L 11 KR 3204/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 3726/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3204/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 12.09.2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Krankengeld für die Zeit vom 05.12.2017 bis zum 30.09.2018.

Der 1970 geborene Kläger war bei der Beklagten als Beschäftigter (Beruf: Dreher) nach § 5 Abs 1 Nr 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bis zum 30.11.2017 versichert. Das Arbeitsverhältnis endete zum 30.11.2017. In der Zeit vom 05.12.2017 bis 30.09.2018 wurde der Kläger bei der Beklagten freiwillig versichert. Vom 01.10.2018 bis 30.11.2018 war er über den Bezug von Arbeitslosengeld versichert.

Ab 04.09.2017 war der Kläger wegen einer akuten Belastungsreaktion (F 43.0), einer mittelgradigen depressiven Episode (F 32.1), psychischen und Verhaltensstörungen durch Tabak, schädlicher Gebrauch (F 17.1), psychischen und Verhaltensstörungen durch Alkohol, schädlicher Gebrauch (F 10.1) sowie Ein- und Durchschlafstörungen (G 47.0) arbeitsunfähig krank. Der Kläger erhielt durch seinen Arbeitgeber bis 15.10.2017 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

In der Folgezeit war der Kläger arbeitsunfähig geschrieben bzw befand sich in der Zeit vom 18.10.2017 bis 27.10.2017 in stationärer Behandlung. Am 28.11.2017 attestierte die S dem Kläger in einer Folgebescheinigung Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 04.12.2017 (Montag) und nannte als arbeitsunfähigkeitsbegründende Diagnosen Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis, nicht näher bezeichneter Lokalisation (I 80.G), schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (F 32.2) und alkoholische Hepatitis (K 70.1). Am 06.12.2017 (Mittwoch) bescheinigte der M dem Kläger bis zum 12.12.2017 Arbeitsunfähigkeit wegen einer mittelgradigen depressiven Episode (F 32.1) und alkoholischer Hepatitis (K 70.1) (Eingang bei der Beklagten am 08.12.2017). Die S bzw M stellten unter dem 12.12.2017 (für die Zeit vom 12.12.2017 bis 28.12.2017), 29.12.2017 (für die Zeit vom 29.12.2017 bis 12.01.2018), 12.01.2018 (für die Zeit vom 12.01.2018 bis 26.01.2018), 26.01.2018 (für die Zeit vom 26.01.2018 bis 13.02.2018), 13.02.2018 (für die Zeit vom 13.02.2018 bis 27.02.2018), 27.02.2018 (für die Zeit vom 27.02.2018 bis 13.03.2018), 13.03.2018 (für die Zeit vom 13.03.2018 bis 27.03.2018), 26.03.2018 (für die Zeit vom 26.03.2018 bis 10.04.2018), 09.04.2018 (für die Zeit vom 09.04.2018 bis 23.04.2018), 23.04.2018 (für die Zeit vom 23.04.2018 bis 08.05.2018), 08.05.2018 (für die Zeit vom 08.05.2018 bis 22.05.2018), 22.05.2018 (für die Zeit vom 22.05.2018 bis 06.06.2018), 05.06.2018 (für die Zeit vom 06.06.2018 bis 19.06.2018), 19.06.2018 (für die Zeit vom 19.06.2018 bis 03.07.2018), 03.07.2018 (für die Zeit vom 03.07.2018 bis 17.07.2018), 17.07.2018 (für die Zeit vom 17.07.2018 bis 31.07.2018), 31.07.2018 (für die Zeit vom 31.07.2018 bis 31.08.2018), 30.08.2018 (für die Zeit vom 30.08.2018 bis 17.09.2019) und 17.09.2019 (für die Zeit vom 17.09.2018 bis 30.09.2018) Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigungen aus.

Mit Bescheid vom 28.12.2017 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 16.10.2017 bis zum 27.10.2017 sowie vom 02.11.2017 bis zum 04.12.2017 Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 58,17 € brutto (50,90 € netto). Der Beklagten liege ein Nachweis der Arbeitsunfähigkeit bis zum 04.12.2017 vor. Bis spätestens zum 05.12.2017 habe der Kläger die Möglichkeit gehabt, seine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen. Die aktuelle Folgebescheinigung sei erst am 06.12.2017 ausgestellt worden. Der fehlende Krankengeldanspruch habe Auswirkungen auf die Mitgliedschaft des Klägers. Diese ende mit Ende der Krankengeldzahlung am 04.12.2017.

