gewesen. Die Stimmung sei leichtgradig depressiv herabgestimmt bei ausreichend schwingungsfähigen Affekt gewesen. Antrieb und Psychomotorik hätten sich regelrecht ohne Anhalt für formale oder inhaltliche Denkstörungen gezeigt. Über Schlafstörungen sei berichtet worden. Im Behandlungsverlauf seit es im September 2013 zu einer Stagnation gekommen, psychisch belastend sei der Tod des Vaters im Januar 2014 hinzugekommen. Im Rahmen der neuropsychologischen Behandlung hätten regelmäßig psychotherapeutische Gespräche stattgefunden. In diesen habe sich der Kläger mit Belastungen durch seine Erkrankung sowie den Tod des Vaters auseinandersetzen können. Über den Behandlungszeitraum hinweg habe er gefasst und psychisch stabil gewirkt. Die Fortsetzung der Wiedereingliederung werde empfohlen, danach solle der Kläger vorzugsweise im Ausbildungsbereich arbeiten.

S2 führte versorgungsärztlich aus, dass die Fallbewertung des PEI die relevanten Fakten zusammenfasse und zu dem Schluss komme, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der Impfung und dem GBS „möglich“ sei. Die Angaben des Klägers gegenüber den Kliniken S1, wonach er gleich am nächsten Tag nach der Impfung Schweißausbrüche und Unwohlsein bemerkt habe, könnten nicht vernachlässigt werden. Ein Zeitabstand von einem Tag zwischen Impfung und Entwicklung des GBS sei immunologisch zeitlich nicht plausibel. Darüber hinaus verkürze sich der Zeitabstand zu einer im April authentisch durchgemachten viralen Meningitis erheblich. Deshalb sei ein kausaler Zusammenhang zur nachweislich viralen Infektion deutlich wahrscheinlicher und die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Impfschadens nicht erfüllt. Nachteilige truppenärztliche Behandlungsfolgen seien nicht zu beklagen. Die Gesamtheit der kurativen Maßnahmen sei lege artis verlaufen und hätten den Erfolg einer verhältnismäßig zeitnahen Genesung ohne dauerhaften Verbleib relevanter neurologischer Störungen und/oder sonstiger Leistungsminderungen erbracht. Bereits nach der Rehabilitation im September 2012 hätten sich nur noch mäßige Restsymptomatiken im Sinne leichter Koordinationsstörungen und reduzierter körperlicher Ausdauerleistungen nachweisen lassen. Im April 2013 habe der Kläger wieder problemlos Auto und Motorrad fahren können. Einen Impfschaden unterstellt, sei nach Art, Ausprägung und aktenkundigen Verlauf ein Grad der Schädigungsfolgen (GdS) ausgleichsberechtigten Grades für die Dauer von wenigstens sechs Monaten nicht erreicht.

Die Beklagte zog den Entlassungsbericht des O Klinikums K über die stationäre Behandlung ab dem 1. April 2012 bei. Aus diesem ergab sich, dass die Befunde am ehesten für eine virale Meningitis gesprochen hätten. Es sei eine Schmerztherapie und eine antibiotische Therapie zum Schutz vor Infektionen durchgeführt worden. Darunter sei es zu einer langsamen Befundbesserung mit rückläufigen Nackenschmerzen bei Bewegung und rückläufigen Kopfschmerzen gekommen. Im Verlauf werde eine ambulante neurologische Wiedervorstellung empfohlen. In der Kernspintomographie (MRT) des Gehirnschädels vom 26. April 2012 (Befundbericht der Fachärztin für Radiologie P1) zeigte sich ein unauffälliger Befund ohne Hinweis auf eine Meningitis.

S2 hielt daran fest, dass ein Zeitabstand von nur einem Tag zwischen GBS und stattgehabter Impfung in einem Bereich liege, der für ein immunologisches Geschehen nicht plausibel sei. Die Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs zur Impfung sei zudem durch die vorangegangene virale Infektion mit Beteiligung der Hirnhäute minimiert. Die virale Meningitis klinge nicht sofort ab und es komme zu keiner unmittelbaren Viruselimination. Diese durchaus ernsthafte Erkrankung sei Mitte April noch symptomatisch gewesen, also nicht vollständig abgeklungen. Es müsse von einer Viruspersistenz über einen Zeitraum von mindestens 14 Tagen ausgegangen werden.

Mit Bescheid vom 11. Dezember 2014 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Ausgleich nach § 85 SVG ab und stellte fest, dass die Gesundheitsstörung „Abgelaufenes Guillain-Barré-Syndrom“ nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung sei. Nach Angaben des PEI liege zwischen einem Ereignis und dem Auftreten eines GBS ein Zeitraum von fünf Tagen bis sechs Wochen. Die nicht auf eine Wehrdienstbeschädigung zurückzuführende virale Meningitis sei erstmals am 4. April 2012 aufgetreten und Mitte April noch nicht abgeklungen gewesen. Es bestehe ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Meningitis und dem Auftreten des GBS. Die Impfung am 30. Mai 2012 falle dagegen nicht in den genannten Zeitraum, sodass kein plausibler Zusammenhang bestehe.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger Beschwerde und machte geltend, dass die Kliniken S1, auf deren anamnestische Angaben sich S2 im Wesentlichen stütze, nicht untersucht hätten, wann die GBS-Symptome tatsächlich erstmals aufgetreten seien. Aufgrund der überlangen Bearbeitungsdauer des Antrags könne er sich nicht mehr an jedes Detail erinnern. Unmittelbar nach der Impfung habe er eine äußerst anspruchsvolle, mehrtägige Wehrübung zur Vorbereitung des Auslandseinsatzes absolviert und an dieser die ersten Tage uneingeschränkt teilnehmen können. Erst nach einem Zeitraum von circa einer Woche seien Beschwerden aufgetreten, die die Teilnahme zunehmend erschwert und zum Aufsuchen des Truppenarztes am 12. Juni 2012 geführt hätten. Sofern er tatsächlich angegeben haben sollte, bereits am Tag nach der Impfung Schweißausbrüche und ein Unwohlsein bemerkt zu haben, könne es sich allenfalls um die durchaus häufigen Folgen einer Impfung gehandelt haben, wie sie sich aus der Fachinformation des Herstellers des Impfstoffs ergäben. Die behandelnden Ärzte im BWK ebenso das PEI hätten die Impfung als einzige plausible Möglichkeit für die Erkrankung angesehen. Die Fachinformation beschreibe Verdachtsfälle eines GBS im Zusammenhang mit einer Impfung mit Repevax.

