1. Deutsches Landesblindengeld ist EU-rechtlich eine Geldleistung bei Krankheit.
2. Geldleistungen bei Krankheit an Rentner mit nur einer Rente aus einem Mitgliedstaat werden vom zuständigen Träger des Mitgliedstaats nach dessen nationalen Rechtsvorschriften erbracht, in dem der Träger der Sachleistungen bei Krankheit seinen Sitz
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 1. August 2018, das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. Oktober 2019 sowie der Bescheid des Beklagten vom 23. Januar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. März 2018 werden aufgehoben und der Beklagte verurteilt, unter Rücknahme des Bescheids vom 6. Januar 2017 der Klägerin ab 1. November 2016 Nachteilsausgleich wegen hochgradiger Sehschwäche und ab 1. März 2017 Blindengeld nach dem Sächsischen Landesblindengeldgesetz zu gewähren.
Der Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten für alle Rechtszüge zu erstatten.
G r ü n d e :
I
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Die Klägerin begehrt Leistungen nach dem Sächsischen Gesetz über die Gewährung eines Landesblindengeldes und anderer Nachteilsausgleiche (Landesblindengeldgesetz ‑ LBlindG).
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Die 1942 geborene Klägerin ist deutsche Staatsbürgerin und lebt seit über zwanzig Jahren in Österreich. Zuvor war sie in Sachsen wohnhaft. Sie bezieht eine Rente von der Deutschen Rentenversicherung und ist in Deutschland krankenversichert (AOK Rheinland/Hamburg). Die Klägerin leidet an Makuladegeneration. Seit 2013 beträgt der Visus auf ihrem rechten Auge 0,02 (1/50) und auf ihrem linkem Auge 0,025 (1/40) sowie binokular 0,02. Zumindest seit dem 17.3.2017 hat die Klägerin einen Visus auf jedem Auge und auch binokular von 0,02. Ihr Antrag auf Pflegegeld nach dem Österreichischen Bundespflegegeldgesetz war bei der Österreichischen Pensionsversicherungsanstalt und den österreichischen Gerichten unter Verweis auf die deutsche Rente und Krankenversicherung der Klägerin erfolglos.
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Den Antrag der Klägerin vom 24.11.2016 auf Leistungen nach dem LBlindG lehnte der Beklagte zunächst mit der Begründung ab, die Klägerin habe keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Freistaat Sachsen (Bescheid vom 6.1.2017). Ihr (Überprüfungs‑)Antrag vom 1.12.2017 hatte ebenfalls keinen Erfolg. EU-Recht sei nicht einschlägig, da die Klägerin keiner Beschäftigung in Sachsen nachgehe (Bescheid vom 23.1.2018; Widerspruchsbescheid vom 21.3.2018).
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Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 1.8.2018), das LSG die Berufung zurückgewiesen. Zwar liege bei der Klägerin Blindheit iS des LBlindG vor. Sie erfülle aber nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 LBlindG. Sie habe weder ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Freistaat Sachsen noch sei sie nach der Verordnung ‑ VO (EG) Nr 883/2004 anspruchsberechtigt. Da die Klägerin wirtschaftlich inaktiv sei, unterfalle sie der Regelung des Art 11 Abs 3 Buchst e VO (EG) Nr 883/2004 und damit den Rechtsvorschriften ihres Wohnmitgliedstaats. Eine anderweitige Zuständigkeit ergebe sich auch nicht aus dem Bezug von Rentenleistungen aus Deutschland und der daran anknüpfenden Krankenversicherung. Die anderslautende Entscheidung des EuGH vom 5.5.2011 (C‑206/10 <Kommission/Deutschland>) zum deutschen Landesblindengeld sei nicht einschlägig, da jene Entscheidung zu EU‑Bürgern ergangen sei, die in Deutschland arbeiteten, also im Streitzeitraum wirtschaftlich aktiv gewesen seien (Urteil vom 10.10.2019).
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 1 Abs 1 LBlindG und der VO (EG) Nr 883/2004, insbesondere deren Art 29 Abs 1 iVm Art 21 und Art 24 Abs 2 Buchst a. Die verletzte Landesnorm sei revisibel, da die Länder im Interesse der Rechtsvereinheitlichung bewusst und gewollt eine EU‑rechtskonforme Anpassung ihrer Blindengeldgesetze vorgenommen hätten. Die Klägerin sei trotz ihres Wohnsitzes in Österreich anspruchsberechtigt. Beim deutschen Landesblindengeld handele es sich EU‑rechtlich betrachtet um eine Geldleistung bei Krankheit, für die die VO Sonderkollisionsnormen vorsähe. Danach komme das Recht des Mitgliedstaats zur Anwendung, in welchem der Träger seinen Sitz habe, der die Kosten der im Wohnstaat gewährten Sachleistungen zu tragen habe. Dies sei hier Deutschland und in ihrem Fall wegen ihres letzten dortigen Wohnsitzes das Land Sachsen.
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Die Klägerin beantragt, |
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Der Beklagte hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
II
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Die Revision der Klägerin ist zulässig und begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG).
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A. Die Revision entspricht der gesetzlichen Form.
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I. Sie wurde durch einen postulationsfähigen Bevollmächtigten iS des § 73 Abs 4 Satz 1 SGG eingelegt und begründet (vgl § 164 SGG).
