S 8 KR 94/17

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 8 KR 94/17
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
-
Kategorie
Urteil

1) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 2.399,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.12.2015 zu zahlen.

2) Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3) Der Streitwert wird endgültig auf 2.399,20 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung. Die Klägerin begehrt die Zahlung von 2.399,20 Euro (Zusatzentgelt ZE 84.06 Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten: 6 bis unter 8 Apherese-Thrombozytenkonzentrate) aufgrund einer stationären Krankenhausbehandlung eines Versicherten der Beklagten in der Klinik der Klägerin. 

Die Klägerin ist Trägerin eines zugelassenen Krankenhauses im Sinne des § 108 Nr. 2 5. Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). 

Der 1939 geborene, bei der Beklagten in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versicherte C. befand sich zur stationären Behandlung vom 21.10.2014 bis 15.12.2014 in vollstationärer Krankenhausbehandlung im Hause der Klägerin. Zur Behandlung des Versicherten wurden unter anderem 6 bis unter 8 Apherese-Thrombozytenkonzentrate (ATK) transfundiert.

Die ursprünglich bezüglich dieses Krankenhausaufenthaltes gestellte Rechnung der Klägerin vom 18.12.2014 i.H.v. 143.835,70 € beglich die Beklagte fristgerecht am 17.1.2015. Da die Beklagte jedoch Zweifel an der ordnungsgemäßen Rechnungslegung hatte, beauftragte sie den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). Dieser kam in seinem Gutachten vom 7.7.2015 durch den Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Dr. D. zu dem Ergebnis, dass der Krankenhausaufenthalt des Versicherten C. vom 21.10.2014 bis 15.12.2014 im Hause der Klägerin mit der DRG A07B adäquat abgebildet sei, die Abrechnung der ZE 94.04, ZE107.08 und des Zusatzentgeltes 76197419 jedoch nicht begründet sei. 

Die Klägerin stellte sodann am 30.7.2015 eine neue Rechnung unter Berücksichtigung der vom MdK geforderten Streichungen, die Beklagte buchte den ursprünglich gezahlten Betrag zurück. Die Klägerin stellte der Beklagten aus Anlass des vollstationären Krankenhausaufenthaltes ihres Versicherten C. nunmehr 137.998,15 Euro auf der Grundlage der DRG A07B = Beatmung > 999 Stunden oder > 499 Stunden mit intensiv-medizinischer Komplexbehandlung > 4900/4600 Aufwandspunkte, mit komplexer OR-Prozedur und komplizierender Konstellation oder mit Polytrauma oder Alter < 16 Jahre in Rechnung. Die Beklagte beglich den geforderten Betrag in voller Höhe fristgerecht am 1.9.2015.

Mit Schreiben vom 8.10.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass das Bundessozialgericht mit Urteil vom 10.3.2015 (B1 KR 2 / 15 R) entschieden habe, dass die Krankenkassen keine Kosten für teure Apheresekonzentrate tragen müssten, wenn günstigere gepoolte Thrombozytenkonzentrate medizinisch ausreichend seien. Bei unwirtschaftlicher Behandlung der Versicherten könnten Kliniken allenfalls die Vergütung beanspruchen, die bei einer fiktiven wirtschaftlichen Alternativbehandlung angefallen wäre (hier Pool-Thrombozytenkonzentrate). Man bat um Korrektur der Rechnung. Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 24.11.2015 mit, dass im BSG-Urteil deutlich werde, dass es auf die medizinischen Besonderheiten des Einzelfalls ankomme.  Allein die Behauptung, dass es in diesem Fall nicht wirtschaftlich gewesen sei, Apheresekonzentrate einzusetzen, sei für die Begründung einer Rückforderung nicht ausreichend. 

Am 18.12.2015 nahm die Beklagte eine Verrechnung in Höhe des streitigen Betrages vor.

Die Klägerin hat ihrerseits am 13.3.2017 Klage erhoben. 

