S 11 SO 9/15

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 11 SO 9/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 63/16
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Der Kläger begehrt vom Beklagten ein Darlehen zum Erwerb der Fahrerlaubnis Klasse B. 

Bei dem 1991 geborenen Kläger besteht wegen einer Intelligenzminderung und eines Anfallsleidens ein Grad der Behinderung von 90. Zusätzlich sind die Merkzeichen „B“ und „G“ zuerkannt. Seit 01.09.2008 wird der Kläger in der D-Werkstätten e. V. in A-Stadt betreut. Seit 01.12.2010 ist er im Arbeitsbereich der D-Werkstätten tätig und wird ab 01.03.2011 im Rahmen eines sogenannten betriebsintegrierten Beschäftigungsverhältnisses als Helfer in der Landwirtschaft auf einem ausgelagerten Arbeitsplatz der D-Werkstätten bei dem landwirtschaftlichem Unternehmen E. und F. GbR in E-Stadt beschäftigt. Diesen Beschäftigungsplatz hat der Kläger bis zum heutigen Tag inne. Der Beklagte trägt hierfür die Kosten im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Die Entfernung vom jetzigen Wohnort des Klägers in A-Stadt zum Arbeitsplatz in E-Stadt beträgt ca. 12 km. Die gleiche Entfernung bestand vom früheren Wohnort F-Stadt in G. zum Arbeitsplatz in E-Stadt. Der Kläger wird werktäglich vom Fahrdienst der D-Werkstätten zur Arbeit abgeholt und nach Hause gebracht. 

Mit Schreiben vom 01.05.2012 beantragte der Vater und Betreuer des Klägers, Herr C. A., für seinen Sohn die Darlehensgewährung zum Erwerb des Führerscheins Klasse B. Als Darlehensbetrag wurden 2.000,00 € genannt. 

Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 15.08.2012 mit der Begründung ab, der Kläger sei trotz seiner Behinderung nicht auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen. Für Tätigkeiten am Arbeitsplatz genüge die Klasse L (für landwirtschaftliche Fahrzeuge). Hiermit könne auch ein Mofa gefahren werden, um zur Arbeitsstelle zu gelangen. Die Kosten für die Erlaubnis L sei der Beklagte bereit zu tragen. 

Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 06.09.2012 Widerspruch ein und machte geltend, der Kläger könne wegen der Behinderungen seinen Arbeitsplatz ohne Kraftfahrzeug nicht erreichen. Der öffentliche Nahverkehr biete keine Alternative. Der Beklagte sei im Rahmen der Eingliederungshilfe verpflichtet, die Erlangung des Führerscheins zu fördern. 