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Nach § 73 Abs 4 Satz 1 SGG müssen sich die Beteiligten im Revisionsverfahren durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Rechtsanwälte sind grundsätzlich vertretungsberechtigt, wenn sie als solche in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen sind. Das trifft auf den in Österreich als Rechtsanwalt zugelassenen Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht zu. Denn er ist nicht zugleich als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in eine deutsche Rechtsanwaltskammer aufgenommen worden (vgl § 2 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland <EuRAG> vom 9.3.2000, BGBl I 182, berichtigt 1349, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.12.2020, BGBl I 3320; vgl auch BSG Beschluss vom 15.6.2010 ‑ B 13 R 172/10 B ‑ SozR 4‑1500 § 73 Nr 7 RdNr 5).
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Der Prozessbevollmächtigte kann allerdings auch ohne eine solche Zulassung vorübergehend und gelegentlich als dienstleistender europäischer Rechtsanwalt die Tätigkeit eines Rechtsanwalts in Deutschland ausüben (§ 25 Abs 1 iVm §§ 26 ff EuRAG). In gerichtlichen Verfahren mit Anwaltszwang muss er im Einvernehmen mit einem zur Vertretung vor diesem Gericht befugten Einvernehmensanwalt handeln (§ 28 Abs 1 EuRAG). Das Einvernehmen ist bereits bei der ersten Handlung gegenüber dem Gericht schriftlich nachzuweisen (§ 29 Abs 1 EuRAG; vgl auch BSG Beschluss vom 15.6.2010, aaO RdNr 6).
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Hier hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Einvernehmenserklärung zeitgerecht vorgelegt. Der Nichtzulassungsbeschwerde war ein Schreiben eines deutschen Rechtsanwalts beigefügt, mit dem dieser sein Einvernehmen mit der Nichtzulassungsbeschwerde und der nachfolgenden Revision erklärt hatte. Da das Einvernehmen nach § 29 Abs 2 Satz 2 EuRAG zudem bis zum Widerruf fortgilt, liegt die nötige Einvernehmenserklärung für das Revisionsverfahren vor (vgl hierzu auch Bayerischer VGH Beschluss vom 22.3.2010 ‑ 11 CE 09.3150 ‑ juris RdNr 22).
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II. Auch die Einlegung und die Begründung der Revision entsprechen der erforderlichen Schriftform (§ 164 Abs 1 Satz 1, Abs 2 SGG).
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Was unter dem Begriff "schriftlich" zu verstehen ist, regelt das SGG nicht. Die Vorschrift des § 126 BGB, die zunächst nur für das bürgerliche Recht gilt, kann wegen der Eigenständigkeit des Prozessrechts weder unmittelbar noch entsprechend auf Prozesshandlungen angewendet werden (BSG Urteil vom 16.11.2000 ‑ B 13 RJ 3/99 R ‑ SozR 3‑1500 § 151 Nr 4 S 9 = juris RdNr 16 unter Verweis auf die Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes <GmSOGB> vom 30.4.1979 - GmS-OGB 1/78 ‑ BGHZ 75, 340, 352 = juris RdNr 30 mwN). Entscheidend für das Merkmal der Schriftlichkeit im Prozessrecht ist vielmehr, welcher Grad von Formstrenge nach den maßgeblichen verfahrensrechtlichen Vorschriften sinnvoll zu fordern ist (BVerfG Beschluss vom 19.2.1963 ‑ 1 BvR 610/62 ‑ BVerfGE 15, 288, 292 = juris RdNr 12; BSG Urteil vom 16.11.2000, aaO).
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Durch das Schriftformerfordernis soll gewährleistet werden, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem muss feststehen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (GmSOGB Beschluss vom 5.4.2000 ‑ GmS‑OGB 1/98 ‑ SozR 3‑1750 § 130 Nr 1 ‑ juris RdNr 10; BSG Urteil vom 16.11.2000, aaO; BVerwG Urteil vom 6.12.1988 ‑ 9 C 40/87 ‑ juris RdNr 6). Das Merkmal der Schriftlichkeit schließt bereits nach dem Sprachgebrauch nicht ohne weiteres notwendig die handschriftliche Unterzeichnung ein. Zwar wird dem Schriftformerfordernis grundsätzlich durch die eigenhändige Unterschrift Rechnung getragen (BSG Urteil vom 16.11.2000, aaO mwN), da dies das typische Merkmal ist, um den Urheber eines Schriftstücks und seinen Willen festzustellen, die niedergeschriebene Erklärung in den Verkehr zu bringen (BSG Beschluss vom 15.10.1996 ‑ 14 BEg 9/96 ‑ SozR 3‑1500 § 151 Nr 2 S 3 = juris RdNr 6). Jedoch sind insoweit in der Rechtsprechung zahlreiche Ausnahmen anerkannt (zum Ganzen BSG Urteil vom 16.11.2000, aaO mwN). Das Schriftformerfordernis ist danach etwa auch erfüllt, wenn der maßgebliche Schriftsatz keine eigenhändige Unterschrift enthält, sich indes aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, hinreichend sicher, dh ohne die Notwendigkeit einer Klärung durch Beweiserhebung, ergibt (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 30.1.2020 ‑ B 2 U 152/19 B ‑ juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 24.5.2017 ‑ B 14 AS 178/16 B ‑ juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 30.3.2015 ‑ B 12 KR 102/13 B ‑ juris RdNr 8, jeweils mwN).
