Der Bescheid vom 9. Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2019 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld ab 11. Dezember 2018 in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte hat der Klägerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Die 1981 geborene Klägerin meldete sich am 11. Dezember 2018 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.
Vorhergehend stand sie vom 8. Februar 2017 bis 14. Juli 2017 als Produktionshelferin, vom 26. März 2018 bis 31. Mai 2018 als Reinigungskraft, vom 18. Juni 2018 bis 31. Juli 2018 als Servicekraft und vom 15. Oktober 2018 bis zum 24. November 2018 in versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen.
Durch Bescheid vom 9. Januar 2019 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld mit der Begründung ab, sie sei in den letzten zwei Jahren vor Arbeitslosmeldung weniger als zwölf Monate, nämlich nur 340 Tage, versicherungspflichtig beschäftigt gewesen.
Hiergegen richtete sich der am 17. Januar 2019 erhobene Widerspruch.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erläuterte die Beklagte, dass die Klägerin vom 8. Februar 2017 bis 14. Juli 2017 157 Tage beschäftigt war, vom 26. März 2018 bis 31. Mai 2018 67 Tage, vom 18. Juni 2018 bis 31. August 2018 75 Tage und vom 15. Oktober 2018 bis 24. November 2018 41 Tage, insgesamt also 340 Tage.
Durch Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 19. März 2019 zum Sozialgericht Kassel erhobene Klage. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, sie sei nicht bis 31. August 2018, sondern bis 30. September 2018 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Das Nichtbestehen eines Vergütungsanspruchs im September 2018 ändere daran nichts. Zur Begründung legt die Klägerin einen arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 15. März 2019 vor, der zum ArbG Kassel zum Aktenzeichen 2 CA 28/19 geschlossen wurde, wonach sich die Arbeitsvertragsparteien einig sind, dass das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen mit Ablauf des 30. September 2018 ende, wobei für den Monat September 2018 keinerlei Vergütungsansprüche bestünden. Somit sei § 7 Abs. 3 SGB IV anzuwenden, wonach eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt als fortbestehend gelte, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauere, jedoch nicht länger als einen Monat. Somit habe die Versicherungspflicht für die Dauer der Arbeitsunterbrechung ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortbestanden. Damit sei aber auch die Anwartschaftszeit erfüllt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 9. Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Arbeitslosengeld ab 11. Dezember 2018 in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrags verweist die Beklagte auf die Ausführungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren. Die Beklagte hält weiterhin an ihrer Auffassung fest.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte; weiterhin wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid vom 9. Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2019 ist rechtswidrig. Die Klägerin wird hierdurch in ihren Rechten verletzt. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin Arbeitslosengeld ab 11. Dezember 2018 in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 11. Dezember 2018.
Dies ergibt sich aus § 136 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III) wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben.
Die Klägerin ist arbeitslos.
Nach § 137 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit wer
1. arbeitslos ist,
2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und
3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat.
Unstreitig ist die Klägerin arbeitslos und hat sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet. Sie hat darüber hinaus auch die Anwartschaftszeit erfüllt.
Nach § 142 Abs. 1 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist (§ 143) mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat.
Nach § 143 Abs. 1 SGB III beträgt die Rahmenfrist zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
In der Rahmenfrist, die vom 11. Dezember 2016 bis 10. Dezember 2018 läuft, hat die Klägerin 370 Tage Versicherungszeiten nachgewiesen. Unstreitig ist dies für die Zeit vom 8. Februar 2017 bis 14. Juli 2017, 26. März 2018 bis 31. Mai 2018, 18. Juni 2018 bis 31. August 2018 und 15. Oktober 2018 bis 24. November 2018.
Aber auch in der Zeit vom 1. September 2018 bis 30. September 2018 stand die Klägerin in einem Versicherungspflichtverhältnis, wie sich aus dem zum ArbG Kassel am 15. März 2019 geschlossenen Vergleichs ergibt. Ein arbeitsgerichtlicher Vergleich hat zwar für die nicht an dem Verfahren Beteiligten, wie ein arbeitsgerichtliches Urteil, keine Tatbestandswirkung (vgl. nur BSG vom 9.5.1995, 10 RAr 5/94, Rz. 23). Indessen ist zu beachten, dass es unter dem Gesichtspunkt der Respektierung von Hoheitsakten anderer Staatsorgane durch die Verwaltung opportun ist, den dort geschlossenen Vereinbarungen zu folgen (vgl. BSG vom 30.7.1981, 10/8b RAr 4/80, Rz. 16).
Nach § 24 Abs. 1 SGB III stehen in einem Versicherungspflichtverhältnis Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Nach Abs. 4 der Vorschrift endet für Beschäftigte das Versicherungspflichtverhältnis mit dem Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis.
Nach § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 4. Buch (SGB IV) ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Die Entgeltlichkeit ist zwar kein ausdrücklich konstituierendes Element der Beschäftigung. Da die Norm indessen das Arbeitsverhältnis als Normalfall des rechtlichen Rahmens einer Beschäftigung hervorhebt und dieses seinerseits durch Entgelt konstitutiv bestimmt ist, kommt zum Ausdruck, dass die Modalitäten der Entgeltlichkeit für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung vorliegt, regelmäßig erheblich sind (Berchtold in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Auflage 2019, § 7 SGB IV, Rz.8 mwN).
Auch die Zeit des Fortbestandes eines Arbeitsverhältnisses ohne Entgeltzahlung für die Dauer von bis zu einem Monat gilt indessen als Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt, so dass das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin vorliegend am 30. September 2018 endete.
Nach § 7 Abs. 3 S. 1 SGB IV gilt eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt nämlich als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat.
Welche Motive die Arbeitsvertragsparteien bei Abschluss des arbeitsgerichtlichen Vergleiches hatten, spielt bei der Frage der Fortdauer des Versicherungspflichtverhältnisses keine Dauer und musste unbeachtlich bleiben.
Da die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld unstreitig vorgelegen haben, war die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Die Zulässigkeit der Berufung folgt aus § 143 SGG.