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2012 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Dazu führte der Beklagte aus, es könne gemäß § 10 Abs. 6 Eingliederungshilfeverordnung (EinglHV) nur dann Hilfe zur Fahrerlaubniserlangung in angemessenem Umfang bewilligt werden, wenn der behinderte Mensch, der diese Leistung beantragt habe, wegen seiner Behinderung auf die regelmäßige Benutzung eines Kraftfahrzeuges, hier in Form eines Autos/Personenkraftwagens, angewiesen sei oder sein werde. Im Rahmen eines Gesamtplangesprächs habe der Beklagte den Kläger persönlich kennen gelernt und sich ein Bild über sein Können und seine behinderungsbedingten Beeinträchtigungen machen können. Hiernach gebe es keine behinderungsbedingten Beeinträchtigungen (fehlende Verkehrssicherheit, Orientierungsprobleme, Einschränkungen im Gangapparat usw.), die ihn daran hindern könnten, längere Strecken mit Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs zurückzulegen. Hinderungsgründe zur Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs zum Verlassen seines Elternhauses seinen ebenfalls nicht bekannt. Weiterhin bestehe für den Kläger die Möglichkeit, den Fahrdienst der D-Werkstätten zu nutzen, mit dem er nach vorliegenden Informationen die Möglichkeit habe, pünktlich und sicher im Sinne des § 33 Abs. 8 SGB IX seine Arbeitsstätte zu erreichen und von dort aus auch wieder sicher und in einem zeitlich angemessenen Umfang nach Hause zu gelangen. Aus den genannten Gründen sei der Kläger nicht aufgrund seiner Behinderung auf die regelmäßige Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen. Gemäß § 17 Abs. 1 EinglHV könne die beantragte Hilfeleistung gewährt werden, wenn die Erlangung des Führerscheins Klasse B wegen der Behinderung zur Fortsetzung einer angemessenen Beschäftigung im Arbeitsleben erforderlich sei. Der Arbeitgeber des Klägers habe mehrfach bestätigt, dass der Kläger zur Verrichtung seiner Arbeit auf dem Bauernhof einen Führerschein Klasse L benötige, nicht aber einen Führerschein Klasse B (dieser sei lediglich von Vorteil). Die Prüfung der Finanzierung des Führerscheins Klasse L habe der Beklagte dem Kläger und seinen Eltern als Betreuern bereits mehrfach zugesagt, da hierbei die Notwendigkeit zur Fortsetzung der Beschäftigung auf dem Bauernhof gesehen werde. Da der Kläger die Möglichkeit habe, mit dem Fahrdienst der Werkstatt seine Arbeitsstätte pünktlich zu erreichen, hinge der Bestand seines Beschäftigungsverhältnisses, auch nach erneuter Rücksprache mit dem Arbeitgeber, nicht vom Erwerb des Führerscheins Klasse B ab. Im Rahmen des Gesamtplangesprächs habe der Beklagte einen Großteil der verschiedenen Einsatzorte, an denen der Kläger eingesetzt werde, besichtigt. Da die verschiedenen Einsatzorte nicht kilometerweit voneinander entfernt liegen würden, sei es dem Kläger möglich, diese entweder mit einem Fahrrad oder einem kleinen Traktor, der mit der Fahrerlaubnis Klasse L zu führen sei, zu erreichen, wobei oft auch gerade der genannte Traktor an einigen Einsatzorten benötigt werde und vom Standort (Hofgut) mitgenommen werden müsse. Aus den vorgenannten Gründen könne die beantragte Hilfeleistung für den Kläger nicht gewährt werden, da die Fahrerlaubnis für den Führerschein Klasse B nicht zur Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers erforderlich sei. Gemäß § 73 SGB XII könnten Sozialhilfeleistungen auch in sonstigen Lebenslagen gewährt werden, wenn sie den Einsatz von öffentlichen Mitteln rechtfertigen würden. Unter dem Begriff „sonstige Lebenslagen“ würden dabei Bedarfe subsummiert, für die es keine spezielle gesetzliche Regelung gebe bzw. die Voraussetzungen zum Erhalt der begehrten Leistung nicht gesetzlich geregelt seien. Die Kostenübernahme zur Erlangung eines Führerscheins sei in den Eingliederungshilfeverordnungsnormen genau geregelt und auch die Voraussetzungen zum Erhalt der Hilfeleistung würden im Gesetz genau beschrieben. Die Tatsache, dass der Kläger die o. g. Voraussetzungen zur Leistungsgewährung nicht erfülle, führten nicht automatisch zu einem Rechtsanspruch nach § 73 SGB XII, da es sonst möglich wäre, jede gewollte Leistung zu einem durch den Sozialhilfeträger zu finanzierenden Bedarf zu gestalten. Der Kläger befinde sich mit seinem Begehren in einer Lebenslage, für die bereits gesetzliche Regelungen vorliegen würden, wodurch eine Leistungsgewährung nach § 73 SGB XII abzulehnen sei. Weitere Überlegungen zu einer Darlehensgewährung und den damit verbundenen finanziellen Folgen seien entbehrlich.

Hiergegen richtet sich die am 24.10.2012 beim Sozialgericht Kassel eingegangene Klage (S 11 SO 77/12).