Dagegen legte der Kläger am 29.01.2018 Widerspruch ein. Die Ablehnung der Krankengeldzahlung ab 05.12.2017 sei unzulässig. Hinsichtlich der bis zum 04.12.2017 festgestellten Arbeitsunfähigkeit und der darauffolgenden Folgebescheinigung vom 06.12.2017 sei anzumerken, dass er - der Kläger - bei seiner ursprünglichen S für den 05.12.2017 keinen Untersuchungstermin erhalten habe, da die Ärztin urlaubsabwesend gewesen sei. Deshalb sei er gezwungen gewesen, den Vertretungsarzt M aufzusuchen. Er habe darauf bestanden, noch am gleichen Tag einen Untersuchungstermin zu erhalten, was aber mit Überlastung des Vertretungsarztes abgelehnt worden sei. Ihm sei der früheste Untersuchungstermin erst für den 06.12.2017 angeboten worden. An diesem Tag sei dann die weitergehende Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden. Er - der Kläger - sei ohne Verschulden daran gehindert gewesen, die Arbeitsunfähigkeit bereits am 05.12.2017 feststellen zu lassen. Er habe sogleich einen Arzttermin rechtzeitig vereinbart, der jedoch am 05.12.2017 nicht zustande gekommen sei und zwar aus Gründen, die er nicht zu vertreten habe. Die Urlaubsabwesenheit der bisher behandelnden Ärztin liege nicht in seiner Risikosphäre.

Auf Anfrage der Beklagten (Schreiben vom 12.03.2018) teilte M unter dem 15.03.2018 mit, dass sich der Kläger am 06.12.2017 bei ihm in Vertretung der an diesem Tag nicht anwesenden S vorgestellt habe. Warum sich der Kläger nicht schon am 05.12.2017 bei seiner Hausärztin vorgestellt habe, entziehe sich seiner Kenntnis. Laut eigenen Angaben habe sich der Kläger am 05.12.2017 im C G (Psychiatrie) vorgestellt. Aus gesundheitlichen Gründen sei am 06.12.2017 eine weitere Krankmeldung bis zum 12.12.2017 erforderlich gewesen. Er habe eine Folgekrankmeldung ausgestellt, welche sich natürlich nahtlos an die zuvor ausgestellten Krankmeldungen anschließe. Warum hier plötzlich ein Problem wegen des 05.12.2017 entstehen solle, sei für ihn nicht nachvollziehbar.

Der Bevollmächtigte des Klägers nahm mit Schriftsatz vom 11.04.2018 zu den Angaben des M dahingehend Stellung, dass der Kläger bereits vor dem 05.12.2017 den Untersuchungstermin in der Gemeinschaftspraxis bei Frau S für den 05.12.2017, 16.00 Uhr, vereinbart gehabt habe. Als der Kläger am 05.12.2017 zu dem vereinbarten Termin in der Arztpraxis erschienen sei, sei ihm mitgeteilt worden, dass Frau S an diesem Tag wegen Urlaubs keine Patienten behandle. Bei dem Vertretungsarzt M sei an diesem Tag kein Untersuchungstermin mehr frei gewesen. Ihm sei der früheste neue Termin für den 06.12.2017 vergeben worden.

Ausweislich eines Aktenvermerks der Beklagten über ein Telefongespräch mit der S vom 17.04.2018 habe diese bestätigt, dass sie am 05.12.2017 nicht in der Praxis gewesen sei. Vermutlich sei es kurzfristig dazu gekommen, da sie ansonsten dem Kläger bereits im Vorfeld über den 04.12.2017 hinaus eine weitere Arbeitsunfähigkeit attestiert hätte. M sei mit ihr in einer Praxisgemeinschaft tätig. Die S habe nicht nachvollziehen können, dass der Kläger am 05.12.2017 tatsächlich mit dem Hinweis auf Überlastung der Praxis weggeschickt worden sei, insbesondere im Hinblick darauf, dass eine Verlängerung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erforderlich gewesen sei. Diese Vorgehensweise sei in der Praxis nicht üblich.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2018 als unbegründet zurück. Der Kläger sei ab 05.12.2017 nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Er habe Arbeitsunfähigkeit erst am 06.12.2017 feststellen lassen. Eine Vorstellung bei seiner Ärztin bzw dem Vertretungsarzt M sei nicht am 05.12.2017, sondern erst am 06.12.2017 erfolgt.

