Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 31.10.2013 und des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2014 verpflichtet, den Vorfall vom 03.07.2013 als Versicherungsfall im Sinne der Gesetzlichen Unfallversicherung anzuerkennen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers hat die Beklagte zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Vorfalls vom 03.07.2013 als Versicherungsfall.
An diesem Tag verunglückte der Kläger auf dem Gelände eines Baumarktes.
Der Kläger ist mittlerweile Rentner, welcher – damals noch berufstätig - seiner Tochter und seinem Schwiegersohn bei der Errichtung einer Terrasse auf deren Wochenendgrundstück helfen wollte.
Dieses Grundstück liegt in der Nähe von C-Stadt. Der Kläger selbst lebt in A-Stadt. Das mittlerweile veräußerte Grundstück befindet sich in einer Hanglage etwas abseits am Wald. Unterhalb des Waldsaumes war eine Sitzgelegenheit mit Bank und Tisch auf unbefestigter Fläche. Die Tochter des Klägers, die Zeugin D., und ihr Ehemann überlegten, die Fläche zu begradigen und zu befestigen, verwarfen aber diesen Gedanken aus Kostengründen wieder. Als der Kläger davon hörte, bot er an, Tochter und Schwiegersohn zu helfen. Es war letztlich nur noch eine Terminsfrage. Der Kläger, damals noch berufstätig, musste Urlaub nehmen und fuhr sodann mit seiner Ehefrau, der Zeugin E. A., nach C-Stadt. Als Vorgaben wurde dem Kläger mitgeteilt, wie die Terrasse ungefähr aussehen und welche Größe sie haben sollte. Die Ausführung sollte der bereits vorhandenen anderen mit Waschbetonplatten ausgestatteten Terrasse entsprechen. Im Übrigen mussten eine kleine Bank und ein Tisch darauf passen. Die Fläche wurde seitens der Tochter des Klägers auch ungefähr ausgemessen. Im Übrigen überließ sie die weitere Ausführung dem Kläger. Dieser sah sich die Angelegenheit vor Ort an und stellte fest, dass nach Ausschachtarbeiten und Begradigung Betonplatten in ein Kiesbett verlegt werden mussten. Während des Verwaltungsverfahrens gab die Zeugin D. noch an, es sei eine Fläche ca. 5 m² vorgesehen gewesen; den zeitlichen Aufwand der Tätigkeit des Vaters schätzte sie auf insgesamt 15 Stunden. Nach Einschätzung des Klägers hätte es eher 3-4 Arbeitstagen bedurft. Geplant war, 54 Stück Waschbetonplatten à 40 x 40 cm im örtlichen Baumarkt zu erwerben, und mangels Liefermöglichkeit mit einem gemieteten Anhänger zur Baustelle zu verbringen. Noch auf dem Baumarktgelände erlitt der Kläger den hier streitgegenständlichen Unfall, als eine beladene Palette von der Hubgabel eines Gablers fiel und seinen linken Knöchel verletzte.
Zur Ausführung des Bauvorhabens kam es dann nicht mehr.
Die Beklagte erfuhr erst über die Unfallanzeige von dem Vorhaben. Eine freiwillige Unternehmerversicherung oder eine freiwillige Bauherrenversicherung bestand nicht. Mit Bescheid vom 31.10.2013 lehnte sie Unfallversicherungsschutz ab. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung könnten von der Beklagten nicht gewährt werden. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 08.11.2013 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2014 zurückwies.
Gegen diesen am 22.08.2014 zur Post gegebenen Bescheid hat der Kläger mit Schreiben seines Bevollmächtigten am 25.09.2014 Klage erhoben.
Er vertritt die Auffassung, dass der Vorfall eine versicherte Tätigkeit darstelle.
