S 23 U 114/19

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 23 U 114/19
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 111/21
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die Anwendung des § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X setzt, auch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die die Vorschrift in mehrfacher Hinsicht über ihren Wortlaut hinaus auslegt, zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses 
den Bezug von, auf einem bestandskräftigen Verwaltungsakt basierenden, laufenden Leistungen oder den, auf einen bestandskräftigen Verwaltungsakt bezogenen, (Leistungs-)Antrag des Versicherten voraus.
2. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X existiert keine Ermächtigungsgrundlage der Behörde zur Feststellung der Rechtswidrigkeit eines von ihr erlassenen bestandskräftigen Verwaltungsaktes und zum „Einfrieren von Leistungen“.
 

Der Bescheid vom 27.03.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.07.2019 wird aufgehoben.

Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Aufhebung einer belastenden Entscheidung der Beklagten.

Die Klägerin ist niedergelassene Augenärztin. Hintergrund der Klage ist das Ereignis vom 05.12.2012. Dieses hatte die Klägerin der Beklagten als Arbeitsunfall gemeldet und hierzu vorgetragen, dass ihr anlässlich einer Fortbildung der Augendruck gemessen worden sei und sie hierbei Verätzungen an beiden Augen erlitten habe (Unfallanzeige vom 17.12.2012). Wegen dieses Ereignisses war zwischen den Beteiligten bereits vor dem erkennenden Gericht unter dem Aktenzeichen S 23 U 84/16 ein Rechtsstreit geführt worden, der mit rechtskräftigem Urteil vom 24.03.2017 geendet hatte. Mit dem Urteil ist der Bescheid der Beklagten vom 04.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.04.2016 aufgehoben worden (mit dem die Beklagte es abgelehnt hatte, das Ereignis vom 05.12.2012 als Arbeitsunfall festzustellen, mit dem die Beklagte die Verwaltungsakte vom 31.01.2013, 20.02.2013 und 27.02.2013 über Zahlung von Verletztengeld zurückgenommen hatte und mit dem sie die Rückerstattung bereits gezahlten Verletztengeldes gefordert hatte) und es ist im Urteilstenor festgestellt worden, dass die Beklagte in dem Bescheid vom 31.01.2013 das Ereignis vom 05.12.2012 als Versicherungsfall anerkannt hat. In den Entscheidungsgründen des Urteils hatte das erkennende Gericht u. a. ausgeführt, dass der Ablehnung des Versicherungsfalls im Bescheid vom 04.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.04.2016 die bestandskräftige Feststellung des Versicherungsfalls durch Bescheid vom 31.01.2013 entgegengestanden hat, die mit der klagegegenständlichen Behördenentscheidung nicht zurückgenommen worden ist, weil hiermit der Bescheid vom 31.01.2013 nur hinsichtlich der Zahlung von Verletztengeld zurückgenommen worden ist.

Im sich anschließenden Verwaltungsverfahren erließ die Beklagte nach Anhörung der Klägerin unter dem 27.03.2019 einen neuen Bescheid, in dem sie wie folgt verfügte:
„1. Die Verwaltungsakte vom 31.01.2013, 20.02.2013 und 27.02.2013 sind hinsichtlich der Anerkennung des Arbeitsunfalls und der Zahlung von Verletztengeld fehlerhaft und somit rechtswidrig.
2. Nach § 48 Abs. 3 SGB X erfolgen künftig keine Änderungen des Leistungsanspruchs (Verletztengeld, Rente, Behandlungskosten) zu Ihren Gunsten, soweit der Leistungsbetrag, der sich bei korrekter Ablehnung des Unfalls vom 05.12.2012 als Arbeitsunfall in Höhe von 0,00 Euro errechnet, überschritten wird.“
Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Beklagte aus, dass der rechtswidrige, begünstigende Bescheid vom 31.01.2013 von ihr nicht mehr nach § 45 X zurückgenommen werden könne, da die Rücknahmefrist (§ 45 Abs. 3 SGB X) bereits abgelaufen sei. Hingegen seien die Voraussetzungen des § 48 Abs. 3 SGB X erfüllt. Das Ereignis vom 05.12.2012 sei kein Arbeitsunfall gewesen und ohne die Bestandskraft der Verwaltungsakte vom 31.01.2013, 20.02.2013 und 27.02.2013 bestünden keine Ansprüche der Klägerin auf Verletztengeld, auf Übernahme von Behandlungskosten und auf sonstige Entschädigungen (z. B. Rente). Das Verletztengeld werde daher auf den Zahlbetrag von 0 Euro „eingefroren“ und es bestehe in Zukunft auch kein Anspruch auf Übernahme von Behandlungskosten oder sonstige Entschädigungen (z. B. Rente). Bei pflichtgemäßer Ermessensausübung habe das Bestandsinteresse der Versicherten an den Verwaltungsakten gegenüber dem Gleichbehandlungsgrundsatz, der es verbiete, der Versicherten einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber gleichgelagerten Fällen zu verschaffen, und gegenüber dem Gebot der rechtmäßigen Verwendung von Solidarmitteln, zurückzutreten. Gründe für eine andere Entscheidung hätten sich im Anhörungsverfahren nicht ergeben. 