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Die auf der Revisionsschrift vom 27.8.2020 angebrachte "Rubrumsunterschrift" nach österreichischer Gepflogenheit ist keine Unterschrift im engeren Sinne (vgl AG Hannover Urteil vom 3.1.2020 ‑ 410 C 1120/19 ‑ juris RdNr 29 ff). Hierfür müsste sie sich am Ende des Textes befinden, auf den sie sich bezieht. Denn nur eine Unterschrift, die den zugehörigen Text räumlich abschließt, kann die ihr zukommende Funktion erfüllen, die Übernahme der Verantwortung für diesen Text durch den Unterzeichnenden zu dokumentieren. Da eine Unterschrift im Regelfall unter den fertigen Text gesetzt wird, bietet grundsätzlich nur ein an dieser Stelle angebrachter Namenszug, nicht aber eine dem Text vorausgehende "Oberschrift" die Gewähr für die Übereinstimmung des schriftlich Erklärten mit dem Willen des Ausstellers der Urkunde (vgl Bayerischer VGH Beschluss vom 22.3.2010 ‑ 11 CE 09.3150 ‑ juris RdNr 18 f mwN unter Verweis auf BFH Urteil vom 29.7.1969 ‑ VII R 92/68 ‑ juris RdNr 16 f).
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Gleichwohl steht aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls für den Senat fest, dass es sich bei der Revisionsschrift um keinen Entwurf handelt, sondern der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für ihren Inhalt übernehmen und sie dem BSG übermitteln wollte. Die Verfahrensweise entspricht der im vorangegangenen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren. Alle Schriftsätze wurden von demselben Anwalt in gleicher und in der in Österreich üblichen Weise abgezeichnet. Der Einvernehmensnachweis iS des § 29 Abs 1 EuRAG deckt ausdrücklich sowohl die Nichtzulassungsbeschwerde als auch die nachfolgende Revision durch den ‑ konkreten bezeichneten ‑ österreichischen Anwalt ab. Ein versehentliches “Inverkehrbringen“ ist ausgeschlossen, weil der identische Schriftsatz per Fax und anschließend im Original beim BSG eingegangen ist.
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B. Gegenstand des Rechtsstreits in der Revision sind neben den Urteilen des LSG und SG der Bescheid des Beklagten vom 23.1.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.3.2018 (§ 95 SGG), mit dem dieser den Überprüfungsantrag der Klägerin auf Gewährung von Leistungen nach dem LBlindG abgelehnt hat. Zutreffende Klageart hierfür ist die kombinierte Anfechtungs‑, Verpflichtungs‑ und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 iVm § 56 SGG; s zur statthaften Klageart Senatsurteil vom 28.4.1999 ‑ B 9 V 16/98 R ‑ juris RdNr 13; Senatsurteil vom 5.11.1997 ‑ 9 RV 4/96 ‑ BSGE 81, 150, 152 = SozR 3‑3100 § 30 Nr 18 S 43 = juris RdNr 18; BSG Urteil vom 20.1.2021 ‑ B 13 R 13/19 R ‑ juris RdNr 10, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die Klage ist insoweit auch zulässigerweise auf den Erlass eines Grundurteils im Höhenstreit gerichtet (§ 130 Abs 1 SGG). Auf der Basis der vom LSG getroffenen Feststellungen kann mit Wahrscheinlichkeit von Geldleistungen nach § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 Nr 1 LBlindG ausgegangen werden (vgl zum Grundurteil im Höhenstreit zB BSG Urteil vom 25.6.2020 ‑ B 10 EG 2/19 R ‑ SozR 4‑7837 § 2c Nr 8 RdNr 33 mwN).
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C. Der Senat ist nicht an einer Sachentscheidung gehindert, obwohl in der Sache (auch) um die Auslegung sächsischen und damit an sich irreversiblen Landesrechts gestritten wird.
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Nach § 162 SGG kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Revisibilität von Landesrecht ist auch gegeben, wenn inhaltsgleiche Vorschriften verschiedener Länder in den Bezirken verschiedener LSG gelten und die Übereinstimmung nicht nur zufällig, sondern im Interesse der Rechtsvereinheitlichung bewusst und gewollt ist (stRspr; vgl Senatsurteil vom 14.6.2018 ‑ B 9 BL 1/17 R ‑ BSGE 126, 63 = SozR 4‑5921 Art 1 Nr 4, RdNr 10; Senatsurteil vom 11.8.2015 ‑ B 9 BL 1/14 R ‑ BSGE 119, 224 = SozR 4‑5921 Art 1 Nr 3, RdNr 12).