Dagegen hat der Kläger am 18.07.2018 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und die Gewährung von Krankengeld ab dem 05.12.2017 begehrt unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens. Er habe am 05.12.2017 lediglich bei Arzthelferinnen bzw Sprechstundenhilfen der Gemeinschaftspraxis vorsprechen können. Er sei am 05.12.2017 zu einem Untersuchungstermin in der ärztlichen Gemeinschaftspraxis vorstellig geworden. Wegen der Abwesenheit der S habe ihm ein Untersuchungstermin am gleichen Tag nicht mehr angeboten werden können. Der Untersuchungstermin für den 05.12.2017 sei ursprünglich auf 16.00 Uhr vereinbart worden. Daher habe er an diesem Tag keinen anderen Vertragsarzt mehr aufsuchen können. Er habe alles in seiner Macht stehende und Zumutbare getan, indem er sich rechtzeitig um einen Untersuchungstermin bemüht habe, um eine erneute Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Auf Anfrage des SG hat die S unter dem 21.05.2019 mitgeteilt, dass der Kläger am 05.12.2017 nachmittags zum Erhalt der Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung in ihrer Praxis gewesen sei, wo dieser erfahren habe, dass sie die ganze Woche auf Fortbildung sei. Nicht wissend, dass eine Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung hätte nahtlos ausgestellt werden müssen, habe er einen Termin am Folgetag beim Vertretungsarzt M erhalten, da der Kläger nicht akut erkrankt gewesen sei. Am 05.12.2017 habe keine ärztliche Untersuchung bzw kein Arztkontakt stattgefunden.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12.09.2019 abgewiesen. Der Bescheid vom 28.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.06.2018 sei rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten. Er habe keinen Anspruch auf Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 05.12.2017 bis 30.09.2018. Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig mache. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krankengeld beanspruchen könnten, bestimme sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestandes für das Krankengeld vorliege. Für das maßgebliche Versicherungsverhältnis und damit das Bestehen des Krankengeldanspruchs sei dabei weder auf den Beginn der Krankheit noch auf den wirklichen Beginn der Arbeitsunfähigkeit, sondern grundsätzlich auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit abzustellen. Wenn der Versicherte keine weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beibringe, ende der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeit. Das Entstehen des Krankengeldanspruches setze also neben Arbeitsunfähigkeit nach § 44 Abs 1 SGB V (außer bei Behandlungen im Krankenhaus oder in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen) zusätzlich voraus, dass die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt werde. Diese formale Voraussetzung gelte nicht nur für die erstmalige Inanspruchnahme, sondern auch für alle Ansprüche auf Weitergewährung des nicht als Dauerleistung, sondern als zeitabschnittsweise Leistung vorgesehenen Krankengeldes. Die Voraussetzungen eines Krankengeldanspruchs müssten bei zeitlich befristeter ärztlicher Feststellung und dementsprechender Krankengeldgewährung für jeden Bewilligungsabschnitt jeweils erneut vorliegen. Nach der seit 23.06.2015 gültigen Fassung des § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V entstehe der Anspruch auf Krankengeld von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an. Nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V ruhe der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet werde. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit stelle dabei eine grundlegende materielle Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld und nicht lediglich ein beliebig nachholbares Verfahrenserfordernis dar. Es entspreche der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), dass es dem Versicherten obliege, zur Vermeidung einer Unterbrechung von Krankengeldansprüchen für eine Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung rechtzeitig Sorge zu tragen. Diese Obliegenheit zur Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs, die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf jedes Krankengeldbewilligungsabschnittes erneut ärztlich feststellen zu lassen, entfalle nicht deshalb, weil der behandelnde Arzt den Versicherten unzutreffend oder gar nicht rechtlich beraten habe (Hinweis auf BSG 04.03.2014, B 1 KR 17/13 R). Nach diesen Maßstäben habe der Kläger keinen Anspruch auf weitere Zahlung von Krankengeld ab 05.12.2017 bis 30.09.2018. Der Kläger sei als Arbeitnehmer pflichtversichert gewesen, als er am 04.09.2017 arbeitsunfähig erkrankt sei. Seine Mitgliedschaft sei gemäß § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V bis zum 04.12.2017 aufgrund der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, zuletzt vom 28.11.2017, weiterhin als Bezieher von Krankengeld bei der Beklagten bestehen geblieben. Die weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 06.12.2017 bis zum 12.12.2017 sei erst am 06.12.2017 von M ausgestellt und sodann vorgelegt worden. Zur Überzeugung der Kammer könne nicht objektiviert werden, ob der Kläger die Arztpraxis überhaupt am 05.12.2017 aufgesucht habe. Die S habe in ihrer Auskunft vom 21.05.2019 lediglich die Angaben des Klägers wiederholt. Auch enthalte die vorgelegte Karteikarte keinen Eintrag zum 05.12.2017. Dass der Kläger für diesen Tag einen Untersuchungstermin vereinbart gehabt habe, habe sich im Klageverfahren ebenfalls nicht bestätigt. Die S habe angegeben, dass sie die ganze Woche auf einer Fortbildung gewesen sei, am 05.12.2017 keine ärztliche Untersuchung und kein Arztkontakt stattgefunden habe. M habe den Kläger erst am 06.12.2017 untersucht. Dieser habe angegeben, dass er nicht wisse, warum sich der Kläger nicht schon am 05.12.2017 vorgestellt habe. Am 06.12.2017 sei der Kläger indessen nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld, sondern freiwillig ohne Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Auch die Übergangsregelung des § 19 Abs 2 SGB V greife nicht ein, da sich an die Frist von einem Monat kein anderweitiger Versicherungsschutz angeschlossen habe. Ein Ausnahmefall, in dem ausnahmsweise die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit rückwirkend nachgeholt werden könne, liege nicht vor. Ausnahmsweise stehe die fehlende ärztliche Feststellung einem Anspruch auf Zahlung von Krankengeld nicht entgegen, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan habe, um seine Ansprüche zu wahren, daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert und zusätzlich seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend gemacht habe (Hinweis auf BSG 11.05.2017, B 3 KR 22/15 R). Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt. Sofern der Kläger seinen eigenen Angaben zufolge am 05.12.2017 von Arzthelferinnen der Praxis wieder weggeschickt worden sein sollte, wäre dieses Verhalten der Beklagten nicht zurechenbar. Es seien auch keine Anzeichen ersichtlich, dass der Kläger handlungs- oder geschäftsunfähig gewesen sei. Auch ein gegebenenfalls vorhandenes Unwissen hinsichtlich der Obliegenheit zur lückenlosen Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schütze den Kläger nicht.