Den gegen den Bescheid vom 27.03.2019 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.07.2019, dem Klägervertreter nachweislich (Eingangsstempel) erst am 12.07.2019 zugegangen, zurück. Zur Begründung wiederholte die Beklagte im Wesentlichen die Begründung des Ausgangsbescheids und fügte an, dass die im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vorgebrachten Argumente bei der Beurteilung des Sachverhalts berücksichtigt worden seien, indes keine andere Entscheidung zuließen.

Die Klägerin hat durch ihren Prozessbevollmächtigten am 12.08.2019 Klage zum Sozialgericht Frankfurt erhoben.

Der Klägervertreter macht geltend, dass sich die Wirkung des Tenors des Urteils des erkennenden Gerichts vom 24.03.2017 in dem Rechtsstreit S 23 U 84/16 auch auf in der Zukunft etwaig erforderliche Leistungen bezieht. 
Auf Nachfrage der Kammervorsitzenden trägt der Klägervertreter vor, dass die Klägerin bei Erlass des Bescheids vom 27.03.2019 nicht wegen der am 05.12.2012 erlittenen Augenverletzung arbeitsunfähig erkrankt oder erwerbsgemindert gewesen sei und – soweit die Klägerin dies als Augenärztin selbst beurteilen könne – auch nicht mit dem Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung zu rechnen sei, wenngleich dies auch nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden könne.

Der Klägervertreter beantragt,

den Bescheid vom 27.03.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.07.2019 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Rechtsauffassung, dass die bescheidmäßige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verwaltungsakte vom 31.01.2013, 20.02.2013 und 27.02.2013 nach § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X auch schon vor einer Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen zugunsten des Betroffenen erfolgen dürfe. Wäre dies nicht der Fall, hätte die Klägerin im Wiedererkrankungsfall einen weiteren Anspruch auf Verletztengeld, denn ein „Einfrieren“ der Leistung sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich, da die Änderung der Verhältnisse dann bereits eingetreten sei.

Das Gericht hat im Rahmen der Sachverhaltsermittlungen die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte S 23 U 84/16 zu dem Rechtsstreit beigezogen.

Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.
 

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten über den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die Klage ist form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht Frankfurt eingelegt worden und als reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) statthaft.

Die Klage führt in der Sache auch zum Erfolg.

Die Klägerin hat Anspruch auf Aufhebung des Bescheids vom 27.03.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.07.2019, weil dieser rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt.

Die Beklagte hat ihre Entscheidung zu Unrecht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X gestützt.

§ 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X (in der gültigen Fassung vom 18.01.2001) lautet: „Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt.“ Eine „Änderung“ im genannten Sinne ist eine „wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X).