In der mündlichen Verhandlung vom 26.06.2014 hat der Betreuer des Klägers folgende Erklärung abgegeben: 

Mit der Arbeitsstelle in H-Stadt hat es leider nicht geklappt. Mein Sohn hat dort nur zur Probe gearbeitet. Er ist nach wie vor auf dem Bauernhof in E-Stadt beschäftigt. Das Problem ist, dass er ohne den Führerschein den Arbeitsplatz nicht erreichen kann. Allerdings nutzt er derzeit noch den Fahrdienst der D-Werkstätten. Zu berücksichtigen ist auch, dass er deswegen während der Betriebsferien der D Werkstätten selbst Urlaub nehmen muss, da der Fahrdienst dann nicht tätig ist. Ferner besteht der Bauernhof aus zwei Betriebsteilen, die ca. 2,5 km auseinander liegen. Auch hier wäre es wünschenswert, dass mein Sohn ein Fahrzeug benutzen kann. Nach wie vor ist er daran interessiert, einen Arbeitsplatz auf dem 1. Arbeitsmarkt zu erhalten. Damit hätte er sich eine eigene Lebensgrundlage geschaffen. Auch hierfür wäre ein Führerschein erforderlich. Schließlich ist es so, dass wir nur ein Darlehen gewährt haben möchten. Wir wollen ja auch alles wieder zurückzahlen. 
 
Auf Anregung des Gerichts hat sich der Beklagte zu einer erneuten Überprüfung der begehrten Darlehensgewährung bereit erklärt. Daraufhin ist mit Beschluss vom 26.06.2014 gerichtlicherseits das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden. 

Mit am 13.01.2015 beim Sozialgericht Kassel eingegangen Schreiben ruft der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Verfahren wieder auf. Dazu wird geltend gemacht, der Kläger verfolge sein Klagebegehren weiter mit den bisher gestellten Anträgen und dem bisher gehaltenen Sachvortrag. Vorgelegt werde dazu eine Erklärung des Herrn E. vom 03.10.2014 von der Firma E./F. GbR in E-Stadt. Hieraus werde für den Kläger entnommen, dass auch nach Auffassung des Arbeitgebers der Erwerb der Fahrerlaubnis Klasse B erforderlich sei, um den Kläger im Hinblick auf die Verfügbarkeit am Arbeitsplatz in die Arbeitsprozesse besser integrieren zu können. Diese Erklärung sei dem Beklagten vorgelegt worden. Dieser lehne jedoch nach wie vor einen Zuschuss oder ein Darlehen zur Finanzierung zum Erwerb der Fahrerlaubnis Klasse B ab. Nach Auffassung des Klägers werde vom Beklagten verkannt, dass er eine Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt anstrebe. Durch die Entscheidung des Beklagten werde er an seiner persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung gehindert und solle auf alle Zeit darauf angewiesen sein, einen geförderten Arbeitsplatz inne zu haben, zu dem er nicht einmal selbständig anreisen könne. Hierdurch könne er sich auch nicht die Achtung und Wertschätzung der nicht geförderten Mitarbeiter erwerben, sondern nehme sich auch selbst als minderwertiges Mitglied der betrieblichen Gemeinschaft wahr. Dies verstoße nach Auffassung des Klägers gegen die Menschenwürde. Die Entscheidung des Beklagten sei auch wirtschaftlich unvernünftig. Das begehrte Darlehen in Höhe von bis zu 2.000,00 € würde der Kläger zurückzahlen. Die auf den Kläger entfallenden anteiligen Kosten des Fahrdienstes, die hier moderat auf 30,00 € pro Tag geschätzt würden, würden bereits nach 4 Monaten die gesamten Kosten für den Erwerb der Fahrerlaubnis übersteigen. 

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 15.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten zur Erlangung der Fahrerlaubnis B darlehensweise zu übernehmen. 