Gegen den seinen Bevollmächtigten am 19.09.2019 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner am 18.10.2019 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung, mit der er sein Begehren weiterverfolgt (L 11 KR 3531/19). Das SG und die Beklagte hätten verkannt, dass das BSG die bisher in seiner Rechtsprechung anerkannten engen Ausnahmefälle erweitert habe, in denen die ärztliche Feststellung oder die Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert worden sei, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse und nicht dem Versicherten zuzurechnen seien. Es gehe dabei um die Fälle, in denen ein Arzt der Bitte um Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht nachkomme, da er meine, eine Krankmeldung sei auch später noch folgenlos möglich. Der Versicherte müsse nicht so lange zu weiteren Ärzten gehen, bis ihm schlussendlich ein anderer Arzt die Arbeitsunfähigkeit bescheinige. Das BSG habe mit Urteil vom 11.05.2017 (B 3 KR 22/15 R) festgestellt, dass in Fällen, in denen ein Versicherter, der entsprechend den gesetzlichen Vorgaben innerhalb des zeitlichen Rahmens einer zuvor attestierten Arbeitsunfähigkeit einen Vertragsarzt zu dem Zweck aufgesucht habe, um für die Weitergewährung von Krankengeld eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigung zu erlangen und ein Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden habe, die begehrte Erteilung einer solchen Bescheinigung aber gleichwohl unterbleibe, es nicht entscheidend darauf ankommen könne, aus welchen Gründen der Vertragsarzt dem Versicherten die erbetene Bescheinigung zu Unrecht nicht erteile. Vergleichbar sei damit der hier vorliegende Rechtsstreit insoweit, als der Kläger sich rechtzeitig um eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bemüht habe und seinen Arzt aufgesucht habe. Fälschlicherweise sei jedoch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 05.12.2017 unterblieben. Zuzugestehen sei der Beklagten, dass ein Arzt-Patienten-Kontakt tatsächlich am 05.12.2017 „wohl nur am Rande“ stattgefunden habe. Gleichwohl sei er - der Kläger - rechtzeitig in der Arztpraxis erschienen und er habe aufgrund der Fehleinschätzung der Arzthelferin fälschlicherweise eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht erhalten. Er habe die Praxis seiner Hausärztin am 05.12.2017 aufgesucht, um eine Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten. Dabei habe er die Auskunft erhalten, dass die S in der Woche vom 05.12.2017 bis 09.12.2017 urlaubsabwesend sei. Er habe darauf gedrängt, noch am gleichen Tag durch den Vertretungsarzt untersucht zu werden. Seitens der Arzthelferin sei ihm erklärt worden, dass M an diesem Tag aufgrund der übervollen Arztpraxis keine weiteren Patienten mehr untersuchen könne, es aber genüge, wenn ihm - dem Kläger - am nächsten Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt werde. Die Äußerung der Arzthelferin sei dem Vertragsarzt zuzurechnen. Das Verhalten des Vertragsarztes sei wiederum der Krankenkasse zuzurechnen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 12.09.2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.06.2018 zu verurteilen, ihm Krankengeld für die Zeit vom 05.12.2017 bis zum 30.09.2018 zu gewähren, und festzustellen, dass die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten in diesem Zeitraum fortbestanden hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist zur Begründung auf ihre getroffene Entscheidung.