Bei den Bescheiden vom 31.01.2013 (Feststellung des Versicherungsfalls vom 05.12.2012 und Gewährung von Verletztengeld), 20.02.2013 und 27.02.2013 (Gewährung von Verletztengeld) handelt es sich in der feststellenden Regelung nicht, und in den leistungsbewilligenden Regelungen zum Erlasszeitpunkt der klagegegenständlichen Behördenentscheidung nicht mehr um (einen) Verwaltungsakt(e) mit Dauerwirkung (zum Begriff grundlegend Urteil des BSG vom 29. Juni 1994 – 1 RK 45/93 –, BSGE 74, 287-295, SozR 3-1300 § 48 Nr 33, Rz. 14 des juris-Dokuments, auf das der Unfallsenat des BSG im Falle der Gewährung von Verletztengeld im Urteil vom 26.10.1998, B 2 U 35/97 R, ebenfalls juris, verweist). 
Die Gewährung von Verletztengeld zeitigt zwar Dauerwirkung, allerdings nur für den im Bescheid angegebenen Leistungszeitraum (§ 39 Abs. 2 SGB X: der Verwaltungsakt erledigt sich durch Zeitablauf; vgl. Littmann in: Hauck/Noftz, SGB, 04/20, § 39 SGB X, Rz. 30; vgl. auch Merten in: Hauck/Noftz, SGB, 11/18, § 48 SGB X, Rz. 17 und Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Werkstand: 112. EL September 2020, § 45 SGB X, Rz. 20, die betonen, dass ein Dauerverwaltungsakt vorliegt, wenn „laufende“ Leistungen gewährt werden; Karl Lang in Diering/Timme/Stähler, SGB X, 5. Auflage 2019, § 45 SGB X, Rz. 79 bringt den Verwaltungsakt mit Dauerwirkung wie folgt auf den Punkt: „der Verwaltungsakt muss permanent Rechtsfolgen zeitigen, sich mithin gewissermaßen bis zum Ablauf seiner Geltungsdauer ständig neu aktualisieren.“; in Rz. 77 nennt er als Beispiel Krankengeld für die laufende Bezugszeit).

Die bescheidmäßige Feststellung eines Versicherungsfalls nach § 7 Abs. 1 SGB VII erschöpft sich demgegenüber in der reinen Feststellung eines Rechts gegenüber dem Versicherten nach § 31 SGB I (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, Rz. 15 des juris-Dokuments; vgl. auch Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. Juni 2018, L 9 U 189/16, Rz. 43 des juris-Dokuments; anders Karl Lang in Diering/Timme/Stähler, aa0, § 45, Rz. 79, 80), an die die Behörde allerdings fortan gebunden ist, was mit einer „Dauerwirkung“ verwechselt werden kann. 

Dennoch wendet das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung, der die nachgeordneten Instanzen (z. B. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. Juni 2018, L 9 U 189/16, aa0) und die juristische Literatur (weitgehend) widerspruchslos folgen, § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X entgegen seinem Wortlaut auch auf Bescheide an, die nicht die Höhe, sondern den Grund der Leistung betreffen (vgl. BSG 15. 9. 1988 - 9/4b RV 15/87 = SozR 1300 § 48 Nr. 51; BSG 18. 3. 1997 - 2 RU 19/96 = BSGE 80, 119, 122; BSG 20. 3. 2007 - B 2 U 38/05 R = SozR 4-1300 § 48 Nr. 10; Steinwedel in KassKomm, § 48 SGB X, Rz 65; sämtlich zitiert nach Merten in: Hauck/Noftz, SGB, 11/18, § 48 SGB X, Rn. 95). Darüber hinaus wird die Vorschrift, wiederum entgegen ihrem Wortlaut, nicht nur auf Geldleistungen, sondern auch auf Heilbehandlungen nach § 27 SGB VII für anwendbar angesehen (zu dieser Problematik Merten aa0, § 48 SGB X Rn. 96). Dementsprechend hat auch die Beklagte hier verfügt.

Das erkennende Gericht hat erhebliche Bedenken, die in bestandskräftig zuerkannte Rechte von Sozialversicherten eingreifende Regelung des § 48 Abs. 3 SGB X dementsprechend über ihren Wortlaut hinaus auszudehnen, muss sich diesbezüglich hier aber nicht festlegen. Denn selbst wenn man der o. g. BSG-Rechtsprechung folgte, stellte § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X dennoch keine Ermächtigungsgrundlage für die angefochtene Entscheidung der Beklagten dar, wie sich aus Nachfolgendem ergibt.

