L 2 SB 383/20 B PKH

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 44 SB 345/15
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 2 SB 383/20 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Gegen den Beschluss des Sozialgerichts nach § 73a Abs. 8 SGG, der auf einem Beschluss des Urkundsbeamten nach § 73a Abs. 4 o. Abs. 5 SGG ergeht, ist die Beschwerde zum Landessozialgericht nicht statthaft.

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 30. November 2020 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die 1964 geborene Klägerin führte unter dem Aktenzeichen S 44 SB 345/15 und nachfolgend L 2 SB 50/18 ein schwerbehindertenrechtliches Verfahren gegen den Beklagten vor dem Sozialgericht Lübeck und dem Landessozialgericht Schleswig-Holstein. Mit Beschluss vom 1. November 2016 gewährte das Sozialgericht Lübeck der Klägerin für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten. In dem zuvor eingereichten Erklärungsformular hatte die Klägerin die Frage nach Bestehen einer Rechtsschutzversicherung oder Übernahme der Verfahrenskosten durch eine andere Stelle (Gewerkschaft, Mieterverein, Sozialverband) verneint. Das Verfahren endete durch Vergleichschluss im Berufungsverfahren am 6. Mai 2020.

Am 19. Mai 2020 beantragte die Klägerbevollmächtigte die Festsetzung ihrer aus der Prozesskostenhilfegewährung zu erstattenden Gebühren und zog dabei von den insgesamt geltend gemachten Gebühren insgesamt eine Zahlung der Rechtsschutzversicherung der Mandantin dergestalt ab, dass nur ein von der Staatskasse zu zahlender Betrag von 300,- EUR geltend gemacht wurde.

Im Folgenden konnte ermittelt werden, dass die Klägerin entgegen ihren Angaben im Erklärungsformular zur Prozesskostenhilfe rechtsschutzversichert war und die Rechtsschutzversicherung auch eine Kostenzusage für das streitige Klageverfahren unter Abzug einer Selbstbeteiligung in Höhe von 300,- EUR erteilt hatte.

Mit Beschluss vom 29. September 2020 hob das Sozialgericht Lübeck durch die Urkundsbeamtin die mit Beschluss vom 1. November 2016 erfolgte Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf und führte dabei zur Begründung aus, der Aufhebungsgrund gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) (unrichtige Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aus grober Nachlässigkeit) liege vor. Der Beschluss enthielt eine Rechtsmittelbelehrung, wonach gegen ihn binnen eines Monats Erinnerung zum Sozialgericht Lübeck eingelegt werden könne.

Am 26. Oktober 2020 hat die Klägerin Erinnerung gegen diesen Beschluss eingelegt.

Diese Erinnerung hat das Sozialgericht Lübeck durch die seinerzeitige Vorsitzende der 44. Kammer mit Beschluss vom 30. November 2020 zurückgewiesen. Dieser Beschluss enthält eine Rechtsmittelbelehrung, wonach gegen diese Entscheidung Beschwerde zum Landessozialgericht eingelegt werden könne. In den Entscheidungsgründen hat das Sozialgericht ausgeführt, die Beschwerde sei aufgrund teleologischer Reduktion des § 73 a Abs. 8 SGG statthaft.

Die Klägerin hat am 15. Dezember 2020 Beschwerde gegen den Beschluss vom 30. November 2020 erhoben.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist entgegen der dem angefochtenen Beschluss beigefügten Rechtsmittelbelehrung nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen.

Der Zulässigkeit der Beschwerde steht zunächst § 172 Abs. 3 Nr. 2. Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht entgegen. Dieser schließt die Beschwerde unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen nur gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe aus. Davon ist die vollständige Aufhebung einer bereits erfolgten Bewilligung zu unterscheiden, die von diesem Ausschluss nicht erfasst wird. (So schon der erkennende Senat im Beschluss vom 12. März 2018, L3 AL 193/17 B PKH). Der Zulässigkeit der Beschwerde steht daher weder entgegen, dass hier mit dem Vorhandensein einer die Verfahrenskosten jedenfalls zum Teil übernehmen Rechtsschutzversicherung die persönlichen und wirtschaftlichen Vor-aussetzungen für die Prozesskostenhilfe betroffen sind (§ 172 Abs. 3 Nr. 2a SGG), noch dass der Beschwerdewert 750,- EUR nicht übersteigt (§ 172 Abs. 3 Nr. 2 b SGG).

Die Beschwerde ist aber gemäß § 73a Abs. 8 SGG ausgeschlossen. Danach kann gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach § 73a Abs. 4 und Abs.5 SGG binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, dass endgültig entscheidet. Gemäß § 73a Abs. 5 SGG obliegen dem Urkundsbeamten im Verfahren über Prozesskostenhilfe Entscheidungen über die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme von Zahlungen nach § 120 Abs. 3 ZPO sowie über die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120 a und 124 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 ZPO. Vorliegend hat die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts Lübeck eine auf § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gestützte Entscheidung getroffen. Diese oblag auch ihrer Zuständigkeit. Zwar kann gemäß § 73a Abs. 6 SGG der Vorsitzende die Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 in jedem Zeitpunkt des Verfahrens an sich ziehen, eine derartige Übernahme der Entscheidungsbefugnis ist aber gerade nicht erfolgt, vielmehr hat die zuständige Vorsitzende in einer internen Verfügung vom 14. August 2020 ausdrücklich auf die Zuständigkeit der Urkundsbeamten hingewiesen und ihr die Akte zur weiteren Veranlassung übermittelt.