Er beantragt wörtlich,
den Verwaltungsakt vom 31.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2014 aufzuheben und dem Kläger die beantragten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bzgl. des Unfalls vom 03.07.2013 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2015 den Kläger informatorisch angehört. Es hat zudem die Zeuginnen D. (Tochter und Bauherrin) und E. A. (Ehefrau) zur Sache vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der jeweiligen Befragung wird auf den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2015 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Behördenvorgang (1 Hefter Unfallakte und 1 Hefter Eigenbauakte) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten einem solchen Verfahren ausdrücklich zugestimmt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Klage ist zulässig, soweit Streitgegenstand die Anerkennung eines Versicherungsfalls ist. Im Übrigen fehlt der Klage das Rechtsschutzbedürfnis, soweit sie bereits auf Entschädigungsleistungen gerichtet ist. Denn das Verfahren über die Anerkennung eines Versicherungsfalls ist noch nicht beendet.
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber auch begründet. Der Vorfall vom 03.07.2013 stellt einen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII dar. Arbeitsunfälle sind danach Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Da die Tätigkeit unentgeltlich erfolgte, scheidet Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII aus. Versicherungsschutz ist indes nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII gegeben. Nach dieser Vorschrift sind Personen versichert, die wie nach Abs. 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Beschäftigung gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV ist die nichtselbständige Arbeit insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 iVm mit Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ist jede Verrichtung versichert, die eine Ausübung einer Beschäftigung vergleichbar ist. § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII erfasst tatbestandlich Tätigkeiten, die ihrer Art nach zwar nicht sämtliche Merkmale der Ausübung einer Beschäftigung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer solchen ähneln. Es muss ebenfalls eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert verrichtet werden, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte und regelmäßig verrichtet wird, die in einem fremden Unternehmen dafür eingestellt sind (so ausdrücklich BSG, 27.03.2012 – B 2 U 5/11 R -, juris, mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts).
Die Tätigkeit des Klägers war für die Zeugin D. objektiv nützlich. Es lag auch eine objektiv arbeitnehmerähnliche Handlungstendenz vor. Der Kläger ist, entgegen der auch so vertretenen Auffassung der Beklagten, nicht wie ein Unternehmer eigenwirtschaftlich tätig geworden. Der Kläger hat hier keine eigenen Angelegenheiten verfolgt, der Kläger lebt gut 200 km von der damaligen Baustelle entfernt und ist, wie es unter Verwandten oder Freunden durchaus nicht unüblich ist, nicht wie ein Unternehmer tätig geworden. Die Beklagte mag Recht haben, dass er die Tätigkeiten zwar weitestgehend eigenverantwortlich geplant hat; dies betraf aber wohl in erster Linie allenfalls die tatsächlichen praktische Ausführung, wegen derer sich die Zeugin D. auf ihren Vater verlassen hat. Sie hat aber im Übrigen Lage, Größe und Aussehen der Terrasse bestimmt. Dass sie ihrem handwerklich veranlagten Vater die tatsächliche Ausführung überlassen wollte, liegt in der Natur der Sache und macht diesen nicht gleich zum Unternehmer. Es gab einen klaren Rahmen, innerhalb dessen erst das eigenverantwortlich Tätigwerden möglich war. Die Weisungsfreiheit bezog sich lediglich auf die praktische Ausführung des gedanklichen Entwurfes der Zeugin. Die Tätigkeit erfolgt auch allein im Interesse der Zeugin. Dem Kläger hat die Tätigkeit bzw. sollte die Tätigkeit keinerlei Vorteil bringen.