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Der in § 1 Abs 1 LBlindG und auch in anderen Landesblindengeldgesetzen verwendete hier streitbefangene Verweis auf die VO (EG) Nr 883/2004 wurde vom sächsischen Landesgesetzgeber - wie in anderen Bundesländern auch - durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011/2012 vom 15.12.2010 (SächsGVBl 387) eingefügt. Hintergrund war das im Jahr 2002 eingeleitete und letztlich erfolgreiche Vertragsverletzungsverfahren der EU‑Kommission gegen Deutschland wegen der Koppelung des deutschen Landesblindengelds an die Wohnsitznahme im betreffenden Bundesland (EuGH Urteil vom 5.5.2011 ‑ C‑206/10 <Kommission/Deutschland>; vgl auch Begründung der Sächsischen Staatsregierung zum Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2011/2012, Sächsischer Landtag ‑ Drucks 5/3195, S 101; s zur Historie ausführlich die Begründung der Niedersächsischen Landesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Landesblindengeld für Zivilblinde, Niedersächsischer Landtag ‑ Drucks 16/4094, S 3 f). Die Regelung stimmt folglich bewusst und gewollt mit den Regelungen der Landesblindengeldgesetze in den Bezirken anderer LSG überein (zB § 1 Abs 1 Satz 1 des Gesetzes über die Landesblindenhilfe Baden‑Württemberg; Art 1 Abs 1 des Bayerischen Blindengeldgesetzes; § 1 Abs 2 des Niedersächsischen Gesetzes über das Landesblindengeld für Zivilblinde; § 1 Abs 1 Satz 1 des Gesetzes über das Blinden‑ und Gehörlosengeld im Land Sachsen‑Anhalt; § 1 Abs 1 des Gesetzes Nr 761 über die Gewährung einer Blindheitshilfe im Saarland). Auch wenn der Verweis in den einzelnen Blindengeldgesetzen der Länder nicht überall wortgleich formuliert ist, reicht es für die Revisibilität aus, wenn mehrere ‑ nicht notwendig alle ‑ Länder inhaltsgleiche Vorschriften haben (Senatsurteil vom 14.6.2018, aaO). Dessen unbeschadet ist die VO (EG) Nr 883/2004 ohnehin unmittelbar geltendes Bundesrecht (vgl Art 288 Abs 2 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union <AEUV>) und vollumfänglich revisibel.
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D. Die kombinierte Anfechtungs‑, Verpflichtungs‑ und Leistungsklage der Klägerin hat Erfolg. Der ihren Überprüfungsantrag ablehnende Bescheid vom 23.1.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.3.2018 (§ 95 SGG) sowie die Entscheidungen der Vorinstanzen vom 1.8.2018 und 10.10.2019 sind aufzuheben. Der Beklagte ist verpflichtet, unter Rücknahme des Bescheids vom 6.1.2017 der Klägerin ab dem 1.11.2016 Nachteilsausgleich für hochgradig Sehschwache und ab dem 1.3.2017 Blindengeld nach § 1 Abs 1 Alt 3 iVm Abs 2 Satz 2 Nr 1 und Abs 3 Nr 1, § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 Nr 1 LBlindG vom 14.12.2001 idF des Haushaltsbegleitgesetzes 2011/2012 vom 15.12.2010 (SächsGVBl 387) zu gewähren.
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I. Die Pflicht zur Rücknahme des ursprünglichen Bescheids vom 6.1.2017 ergibt sich aus § 44 SGB X, der im sächsischen Blindengeldrecht entsprechend gilt (§ 8 Abs 1 Satz 1 LBlindG). Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden ist und Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind (§ 44 Abs 1 Satz 1 SGB X).
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Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist der Bescheid vom 6.1.2017 rechtswidrig, da die Klägerin ab November 2016 Anspruch auf Nachteilsausgleich und ab März 2017 Anspruch auf Blindengeld hat.
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II. Nach dem LBlindG erhalten Leistungen zum Ausgleich ihrer behinderungsbedingten Mehraufwendungen ua Blinde und hochgradig Sehschwache, die im Freistaat Sachsen ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 1 Abs 1 Alt 1 und 2 LBlindG). Wer seinen Wohnsitz von Sachsen/Deutschland in einem anderen Mitgliedstaat der EU verlegt, ist nach § 1 Abs 1 Alt 3 LBlindG trotzdem anspruchsberechtigt, wenn er nach der VO (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl L vom 30.4.2004, L 166 S 1, L 200 S 1, L 204 vom 4.8.2007, S 30, geändert durch die VO <EG> Nr 988/2009, ABl L 284 vom 30.10.2009, S 43), in der jeweils maßgeblichen Fassung, weiterhin deutschem und hieran anknüpfend sächsischem Recht unterliegt. Der Freistaat Sachsen ist danach zur Erbringung von Nachteilsausgleich und nachfolgend Blindengeld an die in Österreich lebende Klägerin nach Maßgabe seines Landesrechts verpflichtet. Die Klägerin ist zumindest seit dem 17.3.2017 blind, nachdem sie zuvor bereits hochgradig sehschwach (sehbehindert) war (dazu unter 1.). Ihr Wohnsitz in Österreich steht der Leistungsgewährung nicht entgegen. Denn nach der VO (EG) Nr 883/2004 unterliegt sie hinsichtlich der von ihr begehrten Leistungen wegen Blindheit den Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland, weil dort der Träger seinen Sitz hat, der die Kosten für die einem Rentner in dessen Wohnmitgliedstaat gewährten Sachleistungen bei Krankheit zu tragen hat (dazu unter 2.).