B1 legte versorgungsärztlich dar, dass eine virale Meningitis als Ursache des GBS ausgeschlossen werden könne, da eine solche nicht vorgelegen habe. Der beim Robert-Koch-Institut (RKI) eingerichteten Ständigen Impfkommission (STIKO) sei die Aufgabe zugeteilt, unter Berücksichtigung des derzeitigen medizinischen Kenntnisstandes Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer darüberhinausgehenden gesundheitlichen Schädigung zu entwickeln. Die Arbeitsergebnisse würden im Epidemiologischen Bulletin (EP) veröffentlicht und fänden sich im EP Nr. 25 von Juni 2007. Um einen Kausalzusammenhang annehmen zu können, müssten im Anschluss an die Impfung, so etwa ab einer Woche bis zu drei Wochen, Gesundheitsstörungen in den Aktenunterlagen objektiviert werden, die von der STIKO als unerwünschte Arzneimittelwirkungen bzw. Impfkomplikationen der genannten Vierfachimpfung definiert würden. Das BWK habe die Impfung nicht als einzige plausible Möglichkeit für die Erkrankung am GBS angesehen, sondern einen Zusammenhang lediglich in Betracht gezogen. Das PEI führe keine vorweggenommene Kausalitätsdiskussion. Die Kannversorgung sei zwar zu prüfen, da in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit über die Ätiologie und Pathogenese des GBS bestehe, jedoch müsse dafür die Kausalkette ebenfalls bewiesen sein. Bei dem GBS handele es sich um eine idiopathische Polyneuritis der spinalen Nervenwurzeln und peripheren Nerven. Die Erkrankungswahrscheinlichkeit betrage ein bis zwei pro 100.000 Einwohner. Die genaue Ätiologie des GBS sei derzeit noch unklar, experimentelle Befunde und epidemologische Untersuchungen deuteten auf eine gegen Nervenbestandteile gerichtete Immunreaktion (Autoimmunerkrankung) hin. Mit dem Auftreten des GBS seien vorausgehende bakterielle und virale Infektionen mit folgenden Erregern assoziiert: Herpes-Viren, Varizella-Zoster-Virus (VZV), Epstein-Barr-Virus (EBV), Cytomegalievirus (CMV), HI-Virus (HIV), Mykoplasmen und Campylobacter jejuni. Pathologische Untersuchungen an Nerven betroffener Patienten zeigten intestitielle Infiltrationen durch Lymphozyten und eine segmental ausgebildete Entmarkung der Axone. Klinisch würden verschiedene Verlaufsformen des GBS unterschieden, hauptsächlich die akute inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (AIDP) und die chronische inflammatorische demyelisierende Polyneuropathie (CIDP). Der Kläger sei schon mehrfach geimpft worden, ohne dass nennenswerte Reaktionen dokumentiert seien. Lediglich nach einer FSME-Impfung sei es zu an sich harmlosen Frühreaktionen gekommen, die ohne bleibende Schäden wieder abgeklungen seien. Wenn am Tag nach der Impfung Schweißausbrüche und Unwohlsein bestanden habe, könne dies Ausdruck einer harmlosen Allgemeinreaktion sein oder auf vegetative Regulationsstörungen im Rahmen einer bereits bestehenden bzw. sich manifestierenden neurologischen Erkrankung hindeuten. Für letztere spreche, dass eine Verschlechterung angegeben worden sei. Typische unerwünschte Arzneimittelnebenwirkungen nach der Impfung im Sinne der STIKO seien nirgends objektiviert, der Kausalzusammenhang nicht eindeutig bewiesen. Außerdem herrsche über den genauen Zeitpunkt des Beginns des GBS Ungewissheit, sodass die Kannversorgung ausscheide.

Mit Beschwerdebescheid vom 29. Juli 2015 wies die Beklagte die Beschwerde zurück. Um festzustellen, ob tatsächlich ein Impfschaden vorliege, sei eine Kausalitätsdiskussion erforderlich. Nach Teil C, Nr. 2 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) gehörten zu den Fakten, die vor der Beurteilung eines ursächlichen Zusammenhangs voll beweisen sein müssten, der schädigende Vorgang, die gesundheitliche Schädigung und die zu beurteilende Gesundheitsstörung. Der schädigende Vorgang, die Impfung, sowie die zu beurteilende Gesundheitsstörung in Form des GBS seien bewiesen. Um die gesundheitliche Schädigung zu beweisen, müssten im Anschluss an die Impfung ab einer bis drei Wochen danach Gesundheitsstörungen objektiviert sein, die von der STIKO als unerwünschte Arzneimittelwirkung bzw. als Impfkomplikation der in Rede stehenden Impfung definiert worden seien. In einem zweiten Schritt müsse geprüft werden, ob das als Impfschaden geltend gemachten GBS mit Wahrscheinlichkeit ursächlich aus den unerwünschten Arzneimittelwirkungen entstanden sei. Bei dieser Beurteilung reiche die bloße Möglichkeit nicht aus. Die Kausalitätsprüfung sei notwendig, da der versorgungsrechtliche Ursachenbegriff nicht identisch mit dem medizinischen sei. Ursache im Sinne der Versorgungsgesetze sei die Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt habe. Hätten mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, so seien sie versorgungsrechtlich nur dann nebeneinanderstehende Mitursachen und wie Ursachen zu werten, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig seien. Komme einem der Umstände gegenüber dem anderen eine überragende Bedeutung zu, so sei dieser Umstand allein Ursache im Sinne des Versorgungsrechtes. Die Ärzte im BWK hätten im Abschlussbericht die Impfung nicht als einzige plausible Möglichkeit für die Erkrankung angesehen, sondern die Impfung als Ursache lediglich in Betracht gezogen. Das PEI habe keine Kausalitätsdiskussion vorweggenommen, denn es urteile nicht nach den Vorgaben der Versorgungsgesetze, was in dem Schreiben vom 7. Oktober 2013 an mehreren Stellen zum Ausdruck gebracht werde. Im Rahmen der Anamneseerhebung für den Aufenthalt in den Kliniken S1 habe der Kläger angegeben, dass er am Tag nach der Impfung Schweißausbrüche und Unwohlsein bemerkt habe. Hierbei könne es sich um harmlose Allgemeinreaktionen in den ersten Tagen nach der Impfung gehandelt haben. Möglich seien weiter vegetative Regulationsstörungen im Rahmen einer bereits bestehenden bzw. sich manifestierenden neurologischen Erkrankung wie dem GBS, zumal der Kläger angegeben habe, dass sich die Beschwerden in den nächsten Tagen mit Taubheitsgefühlen, Kribbeln und Muskelschwächen verschlechtert hätten. Diese Wahrscheinlichkeit sei hoch, da der Kläger bisher auf die Mehrfachimpfungen nie negativ reagiert habe. Für die Anamneseerhebung während des stationären Aufenthaltes im BWK habe er angegeben, dass er im April eine virale Meningitis gehabt habe und nun unklare Kribbelparästhesien der Extremitäten sowie eine allgemeine Schwäche aufgetreten seien. In der Notaufnahme sei weiter angegeben worden, dass er sich seit geraumer Zeit schwach gefühlt habe und jetzt auch Atemnot verspüre. Typische unerwünschte Arzneimittelwirkungen nach der Impfung im Sinne der STIKO hätten zu keinem Zeitpunkt objektiviert werden können. Die Prüfung, ob eine Kannversorgung in Betracht komme, entfalle, da in diesem Fall die drei Säulen der Kausalkette bewiesen sein müssten.

Am 27. August 2015 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. In Vorbereitung für eine beabsichtigte Auslandsverwendung im August 2012 habe er am 30. Mai 2012 im Sanitätszentrum eine Vierfachimpfung verabreicht bekommen. In den Tagen nach der Impfung habe ein leichtes Unwohlsein bestanden. Zu Beginn der zweiten Woche nach der Impfung seien stetig stärker werdende Beschwerden in Form von Kopf- und Körperschmerzen sowie einem allgemeinen Schwächegefühl aufgetreten. Der Truppenarzt habe ihn am 12. Juni 2012 in das Krankenhaus S überwiesen, von wo aus er ins BWK verlegt worden sei. Nach stationärer Behandlung bis 5. Juli 2012 im BWK sei er bis 25. September 2012 in den Kliniken S1 zur stationären Rehabilitation gewesen. Ein weiterer stationärer Aufenthalt habe vom 6. März 2014 bis 17. April 2014 in dem Neurologischen Rehabilitationszentrum Q erfolgen müssen.

Zur weiteren Sachaufklärung hat das SG sachverständige Zeugenauskünfte eingeholt und den Kläger begutachten lassen.

J, Versorgungszentrum B2, hat bekundet, den Kläger im Zeitraum vom 19. August 2011 bis 13. März 2015 behandelt zu haben. Das BWK habe die Diagnosen eines GBS und einer Facialisparese rechts gestellt. Im Laufe der Zeit sei es zu einer deutlichen Besserung der Befunde gekommen, insbesondere die mit der GBS verbundene Facialisparese, die Störungen der Feinmotorik und Sensibilität, die Fatique, die eingeschränkte Regeneration sowie die erhöhte Erschöpfbarkeit. Der Kläger sei vom 1. bis 12. April 2012 wegen einer viralen Meningitis in stationärer Behandlung im O Klinikum K gewesen. Die am 24. April 2012 durchgeführte Blutuntersuchung auf Entzündungsparameter sowie die am 26. April 2012 durchgeführte MRT des Gehirnschädels mit Kontrastmitteln hätten sich unauffällig gezeigt. Die Erkrankung sei daher als abgeklungen einzustufen. Ein GBS könne nach Angabe des PEI 5 Tage bis 6 Wochen nach dem Ereignis auftreten, sodass das Ereignis Impfung in das Zeitfenster passe.