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Dazu führt der Beklagte aus, auch die Stellungnahme des Herrn E. sei nach Auffassung des Beklagten nicht ausreichend, um hier eine Verpflichtung zur Übernahme der Kosten für die Fahrerlaubnis der Klasse B – auch nicht darlehensweise – zu begründen. Nach wie vor komme der Beklagte zu dem Ergebnis, dass hier kein Rechtsgrund für eine Finanzierung der Fahrerlaubnis der Klasse B durch den LWV Hessen für den Kläger gegeben sei. Nach den Ausführungen des Herrn E. sei es für die Arbeit auf dem Biohof nicht erforderlich, dass der Kläger den Führerschein Klasse B erhalte. Herr E. habe bestätigt, dass der Kläger zur Berufsausübung nicht auf den Führerschein angewiesen sei. An der Tätigkeit des Klägers habe sich bezogen auf die letzte Stellungnahme nichts verändert, so dass auch der Führerschein weiter nicht erforderlich sei, um auf dem Hof zu arbeiten. Auch werde bestätigt, dass es sich im Falle des Klägers um einen betriebsintegrierten Beschäftigungsplatz handele, d. h. um ein Beschäftigungsverhältnis der Werkstatt für behinderte Menschen. Der Kläger arbeite seit Jahren im Arbeitsbereich der D-Werkstätten auf dem Arbeitsplatz beim Biobauernhof J. Im Hinblick auf diese Ausgestaltung des Arbeitsplatzes könne von ihm nicht erwartet werden, dass er wie auf dem freien Arbeitsmarkt Arbeitsleistungen innerhalb einer Arbeitszeit von 7.00 Uhr morgens bis 20.00 Uhr oder 21.00 Uhr am Abend erbringe. Vielmehr sei es angemessen und ausreichend, wenn er die üblichen Arbeitszeiten von morgens 7.00 Uhr bis nachmittags 16.00 Uhr einhalte und in dieser Zeit seine Arbeitsleistung erbringe, was auch durch den Fahrdienst der D-Werkstätten gewährleistet werde. Auch das Argument, der Kläger müsse seine Urlaubszeiten nach den jeweiligen Ferienzeiten des Dienstes bzw. der Werkstatt richten, sei nicht ausreichend, um hier die Bewilligung für die Finanzierung des Führerscheins Klasse B auszusprechen. Es gebe auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Reihe von Arbeitsverhältnissen, in denen aufgrund von festgelegten Betriebsferien alle Mitarbeiter zur selben Zeit Urlaub nehmen müssten. Der Umstand, dass der Kläger sich während der täglichen Arbeit zwischen verschiedenen Grundstücken des Hofes bewegen müsse, reiche nicht aus, um einen Führerschein der Klasse B bzw. dessen Finanzierung zu rechtfertigen. Unter Hinweis auf die bisherigen Ausführungen bleibe es damit dabei, dass die Erlangung eines Führerscheins Klasse L hier für die Belange ausreichend sei. Für diesen sei keine praktische Prüfung notwendig. Bei einem Führerschein der Klasse L würden Kosten von ca. 400 € bis 500 € anfallen. Mit diesem Führerschein könne der Kläger einen kleinen Traktor und ein Mofa führen. Für die Strecken zwischen Wohnort und Arbeitsstätte sei der Fahrdienst zur Deckung seines Bedarfs nach Auffassung des Beklagten ausreichend. Auch der Einwand des Klägers, der Erwerb der Fahrerlaubnis Klasse B sei zwingende Voraussetzung für die Erlangung einer Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt, sei nach diesseitiger Auffassung nicht ausreichend, um eine Kostenübernahme des Beklagten zu begründen. Gemäß § 17 Abs. 1 EinglHVO könne die beantragte Hilfeleistung gewährt werden, wenn die Erlangung des Führerscheins Klasse B wegen der Verhinderung zur Fortsetzung einer angemessenen Beschäftigung im Arbeitsleben erforderlich sei. Grundsätzlich sei die derzeitige Beschäftigung im Arbeitsbereich der D-Werkstätten eine angemessene Beschäftigung in diesem Sinne. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es dem Kläger nach Erlangung der Fahrerlaubnis der Klasse B tatsächlich gelinge, einen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erlangen, würden nicht vorliegen. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, dass es dem Kläger aufgrund seiner Behinderung zwar möglich sei, auf dem betriebsintegrierten Beschäftigungsplatz, d. h. im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses der Werkstatt für behinderte Menschen auf dem Bauernhof zu arbeiten, jedoch die Aussicht auf eine Arbeitsstelle auf den ersten Arbeitsmarkt nicht konkret und hinreichend bestimmt sei, dass man davon ausgehen könne, die Erlangung einer Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt hänge entscheidend und ausschließlich nur noch davon ab, dass eine Fahrerlaubnis der Klasse B vorliege. Damit bleibe es dabei, dass die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme durch den Beklagten nicht vorliegen würden. Die Vorschrift sei nicht so zu verstehen, dass jegliche mögliche und wünschenswerte Qualifikation im Rahmen der Sozialhilfe zu finanzieren sei. Vielmehr sei eine Kostenübernahme nur dann möglich, wenn die Erlangung der Fahrerlaubnis entweder für den Erhalt der bestehenden Beschäftigung oder aber zur Erlangung einer hinreichend bestimmten und konkretisierten Beschäftigung erforderlich sei. Daran fehle es hier. In der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2016 hat die Vertreterin des Beklagten einen aktuellen Entwicklungsbericht des Arbeitsbereichs der D-Werkstätten vom 21.01.2016 vorgelegt. Unter Bezugnahme auf diesen Bericht hat sie darauf hingewiesen, dass unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers der aktuelle betriebsintegrierte Beschäftigungsplatz die höchste erreichbare Form der beruflichen Teilhabe sei. Daher werde davon ausgegangen, dass der Kläger den Anforderungen einer Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt eher nicht gewachsen sei. 

Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, soweit er Gegenstand der mündlichen Verhandlung war. 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht beim zuständigen Sozialgericht Kassel erhobene Klage ist nach Ruhensanordnung und Wiederaufruf des Verfahrens zulässig, jedoch nicht begründet. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf die begehrten Fördermittel zur Erlangung einer Fahrerlaubnis Klasse B. Der den Anspruch auf Förderung ablehnende Bescheid vom 15.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2012 hält der gerichtlichen Überprüfung Stand und ist sachlich und rechtlich nicht zu beanstanden. 

Als behinderter Mensch gehört der Kläger unstreitig zum förderungsfähigen Personenkreis für Eingliederungshilfeleistungen nach § 33 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) i. V. m. §§ 53f Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), wobei im Rahmen der so genannten Kraftfahrzeughilfe nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung als Teilbereich der Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben (vgl. § 33 Abs. 3 Nr. 1 und 6, Abs. 8 Nr. 1 SGB IX) grundsätzlich auch eine Zuschussleistung (§ 8 KfZHV) oder eine Darlehensleistung (vgl. § 9 Abs. 2 KfZHV) zu den Kosten, die für die Erlangung einer Fahrerlaubnis notwendig sind, geleistet werden kann. Persönliche Voraussetzung ist aber stets, dass der behinderte Mensch in Folge seiner Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist, um seinen Arbeits- oder Ausbildungsort oder den Ort einer sonstigen Leistung der beruflichen Bildung zu erreichen (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 KfZHV). Grundsätzlich erfordern die Teilhabeleistungen am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX, dass die Hilfen der Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes bzw. der Ermöglichung und der Erhaltung einer behindertengerechten, angemessenen und geeigneten Beschäftigung dienen müssen. Diese Voraussetzungen sind für die erkennende Kammer auch im wieder aufgerufenen Verfahren in Übereinstimmung mit dem Beklagten in der Person des Klägers nicht feststellbar. Dabei folgt die erkennende Kammer zunächst den ausführlichen Darlegungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 21.09.2012 sowie den im Tatbestand wiedergegebenen Ausführungen des Beklagten im ursprünglichen Klageverfahren bzw. im wieder aufgerufenen Verfahren vollumfänglich, macht sich diese Ausführungen zu eigen und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ab. 