Die Beklagte unterliege nach ihrer Auffassung hinsichtlich des Zusatzentgeltes einem Einwendungsausschluss. Festzuhalten sei, dass sie den MDK bereits einmal mit der Überprüfung des Behandlungsfalles beauftragt habe. Der MDK habe offensichtlich die medizinische Notwendigkeit zur Verabreichung von Apherese-Thrombozytenkonzentraten gesehen, weshalb er die Korrektheit der Abrechnung des Zusatzentgeltes auch bestätigt habe. Weshalb die Beklagte nunmehr in unbegründeter Weise der Auffassung des MDK entgegentrete, ohne dies medizinisch näher darzulegen, bleibe daher unverständlich. Soweit sich die Beklagte nunmehr auf die Rechtsprechung des BSG vom 10.3.2015 (B1 KR 2 / 15 R) berufe, so gelte diese für den vorliegenden Behandlungsfall nicht. Im dort zu entscheidenden Fall sei die von der Beklagten bezahlte Rechnung nur „unter Vorbehalt“ gezahlt worden. Zudem sei dort der MDK mit der Überprüfung der Abrechnung des Behandlungsfalls beauftragt worden, der daraufhin festgestellt habe, dass die Gabe von gepoolten Thrombozytenkonzentraten ausreichend gewesen wäre. Mit medizinischen Einwendungen sei die Beklagte im vorliegenden Fall jedoch ausgeschlossen, nachdem der MDK die Verabreichung von Apherese-Thrombozytenkonzentraten nicht angezweifelt habe. Zudem habe das BSG auch nicht rigoros die Verabreichung von Apherese-Thrombozytenkonzentraten abgelehnt, weil dies aufgrund von bestimmten Besonderheiten in der Person des Patienten notwendig sein könne. Die Auffassung der Beklagten, die Klägerin sei nach § 301 SGB V verpflichtet gewesen, bereits mit der ursprünglichen Abrechnung zu begründen, weswegen die Apherese-Thrombozytenkonzentrate anstelle der Pool-Präparate verabreicht worden seien, sei unzutreffend. § 301 SGB V fordere hinsichtlich Prozeduren gerade keine Angabe zu deren Grund oder medizinischer Erforderlichkeit, sondern die Angaben von Datum und Art. Wenn die Beklagte von einer unvollständigen Datenübermittlung ausgehe, wäre die Rechnung nicht fällig geworden und sie hätte dann auf eine nicht fällige Rechnung geleistet. Sie hätte dann die Rechnung nicht bezahlen dürfen. Da sie dies jedoch vorbehaltlos getan habe, sei die Rückforderung nach § 814 BGB ausgeschlossen. Soweit die Beklagte auf ein Grundsatzgutachten des MDK Baden-Württemberg vom 19.10.2010 verweise, müsse sie sich die Frage stellen lassen, warum in der hier durchgeführten Einzelfallprüfung eben dieser MDK explizit die Abrechenbarkeit des OPS-8-800.94 (Apherese-Thrombozytenkonzentrate) sowie das sich daraus ergebende Zusatzentgelt ZE 84.06 bestätigt habe. 

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.399,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.12.2015 zu zahlen. 