H, Sanitätsversorgungszentrum B2, hat dargelegt, den Kläger vom 22. April 2014 bis 12. September 2016 behandelt zu haben, als noch ein Fatique nach GBS bestanden habe. Erst ab Januar 2015 habe der Kläger das Fatique-Syndrom soweit überwinden können, dass wieder eine Vollzeittätigkeit möglich gewesen sei. Unter einer Anpassungsstörung mit rezidivierender depressiver Symptomatik leide der Kläger weiterhin. Das GBS sei durch die Impfung hervorgerufen worden. Die Meningitis sei bereits mehr als sechs Wochen abgeklungen gewesen, als die ersten Symptome aufgetreten seien, Labor und MRT seien wieder normal gewesen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die von den sachverständigen Zeugen übersandten Unterlagen seien bereits aktenkundig und berücksichtigt worden. Es finde keine einzelfallbezogene Kausalitätsdiskussion statt, die notwendig sei, um die gemäß § 81 Abs. 2 SVG erforderliche Wahrscheinlichkeit begründen zu können. Im Übrigen sei ein Primärschaden nicht nachgewiesen, wie aus der versorgungsärztlichen Stellungnahme des B1 folge. Der Kläger trage selbst vor, dass es nach der Impfung lediglich zu einem leichten Unwohlsein gekommen sei und er an der Einsatzvorbereitung habe teilnehmen können. Brückensymptome zwischen Impfung und Auftreten des GBS seien nicht dargelegt worden. Auf die Beweiserleichterung des § 81 Abs. 6 SVG könne sich der Kläger daher nicht berufen.

Das SG hat daraufhin das neurologische Sachverständigengutachten des K1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 23. Juni 2017 mit neurophysiologischer Testung erhoben. Dieser hat ausgeführt, dass die Laborbefunde im BWK im Sinne eines GBS interpretiert worden seien. Der erhöhte Antikörper-Index für das Varizella-Zoster-Virus und der Nachweis von obligoklinen Banden seien nicht typisch für das GBS. Der klinische Verlauf mache die Diagnose aber nachvollziehbar, die genannten Befunde seien als Hinweis für eine frühere VZV- Reaktivierung im Gehirn zu interpretieren. Möglicherweise sei die zuvor erfolgte Meningitis eine solche VZV-Reaktivierung, was durch diesen Befund plausibel erklärt werde. Eine Impfung so rasch nach einer Meningitis – damals ungeklärter Ätiologie – sei eine gewisse Risikokonstellation, da es für solche Verläufe keine Daten gebe. Das PEI habe bereits am 7. Oktober 2013 zur Frage einer Kausalität der Impfung Stellung genommen und korrekt argumentiert, dass der Beginn der neurologischen Symptomatik in das biologisch plausible Zeitintervall falle, was allein eine Kausalität nicht beweise. Der Zusammenhang sei vom PEI nach den WHO Kriterien als möglich eingestuft worden. Der zeitlich plausible Zusammenhang zwischen der Verabreichung einer Impfung und dem Auftreten neurologischer Komplikationen betrage 7 bis 21 Tage und maximal 5 bis 42 Tage. Der genaue Krankheitsmechanismus, welcher bei einer Impfung zur neurologischen Erkrankung führe, sei unbekannt. Zum Auftreten einer unerwünschten Arzneimittelreaktion bedürfe es daher einer persönlichen Konstellation und eines auslösenden Agens. Der Impfstoff sei somit zwar nur eine Teilursache, jedoch eine wesentliche. Alternativ seien Kreuzreaktionen möglich, bei denen sich die induzierte Immunantwort zwar gegen das Impfagens richte, aufgrund von Antigengemeinschaften dieses Agens mit Nervenproteinen jedoch auch gegen diese körpereigenen Strukturen. Der Umfang der Abklärung alternativer Ursachen sei vorliegend für den Verdacht einer Impfkomplikation unzureichend gewesen. Es sei nur eine Borrelien-induzierte Radikulitis ausgeschlossen und eine Campylobacter-Infektion nicht nachgewiesen worden. Eine weiter erforderliche Differentialdiagnostik sei unterlassen worden, sodass zu alternativen Ursachen keine Aussage getroffen werden könnten.

Der Grad der Wahrscheinlichkeit einer Kausalität zwischen neurologischen Fehlfunktionen und einer vorausgegangenen Impfung messe sich an dem Evidenzgrad von Beobachtungen und Studien. Einzelfallbeschreibungen, Fallserien und epidemologische Studien könnten unkontrolliert, kontrolliert, beobachtend oder experimentell sein. Der geringste Grad der Evidenz finde sich bei Einzelfallbeschreibungen, der höchste Grad bei klinischen Studien, die doppelblind und prospektiv durchgeführt würden.

Hinsichtlich der Impfung gegen Poliomyelitits habe eine Medline-Suche keine Arbeit gezeigt, die die Auslösung eines GBS durch die Verabreichung eines Poliomyelitis-Impfstoffs experimentell untersucht habe. Da der Impfstoff inaktive Viren enthalte, sei eine entsprechende Infektion nicht möglich, eine gute biologische Plausibilität nicht gegeben. Alle publizierten Verdachtsfälle hätten sich auf oral zu verabreichende Vakzine bezogen und seien daher nicht relevant, da die Impfung des Klägers intramuskulär erfolgt sei. Hinsichtlich der Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussis sei eine biologische Plausibilität gegeben. Die Verabreichung von inaktivierten Viruspartikeln oder Bakterien könne eine Autoimmunantwort im peripheren Nervensystem hervorrufen. In Einzelfällen sei eine Kreuzimmunität bzw. eine Molecular mimicry beschrieben worden. Epidemologische Studien zeigten, dass jährlich ein bis zwei Fälle eines nicht impfbedingten GBS pro 100.000 Einwohner aufträten. Auf den Zeitraum von sechs Wochen nach einer Impfung bezogen betrage die Hintergrundmorbidität somit 0,11 bis 0,23 Fälle pro 100.000 Einwohner. Das Risiko für ein GBS nach kombinierter Impfung gegen Tetanus und Diphtherie sei 1981 mit 0,04 Fällen pro 100.000 Impfungen hochgerechnet worden. 1994 seien die Gutachter des Institute of Medicine zwar zu der Annahme gekommen, dass die Impfung gegen Tetanus ein GBS auslösen könne, diese Annahme habe aber auf der Auswertung eines Einzelfalls beruht, bei dem ein Patient wiederholt ein GBS nach einer Tetanusimpfung entwickelt habe. Eine Studie aus 1997 habe gezeigt, dass unter Berücksichtigung von mehr als 12 Millionen Impfungen gegen Tetanus und Diphtherie im zeitlichen Zusammenhang mit diesen Impfungen nur halb so viele Fälle eines GBS aufgetreten seien, wie aufgrund der Hintergrundmorbidität zu erwarten gewesen sei. Eine Studie zwischen 2005 und 2007 mit über 20 Millionen verabreichten Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussisi habe ergeben, dass ein GBS in 0,05 Fällen pro 100.000 Impfungen beobachtet worden sei. Entgegen früherer Annahmen, welche auf der Auswertung von Einzelfällen beruhten, könne nicht von einem signifikant erhöhten Risiko für die Entwicklung eines GBS ausgegangen werden. Die Häufigkeit eines GBS sei geringer, als aufgrund der Hintergrundmorbidität zu erwarten wäre. Unter Berücksichtigung dieser statistischen Beobachtungen sei der Grad einer Kausalität zwischen dem GBS und der Impfung zunächst als „unwahrscheinlich“ einzuschätzen. Da es tatsächlich einen Einzelfall gebe, bei dem die dreimalige Impfung gegen Tetanus im Abstand von mehreren Jahren jeweils zu einem GBS führte, sei der Kausalzusammenhang mit „möglich“ zu beschreiben. Als Erklärung sei in solchen Fällen eine höchst spezielle individuelle immunologische Situation anzuführen, bei der eine Kreuzimmunität zwischen verabreichtem Antigen und bestimmten Oberflächenproteinen des menschlichen Gewebes vorliege. Die spezielle immunologische Situation müsse nicht fortwährend vorhanden sein. Vielmehr könnten zur Auslösung temporäre Mechanismen beitragen, wie z. B. die verstärkte Immunreaktion gegen den Auslöser der vorausgegangenen Meningitis. Bei der zu vermutenden VZV-Meningitis wenige Wochen vor der Impfung komme es zu einer Infektion u. a. von Lymphozyten, wobei die VZ-Viren ihre DNA in der Lymphozyten-DNA integrierten und somit diese Zellen immortalisierten. Die Lymphozyten würden nicht absterben, sondern deutlich länger leben und eine große Menge von Antikörpern produzieren, im ungünstigsten Falle auch von Auto-Antikörpern, was die eine mögliche Erklärung für das GBS sei.

Zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung am 23. Juni 2017 habe sich in der neurologischen Untersuchung ein Normalbefund gezeigt. Es hätten insbesondere keine Lähmungen bei der Testung der Muskelkraft bestanden. Das Fehlen der Muskeleigenreflexe sei nicht unbedingt als pathologischer Befund zu werten, entspreche aber einem Residualzustand nach Nervenwurzelentzündung. Der Kläger erscheine als durchtrainierter Mensch, der seine Muskelkraft mangels geistiger Energie nicht kanalisiert einsetzen könne. Man könne diesen Zustand als depressive Verstimmung beschreiben, wobei dieser Gemütszustand am ehesten als reaktiv in Bezug auf die wahrgenommene Insuffizienz zu interpretieren sei. Zusammenfassend sei die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung zu stellen. Die beschriebene psychophysische Beeinträchtigung mit Einschränkungen der Vitalität und allgemeinen Leistungsfähigkeit sowie der Ausdauerfähigkeit bestünden seit der akuten Erkrankung an einem GBS und seien als Folge dieser Erkrankung zu interpretieren. Die Kausalität des GBS in Bezug auf die Impfung sei weder zu beweisen noch zu widerlegen und damit als „möglich“ zu beschreiben. Der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) sei vom 30. Mai bis 25. September 2012 mit 100, vom 26. September 2012 bis 31. Dezember 2014 mit 30 und ab dem 1. Januar 2015 mit 20 zu bewerten.

Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 23. November 2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Es spreche nicht mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und dem GBS mit bis heute bestehenden Spätfolgen. Die zeitliche Nähe allein begründe den Kausalzusammenhang nicht. Das Gericht sei davon überzeugt, dass die Ausführungen zum Krankheitsverlauf im Entlassungsbericht des BWK zutreffend seien. Dieser Bericht beruhe auf den Angaben des Klägers und ärztlichen Feststellungen in engen zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung und dem Auftreten von Symptomen. Die davon abweichenden Darstellungen im Entlassungsbericht der Kliniken S1 resultierten dagegen aus späteren Ausführungen des Klägers. Es sei davon auszugehen, dass diese durch den Zeitablauf nicht zutreffend seien. Ausgehend von diesem zeitlichen Ablauf komme ein Zusammenhang des GBS mit einer vorherigen Meningitis-Erkrankung nicht in Betracht. Die von K1 beschriebenen und ausgewerteten Studien sprächen gegen einen ursächlichen Zusammenhang, da sich keine Erhöhung von GBS-Fällen nach den Impfungen gezeigt habe. Die angeführte Einzelfallstudie werde nicht verkannt, jedoch könne diese nicht auf den Kläger übertragen werden. Denn zum einen werde bisher nicht von weiteren Fällen berichtet, die die vorliegenden wissenschaftlichen Studien generell widerlegten. Zum anderen sei es bei dem Kläger bei den vorherigen Impfungen nicht zu einem GBS gekommen. Eine Kannversorgung scheide ebenfalls aus. Denn Voraussetzung hierfür sei das Vorliegen widersprüchlicher wissenschaftlicher Meinungen. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da lediglich eine abweichende Einzelfallbeobachtung vorliege, aber keine abweichende wissenschaftliche Lehrmeinung.

Gegen das am 20. April 2018 zur Geschäftsstelle gelangte und dem Kläger am 25. April 2018 zugestellte Urteil hat dieser am 18. April 2018 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG – L 6 VS 1419/18) eingelegt. Es stehe fest, dass er im Rahmen seines Wehrdienstes für einen Auslandseinsatz geimpft worden sei, an einem GBS erkrankte und erhebliche Schädigungsfolgen ertragen müsse. Die Ergebnisse des Sachverständigen K1 ließen eine Bestätigung der Kausalität zu, nachdem dieser darlege, dass die Impfung kurz nach einer Meningitis eine gewisse Risikokonstellation dargestellt habe. Plausible Ersatzursachen, die das GBS hervorgerufen hätten, benenne er nicht. Im Umkehrschluss komme aus tatsächlichen Gründen nur die Impfung als Ursache in Frage. Der Sachverständige stelle fest, dass weitere Untersuchungen hinsichtlich der Ursache des GBS nicht vorgenommen worden seien, obwohl dies angebracht gewesen wäre. Dies könne aber nicht ihm zur Last gelegt werden, sondern müsse vielmehr im Rahmen der Beweiswürdigung zu seinen Gunsten ausgelegt werden. Stelle man darauf ab, dass die Impfung nur als mögliche Ursache in Betracht komme, sprächen die anderen Beweise und Tatsachen im Rahmen einer individualisierenden und konkretisierenden Betrachtung des vorliegenden Einzelfalls im Ergebnis für das Überwiegen eines Ursachenzusammenhangs zwischen der Impfung und der darauffolgenden Erkrankung an dem GBS. Der zeitliche Ablauf belege die Kausalität, die Herstellerinformation des Impfpräparates „Repevax“ weise aus, dass Verdachtsfälle von GBS im Zusammenhang mit der Impfung bekannt seien. Entscheidend sei, dass er keine anderweitige Krankheit gehabt habe, welche als Ursache in Betracht komme. Die behandelnden Ärzte hätten unabhängig voneinander einen Zusammenhang gesehen. Jedenfalls sei eine Kannversorgung zu gewähren, da eine Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft hinsichtlich der erforderlichen Wahrscheinlichkeit bestehe. Entgegen der Auffassung des SG liege eine Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft nicht erst dann vor, wenn widersprüchliche wissenschaftliche Meinungen oder gar Studien vorlägen, die die andere Meinung generell widerlegten. Eine Ungewissheit bestehe nach allgemeinem Sprachgebrauch bereits dann, wenn eine Tatsache nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestätigt werden könne.

Der Rechtsstreit ist durch den vormaligen Berichterstatter in nichtöffentlicher Sitzung am 11. Dezember 2018 erörtert worden. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand die Voraussetzungen zur Anerkennung eines GBS als Wehrdienstbeschädigung wohl nicht ausreichend gesichert seien. Allerdings sei zu beachten, dass nach der aktuelleren Rechtsprechung wie auch entsprechender medizinischer Veröffentlichungen durchaus zunehmend im wissenschaftlichen Diskurs ein Zusammenhang zwischen dem GBS und verschiedenen Impfungen als relevante Entstehungsvariante diskutiert werde. Insofern erscheine fraglich, ob inzwischen eine Ungewissheit über die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs im Sinne der Kann-Versorgung zu bejahen sei. Den geschlossenen Vergleich auf Prüfung einer Kann-Versorgung hat der Kläger widerrufen. Mit Beschluss vom 18. April 2019 ist daraufhin wegen weiterer Ermittlungen der Beklagten das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.

