S 6 R 246/19

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 6 R 246/19
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 188/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 18/21 R
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 4.076,95 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Erstattung von über den Tod hinaus gezahlte Rente nach § 118 Abs. 3 S. 2 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI).

Die 2009 verstorbene Rentenbezieherin erhielt von der Klägerin seit 1. August 2000 eine Witwenrente nach dem verstorbenen, bei der Beklagten Klägerin versicherten C. D. Zugleich erhielt die Rentenbezieherin eine Versichertenrente aus eigenem Versichertenkonto, ebenfalls von der Klägerin. Für die Bearbeitung der Renten waren unterschiedliche Dezernate zuständig. Die Renten wurden beide monatlich im Auftrag der Klägerin durch den E. Rentenservice auf das bei der Beklagten geführte Konto mit der IBAN xxxxx1 durch Überweisung gezahlt.

Mit Schreiben vom 5. November 2009 teilte die Tochter der Rentenbezieherin dem E. Rentenservice unter der Versicherungsnummer der Rentenbezieherin mit, dass diese verstorben sei und sandte die Sterbeurkunde zu (Bl. 354 VA). Mit Rückforderungsschreiben vom 18. November 2009, bei der Beklagten am 22. Oktober 2009 eingegangen, forderte der E. Rentenservice von der Beklagten die Rückzahlung der über den Tod hinaus gezahlten Versichertenrente. Dieser Forderung kam die Beklagte nach.

Mit Schreiben des Kreisverwaltungsreferats der Landeshauptstadt München vom 1. März 2010 erfuhr das für die Hinterbliebenenrente zuständige Dezernat der Klägerin, dass die Rentenbezieherin von ihrer Münchner Wohnadresse nach Luxemburg abgemeldet worden sei (Bl. 283 VA). Die Beklagte stellte daraufhin die Rentenzahlung ab März 2010 ein. Ausweislich eines handschriftlichen Vermerks mit rotem Stift wurde auf einer automatisch generierten Mitteilung vom 31. März 2010 über die Rückbuchung der Witwenrente für April 2010 durch den E. Rentenservice an die Klägerin folgendes notiert „Witwe bereits seit 15.10.09 verstorben“ (Bl. 295 VA).

Am 3. August 2012 beantwortete die Beklagte eine Anfrage des Bundeszentralamts für Steuern u.a. dahingehend, dass die Versicherte am 31. Oktober 2009 verstorben sei (Bl. 298 VA). Mit Schreiben vom 2. November 2012 forderte die Klägerin die Beklagte zur Erstattung der überzahlten Rente i.H.v. 4.076,95 € auf. Zugleich beauftragte die Klägerin den Rentenservice der E. AG (Bl. 315 und 316 der Verwaltungsakte).

Die Beklagte teilte der Klägerin mit, dass das Konto seit 31. Oktober 2011 aufgelöst sei. Sie habe am 22. Oktober erstmals Kenntnis vom Tod der Rentenbezieherin gehabt. Die erste Rückforderung des Rentenservice sei am 18. November 2009 eingegangen. (Bl. 320 VA). 

Die Beklagte fordert die Rückzahlung der überzahlten Rente von der Tochter der Rentenbezieherin.

Am 5. Juni 2014 forderte die zuständige Sachbearbeiterin für die Hinterbliebenenrente beim zuständigen Dezernat für die Versichertenrenten die Akte bezüglich der eigenen Versichertenrente der Rentenbezieher an. Am 11. Juni 2014 teilte das angeschriebene Dezernat mit, dass die Akte am 2. August 2011 vernichtet worden sei, Unterlagen seien nicht verfilmt worden.

Mit Schreiben vom 12. Januar 2015 forderte die Klägerin von der Beklagten die Rücküberweisung überzahlte Rente i.H.v. 4.076,95 €. Die Beklagte habe bereits seit 22. Oktober 2009 Kenntnis gehabt. Die Beklagte wies den Anspruch zurück.