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie wirksam mit einem Erstattungsanspruch i.H.v. 2.399,20 € aufgerechnet habe, weil die Klägerin das Zusatzentgelt ZE 84.06 nach dem Zusatzentgelte-Katalog 2014 (sechs bis unter acht Apherese-Thrombozytenkonzentrate) nicht habe abrechnen dürfen. Bei unwirtschaftlicher Behandlung könne das Krankenhaus allenfalls die Vergütung beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre (BSG, Urteil vom 10.3.2015, Az. B1 KR 2 / 15 R). Nach dieser Maßgabe sei die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten grundsätzlich medizinisch nicht notwendig und unwirtschaftlich, weil als ebenso zweckmäßige Alternative gepoolte Thrombozytenkonzentrate zur Verfügung stünden, die mit einem niedrigeren Zusatzentgelt vergütet würden. Die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten sei nur dann medizinisch notwendig, wenn bestimmte Besonderheiten in der Person des Patienten vorliegen würden. Vorliegend komme noch hinzu, dass die Klägerin dem Versicherten innerhalb von vier Tagen während des stationären Aufenthaltes sowohl Apherese-Thrombozytenkonzentrate als auch gepoolte Thrombozytenkonzentrate verabreicht habe. Sie sei offenbar selbst davon ausgegangen, dass die Produkte gleich geeignet und zweckmäßig sein. Die Beklagte unterliege auch keinem Einwendungsausschluss. Sie habe innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V eine Prüfung durch den MDK eingeleitet. Unabhängig vom Ergebnis dieser Prüfung sei sie berechtigt gewesen, einen Erstattungsanspruch geltend zu machen und mittels Aufrechnung durchzusetzen. An das Ergebnis des MDK-Gutachtens sei die Beklagte nicht gebunden gewesen. Die Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1 Buchst. c S. 2 SGB V sei nicht in Gang gesetzt worden, weil die Klägerin bis heute keine Informationen dahingehend an die Beklagte gemäß § 301 SGB V übermittelt habe, dass in der Person des Versicherten besondere Umstände vorgelegen hätten, aufgrund derer ausnahmsweise die Gabe der teuren Apherese-Thrombozytenkonzentrate erforderlich gewesen sei. Ein Erstattungsanspruch der Beklagten sei auch nicht wegen Verwirkung ausgeschlossen. Auch sei auf das Grundsatzgutachten des MDK Baden-Württemberg vom 19.10.2010 hinzuweisen, wonach Apherese-Thrombozytenkonzentrate und gepoolte Thrombozytenkonzentrate gleichwertig seien. Aus dem Urteil des BSG vom 14.10.2014 zum Az B 1 KR 27/13 R ergebe sich, dass die objektive Beweislast für einen atypischen Fall beim Krankenhaus liege. Dass bei dem Versicherten keine Gründe vorgelegen hätten, die die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten notwendig gemacht hätten, ergebe sich darüber hinaus aus den von der Klägerin übermittelten Datensätzen. Denn selbst wenn, wie die Klägerin meine, eine Beschränkung der Amtsermittlung nach Ablauf der Frist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V a. F. eingetreten sein sollte, resultiere daraus kein genereller Einwendungsausschluss, sondern eben nur eine Beschränkung auf diese Daten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.

Die Klage ist insbesondere als echte Leistungsklage statthaft, § 54 Abs. 5 SGG, da die Beteiligten in einem Gleichordnungsverhältnis stehen. Die Klage ist damit auch ohne Durchführung eines Vorverfahrens und ohne Einhaltung einer Klagefrist zulässig.

Die zulässige Klage ist auch begründet, denn die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung einer weiteren Vergütung i.H.v. 2.399,20 € für den stationären Aufenthalt des Versicherten C. vom 21.10.2014 bis 15.12.2014 in ihrer Einrichtung. Die geltend gemachte Restforderung ist nicht durch Aufrechnung erloschen.

Die Aufrechnung ist grundsätzlich zulässig, sie richtet sich im Verhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse gemäß § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V nach den Vorschriften der §§ 387 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Danach setzt eine Aufrechnung die Gegenseitigkeit und Gleichartigkeit der Forderungen, die Erfüllbarkeit der Hauptforderung, die Fälligkeit der Gegenforderung und das Nichtbestehen eines Aufrechnungsverbotes voraus.

Hier fehlt es bereits am Bestehen einer entsprechenden Gegenforderung der Beklagten, denn zur Überzeugung des Gerichts bestand kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Beklagten wegen fehlerhafter Rechnungstellung der Klägerin im Behandlungsfall C., die Abrechnung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten C. gemäß Rechnung vom 30.7.2015 ist zur Überzeugung des Gerichts insgesamt und unter Zugrundelegung der  DRG A07B (=Beatmung > 999 Stunden oder > 499 Stunden mit intensiv-medizinischer Komplexbehandlung > 4900/4600 Aufwandspunkte, mit komplexer OR-Prozedur und komplizierender Konstellation oder mit Polytrauma oder Alter < 16 Jahre) sowie des Zusatzentgelts ZE 84.06 bei Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten zutreffend erfolgt.

Allerdings kommt es auf Aspekte wie Verwirkung oder § 814 BGB nicht an, denn der Zahlungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus „einfachen“ sozialrechtlichen Regelungen.