Am 12. August 2020 hat der Kläger das Verfahren wieder angerufen (L 6 SB 2595/20). Die Beklagte hat das neurologische Gutachten des B, S3kliniken B2, aufgrund ambulanter Untersuchung vom 5. November 2019 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, dass der Kläger ein seit etwa 2010 bestehendes Vermeidungsverhalten in öffentlichen Verkehrsmitteln, bestimmten öffentlichen Plätzen und Lokalen beschrieben habe. Er müsse sich bis zu 30 Mal am Tag waschen, es bestehe ein stark vermehrter Ordnungs- und Sauberkeitsdrang. Es seien eine vermehrte Erschöpfbarkeit, Ermüdbarkeit, verminderte Konzentration und eine leichte Gedächtnisstörung sowie leichte motorische Defizite, die ein vermehrtes Verletzungsrisiko bedingten, beschrieben worden. Weiter habe er über eine avisierte psychiatrisch-stationäre Therapie wegen einer komplexen posttraumatischen Stresserkrankung berichtet. Seit Jahren verspüre er insbesondere nächtlich Angst und Panik, träume von Personen, die versuchen wollten, ihn umzubringen. Weiter bestünden Träume bzw. Erinnerungen an Tote und belastende berufliche Ereignisse aus seiner Zeit als Soldat im Auslandseinsatz. Der aktuelle neurologische Untersuchungsbefund sei unauffällig ohne Hinweis für eine residuelle Nervenschädigung bzw. ein Polyradikulitis gewesen. Orientierend habe keine kognitive Störung bestanden. Der psychische Befund mit einem erhöhten Anspannungsniveau, mit zusätzlicher Schilderung von Alpträumen, Platzangst, Vermeidungsverhalten, Zwangshandlungen und einer Schlafstörung sei gut vereinbar mit einer Traumafolgestörung. Berichtet worden sei eine Kombinationsimpfung am 30. Mai 2012 mit am Folgetag aufgetretenem leichten Unwohlsein, ab der zweiten Woche Kopf-/Körperschmerzen und ein allgemeines Schwächegefühl. Diese berichteten Frühsymptome seien plausibel. Nach einer Studie zur Wirksamkeit und Nebenwirkungen des eingesetzten Impfstoffs berichteten 47,7 % der Geimpften über sogenannte „systemische Nebenwirkungen“ mit allgemeinem Krankheitsgefühl, Muskelschmerzen und Kopfschmerz. Zur Diagnose eines GBS seien die im BWK erhobenen neurographischen Befunde sowie der Liquorbefund mit allerdings – ungewöhnlich für das Krankheitsbild – liquorspezifischen oligoklonalen Banden, weiterhin einem erhöhten Antikörperindex für das Varizella-Zoster-Virus entscheidend. Die entsprechend durchgeführte Behandlung der Erkrankung sei nach dem Stand der damals gültigen Leitlinien mittels intravenös applizierten Immunglobulinen erfolgt. Aktuell habe der Kläger über das Erleben von Todesangst vor seiner intensivmedizinischen Behandlung aufgrund einer Störung der Atemmuskulatur berichtet. Vor Entlassung aus den Kliniken S1 am 25. September 2012 sei noch eine leichte Faziliarisschwäche links, ein ausreichend sicherer Strichgang, eine subjektiv eingeschränkte psychophysische Belastbarkeit und in einer ausführlichen neuropsychologischen Testung sehr gute, also altersentsprechende normale Ergebnisse beschrieben worden.

Bei einem GBS komme es zu entzündlichen Veränderungen des peripheren Nervensystems, besonders der aus dem Rückenmark hervorgehenden Nervenwurzeln und der dazugehörigen Nervenabschnitte. Es handele sich nicht um eine Erkrankung des zentralen Nervensystems, die mit einer kognitiven Störung einhergehe. Bei den neurologischen Untersuchungen im April 2013 und der stationären Rehabilitation im Juli 2014 hätten sich unauffällige neurologische Befunde gezeigt. Bei der nach Abklingen der Symptome des GBS geschilderten subjektiven psychophysischen Erschöpfbarkeit sei eine Anpassungsstörung denkbar. Für die von K1 postulierte Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung müsse der Betroffene kurz oder lang anhaltend einem belastenden Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß ausgesetzt sein, das bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Der Kläger habe beschreiben, bereits bei seinem soldatischen Einsatz im Kosovo, spätestens 2000, eine deutliche psychische Beeinträchtigung, die allerdings zum damaligen Zeitpunkt unbehandelt gewesen sei, und Todesängste im Rahmen des GBS verspürt zu haben. Damit sei gutachtlich auch ein psychischer „Vorschaden“ denkbar, der durch das aktuelle Krankheitsgeschehen einer erlebten schweren organischen Erkrankung richtungsweisend verschlimmert worden sei. Gemäß einer Literaturdarstellung sollen Posttraumatische Belastungsstörungen bei Klägern mit beatmungspflichtigem GBS in bis zu 20 % der Fälle vorkommen.

Eine aktuelle Auflistung der kumulativen dokumentierten Nebenwirkungen von Repevax des PEI führe ein GBS an 26. Stelle (von 40 aufgeführten gemeldeten Nebenwirkungen) mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,03 % auf. Von 1360 gemeldeten Verdachtsfällen von Nebenwirkungen bei Erwachsenen seit 2010 hätten bis aktuell 11 einen bleibenden Schaden gemeldet, der allerdings nicht näher ausgeführt werde. Der abwägenden Argumentation des K1 sei zu folgen und nur ein möglicher Zusammenhang zwischen Impfung und GBS sowie eine unverändert ungeklärte Pathogenität der Erkrankung anzunehmen. Gemäß einer aktuellen Literaturübersicht zur Kausalität eines GBS infolge einer Impfung bestünden grundsätzlich Evidenzen bezüglich einer möglichen kausalen Assoziation zwischen Impfstoff und GBS für Impfungen gegen Influenza, Meninkoggen, Hepatitis A und B, Mumps, Masern, Röteln, HPV, STP, HIB, Polio und Varizella. Zum Nachweis einer Wahrscheinlichkeit forderten die Autoren einen plausiblen Zeitraum bzw. ein Zeitintervall, den Ausschluss weiterer Gründe für die Erkrankung, dabei insbesondere als klinische Manifestationen: Infektionen des oberen Atemwegstraktes, Magen-Darm-Probleme und weitere seltene infektiologische Erkrankungen, die beim Kläger nicht bestanden hätten. Weitere Pathogene seien nicht ausgeschlossen/nachgewiesen bzw. entsprechende Tests nicht durchgeführt worden. Vorliegend sei nur der zeitliche Zusammenhang plausibel. Es bestünden jedoch weder eine pathophysiologisch gut begründbare Hypothese noch – trotz langjähriger dokumentierter Nebenwirkungen des Impfstoffs bis heute – wissenschaftlich begründete Daten, die eine vermehrte Häufigkeit der Erkrankung nach der Impfung nahelegten, sodass eine Koinzidenz der Impfung mit dem GBS wahrscheinlicher sei. Der Kläger habe lediglich wie bei knapp 50 % der Impflinge nachweisbare unspezifische Frühsymptome kurz nach der Impfung beschrieben. Neurologische Schädigungsfolgen der Erkrankung, die über sechs Monate angehalten hätten, lägen nicht vor. Die Erkrankung sei innerhalb von drei Monaten weitgehend zurückgebildet gewesen. Die beklagte psychophysische Minderbelastbarkeit/leichte kognitive Störung und weitere psychischen Symptome seien nicht durch das GBS erklärt, sondern am ehesten durch eine psychische Anpassungsstörung auf dem Boden einer Vulnerabilität/psychischen Vorerkrankung („Vorschaden“) zum Zeitpunkt des Auftretens der Erkrankung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. November 2017 sowie den Bescheid vom 11. November 2014 in der Gestalt des Beschwerdebescheides vom 29. Juli 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dass im Juni 2012 erlittene Guillian-Barré-Syndrom als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen und ihm einen Ausgleich nach § 85 SVG zu gewähren.

hilfsweise,

die Beklagte zu verpflichten, nach pflichtgemäßem Ermessen die bei ihm festgestellten Leiden als Folge einer Wehrdienstbeschädigung gemäß § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG nach Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verweist auf die angefochtene Entscheidung.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung ist statthaft (§§ 143144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 23. November 2017, mit dem die kombinierte Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und Abs. 4, 55 Abs. 2 Nr. 3 SGG) auf Feststellung von eines GBS als Folge einer Wehrdienstbeschädigung Schädigungsfolgen und die Gewährung eines Ausgleichs unter Aufhebung des Bescheides vom 11. November 2014 in der Gestalt des Beschwerdebescheides (§ 95 SGG) vom 29. Juli 2015 abgewiesen worden ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rz. 34).