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1. Nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) besitzt die Klägerin die für die Gewährung von Leistungen nach § 1 Abs 1 iVm Abs 2 Satz 2 Nr 1 und Abs 3 Nr 1 LBlindG erforderliche Sehbehinderung. Blind ist, wem das Augenlicht vollständig fehlt (§ 1 Abs 2 Satz 1 LBlindG). Als (faktisch) blind gelten darüber hinaus ua Personen, deren Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht bei beidäugiger Prüfung mehr als 1/50 (= 0,02) beträgt (§ 1 Abs 2 Satz 2 Nr 1 LBlindG). Hochgradig sehschwach (ab 1.1.2017 hochgradig sehbehindert) sind ua Personen, deren Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht bei beidäugiger Prüfung mehr als 1/20 (= 0,05) beträgt (§ 1 Abs 3 Nr 1 LBlindG). Hiernach gilt die Klägerin nach den Feststellungen des LSG zum Visus zumindest seit 17.3.2017 als blind iS des § 1 Abs 2 Satz 2 Nr 1 LBlindG. Zuvor bestand bei ihr bereits seit 2013 eine hochgradige Sehschwäche/Sehbehinderung iS des § 1 Abs 3 Nr 1 LBlindG.
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2. Die an die Sehbehinderung geknüpften Leistungen nach dem LBlindG kann die Klägerin auch nach der Verlegung ihres Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat der EU beanspruchen. Zwar sind die Leistungen grundsätzlich an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Sachsen/Deutschland gekoppelt (vgl auch § 8 Abs 1 Satz 1 LBlindG iVm § 30 Abs 1 SGB I). Nach der VO (EG) Nr 883/2004 bleibt indes in den Grenzen ihres hier gegebenen persönlichen und sachlichen Geltungsbereichs bei Leistungen wegen Krankheit einschließlich des deutschen Blindengelds (dazu unter a) deutsches Recht und damit sächsisches Blindengeldrecht auch nach der Verlegung des Wohnsitzes nach Österreich und damit in einen anderen Mitgliedstaat der EU anwendbar (vgl auch § 8 Abs 1 Satz 1 LBlindG iVm § 30 Abs 2 SGB I). Die VO (EG) Nr 883/2004 koordiniert für den Bereich der sozialen Sicherheit innerhalb der EU das Recht der Mitgliedstaaten in der Weise, dass Grenzüberschreitungen als solche nicht zum Verlust von Geldleistungen führen (Art 7; dazu unter b), Personen aber nur dem Recht eines Mitgliedstaats unterstellt werden (Art 11 Abs 1). Für Geldleistungen bei Krankheit (Art 3 Abs 1 Buchst a) gilt danach entweder das Recht des Wohnmitgliedstaats oder ‑ wie hier ‑ das des anderen Mitgliedstaats, in dem der für Sachleistungen bei Krankheit zuständige Träger seinen Sitz hat (dazu unter c).
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a) Die VO (EG) Nr 883/2004 kommt im Streitfall zur Anwendung, da deren persönlicher und sachlicher Geltungsbereich gegeben ist.
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Die Klägerin wird vom persönlichen Geltungsbereich der VO erfasst. Nach Art 2 Abs 1 VO (EG) Nr 883/2004 gilt die VO für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten. Sie erfasst damit ua Personen, die in das System sozialer Sicherheit eines Mitgliedstaats einbezogen und damit "Versicherte" iS der VO sind (vgl Art 1 Buchst c). Zu diesem Personenkreis gehört die Klägerin. Sie ist deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz in Österreich. Sie bezieht eine deutsche Rente und ist in Deutschland krankenversichert (vgl Dern in Schreiber/Wunder/Dern, VO <EG> Nr 883/2004, 2012, Art 2 RdNr 2).
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Auch der sachliche Geltungsbereich der VO ist eröffnet. Sie gilt für alle Rechtsvorschriften, die die dort enumerativ benannten Zweige und Leistungen der sozialen Sicherheit betreffen (Art 3 Abs 1). Eine Leistung der sozialen Sicherheit ist eine Leistung dann, wenn sie aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands gewährt wird, ohne dass eine individuelle und ermessensgeleitete Prüfung des persönlichen Bedarfs erfolgt, und wenn sie sich auf eines der in Art 3 Abs 1 VO (EG) Nr 883/2004 ausdrücklich aufgezählten Risiken bezieht (stRspr; vgl EuGH Urteil vom 25.7.2018 ‑ C‑679/16 ‑ juris RdNr 32 mwN). Für die Einstufung als Leistung der sozialen Sicherheit ist dabei die Art der Finanzierung ohne Belang; insbesondere ist es für die Einordnung nicht erforderlich, dass die Gewährung von einer Beitragszahlung abhängt (stRspr; EuGH Urteil vom 21.6.2017 ‑ C‑449/16 <Martinez Silva> ‑ juris RdNr 21; EuGH Urteil vom 21.2.2006 ‑ C‑286/03 <Hosse> ‑ juris RdNr 38; EuGH Urteil vom 16.7.1992 ‑ C-78/91 <Hughes> ‑ juris RdNr 21).