Gegen eine auf § 73a Abs. 5 SGG gestützte Entscheidung der Urkundsbeamten ist die Anrufung des Gerichts zulässig. Diese ist auch erfolgt. Das Sozialgericht hat durch die damalige Vorsitzende der 44. Kammer über die Anrufung des Gerichts entschieden und den Beschluss der Urkundsbeamten aufrechterhalten. Diese Entscheidung ist aber gemäß § 73a Abs. 8 SGG endgültig erfolgt, sodass eine weitere Beschwerde zum Landessozialgericht dagegen nicht gegeben ist. (So auch Schmidt in Meyer-Ladewig. u.a SGG 13. Aufl. § 73 a Rn. 12b; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 29. August 2016, L 2 U 250/16 B PKH sowie Beschluss vom 5. Juli 2018, L 11 AS 535/18 B PKH; Karl in jurisPK SGG § 172 Rn. 170, 191, Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. Juli 2018, L 11 KR 1800/18 B; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. Juni 2020, L 7 SB 71/19 B). Der Gegenansicht, die eine weitere Beschwerde gegen eine nach § 73 a Abs. 8 SGG erfolgte Entscheidung des Sozialgerichts im Wege einer teleologischen Reduktion zulassen möchte (vergleiche Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. März 2016, L4 AS 52/16 B; Gall in jurisPK SGG § 73 a Rn. 153) ist nicht zu folgen. Einer teleologischen Ausweitung der Statthaftigkeit einer Beschwerde zum Landessozialgericht steht der eindeutige Wortlaut des § 73 a Abs.8 SGG entgegen der gerade im beschriebenen Anwendungsfall der Entscheidung des Gerichtes auf eine Erinnerung gegen eine Entscheidung des Urkundsbeamten eine endgültige Entscheidung vorschreibt. Diese Regelung findet sich allgemein für Entscheidungen des Urkundsbeamten und dagegen gerichtete Erinnerungen auch schon in § 178 SGG, sodass es der speziellen Regelung in § 73a Abs. 8 SGG an sich gar nicht bedurft hätte, um einen gesetzlichen Ausschluss einer weiteren Beschwerde zum Landessozialgericht zu regeln. Der Umstand, dass sich der Beschwerdeausschluss gleichwohl nochmals als Spezialregelung inhaltsgleich in § 73 a Abs. 8 SGG findet, bekräftigt den Regelungsinhalt und kann keinesfalls Raum für eine teleologische Reduktion entgegen dem klaren Wortlaut begründen. Zudem besteht auch kein Bedürfnis auf teleologische Ausweitung der Rechtsschutzmöglichkeiten an dieser Stelle in Hinblick auf etwaige Wertungswidersprüche (so aber Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. März 2016 aaO). § 73 a Abs. 8 SGG lässt nämlich die einmalige Überprüfung einer auf § 124 Abs. 1 Nr. 2 bis Nr. 5 ZPO gestützten Aufhebungsentscheidung zu, nämlich durch Anrufung des Gerichts, also durch eine richterliche Entscheidung, die der Entscheidung des Urkundsbeamten nachfolgt. Ähnlich verhält es sich im Falle einer Ansichziehung der Entscheidung nach § 73 a Abs. 5 SGG durch den oder die Vorsitzende des Sozialgerichts gemäß § 73 a Abs. 6 SGG. Fällt die Entscheidung zur Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 bis Nr. 5 ZPO durch den oder die Vorsitzende, so ist gegen diese Entscheidung grundsätzlich einmalig die Beschwerde zum Landessozialgericht gemäß § 172 SGG statthaft. Die Entscheidung des Landessozialgerichts ergeht dann aber gemäß § 177 SGG endgültig. Eine weitere Beschwerde ist nicht statthaft. Würde man mit der hier abgelehnten Auffassung gegen eine Entscheidung des Sozialgerichts gemäß § 73a Abs. 8 SGG demgegenüber eine weitere Beschwerde zum Landessozialgericht für statthaft erachten, ergäben sich zwei gestufte Rechtsbehelfe gegen eine Entscheidung des Urkundsbeamten nach § 73a Abs. 4 oder Abs. 5 SGG. Warum der Rechtsschutz gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten gemäß § 73 a Abs. 4 und Abs. 5 SGG aber gegenüber den auf eine einmalige Beschwerde begrenzten Rechtsschutz gegen Entscheidungen des Vorsitzenden gemäß § 73 a Abs. 6 SGG derart privilegiert werden sollten, erschließt sich nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 73a Abs.1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Rechtskraft
Aus
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