Die Klägerin hat am 26. Februar 2015 Klage am Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Das Verfahren ist mit Beschluss des Sozialgerichts vom 10. August 2015 ruhend und mit Verfügung vom 22. Mai 2019 wieder aufgerufen worden.

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung der Forderung erstmals in der Klageerwiderung mit Schriftsatz vom 9. März 2015 erhoben.

Die Klägerin trägt vor, dass Kenntnis von der Überzahlung im Sinne des § 118 Abs. 4a S. 1 SGB VI bedeute, dass beim Rentenversicherungsträger eine Erkenntnisbildung dergestalt stattgefunden habe, die das Bewusstsein hervorgerufen habe, dass die Geldleistung zu Unrecht über den Todesmonat hinaus geleistet worden sei. Diese Kenntnis habe erst im Jahr 2012 (Bl. 307-311 VA) vorgelegen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.076,95 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, dass die Beklagte bereits aufgrund der ersten Rückforderung im November 2009 Kenntnis vom Tod der Rentenberechtigten gehabt habe.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 24. März 2020, die Beklagte mit Schrifsatz vom 15. April 2020 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Klägerin ergänzend Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

Statthaft ist die allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG. Eine Rückforderung durch Verwaltungsakt ist der Klägerin im Rahmen des § 118 Abs. 3 SGB VI verwehrt (vgl. BSG Urt. v. 28.08.1997 – 8 RKn 2/97; Urt. v. 13.12.2005 – B 4 RA 28/05 R).

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der über den Tod der Rentenbezieherin hinaus gewährten Rente nach § 118 Abs. 3 S. 2 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI). Ein möglicher Anspruch ist jedenfalls nach § 118 Abs. 4a S. 1 SGB VI mit Ablauf des 31. Dezember 2014 verjährt, die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und ist daher nach § 118 Abs. 4a S. 2 SGB VI i.V.m. § 214 Abs. 1 BGB berechtigt, die Rückzahlung der überzahlten Rente zu verweigern.

Nach § 118 Abs. 4a SGB VI verjähren die Ansprüche nach den § 118 Abs. 3 und 4 SGB VI in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Träger der Rentenversicherung Kenntnis von der Überzahlung und in den Fällen des § 118 Abs. 4 SGB VI zusätzlich Kenntnis von dem Erstattungspflichtigen erlangt hat. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Satz 2 der Vorschrift sinngemäß.

Diese Voraussetzungen waren erfüllt, da die ab 1. Januar 2011 laufende Verjährungsfrist am 31. Dezember 2014 abgelaufen ist, ohne gehemmt worden zu sein. Denn eine für die Bearbeitung der Witwenrente zuständige bei der Klägerin bedienstete Person hatte im März 2010 positive Kenntnis vom Tod der Rentenberechtigten sowie von der Zahlung der Witwenrente für den Zeitraum November 2009 bis einschließlich März 2010. Zudem liegen keine den Lauf der Verjährungsfrist i.S.d. § 118 Abs. 4a S. 2 SGB VI i.V.m. §§ 203 ff., 209 BGB hemmenden Umstände vor.

Die Voraussetzung der „Kenntnis von der Überzahlung“ i.S.d. § 118 Abs. 4a S. 1 SGB VI erfordert zunächst die positive Kenntnis aller erheblichen Tatsachen, die die Überzahlung begründen. Die grob fahrlässige Unkenntnis, wie bspw. in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, ist ausweislich des eindeutigen Wortlauts nicht ausreichend (vgl. zu § 113 SGB X SG Hamburg Urt. v. 13.6.2008 – S 40 U 266/07). Der in § 118 Abs. 2 SGB VI enthaltene Verweis auf die Verjährungsvorschriften des BGB bezieht sich ausweislich der Formulierung nur auf die Vorschriften zu Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung, nicht jedoch auf die Vorschriften zum Beginn der (unterschiedlichen) Verjährungsfristen nach §§ 199 bis 201 BGB.