Der Senat hat mit Beschluss vom 07.02.2020 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Der Kläger hat am 09.10.2020 das Verfahren wieder angerufen, das unter dem Aktenzeichen L 11 KR 3204/20 fortgeführt worden ist. Der Kläger hat ergänzend ausgeführt, dass die Entscheidungen des BSG zu den Aktenzeichen B 3 KR 9/19 R und B 3 KR 10/19 R für den vorliegenden Rechtsstreit zu berücksichtigen seien. Das BSG habe entschieden, dass eine Lücke in den ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht nur bei medizinischen Fehlbeurteilungen, sondern auch bei nichtmedizinischen Fehlern eines Arztes im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeitsfeststellung unschädlich sei, wenn sie der betroffenen Krankenkasse zuzurechnen sei. Danach stehe dem Krankengeldanspruch eine erst verspätet erfolgte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsfeststellung nicht entgegen, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan habe, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufsuche, um die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen und dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw -erhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krankengeldanspruch erfolgt sei, er aber an der Wahrung der Krankengeldansprüche durch eine auch nicht medizinische Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert worden sei, beispielsweise eine irrtümlich nicht erstellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Dies sei typischerweise zu bejahen bei einer auf Wunsch des Arztes bzw seines Praxispersonals erfolgten Verschiebung des rechtzeitigen Termins in der Vorstellung, ein späterer Termin sei für den Versicherten unschädlich, da auch eine begrenzte rückwirkende ärztliche Arbeitsunfähigkeitsfeststellung statthaft sei. Somit sei der unterbliebene rechtzeitige Arzt-Patienten-Kontakt mit einem tatsächlich erfolgten Kontakt des Arztes gleichzustellen. Ein sogenanntes Arzt-Hopping anstatt des nachvollziehbaren Wunsches, von dem mit der Arbeitsunfähigkeit schon vertrauten Arzt weiter betreut zu werden, könne grundsätzlich nicht verlangt werden. Gemessen hieran habe der Kläger Anspruch auf Krankengeld, denn dieser habe einen Termin bei seinem ihn behandelnden Vertragsarzt für den 05.12.2017 vereinbart und sei dort rechtzeitig vorstellig geworden. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei deshalb nicht rechtzeitig erfolgt, weil er - der Kläger - aus organisatorischen Gründen auf einen späteren Termin verwiesen worden sei. Praxisinterne Gründe seien ihm nicht zuzurechnen. Er habe darauf vertrauen dürfen, dass ihm die von dem sein Praxispersonal anleitenden Vertragsarzt veranlasste Terminverschiebung gegenüber der Beklagten in Bezug auf seine Krankengeldansprüche nicht schade.

Der Senat hat die S schriftlich als Zeugin einvernommen. Sie hat mit Schreiben vom 21.05.2021 mitgeteilt, dass der Kläger für den 05.12.2017 keinen Termin vereinbart habe. Nach seinen Angaben sei er in der Praxis am 05.12.2017 nachmittags vorstellig geworden, da er am Vormittag einen Termin bei seiner Psychotherapeutin in der Einrichtung C G gehabt habe. Leider sei nicht mehr zu eruieren, wer an diesem Nachmittag am Empfang der Praxis gesessen habe, da eine rotierende Arbeitsplatzaufteilung bestehe. In der Woche vom 05.12.2017 sei sie auf einer seit Monaten geplanten Fortbildung gewesen. Am Nachmittag des 05.12.2017 habe der Kläger einen Termin für den Folgetag am 06.12.2017 um 10.30 Uhr bei M erhalten. Die Praxismitarbeiterinnen könnten sich an den Vorgang nicht mehr erinnern.

Mit Verfügung vom 01.06.2021 hat der Berichterstatter darauf hingewiesen, dass die behandelnde S nicht bestätigt habe, dass vorab ein Termin bei ihr für den 05.12.2017 vereinbart worden sei. Nachdem der Kläger nach seinen Angaben am 05.12.2017 erst gegen 16.00 Uhr in der Praxis vorgesprochen habe, dürfte auch unter Zugrundelegung der neuen Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf BSGE 130, 85) nicht davon auszugehen sein, dass der Kläger alles in seiner Macht Stehende und Zumutbare getan habe, um seine Ansprüche zu wahren (Hinweis auf Bayerisches LSG 25.11.2020, L 4 KR 14/20). Der Kläger hat dahingehend Stellung genommen, dass entscheidungserheblich sei, dass er am 05.12.2017 die Arztpraxis aufgesucht habe, um sich seine Arbeitsunfähigkeit bescheinigen zu lassen. Im Hinblick auf die seit längerem geplante Fortbildung der S habe die Arztpraxis gewährleisten müssen, dass auch unvorhergesehene plötzliche Patientenbesuche durch den anwesenden Kollegen übernommen werden könnten. Der Kläger hätte nicht aus der Praxis verwiesen werden dürfen, ohne dass der Vertretungsarzt M den Kläger angehört und anschließend eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt hätte. Zu seinen Lasten sei nicht zu berücksichtigen, dass er die Praxis erst nachmittags aufgesucht habe, da er vormittags bereits einen anderen Termin bei der Psychotherapeutin in G wahrgenommen habe. Im Übrigen wäre er auch bei einem früheren Erscheinen auf den Folgetag vertröstet worden. Dabei sei nicht zwingende Voraussetzung, dass der Kläger einen Arzttermin vorher vereinbart habe, denn dem Versicherten sei es oftmals nicht möglich, bereits am Tag vorher bzw vor dem Wochenende schon festzustellen, dass er montags noch erkrankt sei und deshalb vorsorglich einen Termin beim Arzt vereinbaren müsse.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>), hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und statthaft.