Ergänzend ist auszuführen, dass der Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers im wieder aufgerufenen Verfahren vor dem Hintergrund der Ausführungen des Inhabers des Biohofes, bei dem der Kläger mittlerweile vier Jahre beschäftigt ist, aber auch auf Grundlage des vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Entwicklungsberichts der D-Werkstätten aus dem Januar 2016 das Klagebegehren nicht stützt. So hat Herr E., von der E./F. GbR in E-Stadt in seiner Stellungnahme vom 03.10.2014 unmissverständlich darauf hingewiesen, dass für die Tätigkeit des Klägers in dem landwirtschaftlichen Betrieb der Führerschein „auch weiterhin nicht erforderlich“ sei, um dort arbeiten zu können. Der Inhaber des Biohofes betont auch, dass der Kläger dort gerade nicht zu den Bedingungen des ersten Arbeitsmarktes beschäftigt werde. Herr E. weist auch darauf hin, dass es sich eben gerade um einen betriebsintegrierten Beschäftigungsplatz handelt, also um einen Außenarbeitsplatz der D-Werkstätten. Mittlerweile ist der Kläger fast fünf Jahre auf dem Biohof beschäftigt. Gleichwohl bleibt es ein Beschäftigungsplatz im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen. Sowohl der Stellungnahme des Herrn E. vom 03.10.2014 als auch dem Entwicklungsbericht der D-Werkstätten vom Januar 2016 ist für das Gericht zu entnehmen, dass dem Kläger behinderungsbedingt derzeit (noch) nicht eine Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt möglich ist. So formuliert Herr E. in der genannten Stellungnahme „ein sozialversichertes Arbeitsverhältnis ist noch nicht absehbar“ und im Entwicklungsbericht vom Januar 2016 heißt es u. a. „schwankende Konzentrationsfähigkeit, ist in der Lage, für kurze Zeit zu arbeiten, setzt aber häufig aus“, ferner heißt es „kann sich gelegentlich, aber mit Schwierigkeiten, in die Arbeitsgruppe einfügen, stört manchmal andere und sondert sich ab“. Berichtet wird auch, dass sich der Kläger weiterentwickelt habe und Teilaufgaben nun auch selbständig bearbeiten könne, und sich seine schwankende Arbeitsweise minimiert habe. Die Arbeiten werden aber weiterhin eingeteilt und im Anschluss kontrolliert. Zusammenfassend heißt es in dem Bericht, dass der Kläger gut in die betrieblichen Arbeitsabläufe integriert sei und sich dort sehr wohl fühle. Aufgrund eines diagnostizierten Hirnanfallsleiden und einer geistigen Behinderung in Verbindung mit einem Entwicklungsrückstand sei der aktuelle betriebsintegrierte Beschäftigungsplatz die höchste erreichbare Form der beruflichen Teilhabe. Damit wird aber auch klar, dass sich der vermutliche Wunsch des Klägers, noch mehr aber seiner Eltern, einen Arbeitsplatz außerhalb der D. auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erhalten, derzeit nicht realisieren lässt. Der Hinweis des Betreuers und Vaters des Klägers, der Kläger könne bei Erlangung der Fahrerlaubnisklasse B einen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt erhalten, läuft jedenfalls gegenwärtig ins Leere. Ohnehin wäre bei Beendigung der Förderleistungen in der D. durch den Beklagten die Leistungszuständigkeit des Beklagten beendet und für Eingliederungshilfeleistungen auf dem ersten Arbeitsmarkt die Zuständigkeit der Bundesagentur bzw. des Rentenversicherungsträgers gegeben. 

Zum Schluss ist noch einmal zu betonen, dass der Kläger, so lange er einen Beschäftigungsplatz in der D. inne hat, sei es auch auf einem Außenarbeitsplatz wie dem Biohof E-Stadt, und er für den täglichen Weg zur und von der Arbeit den Fahrdienst der D., der D-Werkstätten, nutzen kann und auch tatsächlich nutzt, keinen Anspruch auf Fördermittel zur Erlangung einer Fahrerlaubnis hat. Denn die dann mögliche Nutzung eines Kraftfahrzeugs zur Erreichung des Beschäftigungsortes ist zwar auch für das Gericht weiterhin nachvollziehbar wünschenswert für den Kläger, aber eben nicht notwendig im Sinne der Förderbestimmungen. 

Nach alledem war die vom Kläger angefochtene Entscheidung des Beklagten zu bestätigen und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.  

Rechtskraft
Aus
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