Auf welche Tatsachen sich diese positive Kenntnis beziehen muss, um „Kenntnis von der Überzahlung“ zu haben, wird von der Vorschrift nicht explizit geregelt. Der Begriff der Überzahlung wird in § 118 Abs. 4a S. 1 SGB VI nicht definiert und im Weiteren in der Regelung des § 118 SGB VI nicht verwendet. Eine Auslegung des Begriffs ist jedoch unter Heranziehung des § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI, der die für die Verjährung maßgeblichen Ansprüche nach § 118 Abs. 3 S. 1 sowie Abs. 4 S. 1 SGB VI eröffnet, möglich. Nach § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI gelten Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut, für das die Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 (ABl. L 94 vom 30.03.2012, S. 22) gilt, überwiesen werden, als unter Vorbehalt erbracht. Der Begriff der Überzahlung ist auf dieser Grundlage dahingehend zu definieren, dass die Kenntnis zweier Tatsachen erheblich ist: Erstens die Kenntnis vom Tod einer rentenberechtigten Person sowie zweitens die Kenntnis von nach dem Todeszeitpunkt weiter erfolgten Rentenzahlungen.
Darüber hinaus fehlt es an einer Bestimmung, auf wessen Kenntnis es i.S.d. § 118 Abs. 4a S. 1 SGB VI ankommt. Grundsätzlich können nur natürliche Personen Kenntnis nehmen, mithin die Bediensteten des Trägers (vgl. Kater in: KassKomm SozVersR, 108. EL, § 111 SGB X, Rn. 40). „Träger der Rentenversicherung“ kann hierbei sowohl dahingehend ausgelegt werden, dass es auf die Kenntnis jeder beliebigen Person des leistenden Rentenversicherungsträgers oder dass es auf die Kenntnis einer zur Entscheidung über die spezifische Rentenleistung befugten Person ankommt. Die Regelung enthält weder Anhaltspunkte für die eine, noch die andere Auslegung. Die Bestimmung der Personen, auf deren Kenntnis abzustellen ist, muss daher aus dem Zweck der Regelung und den üblichen Verwaltungsabläufen erfolgen (vgl. Becker in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand: 12/13, § 111, Rn. 57). Die Bestimmung der maßgeblichen Person(en) hat daher insbesondere im Zusammenhang mit den Ansprüchen nach § 118 Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 S. 1 SGB VI zu erfolgen.

Das System des § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI, Zahlung der Rente für den Zeitraum unter Vorbehalt, und die sich daraus ergebenden Erstattungsansprüche nach § 118 Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 S. 1 SGB VI, korrelieren miteinander. Der gesetzlich normierte Vorbehalt bewirkt hierbei, dass ein rechtlich geschütztes Vertrauen des Geldinstituts, des (neuen) Kontoinhabers, der Erben oder der Empfänger von Beträgen in die Rechtmäßigkeit der nach dem Tod des Berechtigten geleisteten Zahlungen entstehen kann (BSG Urt. v. 4.8.1998 – B 4 RA 72/97 R). Durch die Rücküberweisung entsteht der Zustand, der bestehen würde, wenn die Zahlungen für die Zeit nach dem Todesmonat des Rentenberechtigten nicht erbracht worden wären. Sie dienen damit der Gemeinschaft der in gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Personen, indem unrechtmäßig ausgezahlte Rente in das Beitragsvermögen der gesetzlichen Rentenversicherung aus eigenem öffentlich-rechtlichen Anspruch der betroffenen Rentenversicherung zurückgeführt werden kann.