Der Annahme einer „Wie-Beschäftigung“ steht nicht das Bestehen einer so genannten „Sonderbeziehung“ entgegen. Eine solche liegt vor bei Verwandtschaft oder bei einer Gefälligkeit für Beklagte und Freunde. Besteht eine solche Konstellation, sind gleichwohl alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Dabei kann sich ergeben, dass die konkrete Verrichtung außerhalb dessen liegt, was für enge Verwandte, Freunde oder Bekannte getan wird, oder nicht wegen der Sonderziehung vorgenommen wird. Dann kann sie den Tatbestand der „Wie-Beschäftigung“ erfüllen (vgl. BSG, a.a.O.). Von Bedeutung sind Dauer und Ausmaß der persönlichen Beziehung einschließlich der Ausgestaltung wie z.B. in der Vergangenheit geleisteter Hilfen, deren Gegenseitigkeit und andererseits die übernommene Verrichtung nach Art, Umfang und Dauer. Es ist zu prüfen, ob das persönliche Verhältnis das Handlungsmotiv bildet und die Verrichtung als Gefälligkeitsleistung nach Art, Umfang und Zeitdauer durch die Stärke des persönlichen Verhältnisses wesentlich geprägt wird oder ob es sich um eine Tätigkeit handelt, die über das hinausgeht, was allgemein im Rahmen eines solchen persönlichen Verhältnisses geleistet bzw. erwartet wird (vgl. Bay. LSG, 25.09.2013 – L 2 U 248/12 -, juris, mit weiteren Nachweisen). Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII scheidet danach dann aus, wenn es sich bei der Verrichtung um einen aufgrund der konkreten sozialen Beziehungen geradezu selbstverständlichen Hilfsdienst handelt oder die zum Unfall führende Verrichtung als Erfüllung gesellschaftlicher Verpflichtungen anzusehen ist, die bei einer solchen Freundschaft oder Verwandtschaft typisch, üblich und deshalb zu erwarten ist (vgl. Bay. LSG, a.a.O., BSG, a.a.O., jeweils juris, jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Der Aufbau der Terrasse im genannten Umfang ging über das Maß dessen hinaus, was im Rahmen einer Beziehung zwischen Vater und längst erwachsener Tochter üblich und deshalb zu erwarten ist. Hier ist zu berücksichtigen, dass ein Umfang von 15 Stunden, wie es die Zeugin D. angegeben hatte, nicht auskömmlich gewesen wäre. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung dargetan, dass das Material hätte zunächst den Hang gut 150 m hoch befördert werden müssen. Man habe dann beabsichtigt, das Plateau mit der Kreuzhacke zu bearbeiten, dies hätte auch relativ viel Zeit in Anspruch genommen. Der Zeitrahmen für eine gut 8 m² große Terrasse (54 Stück Waschbetonplatten à 40 cm x 40 cm) erscheint zwar relativ hoch, unter Berücksichtigung der erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen (Hanglage) und der Erstellung des Kiesbettes aber auch nicht außer jedem Verhältnis. Tochter und Eltern leben lange nicht mehr zusammen. Die Tochter ist bereits 1989 nach dem Abitur ausgezogen und lebt seit ca. 9 Jahren am Tegernsee. Seit dieser Zeit sehen sie sich nur 3 – 4 mal im Jahr zu Festtagen und Geburtstagen. Die Errichtung dieser Terrasse stellt daher einen Einzelfall dar und ist nicht Ausdruck wechselseitiger Unterstützung bei der Pflege und Wartung von Haus und Grundstück. Es handelt sich auch um eine Tätigkeit, die üblicherweise von Fachfirmen verrichtet wird. Wie Kläger und Zeugen gemeinsam zum Ausdruck brachten, drohte das Vorhaben aus finanziellen Gründen zu scheitern. Jedenfalls lässt sich feststellen, dass die Hilfeleistung des Vaters vorliegend nicht als selbstverständlich und im Rahmen des Verwandtschaftsverhältnisses als geboten anzusehen ist. Dies wird auch dadurch erhellt, dass die Zeugin D. die Unterstützung nicht etwa von ihrem Vater, dem Kläger, verlangt oder sie ihn wenigstens ausdrücklich gebeten hat, sondern dass sich die Idee der Hilfe des Vaters aus gemeinsamen Gesprächen entwickelte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und berücksichtigt, dass das Teilunterliegen des Klägers nur unwesentlich ist.