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 11. November 2014 in der Gestalt des Beschwerdebescheides vom 29. Juli 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs.1 Satz 2 SGG). Er kann weder die Feststellung von Folgen einer Wehrdienstbeschädigung noch einen Ausgleich beanspruchen. Ebenso liegen die Voraussetzungen für eine Kannversorgung nicht vor. Auch nach Überzeugung des Senats ist das beim Kläger aufgetretene GBS nicht auf die zur Vorbereitung des Auslandseinsatzes verabreichte Vierfachschutzimpfung zurückzuführen.

Rechtsgrundlage für die Feststellung von Folgen einer Wehrdienstbeschädigung und die Gewährung von Ausgleich ist § 85 Abs. 1 SVG i. V. m. §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 Satz 1 BVG. Danach erhalten Soldaten wegen der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung während ihrer Dienstzeit einen Ausgleich in Höhe der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulage nach § 30 Abs. 1 und 31 BVG. Nach § 81 Abs. 1 SVG ist eine Wehrdienstbeschädigung eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist.

Für die Anerkennung von Folgen einer Wehrdienstbeschädigung ist eine mehrgliedrige Kausalkette zu prüfen: Ein mit dem Wehrdienst zusammenhängender schädigender Vorgang muss zu einer primären Schädigung führen, die wiederum die Schädigungsfolge bedingt. Dabei müssen sich die einzelnen Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, primäre Schädigung, Schädigungsfolgen) grundsätzlich im Sinne eines Vollbeweises mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen lassen. Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen schädigendem Vorgang, primärer Schädigung und erster Schädigungsfolge ist versorgungsrechtlich als Beweismaßstab eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (§ 81 Abs. 6 Satz 1 SVG) zugrundezulegen. Es muss also nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang sprechen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 2008 – B 9/9a VS 5/06 R –, juris, Rz. 19). Die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 – B 9 VJ 1/10 R –, juris, Rz. 38). Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, sind sie nur dann nebeneinanderstehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolgs „annähernd gleichwertig“ sind. Die annähernde Gleichwertigkeit ist dann anzunehmen, wenn eine vom Schutzbereich des BVG umfasste Ursache in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges allein mindestens so viel Gewicht hat wie die übrigen Umstände zusammen. Die Entscheidung darüber, welche Bedingungen im Rechtssinn als Ursache oder Mitursache zu gelten haben und welche nicht, ist im jeweiligen Einzelfall aus der Auffassung des praktischen Lebens abzuleiten (vgl. BSG, Urteil vom 8. August 1974 – 10 RV 209/73 –, juris, Rz. 16).

Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung genügt nach § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Es ist im vorliegenden Fall jedoch weder nachgewiesen, noch kann es auch nur wahrscheinlich gemacht werden, dass das GBS durch schädigende Vorgänge im Laufe des von dem Kläger abgeleisteten Wehrdienstes hervorgerufen worden ist. Das SG hat im angefochtenen Urteil im Einzelnen u. a. unter Bezugnahme auf das Gutachten des K1 dargelegt, dass bis heute die Ätiologie des GBS wissenschaftlich ungeklärt und daher ein Ursachenzusammenhang zwischen der Entstehung dieser Erkrankung oder deren Verschlimmerung und einer Wehrdienstbeschädigung nicht wahrscheinlich zu machen ist. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach nochmaliger eigener Überprüfung an und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend wird auf das von der Beklagten vorgelegte Gutachten des B verwiesen, dass unter Auswertung der aktuellen Studienlage zu keinem anderen Ergebnis gelangt ist.

Die am 30. Mai 2012 intramuskulär verabreichte Vierfachimpfung mit dem Impfstoff Repevax fand zur Vorbereitung des Auslandseinsatzes statt, war damit dienstlich veranlasst, nämlich auf der Grundlage dienstlicher Anordnung im Rahmen der Vorsorge für einen geplanten Auslandseinsatz erfolgt und lag im dienstlichen Interesse. Die Impfung ist damit nicht zum privaten Gesundheitsschutz des Klägers zuzuordnen. Der Impfvorgang ist somit rechtlich als Dienstverrichtung im Sinne des § 81 Abs. 1 SVG zu qualifizieren (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. Februar 2021 – L 13 VS 61/20 –, juris, Rz. 29; Hessisches LSG, Urteil vom 17. Februar 2005 – L 8/5 VS 27/02 –, juris, Rz. 24) und kann daher ein schädigender Vorgang sein.

Weiter ist direkt nach der Impfung eine typische Impfreaktion eingetreten mit am Folgetag aufgetretenem Schweißausbrüchen und leichten Unwohlsein, ab der zweiten Woche Kopf-/Körperschmerzen und einem allgemeinen Schwächegefühl. Diese berichteten Frühsymptome sind plausibel, was der Senat dem Gutachten des B entnimmt. Nach der von ihm zitierten Studie zur Wirksamkeit und Nebenwirkungen des eingesetzten Impfstoffs berichteten 47,7 % der Geimpften über sogenannte „systemische Nebenwirkungen“ mit allgemeinem Krankheitsgefühl, Muskelschmerzen und Kopfschmerz.

Der Kläger hat danach unstreitig ein GBS entwickelt, das aber auch zur Überzeugung des Senats nicht kausal auf die angeschuldigte Impfung zurückgeführt werden kann. Zwar sind zunächst der erhöhte Antikörperindex für das Varizella-Zoster-Virus und der Nachweis von obligoklinen Banden nicht typisch für das GBS, wie der Senat dem Sachverständigengutachten des K1 entnimmt, jedoch hat dieser überzeugend dargelegt, dass der klinische Verlauf für ein GBS gesprochen hat, sodass er die Diagnosestellung des BWK bestätigt. Gewichtige Zweifel am Vorliegen des GBS bestehen daher für den Senat trotz der laborchemischen Auffälligkeiten nicht.

Nach den durchgeführten Ermittlungen ist nicht wahrscheinlich, dass der Primärschaden auf die betreffende Impfung zurückzuführen ist (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 – B 9 VJ 1/19 R –, juris, Rz. 38; BSG, Beschluss vom 29. Januar 2018 – B 9 V 39/17 B –, juris, Rz. 7). Der Kausalzusammenhang ist auf der Grundlage des im Entscheidungszeitpunkt neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten. Hierzu konnten die sogenannten Anhaltspunkte (AHP) herangezogen werden, die als antizipierte Sachverständigengutachten angesehen wurden. Seit den AHP 2008, die mittlerweile durch die Anlage 2 zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung (Versorgungsmedizinische Grundsätze [VG]) ersetzt wurden, sind darin aber keine detaillierten Angaben zu Impfkomplikationen mehr enthalten. Im Zusammenhang mit der Streichung der betreffenden Teile der AHP wurde darauf hingewiesen, dass die beim RKI eingerichtete STIKO Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß der Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Impfschaden) entwickelt. Die Arbeitsergebnisse der STIKO werden im EP veröffentlicht und stellen den jeweiligen aktuellen Stand der Wissenschaft dar (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 – B 9 VJ 1/10 R –, juris, Rz. 39). Bislang wurde zur Abgrenzung üblicher Impfreaktionen von Impfkomplikationen auf die Ausführungen im EP Nr. 25/2007 vom 22. Juni 2007 zurückgegriffen, wobei es dort nun aber heißt, dass diese Hinweise nicht mehr gültig seien. Zur Assoziation möglicher unerwünschter Ereignisse mit einzelnen Schutzimpfungen verweist die STIKO auf die jeweilige Fachinformation (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. Februar 2021 – L 13 VS 61/20 –, juris, Rz. 32). Der Hinweis des B1 auf die Darlegungen im EP Nr. 25/2007 sind daher zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung überholt. Im Übrigen hat er den Kausalzusammenhang aber auch auf Grundlage der dortigen Ausführungen überzeugend verneint.