Die mit Beginn der Verjährungsfrist verbundene Verschlechterung der Rechtsstellung des anspruchsberechtigten Rentenversicherungsträgers, der formal stellvertretend Vermögen der Versichertengemeinschaft zurückfordert, ist auf dieser Grundlage nur zu rechtfertigen, wenn lediglich die Kenntnis der (geschäftsplanmäßig) mit der Bearbeitung der konkret betroffenen überzahlten Rentenleistung betrauten Bediensteten berücksichtigt wird. Denn nur diese Personen sind grundsätzlich in der Lage zu erkennen, dass nicht nur eine rentenberechtigte Person tot, sondern vielmehr eine Überzahlung eingetreten ist. Das Wissen der Bediensteten der für die Zahlung der Versichertenrente zuständigen Abteilung ist demgegenüber in der Regel unmaßgeblich, und zwar auch dann, wenn sie verpflichtet sind, die Kenntnis vom Tod der Rentenberechtigten bei entsprechenden Anhaltspunkten an die Witwenrentenabteilung weiterzuleiten (vgl. zu Regressansprüchen eines Unfallversicherungsträgers BGH Urt. v. 9.3.2000 – II ZR 198/99). Der für die Versichertenrente zuständigen Leistungsabteilung ist es ohne Zugriff auf das der Witwenrente zugrundeliegende Konto nicht möglich zu erkennen, ob diese Leistung über den Tod hinaus weiter geleistet wurde. Denn der Umfang der Leistung der Witwenrente wird nicht automatisch in das Versichertenkonto der Witwe gemeldet, da diese bei Erreichen der Regelaltersgrenze nicht auf die Versichertenrente angerechnet wird (vgl. § 34 Abs. 2 und 3 SGB VI e contrario; sowie für den umgekehrten Fall der Anrechnung der Versichertenrente auf die Witwenrente § 97 Abs. 1 SGB VI).

Diesen Grundsätzen folgend lag positive Kenntnis der Klägerin spätestens im März 2010 aufgrund der automatischen Mitteilung des E. Rentenservice über einen „Sterbemonat“ sowie die handschriftliche Notiz in der Verwaltungsakte, dass die „Witwe bereits seit xx.xx.2009 verstorben“, sei vor (Bl. 295 VA). Zum einen ergibt sich aus dem handschriftlichen Eintrag, dass der Tod der Rentenbezieherin nicht nur als möglich angesehen, sondern aufgrund des Wissens um das Todesdatum eindeutig bekannt war. Aus der handschriftlichen Eintragung in die Verwaltungsakte ergibt sich zudem, dass eine Person in der für die Witwenrente zuständigen Abteilung diese Kenntnis hatte. Denn ausweislich der sich ebenfalls (zeitlich später) in der Verwaltungsakte befindlichen Schriftverkehrs zwischen den Abteilungen der Klägerin können die Akten nicht von jeder beliebigen Abteilung ohne Weiteres aus dem Archiv herangezogen werden, sondern werden bei der zuständigen Abteilung angefordert. Das Gericht ist zudem nicht überzeugt, dass der Vermerk aufgrund des zeitlich späteren Eintritts der Kenntnis durch die zuständige Sachbearbeiterin ab 2012 eingetreten ist. Es entspricht keinem normalen Verwaltungsvorgang, neue Erkenntnisse in einer Verwaltungsakte auf (zwei Jahre) älteren und mehrere Seiten vorher abgehefteten Vorgängen zu vermerken.

Ob aufgrund der Mitteilung der Tochter über den Tod der Rentenberechtigten unter der Versichertennummer der Rentenberechtigten im November 2009 an den E. Rentenservice positive Kenntnis unter entsprechender Heranziehung der Grundsätze der Wissenszurechnung durch Aufgabenwahrnehmung (vgl. §§ 119, 120 SGB VI i.V.m. §§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, 16 Abs. 1 Renten Service Verordnung i.d.F. gültig vom 1.1.2009 bis 31.12.2011) bestand, kann daher dahinstehen. 

Ausgehend vom den Beginn der Verjährung begründenden Ereignis der Kenntnis von der Überzahlung begann die Verjährung am 1. Januar 2011 zu laufen und endete vier Jahre später am 31. Dezember 2014.