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Das deutsche Landesblindengeld ist eine Leistung bei Krankheit iS des Art 3 Abs 1 Buchst a VO (EG) Nr 883/2004. Dies entspricht der Spruchpraxis des EuGH. Danach bezweckt das deutsche Landesblindengeld die durch die Behinderung im Alltag bedingten Mehraufwendungen in Form eines pauschalen Betrags abzudecken und zielt somit darauf ab, ‑ in Ergänzung der Krankenversicherungsleistungen ‑ den Gesundheitszustand und die Lebensbedingungen Pflegebedürftiger zu verbessern (EuGH Urteil vom 5.5.2011 ‑ C-206/10 <Kommission/Deutschland> ‑ juris RdNr 27 ‑ 30 mwN). Zwar ist diese Rechtsprechung des EuGH noch ergangen zur Vorgängerregelung des Art 4 Abs 1 Buchst a VO (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14.6.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familie, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern. Sie gilt aber auch für die gleichlautende Nachfolgebestimmung des Art 3 Abs 1 Buchst a VO (EG) Nr 883/2004. Unerheblich für ihre Fortgeltung ist, dass das der vorgenannten Entscheidung des EuGH vom 5.5.2011 zugrunde liegende Vertragsverletzungsverfahren Arbeitnehmer betraf (aaO, juris RdNr 8 f). Ohne Belang ist hierfür auch, dass der persönliche Geltungsbereich der VO (EWG) Nr 1408/71 in Art 2 Abs 1 enger auf Arbeitnehmer, Selbstständige und Studierende zugeschnitten war (vgl zum Ganzen OVG Nordrhein‑Westfalen Beschluss vom 20.12.2019 ‑ 12 B 108/19 ‑ juris RdNr 22 ff; Fuchs in Fuchs, EuSozR, 7. Aufl 2018, VO <EG> Nr 883/2004, Art 3 RdNr 9; Otting in Hauck/Noftz, EU‑SozialR, Werkstand: Juli 2015, K Art 3 ‑ VO 883/04 RdNr 17 f und Art 70 RdNr 6; Schreiber in Schreiber/Wunder/Dern, VO <EG> Nr 883/2004, 2012, Art 70 RdNr 38; Bokeloh in Klein/Schuler, Krankenversicherung und grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen in Europa, 2010, S 57, 65 f).
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Folgerichtig hat die Bundesrepublik Deutschland das Landesblindengeld als Leistung bei Krankheit iS des Art 3 Abs 1 Buchst a VO (EG) Nr 883/2004 nach Art 9 VO (EG) Nr 883/2004 notifiziert (vgl Punkt II.1. ii der Erklärung Deutschlands; abgedruckt auch in Hauck/Noftz, EU‑SozialR, Werkstand: Juli 2015, K Art 9 ‑ VO 883/04 RdNr 8; vgl hierzu Otting in Hauck/Noftz, EU‑SozialR, Werkstand: Juli 2015, K Art 70 ‑ VO 883/04 RdNr 6; Schreiber in Schreiber/Wunder/Dern, VO <EG> Nr 883/2004, 2012, Art 70 RdNr 38).
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b) Das Blindengeld nach dem LBlindG ist als Geldleistung bei Krankheit für die Klägerin nicht allein durch die Verlegung ihres Wohnsitzes nach Österreich ausgeschlossen. Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder der VO (EG) Nr 883/2004 zu zahlen sind, dürfen nicht aufgrund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, dass der Berechtigte in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat (Art 7). Aus der Einordnung als Geldleistung bei Krankheit folgt somit die Aufhebung der sogenannten Wohnortklausel nach nationalem Recht (vgl § 30 Abs 1 SGB I, § 1 Abs 1 Alt 1 LBlindG). Nationale Leistungen dürfen insoweit nicht mehr vom Inlandswohnsitz abhängig gemacht werden, wenn der Berechtigte nicht (mehr) in dem Hoheitsgebiet wohnt, in dem der verpflichtete Träger seinen Sitz hat (Gebot des Leistungsexports). Dies schließt mit Blick auf den weitergehenden persönlichen Geltungsbereich Geldleistungen an Rentner in gleichem Maße ein wie Leistungen an Erwerbstätige. Die EU‑rechtlichen Vorgaben lassen keinen Raum für die - vom Beklagten vertretene ‑ einschränkende Auslegung des zur Anpassung an EU‑Vorgaben eingefügten Verweises in § 1 Abs 1 LBlindG (vgl Begründung der Sächsischen Staatsregierung zum Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2011/2012, Sächsischer Landtag ‑ Drucks 5/3195, S 101; zur zutreffenden Umsetzung der Vorgaben s insoweit § 1 Abs 2 Satz 2 Nr 4 Niedersächsisches Gesetz über das Landesblindengeld für Zivilblinde, wonach mit dieser Ergänzung ausweislich der Gesetzesmaterialien ua auch sichergestellt werden soll, dass eine blinde Osnabrücker Rentnerin nach Portugal umziehen können soll, ohne ihren Anspruch auf Blindengeld zu verlieren <Begründung der Niedersächsischen Landesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Landesblindengeld für Zivilblinde, Niedersächsischer Landtag ‑ Drucks 16/4094, S 5>).
