L 6 SB 1987/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 3081/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 1987/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Mai 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mehr als 40.

Sie ist 1976 geboren, hat eine Lehre zur Krankenschwester abgeschlossen und ist in diesem Beruf weiter in Teilzeit tätig. Sie führt dabei Telefonate, verwaltet Termine, macht Blutentnahmen und bereitet die Patienten zur Endoskopie vor. In ihrer Freizeit unternimmt sie bis zu 7 km lange Spaziergänge mit dem Hund. Sie ist seit 2011 verheiratet und bewohnt mit dem Ehemann dessen Haus. Die Ehe ist kinderlos, nachdem sie zwei Fehlgeburten erlitt und mehrere künstliche Befruchtungen erfolglos blieben. Mit Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 31. März 2014 wurde sie einer Schwerbehinderten gleichgestellt. Im April 2020 hat sie Rente wegen Erwerbsminderung beantragt, die noch nicht beschieden ist.

Am 2. April 2007 beantragte sie bei dem Landratsamt Karlsruhe (LRA) erstmals die Feststellung des GdB.

Das LRA zog den Entlassungsbericht der W Klinik über die vom 6. März bis 3. April 2007 durchgeführte stationäre Rehabilitation bei. Darin wurde eine Migräne ohne Aura, ein Spannungskopfschmerz und ein Überlastungssyndrom beschrieben. Während des stationären Aufenthaltes seien wiederholt halbseitige Kopfschmerzsyndrome aufgetreten, die sie mit Novalgin oder Diclofenac habe kurieren können. Gegen Ende der Maßnahme habe die Intensität der Kopfschmerzsymptomatik abgenommen. Über die Möglichkeit einer Kopfschmerzprophylaxe mit Topamax sei informiert, diese sei aber wegen der Nebenwirkungen von ihr abgelehnt worden. Die Schmerzen im Bereich der Schultern und der Halswirbelsäule (HWS) seien durch die aktiv übenden und balneophysikalischen Maßnahmen deutlich rückläufig gewesen.

B sah versorgungsärztlich einen GdB von 20, den das LRA mit Bescheid vom 26. April 2007 seit dem 2. April 2007 feststellte.

Am 17. Oktober 2013 beantragte sie die Neufeststellung des GdB.

Das LRA zog den Entlassungsbericht der vom 24. Juli bis 28. August 2013 durchgeführten stationären Rehabilitation in der W1 Klinik bei. Dort wurde eine rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelgradige Episode, und ein Wirbelsäulensyndrom diagnostiziert. Schwerpunkte der Therapie seien neben einer sport- und physiotherapeutischen Aktivierung die psychophysische Entspannung und Erholung sowie symptombezogene Besserung gewesen. Die Entlassung sei arbeitsunfähig zur Etablierung eines ambulanten Therapiesystems bei noch nicht ausreichend stabilisierten Allgemeinzustand erfolgt. Die Tätigkeit als Krankenschwester könne vollschichtig ausgeübt werden, es bestünden jedoch qualitative Einschränkungen bezüglich der Stressbelastbarkeit.

B1 bewertete versorgungsärztlich die Migräne mit einem Teil-GdB von 30 und die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 10, sodass der Gesamt-GdB 30 betrage.

Mit Bescheid vom 12. Dezember 2013 hob das LRA den Bescheid vom 26. April 2007 auf und stellte einen GdB von 30 seit dem 17. Oktober 2013 fest. Eine wesentliche Veränderung in den Verhältnissen sei insofern eingetreten, als sich der Gesundheitszustand der Klägerin verschlechtert habe.

Im Widerspruchsverfahren erhob das LRA die Befundscheine des S vom 2. und 7. März 2014, wonach die Klägerin unter einer langjährigen Depression leide. Sie habe bereits mit 18 Jahren einen Suizidversuch unternommen. Im Wesentlichen würden Ein- und Durchschlafstörungen beklagt, die häufig von Grübeltendenzen begleitet seien. Daraus resultiere eine erhöhte Tagesmüdigkeit mit gestörter Auffassungsgabe und Konzentrationsfähigkeit. Bewusstsein und Orientierung seien ungestört, es bestehe eine gedrückte Stimmungslage. Affektiv sei sie eingeengt, es bestehe kaum eine Regung. Der Antrieb sei leicht verlangsamt, ebenso der Gedankengang.