Ein den Lauf der Verjährung hemmendes Ereignis i.S.d. § 118 Abs. 4a S. 2 SGB VI i.V.m. §§ 203 ff., 209 BGB vor Ablauf der Frist liegt nicht vor. Die vorliegende Klage wurde erst nach Ablauf der Frist am 26. Februar 2015 erhoben. Auch lagen keine Verhandlungen i.S.d. § 203 S. 1 BGB vor, die ebenfalls hemmend wirken. Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung nach § 203 S. 1 BGB gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Der Begriff der Verhandlungen ist hierbei weit auszulegen: Der Gläubiger muss nur klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will. Im Hinblick auf den Schuldner genügt es, wenn er deutlich macht, sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang einzulassen. Der ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch und seine tatsächlichen Grundlagen genügt dem Begriff der Verhandlung. Wenn der Schuldner auf die Erklärung des Gläubigers hin sofort und erkennbar eine Leistung ablehnt, schweben also keine Verhandlungen. Für eine solche Ablehnung genügt es auch, dass für den Gläubiger eindeutig erkennbar wird, dass der Schuldner weder gegenwärtig noch zukünftig bereit ist, über die Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs zu sprechen oder sich gar nicht auf einen Meinungsaustausch einlässt. Wird für die Ablehnung der Leistung seitens des Schuldners eine Begründung vorgebracht, bedeutet dies noch keine Verhandlung (vgl. Meller-Hannich in: BeckOGK BGB, Stand: 1.6.2020, § 203 Rn. 16, 17 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen sind keine Verhandlungen ausweislich der Verwaltungsakte vor Klageerhebung ersichtlich. Denn die Beklagte ist ausweislich der in der Verwaltungsakte befindlichen Schreiben nie ausführlich auf die geltend gemachte Forderung eingegangen, sondern hat lediglich Auskünfte erteilt. Auf das Schreiben der Klägerin an die Beklagte vom 2. November 2012, forderte die Klägerin erstmals die Erstattung der Klageforderung. Hierauf teilte die Beklagte lediglich die Auflösung des Kontos, sowie die Anschrift der Tochter der Rentenberechtigten mit. Eine Auseinandersetzung mit der Klageforderung fand seitens der Beklagten nicht statt. Die konkludent darin zu verstehende Ablehnung der Forderung begründen nach den oben dargestellten Grundsätzen keine schwebenden Verhandlungen, da es an einem Meinungsaustausch mangelt. Mit Schreiben vom 24. Januar 2013 forderte die Klägerin sodann weitere Auskünfte von der Beklagten, jedoch forderte diese nicht erneut zur Zahlung auf. Hierauf antwortete die Beklagte mit der Auskunft über Zahlungszeitpunkte und dem Zeitpunkt der Kenntnis vom Tod der Rentenberechtigten, machte jedoch zu der Forderung keine Angaben. Daraufhin konzentrierte sich die Klägerin ausweislich des in der Verwaltungsakte vorhandenen Schriftverkehrs auf die Rückforderung gegen die Tochter der Rentenberechtigten. Sodann forderte die Klägerin von der Beklagten mit Schreiben vom 21. Mai 2014 weitere Auskünfte in Form der Buchungen seit dem Tod und verwies darauf, dass dies zur Prüfung eines möglichen Anspruchs notwendig sei. Die Aussicht, einen Anspruch gegen die Beklagte zu prüfen, führt jedoch ebenfalls nicht zu Verhandlungen. Diese Auskünfte wurden im Juni 2014 übersandt, ohne dass die Beklagte zu einem möglichen Anspruch der Klägerin Stellung nahm. Erstmals mit Schreiben vom 12. Januar 2015 forderte die Klägerin sodann von der Beklagten die Rückforderung von überzahlter Rente i.H.v. 4.076,95 €. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Lauf der Verjährung jedoch nicht mehr gehemmt werden, da die Frist am 31. Dezember 2014 abgelaufen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 154, 155 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Weder die Klägerin noch die Beklagte gehören zum Personenkreis des § 183 SGG, sodass eine gerichtskostenpflichtige Streitsache vorliegt.

Das zulässige Rechtsmittel der Berufung folgt aus §§ 143 ff. SGG.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 S. 1, 52 Abs. 3 S. 1 Gerichtskostengesetz.

Rechtskraft
Aus
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