Den Gegenstand des Berufungsverfahrens bildet der Bescheid vom 28.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.06.2018 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte ua die Zahlung von Krankengeld für die Zeit ab 05.12.2017 abgelehnt hat. Dagegen wendet sich der Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs 1 und 4, 56 SGG) und begehrt die Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 05.12.2017 bis zum 30.09.2018. Dagegen hat er die Ablehnung von Krankengeld für die Zeit vom 28.10.2017 bis zum 01.11.2017, die die Beklagte auch in dem Bescheid vom 28.12.2017 verfügt hatte, zu keiner Zeit angefochten.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 28.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.06.2018 stellt sich als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das SG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 05.12.2017 bis zum 30.09.2018 hat, da seine Mitgliedschaft als versicherungspflichtiger Beschäftigter nicht gemäß § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V über den 04.12.2017 hinaus fortbestand und er am 06.12.2017 nicht mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert war.   

Nach § 44 Abs 1 SGB V haben Versicherte ua Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht nach § 46 Satz 1 SGB V (in der vom 23.07.2015 bis 10.05.2019 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 16.07.2015 [BGBl I S 1211], im Folgenden aF) im Falle der Krankenhausbehandlung oder der Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an (Nr 1), im Übrigen von dem Tage der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an (Nr 2). Der Anspruch auf Krankengeld bleibt nach § 46 Satz 2 SGB V (in der ab 23.07.2015 bis 10.05.2019 gültigen Fassung vom 16.07.2015, BGBl I S 1211, im Folgenden aF) jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage.

Wird das Krankengeld jeweils aufgrund der von einem Vertragsarzt ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entsprechend der dort angegebenen voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit gezahlt, liegt hierin eine zeitlich befristete Bewilligung (vgl BSG 04.03.2014, B 1 KR 17/13 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 6; BSG 22.03.2005, B 1 KR 22/04 R, BSGE 94, 247-258). Sofern ein Versicherter - wie hier - nur einen Anspruch auf Krankengeld hat, wenn über § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V das bisherige Versicherungsverhältnis fortdauert, während ansonsten nur noch eine freiwillige Anschlussversicherung (vgl § 188 Abs 2 SGB V) ohne Krankengeldanspruch besteht, ist es wegen § 46 Satz 2 SGB V aF grundsätzlich erforderlich, dass die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit spätestens am Tag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt, hier somit am 05.12.2017. Dies ist hier unterblieben, da die Folgebescheinigung erst am 06.12.2017 ausgestellt wurde.

Die Rechtsprechung des BSG hat jedoch in engen Grenzen bestimmte Ausnahmen von der Vorgabe einer lückenlosen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung anerkannt (s hierzu und zum Folgenden BSG 11.05.2017, B 3 KR 22/15 R, BSGE 123, 134-144, SozR 4-2500 § 46 Nr 8, Rn 22). So sind dem Versicherten gleichwohl Krankengeldansprüche zuerkannt worden, wenn die ärztliche Feststellung (oder die rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V) durch Umstände verhindert oder verzögert worden ist, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen und nicht dem Verantwortungsbereich des Versicherten zuzurechnen sind (zusammenfassend BSG 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R, BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1, Rn 18 ff). Derartiges hat das BSG bejaht bei Fristversäumnissen wegen Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit des Versicherten (BSG 22.06.1966, 3 RK 14/64, BSGE 25, 76, 77 f = SozR Nr 18 zu § 182 RVO; BSG 10.05.2012, B 1 KR 19/11 R, BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, Rn 23), im Falle des verspäteten Zugangs der Meldung bei der Krankenkasse aufgrund von Organisationsmängeln, die diese selbst zu vertreten hat (BSG 28.10.1981, 3 RK 59/80, BSGE 52, 254, 258 ff), für Fälle einer irrtümlichen Verneinung der Arbeitsunfähigkeit des Versicherten aufgrund ärztlicher Fehlbeurteilung (BSG 17.08.1982, 3 RK 28/81, BSGE 54, 62, 65 = SozR 2200 § 182 Nr 84; BSG 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R, BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1, Rn 22; BSG 10.05.2012, B 1 KR 19/11 R, BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, Rn 23; BSG 16.12.2014, B 1 KR 37/14 R, BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, Rn 24 mwN) sowie bei einem von der Krankenkasse rechtsfehlerhaft bewerteten Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nach Aufgabe des letzten Arbeitsplatzes (BSG 08.02.2000, B 1 KR 11/99 R, BSGE 85, 271, 277 f = SozR 3-2500 § 49 Nr 4).