Ein Vorgehen nach § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X setzt nach der genannten BSG-Rechtsprechung eine positive Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheids voraus, die einen eigenständig anfechtbaren feststellenden Verwaltungsakt darstellt, wobei dieser Feststellungsbescheid (hier: Ziffer 1 des Verfügungssatzes des Bescheids vom 27.03.2019) zeitlich vor dem Ausspruch des „Einfrierens“ (von „Leistungen“) ergehen oder – wie hier erfolgt – mit dem „Einfrierensbescheid“ verbunden werden und selbst im Widerspruchsverfahren noch erlassen werden kann (Merten aa0, § 48 SGB X, Rn. 100 mwN). Ob der Verwaltungsakt vom 31.01.2013 sowie die von der Beklagten in den Verfügungssatz Ziffer 1 des Bescheids vom 27.03.2019 miteinbezogenen Bescheide vom 20.02.2013 und 27.02.2013 rechtswidrig sind, hat das erkennende Gericht weder in seinem Urteil vom 24.03.2017 in dem Rechtsstreit S 23 U 84/16 entscheiden müssen noch muss es dies hier tun.

Denn stets ist den vom BSG für rechtmäßig befundenen Verwaltungsakten, mit denen auf der Grundlage des „wortlautausgeweiteten“ § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X wie ausgeführt „Leistungen“ „eingefroren“ worden sind, eine auf einem bestandskräftigen Verwaltungsakt basierende laufende Leistung (die von der Behörde von Amts wegen zu überprüfen war) oder ein auf einen bindenden Verwaltungsakt bezogener (Leistungs-)Antrag des Versicherten (der zu bescheiden war) zugrunde gelegen, auch in den vom Beklagtenvertreter zur Untermauerung seiner Rechtsauffassung angeführten Urteilen des BSG vom 22.06.1988 (9/9a RV 46/86 = SozR 3642 § 9 Nr. 3) und 15.09.1988 (9/4b RV 15/87, SozR 1300 § 48 Nr. 51; beide auch in juris dokumentiert): hier befanden sich die Kläger jeweils im Bezug von Leistungen nach dem Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (BVG). Das Vorgenannte gilt auch für die Fälle, in denen das BSG ein Vorgehen der Behörde nach § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X für rechtmäßig beurteilt hat, obwohl sogar zusätzlich entgegen dem Wortlaut der Vorschrift bei Bescheiderlass eine Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen (noch) nicht eingetreten war (BSG, Urteil vom 16.12.2004 - B 9 VS 1/04 R, Urteil vom 15.12.1999, B 9 V 26/98 R, beide juris).

Der hier zu entscheidende Fall liegt anders. Der Klägerin war von der Beklagten durch die bestandskräftigen Bescheide vom 31.01.2013, 20.02.2013 und 27.02.2013 lediglich in der Vergangenheit Verletztengeld bewilligt worden, die Verletztengeldbewilligung hatte am 28.02.2013 geendet, und auch danach hat keine Leistungsgewährung mehr stattgefunden. Bei Erlass der klagegegenständlichen Behördenentscheidung nach § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X stand die Klägerin also weder im laufenden Bezug von Verletztengeld oder einer sonstigen laufenden Leistung infolge des mit Bescheid vom 31.01.2013 festgestellten Versicherungsfalls noch hatte sie bei der Beklagten in Bezug hierauf einen (Leistungs-)Antrag gestellt.

Bei dieser Sachlage musste zum Zeitpunkt des Erlasses der hier klagegegenständlichen Behördenentscheidung (und auch aktuell) nicht verhindert werden, dass materielles Unrecht (aus Sicht der Behörde gesehen) weiterwächst, was indes Regelungszweck des § 48 Abs. 3 SGB X ist (vgl. nur Steinwedel in KassKomm, § 48 Rz. 59). Daher ist selbst nach der o. g. weiten BSG-Rechtsprechung im Hinblick auf den Anwendungsbereich des § 48 Abs. 3 SGB X im Fall der Klägerin kein Raum für die Anwendung dieser Vorschrift gewesen.

Außerhalb dieses Anwendungsbereichs aber existiert keine Ermächtigungsgrundlage der Behörde zur bescheidmäßigen Feststellung der Rechtswidrigkeit eines von ihr erlassenen bestandskräftigen Verwaltungsaktes und zum „Einfrieren“ von „Leistungen“, wie hier erfolgt.

Die von der Beklagten gleichwohl auf § 48 Abs. 3 SGB X gestützte, die Klägerin belastende, Entscheidung war antragsgemäß vollumfänglich aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Rechtsmittelbelehrung folgt aus §§ 143, 144 SGG.

Rechtskraft
Aus
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