Dass in der Fachinformation zu dem verabreichten Impfstoff Repevax das GBS als Nebenwirkung benannt wird, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Senat entnimmt nämlich der Fallbewertung des PEI, die er im Wege des Urkundsbeweises verwertet (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]), dass die Beschreibung des GBS als Nebenwirkung in der Fachinformation auf Spontanmeldungen in der Post-Marketing-Beobachtung resultiert, für die eine Kausalität nicht bewiesen ist. Somit können hieraus keine Rückschlüsse auf einen Kausalzusammenhang gezogen werden, wie S2 versorgungsärztlich überzeugend dargelegt hat. Daneben kann die rein abstrakte Möglichkeit einer Nebenwirkung weder den erforderlichen Nachweis des Krankheitsgeschehen noch eines Kausalzusammenhangs im Einzelfall erbringen (vgl. Bay. LSG, Urteil vom 14. Mai 2019 – L 15 VJ 9/17 –, juris, Rz. 49). Entgegen der Auffassung des Klägers bestätigt das PEI den Kausalzusammenhang gerade nicht und auch das BWK hat lediglich dargelegt, dass die Impfung als Ursache in Betracht zu ziehen sei.

Bereits der zeitliche Zusammenhang zwischen der Impfung und dem Auftreten der Symptome steht für den Senat nicht zweifelsfrei fest. Zwar wird sich der Anamnese der Kliniker S1 nicht entnehmen lassen, dass die Symptomatik bereits am Folgetag aufgetreten ist und seitdem zunehmend bestanden hat, sodass es schon deshalb an der immunologischen Plausibilität fehlt, wie S2 versorgungsärztlich dargelegt hat. Indessen hat B1 versorgungsärztlich überzeugend herausgearbeitet, dass die einen Tag nach der Impfung beschriebenen Schweißausbrüche und das Unwohlsein Ausdruck einer harmlosen Allgemeinreaktion in den ersten Tagen nach der Impfung gewesen sein können, aber ebenso vegetative Regulationsstörungen im Rahmen einer bereits bestehende bzw. sich manifestierenden neurologischen Erkrankung wie dem GBS.

Selbst wenn ein zeitlicher Zusammenhang unterstellt wird, reicht dieser alleine nicht aus, um eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs zu begründen. K1 hat schlüssig darlegt, dass sich der Grad der Wahrscheinlichkeit der Kausalität am Evidenzgrad von Beobachtungen und Studien richtet. Einzelfallbeschreibungen, Fallserien und epidemologische Studien können unkontrolliert, kontrolliert, beobachtend und experimentell sein. Der geringste Evidenzgrad findet sich bei Einzelfallbeschreibungen, der höchste bei klinischen Studien, die doppelblind und prospektiv durchgeführt werden.

Zum aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand führt der Sachverständige, für den Senat schlüssig, aus, dass neben (älteren) Einzelfallbeobachtungen epidemologische Studien existieren, wonach jährlich ein bis zwei Fälle eines GBS auf 100.000 Einwohner auftreten, ohne dass zuvor eine Impfung erfolgt ist. Auf einen Zeitraum von sechs Wochen nach der Impfung gerechnet beträgt die Hintergrundmorbidität somit 0,11 bis 0,23 Fälle pro 100.000 Einwohner. Durchgeführte Studien unter bis zu 20 Millionen Impfungen zeigten indessen das Auftreten eines GBS in nur gut der Hälfte der Fälle, wie allein aufgrund der Hintergrundmorbidität zu erwarten gewesen wäre (0,05 Fälle auf 100.000 Einwohner). Der Senat folgt dem Sachverständigen daher in seiner Schlussfolgerung, dass nach dem aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand aufgrund der genannten Studien und entgegen früherer, auf Einzelfallbeobachtungen beruhender Annahmen, die verabreichten Impfungen nicht mit einem signifikant erhöhten Risiko für ein nachfolgendes GBS einhergehen. Ein spontanes Auftreten ist daher deutlich wahrscheinlicher wie ein solches als Folge der Impfung, sodass letztere nicht als annähernd gleichwertig angesehen werden kann. Dabei muss berücksichtigt werden, wie K1 ebenfalls darlegt, dass der Evidenzgrad einer Einzelfallbeobachtung deutlich geringer ist, als der von Studien mit entsprechenden Fallzahlen. Dementsprechend ist nicht entscheidend, dass nach den WHO-Kriterien der Zusammenhang mit „möglich“ zu beschreiben ist, nachdem B1 versorgungsärztlich überzeugend ausgeführt hat, dass die medizinischen Bewertungsmaßstäbe mit der versorgungsrechtlichen Kausalitätsbeurteilung nicht deckungsgleich sind. Vorstehendes wird gestützt durch das urkundsbeweislich zu verwertende Gutachten des B. Abgesehen davon, dass dieser die Darlegungen des K1 zum aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand bestätigt, untermauert er diese durch den Hinweis, dass es an einer pathophysiologisch gut begründbaren Hypothese und trotz der langjährig dokumentierten Nebenwirkungen an wissenschaftlich begründete Daten, die eine vermehrte Häufigkeit der Erkrankung nach der Impfung nahelegen, fehlt, sodass für ihn letztlich nur der plausible zeitliche Zusammenhang verbleibt. Somit kommt er – ebenfalls überzeugend – zu dem Ergebnis, dass eine Koinzidenz der Impfung mit dem GBS wahrscheinlicher ist, da ein spontanes Auftreten wahrscheinlicher ist, als ein Zusammenhang mit der Impfung. Darauf, dass der zeitliche Zusammenhang die Kausalität allein nicht begründen kann, da ein GBS zufällig auftreten kann und nicht mit einer Infektion einhergehen muss, hat bereits das PEI in seiner Fallbewertung hingewiesen, der sich S2 versorgungsärztlich angeschlossen hat.

Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht darauf an, dass andere Ursachen für das GBS ausgeschlossen worden sind. Er übersieht bei seiner Argumentation, ebenso wie die H2, dass die Abwesenheit von Alternativerklärungen nicht ausreichend ist, um den Kausalzusammenhang zu begründen (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. Februar 2021 – L 13 VS 61/20 –, juris, Rz. 40 unter Verweis auf BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R –, juris, Rz. 20). Abgesehen davon haben die Sachverständigen und das PEI dargelegt, dass ein GBS im Zusammenhang mit Infektionen auftreten kann, aber keinesfalls muss, sodass ein spontanes Auftreten mindestens genauso wahrscheinlich ist, wie im Zusammenhang mit einer Infektion. Aus dem Ausschluss einer Infektion lässt sich daher gerade nicht der Rückschluss ziehen, dass das GBS durch die Impfung verursacht ist. Dementsprechend kommt es nicht darauf an, dass der Kläger weitere Beweiserleichterungen für sich reklamiert, da weitergehende Untersuchungen unterblieben seien. Insoweit verkennt er, dass das Gesetz bezüglich der Kausalitätsbeurteilung bereits Beweiserleichterungen dadurch enthält, dass es eine Wahrscheinlichkeit genügen lässt, darüber hinausgehende Beweiserleichterungen aber nicht in Betracht kommen (vgl. zu § 61 Infektionsschutzgesetz [IfSG] BSG, Beschluss vom 4. Juni 2018 – B 9 V 61/17 B –, juris, Rz. 5). Weiter berücksichtigt er nicht, dass K1 eine unzureichende Abklärung im Hinblick auf Konkurrenzursachen moniert hat, also nur hinsichtlich der negativen Abgrenzung, nicht aber hinsichtlich des positiven Nachweises des GBS. Es bleibt somit dabei, dass die Nichterweislichkeit einer Tatsache den allgemeinen Regeln der Beweislast zu Lasten dessen geht, der sich zur Begründung seines Anspruchs auf ihr Vorliegen stützt. Im Übrigen weist B1 versorgungsärztlich zu Recht darauf hin, dass der Kläger bereits mehrfach Schutzimpfungen erhalten hat, wie durch die entsprechenden Krankenblätter belegt ist, ohne dass es zu schwerwiegenden Reaktionen gekommen wäre.