Unter Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung hat das BSG in seinem Urteil vom 11.05.2017 (B 3 KR 22/15 R, BSGE 123, 134 - 144) ausgeführt, dass dem Krankengeldanspruch Versicherter eine nachträglich erfolgte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsfeststellung nicht entgegensteht, wenn

1. der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um

(a) die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen, und

(b) dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw -erhaltenden zeitlichen Grenzen für den Anspruch auf Krankengeld erfolgt ist,

2. er an der Wahrung der Krankengeldansprüche durch eine (auch nichtmedizinische) Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert wurde (zB eine irrtümlich nicht erstellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung), und

3. er - zusätzlich - seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich, spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V, nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht. Zwischenzeitlich hat das BSG von dem zwingenden Erfordernis eines Arzt-Patienten-Kontaktes Abstand genommen und entschieden, dass es einem „rechtzeitig“ erfolgten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt gleichsteht, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, er rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw -erhaltenden zeitlichen Grenzen versucht hat, eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erhalten, und es zum persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt aus dem Vertragsarzt und der Krankenkasse zurechenbaren Gründen erst verspätet, aber nach Wegfall dieser Gründe gekommen ist (BSG 26.03.2020, B 3 KR 9/19 R, SozR 4-2500 § 46 Nr 10, Rn 22 - 23). Dies sei insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen die Gründe für das nicht rechtzeitige Zustandekommen einer ärztlichen Folgebescheinigung in der Sphäre des Vertragsarztes (vgl zur Einbindung der Vertragsärzte in das GKV-System nur § 2 Abs 2, § 72 Abs 1 und 2, § 73 Abs 2, § 75 Abs 1, § 76 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V) und nicht in derjenigen des Versicherten lägen. Als typisches Beispiel nennt das BSG eine auf Wunsch des Vertragsarztes bzw seines von ihm angeleiteten Praxispersonals erfolgte Verschiebung des vereinbarten rechtzeitigen Arzttermins in der (naheliegenden) Vorstellung, ein späterer Termin sei für den Versicherten leistungsrechtlich unschädlich, weil nach der Arbeitsunfähigkeit-Richtlinie (AU-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) auch die begrenzte rückwirkende ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit statthaft sei. Im Urteil vom 29.10.2020 hat das BSG Gleiches angenommen in Fällen, in denen ein rechtzeitiger Arzttermin vereinbart werden sollte, vom Vertragsarzt oder seinem Personal aber ein späterer Termin vergeben worden ist in der Vorstellung, dies sei für den Versicherten unschädlich. In diesen Fällen liegen die Gründe für das nicht rechtzeitige Zustandekommen eines Termins zur ärztlichen Folgearbeitsunfähigkeitsfeststellung jeweils in der Sphäre des Vertragsarztes (BSG 29.10.2020, B 3 KR 5/20 R, Rn 21, juris)