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Eine Einschränkung der Exportierbarkeit des Landesblindengelds ergibt sich nicht aus der Tatsache, dass die Sehschwäche und nachfolgende Erblindung der Klägerin erst nach ihrem Wegzug aus Sachsen eingetreten sind. Art 7 VO (EG) Nr 883/2004 setzt nicht voraus, dass der konkrete Anspruch auf Geldleistung bei einem Wohnsitzwechsel bereits besteht. Die Regelung soll vielmehr verhindern, dass der Erwerb oder die Entstehung eines Anspruchs auf eine Geldleistung nur deshalb ausgeschlossen wird, weil der Berechtigte nicht im Hoheitsgebiet wohnt, in dem der verpflichtete Träger seinen Sitz hat (zur Vorgängerregelung in Art 10 Abs 1 VO <EWG> Nr 1408/71 vgl EuGH Urteil vom 21.7.2011 ‑ C‑503/09 <Stewart> - juris RdNr 18, 21, 69; OVG Nordrhein‑Westfalen Beschluss vom 20.12.2019 ‑ 12 B 108/19 ‑ juris RdNr 45 ff; Hauschild in Schlegel/Voelzke, jurisPK‑SGB I, Art 7 VO <EG> 883/2004 RdNr 18, Stand der Einzelkommentierung: 15.3.2018; Otting in Hauck/Noftz, EU-SozialR, Werkstand: Juli 2015, K Art 7 ‑ VO 883/04 RdNr 8).
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Als Geldleistung bei Krankheit ist das Landesblindengeld auch keine besondere beitragsunabhängige Geldleistung iS des Art 70 VO (EG) Nr 883/2004, die vom Leistungsexport ausgenommen ist und lediglich in dem Mitgliedstaat gewährt wird, in dem die betreffenden Personen wohnen (Art 70 Abs 3 und Abs 4 Satz 1). Denn eine Leistung, die die Voraussetzungen einer “Leistung der sozialen Sicherheit“ iS von Art 3 Abs 1 VO (EG) Nr 883/2004 erfüllt, kann nicht als “beitragsunabhängige Sonderleistung“ angesehen werden (vgl Art 3 Abs 3 iVm Art 70). Beide Leistungsformen schließen sich gegenseitig aus (zu den Vorgängerregelungen in Art 4 Abs 1 und Art 4 Abs 2a und 2b VO <EWG> Nr 1408/71 vgl EuGH Urteil vom 21.2.2006 ‑ C‑286/03 <Hosse> ‑ juris RdNr 36; Fuchs in Fuchs, EuSozR, 7. Aufl 2018, VO <EG> Nr 883/2004, Art 70 RdNr 7). Folgerichtig ist das Landesblindengeld auch nicht entsprechend den Vorgaben für Sonderleistungen iS des Art 70 VO (EG) Nr 883/2004 (vgl Art 70 Abs 2 Buchst c) in den zugehörigen Anhang X aufgenommen worden (Otting in Hauck/Noftz, EU‑SozialR, Werkstand: Juli 2015, K Art 70 ‑ VO 883/04 RdNr 6; Schreiber in Schreiber/Wunder/Dern, VO <EG> Nr 883/2004, 2012, Art 70 RdNr 38).
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c) Die VO (EG) Nr 883/2004 unterstellt die Klägerin wegen (Blinden‑)Geldleistungen bei Krankheit deutschem Recht. Die Klägerin unterliegt trotz ihres Wohnsitzes in Österreich als Rentnerin wegen ihrer deutschen Rente und einer deutschen Krankenversicherung ausschließlich deutschem Recht und insoweit weiterhin dem LBlindG.
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Rentner unterfallen zwar grundsätzlich unter die kollisionsrechtliche Auffangnorm des Art 11 Abs 3 Buchst e VO (EG) Nr 883/2004, der für Nichterwerbstätige die Anwendung der Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats vorsieht. Art 11 Abs 3 Buchst e VO (EG) Nr 883/2004 ist indes Teil der Regelungen zur Bestimmung des anwendbaren Rechts (Titel II, Art 11 bis 16) und gilt nur "vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16“ sowie zudem nur "unbeschadet anders lautender Bestimmungen dieser Verordnung“, die eine andere Anknüpfung vorsehen (vgl Steinmeyer in Fuchs, EuSozR, 7. Aufl 2018, VO <EG> Nr 883/2004, Art 11 RdNr 33). Sonderreglungen zur Bestimmung des anwendbaren Rechts regelt die VO deshalb nicht nur tätigkeits- bzw statusbezogen in Titel II, sondern auch bereichsspezifisch leistungsbezogen in Titel III (Art 17 ff; vgl Leopold in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Meßling/Udsching, BeckOK Sozialrecht, Art 11 VO <EG> Nr 883/2004 RdNr 12, Stand der Einzelkommentierung 1.6.2021). Eine solche Sonderregelung, die eine abweichende kollisionsrechtliche Zuordnung zum nationalen Recht bewirkt, enthält Art 29 VO (EG) Nr 883/2004 (zur Vorgängerregelung des Art 28 VO <EWG> Nr 1408/71 vgl EuGH Urteil vom 14.10.2010 ‑ C‑345/09 <van Delft ua> ‑ juris RdNr 56; vgl auch OVG Nordrhein‑Westfalen Beschluss vom 20.12.2019 ‑ 12 B 108/19 ‑ juris RdNr 61; Janda in Fuchs, EuSozR, 7. Aufl 2018, VO <EG> Nr 883/2004, Vorbemerkungen zu Art 23 ff RdNr 2 ff; Schweikardt in Schlegel/Voelzke, jurisPK‑SGB I, Art 11 VO <EG> Nr 883/2004 RdNr 30, Stand der Einzelkommentierung: 15.3.2018; aA SG München Urteil vom 5.8.2013 ‑ S 4 BL 27/12 ‑ juris RdNr 32 ff). Sein Standort in Titel III ("Besondere Bestimmungen über die verschiedenen Arten von Leistungen") Kapitel I ("Leistungen bei Krankheit …") Abschnitt 2 ("Rentner …") trägt der Erwägung des VO‑Gebers Rechnung, dass die besondere Lage von Rentenberechtigten Bestimmungen auf dem Gebiet der Krankenversicherung erfordern, die dieser Situation gerecht werden (vgl Erwägung Nr 22 der VO <EG> Nr 883/2004).