Dass beim Kläger eine Risikokonstellation wegen der Meningitis bestanden haben könnte, stellt eine bloße Vermutung des K1 dar. Er führt selbst aus, dass hierzu keine Erkenntnisse vorliegen und ebenso sind seine Ausführungen rein spekulativ, dass zur Auslösung des GBS temporäre Mechanismen wie z. B. die verstärkte Immunreaktion gegen den Auslöser der Meningitis beigetragen haben können. Selbst ausgehend von einer solcher speziellen immunologischen Situation, die vorliegend nicht erwiesen ist und nicht zu Grunde gelegt werden kann, könnte daraus nicht auf eine rechtliche wesentliche Verursachung durch die Impfung geschlossen werden, da dann gerade eine konkurrierende Ursache belegt wäre.

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass bereits die Kliniken S1 keinen verbliebenen neurologischen Befund beschrieben haben, sodass B1 versorgungsärztlich zu Recht auf die erfolgreiche ärztliche Behandlung verweist. S2 hat versorgungsärztlich daher schlüssig einen GdS über einen Zeitraum von sechs Monaten verneint.

Soweit K1 und B die Frage psychischer Folgen diskutieren und die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung in den Raum stellen, überzeugt dies den Senat nicht und stellt die versorgungsärztlichen Einschätzungen nicht in Frage. Berücksichtigt werden muss im Verlauf nämlich, dass die Kliniken S1 einen unauffälligen psychischen Befund erhoben haben und sich erstmals in der Nachuntersuchung im BWK im April 2013 die Klage über Schlafstörungen findet. Bereits zu diesem Zeitpunkt ist darauf hingewiesen worden, dass diese im Zusammenhang mit der Belastung durch die schwere Erkrankung des Vaters zu sehen sind. Dies wird durch einen weiteren Karteikarteneintrag bestätigt, wonach sich eine schwere depressive Symptomatik gezeigt habe, die in Verbindung mit der Erkrankung des Vaters aufgetreten ist. Hingewiesen wird darauf, dass der Kläger sich wegen der Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Vaters ständig bei diesem im Krankenhaus aufhalte. Nichts Anderes ist dem Entlassungsbericht des Qes über die stationäre Rehabilitation im März 2014 zu entnehmen, wonach der Behandlungsverlauf ab September 2013 stagnierte und der Kläger durch den Tod des Vaters im Januar 2014 psychisch belastet gewesen ist. Gleichwohl ist der Kläger nur leichtgradig depressiv herabgestimmt beschrieben worden und zum Entlassungsbefund ist festgehalten, dass er gefasst und psychisch stabil gewesen ist. Selbst die H2 ist davon ausgegangen, dass ein fortbestehendes Fatique Anfang 2015 überwunden gewesen sei.

Wenn der Kläger bei der ambulanten Untersuchung bei B gut sieben Jahre nach der Impfung ein seit 2010 bestehendes Vermeidungsverhalten und schwerwiegende psychische Beeinträchtigungen beschreibt, ist dies anhand der Vorbefunden und insbesondere im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung nicht plausibel. B beschreibt selbst, dass die Schilderungen jedenfalls deutliche Hinweise auf einen psychischen Vorschaden, der mit der Impfung in keinem Zusammenhang steht, geben. Soweit er eine Verschlimmerung des Vorschadens thematisiert, wird dies durch die zeitnahen Befunde gerade nicht gestützt. Insbesondere wird von ihm nicht hinreichend beachtet, dass die Verschlechterung des psychischen Befundes in Verbindung mit der Erkrankung des Vaters gesehen worden ist und die Klinik Q eine Stabilisierung beschrieben hat. Dies kann indessen dahinstehen, da weitere Gesundheitsschäden mangels kausalem Zusammenhang zwischen schädigendem Ereignis und Primärschaden nicht anzuerkennen sind.

Die Berufung ist daher im Hauptantrag unbegründet, auch der Hilfsantrag hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen einer Kannversorgung liegen ebenfalls nicht vor.

Nach § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden, wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht.

Die Kannversorgung kommt in Betracht, wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nach Satz 1 nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht. Ungewissheit besteht, wenn es über die Ursachen einer Erkrankung keine allgemeine, ausreichend gesicherte medizinische Lehrmeinung gibt. Gemeint ist eine abstrakt-theoretische Ungewissheit, nicht eine konkrete im Einzelfall. Auch Ungewissheiten im Sachverhalt sind nicht ausreichend. Ausreichend ist aber, wenn die Ursächlichkeit einzelner, beim Betroffenen vorliegender Umstände, nicht gesichert ist. Eine abweichende Einzelmeinung begründet keine Ungewissheit. Satz 2 verlangt, als weitere Beweiserleichterung gegenüber Satz 1, einen gewissen Grad der Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs zwischen einer Krankheit und einem versorgungsrechtlich erheblichen Vorgang. Verlangt wird mehr als eine nur theoretische Möglichkeit, sondern eine „gute Möglichkeit“ (vgl. Lilienfeld, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 81 Rz. 143 ff.). Auch im Rahmen der Kann-Versorgung ist eine mehrgliedrige Kausalkette zu prüfen: Ein mit dem Wehrdienst zusammenhängender schädigender Vorgang muss zu einer primären Schädigung und weiter zu einer ersten Schädigung geführt haben, die wiederum die weitere Schädigungsfolge bedingt hat. Dabei müssen sich die einzelnen Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, primäre Schädigung, Schädigungsfolgen) grundsätzlich im Sinne des Vollbeweises mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen lassen. Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem schädigenden Vorgang, primärer Schädigung und erster Schädigungsfolge ist versorgungsrechtlich als Beweismaßstab eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (§ 81 Abs. 6 Satz 1 SVG) zugrundezulegen; es muss also nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang sprechen. Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen erster und weiterer Schädigungsfolge reicht nach § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG der Beweismaßstab der „guten Möglichkeit“ (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 2008 – B 9/9a VS 5/06 R –, juris, Rz. 19). Letzterer gilt somit nicht für die haftungsbegründende, sondern nur für die haftungsausfällende Kausalität (vgl. Lilienfeld, a.a.O.).

Zwar besteht in der medizinischen Wissenschaft Unklarheit über die Ursache des GBS, die überwiegend als Autoimmunerkrankung eingeschätzt wird. Die von den Sachverständigen ausgewertete Studienlage zeigt aber, dass die Wahrscheinlichkeit eines spontanen Auftretens des GBS höher ist als im Zusammenhang mit einer Impfung. So wurde, obwohl es sich weltweit um eine häufige Impfung handelt, nur ein einziger Fall berichtet, bei dem es in zeitlichem Zusammengang mit der Impfung zu einer Erkrankung mit GBS kam. Keine einzige fundierte wissenschaftliche Arbeitshypothese hat demzufolge den Zusammenhang begründen können. Die von B angeführte aktuelle Auflistung der kumulativen dokumentierten Nebenwirkungen von Repevax des PEI führt das GBS an 26. Stelle der gemeldeten Nebenwirkungen mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,03 % auf. Von 1360 gemeldeten Verdachtsfällen von Nebenwirkungen bei Erwachsenen seit 2010 haben bis aktuell 11 einen bleibenden Schaden gemeldet. Diese Fälle werden aber nicht wissenschaftlich auf die Impfung zurückgeführt.

Soweit B auf in der Literatur beschriebene grundsätzliche Evidenzen bezüglich einer möglichen kausalen Assoziation zwischen Impfstoff und GBS verweist, führt er nämlich dazu aus, dass diesen schon keine pathophysiologisch gut begründbare Hypothese zu Grunde liegt und sie nicht durch wissenschaftlich begründete Daten untermauert sind. Die Annahme einer „guten Möglichkeit“ rechtfertigt sich hieraus nicht. Im Übrigen weist B darauf hin, dass die Autoren den Ausschluss weiterer Gründe für die Erkrankung fordern, der beim Kläger nur unzureichend erfolgt ist, sodass sich im konkreten Einzelfall auch deshalb kein anderes Ergebnis rechtfertigen würde. Dass eine weitere Beweiserleichterung hinsichtlich nicht erhobener Befunde nicht in Betracht kommt, ist bereits dargelegt worden.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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