Für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG wird in einem ersten Schritt die Diagnose nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten-dem ICD 10-in der jeweiligen Fassung verschlüsselt, § 301 Abs. 2 S. 1 SGB V. Zur sachgerechten Durchführung der Verschlüsselung haben die Vertragspartner auf Bundesebene Kodierrichtlinien beschlossen. Die Codes werden einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand derer dann die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Die Klassifikationssysteme sind insoweit verbindlich (vergleiche BSG, Urteil vom 14.10.2014, Az. B1 KR 25 / 13 R). 

Dass für die Gabe von sechs bis unter acht Apherese-Thrombozytenkonzentraten (ATK) grundsätzlich das Zusatzentgelt 84.06 anfällt, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Streitig ist, ob die Gabe von ATK erforderlich und wirtschaftlich war. Hierzu hat das BSG in einer Entscheidung vom 10.3.2015 zum Aktenzeichen B1 KR 2 / 15 R entschieden, dass die Kodierung und entsprechende Abrechnung der Gabe von ATK nur dann erfolgen dürfe, wenn diese auch notwendig war, bei unwirtschaftlicher Behandlung dürfe das Krankenhaus allenfalls die Vergütung beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre, wobei eine unwirtschaftliche Behandlung dann vorliege, wenn die Gabe von gepoolten Thrombozytenkonzentraten bei Abwesenheit von auf der konkreten gesundheitlichen Situation des Versicherten beruhenden Besonderheiten ausreiche, die Gabe von ATK dagegen zwar ebenfalls geeignet, aber nicht erforderlich sei.

Die Abrechnungsprüfung in Fällen, in denen die Krankenkasse Zweifel daran haben kann, dass das Krankenhaus seine Leistung unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots erbracht hat, stellt eine Auffälligkeitsprüfung dar, für die die Prüfungsvoraussetzungen des § 275 Abs. 1 Buchst c SGB V in der zum hier maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung galten.

Ob ein Ausnahmefall zur Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten vorgelegen hat, ist nicht im Nachhinein und nach Ablauf der Prüffristen des § 275 Abs. 1 Buchst. c SGB V von der Klägerin darzulegen und zu beweisen. Vielmehr obliegt es der Beklagten darzulegen und zu beweisen, dass die Voraussetzung für den behaupteten Erstattungsanspruch vorliegen.

In seinem Urteil vom 14.10.2014 (Az. B1 KR 27 / 13 R) geht das BSG davon aus, dass bei vorbehaltloser Zahlung grundsätzlich die Krankenkasse die Beweislast trägt, dass kein Rechtsgrund für die von ihr geleistete Zahlung bestand. Grundsätzlich trägt nämlich die Krankenkasse nach wie hier erfolgter vorbehaltloser Bezahlung berechneter Krankenhausvergütung das Risiko der Nichterweislichkeit der Tatsachen, aus denen sich das behauptete Nichtbestehen eines Rechtsgrundes der erbrachten Leistungen ableitet. Deshalb ist es grundsätzlich an der Krankenkasse, die fehlende Erforderlichkeit der Gabe der Apherese-Thrombozytenkonzentrate nachzuweisen. 

Soweit das BSG in der Entscheidung vom 14.10.2014 (B1 KR 27 / 13 R) im konkreten Fall von einer Beweislast des Krankenhauses für das Vorliegen eines atypischen Falles ausgegangen ist, liegen die Gründe hierfür vorliegend nicht vor.