Zur Überzeugung des Senats ist kein Sachverhalt gegeben, bei dem die Arbeitsunfähigkeitsfeststellung für einen weiteren Bewilligungsabschnitt ausnahmsweise hätte nachgeholt werden können. Keine der vorstehend beschriebenen Ausnahmekonstellationen liegt vor. Insbesondere war der Kläger nicht wegen Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit daran gehindert, eine rechtzeitige ärztliche Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit herbeizuführen; dies macht er selbst nicht geltend. Weiterhin hat der Kläger nicht alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, da er am 05.12.2017 ohne vorherige Terminabsprache erst am Nachmittag gegen 16.00 Uhr die Praxis seiner behandelnden S aufsuchte, diese wegen einer geplanten Fortbildungsveranstaltung an diesen Tag abwesend war und eine Vorstellung bei dem in der Gemeinschaftspraxis tätigen Vertreter M am gleichen Tag wegen Überlastung der Praxis nicht mehr möglich war. Dabei steht für den Senat fest, dass der Kläger bei seiner behandelnden S keinen Termin für den 05.12.2017, 16.00 Uhr, vereinbart hatte, sondern ihre Praxis ohne vorherige Terminvergabe am Nachmittag des 05.12.2017 aufsuchte, um sich das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit über den 04.12.2017 hinaus bescheinigen zu lassen, die S an diesem Tag jedoch wegen einer länger geplanten Fortbildung keine Sprechstunde abhielt und eine Vorstellung bei dem in der Gemeinschaftspraxis tätigen Vertreter wegen hohen Patientenandrangs nicht mehr möglich war. Dies entnimmt der Senat den Angaben des Klägers sowie der Ärzte S und M. Soweit der Kläger behauptet hat, er habe einen Termin bei der S für den 05.12.2017 um 16.00 Uhr vereinbart, ist dies nicht glaubhaft. Eine Terminvereinbarung für den 05.12.2017 hat die Zeugin S ausdrücklich verneint. Dies ist für den Senat auch nachvollziehbar, da die S ua an diesem Tag an einer länger geplanten Fortbildungsveranstaltung teilnahm und die Vereinbarung eines Vorstellungstermins bei ihr während ihrer Abwesenheit lebensfremd erscheint. Dagegen stellen sich die pauschalen Einlassungen des Klägers zu einer vorherigen Terminvereinbarung als widersprüchlich dar. Während er zunächst (Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 09.03.2018) behauptet hat, er habe bei der S für den 05.12.2017 keinen Untersuchungstermin wegen deren Urlaubsabwesenheit erhalten und sei deshalb gezwungen gewesen, den Vertretungsarzt M aufzusuchen, hat er im weiteren Verlauf (zB Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 11.04.2018) dazu im Widerspruch behauptet, er habe bereits im Vorfeld einen Untersuchungstermin bei der S für den 05.12.2017 um 16.00 Uhr vereinbart gehabt, ohne jedoch substantiiert darzulegen, wann er mit wem auf welcher Art und Weise (telefonisch, persönlich etc) einen Termin bei der S für den 05.12.2017 vereinbart gehabt haben will. Mithin liegt keine Fallgestaltung vor, in der ein rechtzeitig vereinbarter Termin, um eine lückenlose Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu gewährleisten, auf Veranlassung des Vertragsarztes bzw seiner Praxismitarbeiter verlegt wurde, oder von vornherein durch den behandelnden Vertragsarzt ein Vorstellungstermin irrtümlich zu spät angesetzt wurde (vgl zB Senatsurteil vom 30.03.2021, L 11 KR 736/19). Der Kläger hat sich gerade nicht rechtzeitig - zB anlässlich des vorangegangenen Untersuchungstermins am 28.11.2017 oder zum Ende der bis zum 04.12.2017 (Montag) attestierten Arbeitsunfähigkeit - um einen Anschlusstermin für den 05.12.2017 bemüht. Er ist ohne Terminabsprache erst am Nachmittag gegen 16.00 Uhr und damit „auf den letzten Drücker“ in der Arztpraxis seiner behandelnden Ärztin vorstellig geworden und musste dabei feststellen, dass diese wegen einer Fortbildung keine Sprechstunde abhielt und der in der Gemeinschaftspraxis tätige Vertreter M wegen eines hohen Patientenaufkommens ihm am gleichen Tag keinen Untersuchungstermin mehr vergeben konnte. Dies geht zu Lasten des Klägers (vgl einerseits Senatsurteil vom 01.10.2018, L 11 KR 817/18, Rn 27, juris: Aufsuchen der Praxis ohne vorherige Terminvereinbarung erst gegen 16.30 Uhr und andererseits Senatsurteil vom 02.20.2021, L 11 KR 3427/19: Aufsuchen der Praxis ohne vorherige Terminvereinbarung am Vormittag). Zwar war der Kläger, insbesondere wenn der weitere Verlauf des Krankheits- und Genesungsprozesses nicht absehbar ist, nicht gehalten, einen ärztlichen Untersuchungstermin gleichsam auf „Vorrat“ zu vereinbaren (vgl Hessisches LSG 24.09.2020, L 1 KR 125/20, Rn 34), jedoch konnte er nicht darauf vertrauen, dass er ohne vorherige Terminabsprache bei einer Vorsprache am Nachmittag in der Arztpraxis noch am gleichen Tag einen ärztlichen Untersuchungstermin erhält (vgl Knipsel, jurisPR-SozR 2/2021 Anm 2). Dass die Gemeinschaftspraxis in dieser Situation im Hinblick auf das hohe Patientenaufkommen und die Verhinderung der S erst am Folgetag einen Termin bei dem Vertretungsarzt M anbieten konnte, liegt in der Risikosphäre des Klägers. Etwas Anderes folgt nicht daraus, dass der Kläger am Vormittag des 05.12.2017 einen Behandlungstermin in der psychotherapeutischen Sprechstunde bei seinem behandelnden psychologischen Psychotherapeuten hatte. Denn es obliegt grundsätzlich dem Kläger als Versicherten, sich rechtzeitig um einen ärztlichen Untersuchungstermin betreffend die Feststellung des (Fort‑)Bestehens der Arbeitsunfähigkeit zu kümmern und dabei auch ggf bestehende Terminkollisionen zu berücksichtigen. So stand es dem Kläger zB frei, sich bereits am 04.12.2017 (Montag) oder vor dem psychotherapeutischen Behandlungstermin am 05.12.2017 um einen Arzttermin zu bemühen. Warum er diese Bemühungen nicht unternommen hat, hat er nicht dargetan und ist für den Senat auch nicht ersichtlich. Seine Behauptung, auch bei einer Vorsprache am Vormittag des 05.12.2017 wäre er auf einen Arzttermin bei M am Folgetag „vertröstet“ worden, ist rein spekulativ und berücksichtigt nicht, dass er dabei auch längere Wartezeiten in Kauf hätte nehmen müssen. Wenn ihm wegen der Terminkollision am Vormittag des 05.12.2017 tatsächliche eine Vorstellung in der Praxis seiner behandelnden Ärztin nicht möglich gewesen sein sollte, hätte er sich bereits am Morgen telefonisch um einen Termin bemühen können. Ebenso war es ihm möglich, sich am Vortag (Montag, den 04.12.2017) in der Praxis vorzustellen bzw sich um einen rechtzeitigen Arzttermin zu bemühen. Unter diesen Umständen hat der Kläger nicht alles ihm Zumutbare und in seiner Macht Stehende getan, um seinen Obliegenheiten zur rechtzeitigen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu genügen. Ein Fall „höherer Gewalt“ ist nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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