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Nach Art 29 Abs 1 Satz 1 VO (EG) Nr 883/2004 werden Geldleistungen (bei Krankheit) einer Person, die eine Rente oder Renten nach den Rechtsvorschriften eines oder mehreren Mitgliedstaaten erhält, vom zuständigen Träger des Mitgliedstaats gewährt, in dem der zuständige Träger seinen Sitz hat, der die Kosten für die dem Rentner in dessen Wohnmitgliedstaat gewährten Sachleistungen zu tragen hat. Die Regelung knüpft an den Sitz des zuständigen Kostenträgers für Sachleistungen an, der sich für Rentner und ihre Familienangehörigen nach den Art 23 bis 25 VO (EG) Nr 883/2004 bestimmt (Wolf in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK Sozialrecht, Art 29 VO <EG> Nr 883/2004 RdNr 2, Stand der Einzelkommentierung: 1.6.2021; Janda in Fuchs, EuSozR, 7. Aufl 2018, VO <EG> Nr 883/2004, Art 29 RdNr 1). Dabei konkretisiert die Regelung das Prinzip des Leistungsexports (Art 7) dahingehend, dass grundsätzlich der zuständige (Sachleistungs‑)Träger selbst die Geldleistung nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften in den anderen Mitgliedstaat zu exportieren und direkt an den Versicherten auszuzahlen hat (vgl Art 29 Abs 1 Satz 2 iVm Art 21 Abs 1 Satz 1 VO <EG> Nr 883/2004). Zuständig für Rentner, die keinen Sachleistungsanspruch im Wohnmitgliedstaat haben (vgl Art 24 Abs 1) und Rente nach den Vorschriften nur eines einzigen Mitgliedstaates beziehen (Einfachrentner), ist nach Art 24 Abs 2 Buchst a VO (EG) Nr 883/2004 der zuständige Sachleistungskostenträger dieses Mitgliedstaats (vgl Klein in Hauck/Noftz, EU‑SozialR, Werkstand: Juli 2015, K Art 24 ‑ VO 883/04 RdNr 17). Hieran knüpft Art 29 Abs 1 Satz 1 und 2 iVm Art 21 Abs 1 Satz 1 VO (EG) Nr 883/2004 wiederum die Zuständigkeit des Trägers der Geldleistungen nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften. Die umständliche Formulierung ist der Tatsache geschuldet, dass in verschiedenen Mitgliedstaaten die Träger von Geldleistungen und Sachleistungen im Krankheitsfall auseinanderfallen, während es sich in Deutschland jedenfalls für Versicherungsleistungen bei Krankheit regelmäßig um einen einheitlichen Träger handelt (OVG Nordrhein‑Westfalen Beschluss vom 20.12.2019 ‑ 12 B 108/19 ‑ juris RdNr 63 mwN).
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Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des nationalen Rechts ist danach im Streitfall der Sitz der für Sachleistungen im Krankheitsfall zuständigen AOK in Deutschland. Deren Sitz in Deutschland entscheidet darüber, dass für Geldleistungen wegen Blindheit deutsches Recht Anwendung findet.
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3. Als Anspruch aus einem beitragsfreien System wird das Landesblindengeld gegenüber demjenigen Anspruchsgegner eingeräumt, zu dem die Klägerin als Berechtigte die größte Nähe aufweist. Im Hinblick auf die föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland bildet der letzte inländische Wohnsitz der Klägerin den örtlichen Anknüpfungspunkt an das sächsische Landesrecht (vgl OVG Nordrhein‑Westfalen Beschluss vom 20.12.2019 ‑ 12 B 108/19 ‑ juris RdNr 68; Otting in Hauck/Noftz, EU‑SozialR, Werkstand: Juli 2015, K Art 3 ‑ VO 883/04 RdNr 18, jeweils mwN).
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4. Der Anspruch auf Nachteilsausgleich für hochgradig Sehschwache ist mit dem ersten Tag des Antragsmonats (hier: November 2016) und der Anspruch auf Blindengeld mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Klägerin als blind gilt (hier: März 2017), entstanden (§ 6 Abs 1 Satz 3 LBlindG).
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E. Für ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH nach Art 267 AEUV besteht kein Anlass.
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Die EU‑rechtliche Einordnung der Leistungen wegen Blindheit und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Bestimmung des anwendbaren nationalen Rechts sind durch die Rechtsprechung des EuGH in einer Weise geklärt, dass hier für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum mehr verbleibt (vgl BSG Urteil vom 29.6.2016 ‑ B 12 R 8/14 R ‑ BSGE 121, 275 = SozR 4‑2400 § 28e Nr 5, RdNr 25; BSG Urteil vom 16.12.2015 ‑ B 12 R 11/14 R ‑ BSGE 120, 209 = SozR 4‑2400 § 28p Nr 6, RdNr 43).
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F. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.