Dies hat auch das Sozialgericht Gotha in einer Entscheidung vom 24.2.2017 zum Aktenzeichen S 50 KR 5053 / 15 so gesehen: 

„Das BSG hat in der Entscheidung B 1 KR 27 / 13 R im konkreten Fall die Durchbrechung des Grundsatzes der Beweislast der Krankenkasse zulasten des Krankenhauses mit Wertungsgesichtspunkten, insbesondere dem Zweck des Erstattungsanspruchs bei Auffälligkeiten, den Erfordernissen wirksamen Rechtsschutzes gegen Unwirtschaftlichkeit, dem Verhältnis von Regel und Ausnahme, der Zumutbarkeit der Belastung mit einem Beweisnachteil und dem Gesamtgefüge der Informationslasten bei der Abrechnung von Krankenhausvergütung begründet. Danach ging das BSG davon aus, dass es grundsätzlich in die Verantwortungssphäre des Krankenhauses falle, die Krankenkasse über das Vorliegen eines atypischen Grundes zu informieren, der entgegen der Regel Behandlungsbedürftigkeit im Krankenhaus rechtfertige. Denn das Krankenhaus verfüge umfassend über alle erforderlichen Informationen, um die Rechtmäßigkeit seiner Vergütungsforderung zu beurteilen, während die Krankenkasse nur eingeschränkt Informationen darüber erhalte. Das Gesetz ziele darauf ab, bestehende Ungleichgewichte aufgrund des Informationsgefälles zwischen Krankenhaus und Krankenkasse auszugleichen durch Informationsgebote nach § 301 SGB V, § 276 Abs. 2 SGB V sowie gegebenenfalls ergänzende landesvertragliche Bestimmungen. Eine ordnungsgemäße Information sei unverzichtbare Grundlage und Bestandteil einer ordnungsgemäßen Abrechnung. Zur hiernach gebotenen Information gehöre, dass das Krankenhaus in Fällen, in denen regelhaft ambulante Behandlung ausreichend sei, nicht nur die Aufnahmediagnose benenne, sondern Angaben zu Begleiterkrankungen oder sonstigen Gründen mache, die Anlass für die stationäre Versorgung hätten geben können. Ohne solche Angaben darüber, warum ausnahmsweise eine stationäre Behandlung erforderlich sei, fehlten Informationen über den „Grund der Aufnahme“ und damit eine der zentralen Angaben, die eine Krankenkasse für die ordnungsgemäße Abrechnungsprüfung benötige (§ 301 Abs. 1 Nr. 3 SGB V). Unterlasse das Krankenhaus solche gebotenen Angaben und bezahle die Krankenkasse deshalb zunächst in Unkenntnis der vollständigen Krankheitssituation die geforderte Vergütung, verbleibe es dennoch bei der fortbestehenden Informationslast oder-pflicht des Krankenhauses. Es verfüge weiterhin allein über die notwendigen Informationen. Die Bezahlung der Vergütung könne das Krankenhaus nicht als Verzicht auf die diesbezüglichen Rechte der Krankenkasse verstehen. Die Krankenkasse zahle, für das Krankenhaus offensichtlich, auch nicht in voller Kenntnis einer Nichtschuld. Das Krankenhaus habe ja gerade die erforderlichen Informationen vorenthalten. Die Informationslast oder-pflicht des Krankenhauses hinsichtlich atypischer Fälle bestehe deshalb fort, was dem Zweck der Auffälligkeitsprüfung, nämlich der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes entspreche. Dieser Zweck würde unterlaufen, wenn man trotz Verschweigens der gebotenen Information über atypische Verhältnisse allein wegen der Bezahlung der Vergütung einen Wechsel der diesbezüglichen Beweislast annehmen wollte.

Die Entscheidung des BSG zur Beweislast des Krankenhauses für das Bestehen seines Vergütungsanspruchs anstelle der Beweislast des Krankenhauses für das Bestehen ihres Erstattungsanspruches knüpft damit daran an, dass das Krankenhaus der Krankenkasse gebotenen Informationen vorenthalten hat und gebotene Angaben unterlassen hat. Das Unterlassen einer gebotenen Information durch das Krankenhaus kann danach nicht dazu führen, dass nunmehr die Krankenkasse für die fehlende Information beweisverpflichtet wäre. Denn nach wie vor verfügt allein das Krankenhaus über die vollständige Information. Die noch nicht erfüllte Informationspflicht des Krankenhauses besteht deshalb fort und führt zu einer fortbestehenden Beweislast für das Bestehen des Vergütungsanspruchs. Die Informationspflicht des Krankenhauses bestand im vom BSG entschiedenen Fall nach § 301 Abs. 1 Nr. 3 SGB V, wonach Angaben zum „Grund der Annahme“ zu machen sind. Diese Angaben waren im entschiedenen Fall unvollständig, weil es wegen der regelhaft ambulanten Leistungserbringung für die Aufnahme in stationäre Behandlung einen Grund geben muss. Im konkreten Fall war der Krankenkasse die Behandlung mittels der extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESTW), also die regelhaft ambulant zu erbringende Leistung, überhaupt nicht mitgeteilt worden, so dass ihr bei Zahlung des Vergütungsanspruchs nicht bekannt war, welche Leistungen sie überhaupt vergütete. Die Beweislast für das Vorliegen eines atypischen Falles begründet das BSG letztlich also damit, dass es von vornherein zur Informationspflicht des Krankenhauses gehört habe, die Krankenkasse über das Vorliegen eines atypischen Falles zu informieren. Der Fortbestand einer bislang nichterfüllten Informationspflicht und das Unterlassen gebotener Angaben und Vorenthaltung erforderlicher Information ist also nach dem BSG-Urteil der Anknüpfungspunkt für die (fortbestehende) Beweislast des Krankenhauses zum Vorliegen eines atypischen Falles und die vorbehaltlose Bezahlung allein rechtfertige dann keine Umkehr der Beweislast zu Lasten der Krankenkasse. Das BSG geht also davon aus, dass die Beweislast des Krankenhauses für einen Vergütungsanspruch fortbesteht, wenn und weil es die Krankenkasse nicht ordnungsgemäß über die maßgeblichen Daten des Behandlungsfalls informiert habe.

Diese Erwägungen greifen im vorliegenden Fall jedoch nicht ein. Das Krankenhaus hat vorliegend keine gebotenen Informationen unterlassen, es hat keine Informationspflicht verletzt und es verfügte auch nicht allein über die notwendigen Informationen, um die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung beurteilen zu können. Deshalb gibt es auch keine nicht erfüllte Informationspflicht des Krankenhauses, die fortbestehen würde und deshalb eine Beweislast des Krankenhauses für das Bestehen seines Vergütungsanspruchs rechtfertigen würde. Denn es ist nicht ersichtlich, welche Informationspflicht das Krankenhaus nicht erfüllt haben sollte. Die Angaben nach § 301 SGB V wurden vollständig gemacht. Im Gegensatz zur Erforderlichkeit der Aufnahme in stationäre Behandlung, über den nach § 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V als „Grund der Aufnahme“ zu informieren ist, fordert § 301 SGB V hinsichtlich Operationen und Prozeduren gerade keine Angaben zu deren Grund oder medizinischer Erforderlichkeit, sondern die Angabe von Datum und Art. Eine weitere Begründung der medizinischen Notwendigkeit sieht § 301 SGB V neben dem Grund der Aufnahme nur bei einer Verlängerung der voraussichtlichen Verweildauer vor, vergleiche § 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V. Der Informationspflicht nach § 301 SGB V ist die Klägerin damit nachgekommen. Auch eine Informationspflicht nach § 276 Abs. 2 SGB V bestand nicht bzw. wurde nicht verletzt. Im vorliegenden Fall ist die Prüfung nach §§ 275, 276 SGB V durchgeführt worden, ohne dass die Klägerin dabei die Herausgabe von angeforderten Informationen verweigert hätte. Eine sonstige gesetzliche oder vertragliche Rechtsgrundlage, aus der außerhalb von § 301 SGB V und außerhalb des Prüfverfahrens nach § 275 Abs. 1 Buchst. c SGB V eine Informationspflicht des Krankenhauses über den medizinischen Grund für die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten oder verallgemeinernd gesagt über den medizinischen Grund für eine bestimmte Behandlungsmaßnahme abzuleiten wäre, ist nicht ersichtlich und wurde auch vom BSG nicht angenommen. Im entschiedenen Fall leitet das BSG die Informationspflicht des Krankenhauses aus § 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V ab, wonach das Krankenhaus verpflichtet ist, Angaben zum Grund der Aufnahme zu machen. Eine vergleichbare Informationspflicht im Hinblick auf die medizinische Notwendigkeit der Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten ist weder den gesetzlichen Regelungen noch sonstigen vertraglichen Vereinbarungen zu entnehmen. Die Klägerin hat damit die Krankenkasse ordnungsgemäß über die von ihr durchgeführte und abgerechnete Versorgung informiert und keine gebotenen Information verschwiegen. Vielmehr hat das Krankenhaus vorliegend sämtliche ihm obliegende Informationspflichten durch Mitteilung aller nach § 301 SGB V erforderlichen Daten erfüllt. Es war damit nicht so, dass ein Informationsgefälle zwischen Krankenkasse und Krankenhaus bestanden hätte und die Krankenkasse in Unkenntnis der vollständigen Krankheitssituation und erfolgten Versorgung die Vergütung gezahlt hätte oder das Krankenhaus allein über die erforderlichen Informationen zur Beurteilung des Behandlungsfalls verfügt hätte oder erforderliche Information vorenthalten hätte. Vielmehr hat die Klägerin die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten mitgeteilt und war die Krankenkasse vollständig über den Behandlungsfall informiert worden und damit in die Lage versetzt zu erkennen, dass hier entgegen des Regelfalls Apherese-Thrombozytenkonzentrate verabreicht wurden. Gleichwohl hat sie vorbehaltlos die geforderte Vergütung gezahlt".

Diesen Ausführungen des Sozialgerichts Gotha schließt sich die erkennende Kammer in vollem Umfang an. 

Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 30.8.2017 auf das Grundsatz-Gutachten des MDK Baden-Württemberg vom 19.10.2010 verwiesen hat, weist das Gericht auf die Ausführungen des SG München im Urteil vom 22. März 2017 zum Aktenzeichen S 15 KR 1133 / 16 hin.

Die beweisbelastete Beklagte vermag mit dem Grundsatzgutachten vom 19.10.2010 keinen Vollbeweis dahingehend zu führen, dass bei der Versicherten die Gabe von PTK ausreichend gewesen wäre und mithin der Verrechnungsanspruch besteht. Im Gutachten wird auf Seite 32 unter „Bewertung“ ausgeführt, dass die Datenlage ausgesprochen dünn sei oder für BC-PTKs überhaupt keine Daten verfügbar seien. Keineswegs wird in dem Gutachten behauptet, dass für jede denkbare Anwendung die Gabe von PTK medizinisch vollkommen gleichwertig zur Gabe von ATK sei. Im Hinblick auf diese Frage wurde zudem auch ein Gutachten der Gegenseite in Auftrag gegeben und veröffentlicht (Zimmerman et al. "Pool- versus Apherese-Thrombozytenkonzentrate, wissenschaftliches Gutachten zu Wertigkeit der Präparate und den rechtlichen Implikationen, 7.10.2011), welches diese Frage - wiederum in freier gutachterlicher Würdigung-anders in dem Sinne beantwortet, dass die ATK-Präparate nachweisliche medizinische Vorteile im Vergleich zu den PTK bieten würden.

Allerdings geht das erkennende Gericht mit den Ausführungen des LSG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 12.5.2021 zum Az. L 9 KR 190 / 18 davon aus, dass der ungenutzte Ablauf der 6- Wochenfrist des § 275 Abs. 1 Buchst. c S. 2 SGB V im Gegensatz zu der Auffassung der Klägerin keinen Einwendungsausschluss bewirkt. Er führt jedoch dazu, dass Krankenkassen und MDK bei einzelfallbezogenen Auffälligkeitsprüfungen nach Ablauf der Frist auf die Daten beschränkt sind, die das Krankenhaus der Krankenkasse im Rahmen seiner Informationsobliegenheiten bei der Krankenhausaufnahme und zur Abrechnung - deren vollständige Erfüllung vorausgesetzt - jeweils zur Verfügung gestellt hat; nach Ablauf der Sechs-Wochne-Frist ist das Krankenhaus nicht mehr verpflichtet, Auskünfte zu erteilen oder Patientenakten vorzulegen. Das Recht der Krankenkasse, für die Prüfung andere (zulässige) Informationsquellen zu nutzen, bleibt unberührt (im Ergebnis so auch Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 18.12.2019 zum Az: L 1 KR 527/17).

Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 29.1.2021 die Auffassung vertreten hat, dass sich bereits aus den von der Klägerin ursprünglich übermittelten Daten ergebe, dass die Gabe von ATK statt Poolpräparaten nicht medizinisch erforderlich gewesen sei, kann sich das Gericht dem nicht anschließen.

Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten geben die von der Klägerin vollständig übermittelten Abrechnungsdaten nach § 301 SGB V, auf die sich die Beklagte allein stützt, gerade nichts für die Annahme her, die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten sei unwirtschaftlich gewesen. Diese Annahme basiert nur auf einer Vermutung, ausgehend von den Ausführungen des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 12. März 2015. Denn die schlichten Abrechnungsdaten lassen eine Beantwortung der komplexen medizinischen Frage, ob für die Behandlung des Versicherten gerade die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten indiziert war, nicht zu. Feststellbar wäre dies nur im Rahmen einer Fallprüfung durch den MDK nach den §§ 275, 276 SGB V gewesen, in deren Rahmen die Klägerin sich zur Notwendigkeit der Gabe der (teureren) Apherese-Thrombozytenkonzentrate hätte erklären müssen. Im Ergebnis ist daher nicht nachgewiesen, dass die Gabe der Apherese-Thrombozytenkonzentrate im Fall des Versicherten C. medizinisch nicht erforderlich war. Das geht zulasten der Beklagten, der es obliegt, die rechtsgrundlose Zahlung des Zusatzentgelts 84.06 nachzuweisen.

Auch soweit die Beklagte darauf hingewiesen hat, dass die Klägerin im vorliegenden Fall sowohl ATK als auch gepoolte Thrombozytenkonzentrate verabreicht habe, und die Klägerin deshalb offenbar selbst davon ausgegangen sei, dass die Produkte gleich geeignet und zweckmäßig sein, verfängt dieser Einwand nicht.

Insoweit ist nochmals auf die Entscheidung des BSG vom 10.3.2015 zum Az. B1 KR 2 / 15 R hinzuweisen, in dem das BSG in Rn. 24 wie folgt ausgeführt hat:

Apherese-Thrombozytenkonzentrate sind danach nur dann medizinisch notwendig, wenn bestimmte Besonderheiten in der Person des Patienten vorliegen wie eine Autoimmunisierung gegen HLA Klasse I Antigene und HPA-Antigene sowie bei Refraktärität gegenüber Thrombozytentransfusionen, d.h. zweimalig ausbleibender Thrombozytenanstieg auf AB0 kompatible Thrombozytenkonzentrate nach Ausschluss nicht immunologischer Ursachen wie Fieber, Sepsis, Splenomegalie, Verbrauchskoagulpathie, chronischem Lebervenenverschluss.

Gerade aber der Hinweis auf Refraktärität, wonach nach Transfusion von mindestens zwei Thrombozytenkonzentraten (AB0-kompatibel), die vorher weniger als 72 Stunden lang gelagert waren, kein entsprechender Anstieg der Thrombozytenwerte zu verzeichnen war, verdeutlicht, dass sich die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten und die Gabe von gepoolten Thrombozytenkonzentraten nicht ausschließen.

Nach alledem war der Klage stattzugeben. 

Die Kostenentscheidung folgt den §§ 197 a, § 183 SGG i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), nachdem § 193 Abs. 1 und 4 SGG gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGG, hier keine Anwendung finden, da weder die Klägerin noch die Beklagte zu dem in § 183 SGG genannten privilegierten Personenkreis gehören. 

Der gesonderten Entscheidung über eine Zulassung der Berufung bedurfte es nicht, nachdem der Beschwerdewert 750,00 Euro übersteigt und darüberhinausgehende Berufungsausschließungsgründe, die eine solche Entscheidung erforderlich gemacht hätten, nicht vorliegen (Rechtsmittelbelehrung I). 

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG), da es sich um eine bezifferte Geldsumme handelt (Rechtsmittelbelehrung II).

Rechtskraft
Aus
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