S1 legte versorgungsärztlich dar, dass der psychotherapeutische Befundbericht das Vorliegen einer rezidivierenden Störung dokumentiere. Zuletzt habe eine mittelgradige depressive Episode bestanden. Eine höhere Bewertung als mit einem GdB von 30 könne nicht erfolgen.

Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2014 zurück. In den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 26. April 2007 zu Grunde lagen, sei eine wesentliche Änderung eingetreten, der durch die Erhöhung des GdB auf 30 ausreichend Rechnung getragen sei.

Am 2. Juni 2014 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG – S 3 SB 1847/14). Das Verfahren wurde vergleichsweise dahingehend beendet, dass der Beklagte für die Funktionsbeeinträchtigungen Depression, chronisches Schmerzsyndrom, Migräne, Kopfschmerzen, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Wirbelsäulenverformung einen GdB von 40 seit dem 17. Oktober 2013 feststellte (Ausführungsbescheid vom 5. Juni 2015).

Am 10. Dezember 2018 wurde wiederum die Neufeststellung des GdB beantragt. Vorgelegt wurde ein Schreiben der F-Klinik B2, der Arbeitgeberin der Klägerin, vom 20. August 2018 an die Deutsche Rentenversicherung (DRV) betreffend die Ablehnung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Danach bestünden eine schwere therapierefraktäre Migräne, rezidivierende depressive Störungen und ein Wirbelsäulensyndrom. Die häufigen Migräneanfälle hätten dazu geführt, dass die Klägerin beruflich nicht mehr an den Endoskopiediensten teilnehmen könne und jetzt in der Leitstelle der Endoskopie eingesetzt werde.

Das LRA zog den Entlassungsbericht der D, B3, über die vom 20. November bis 21. Dezember 2018 durchgeführte stationäre Rehabilitation bei. Danach sei die Klägerin arbeitsfähig aufgrund einer rezidivierenden depressiven Episode, gegenwärtig mittelgradig, aufgenommen worden. Sie sei wach, zeitlich, örtlich, personell und situativ voll orientiert. Auffassung, Aufmerksamkeit und Konzentration seien leicht gestört. Ebenso seien die Merkfähigkeit und das Gedächtnis leicht beeinträchtigt. Die Stimmung sei als deutlich gedrückt bei ungestörter affektiver Schwingungsfähigkeit beschrieben worden. Der Antrieb habe sich als merklich gehemmt dargestellt. Die Psychomotorik sei unauffällig, sie zeige volle Krankheitseinsicht bei guter Veränderungsmotivation. Zum Entlassungszeitpunkt habe sie angegeben, sich nicht erholt zu haben. Die Schlafstörungen hätten sich verstärkt, die Migräne zugenommen und sie habe Ängste bezüglich des bevorstehenden Arbeitspensums angegeben. Das Verhalten sei situationsgerecht gewesen, die Psychomotorik unauffällig. Die Klägerin habe einige Zeit gebraucht, um sich auf die verschiedenen Therapieangebote einzulassen. Jedoch habe sie schlussendlich vor allem von den Einzelgesprächen und der Tanztherapie profitieren können. Sie habe sich vorgenommen, die Arbeitszeit zu reduzieren und ein Unterstützungsschreiben für den Arbeitgeber mitbekommen. In Bezug auf die Migräne habe keine Verbesserung erreicht werden können, sodass eine Weiterbehandlung in einer Schmerzklinik erfolgen solle.

Der S2 sah für die Depression und das chronische Schmerzsyndrom einen Teil-GdB von 30, für die Migräne und das Kopfschmerzsyndrom einen Teil-GdB von 20 und für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule einen Teil-GdB von 10, sodass der Gesamt-GdB weiterhin 40 betrage.

Mit Bescheid vom 8. März 2019 lehnte das LRA den Antrag ab, da eine wesentliche Veränderung im Gesundheitszustand nicht eingetreten sei.

Im Widerspruchsverfahren holte das LRA Befundscheine der behandelnden Ärzte ein.

Der S beschrieb eine rezidivierende depressive Störung, eine ausgeprägte schwere Migräne, ein Wirbelsäulensyndrom, eine Ischialgie, eine Skoliose, eine Colitis, eine nichtorganische Schlafstörung und einen nervösen Spannungskopfschmerz. Die Klägerin beklage Stimmungstiefs und fühle sich schnell erschöpft, ausgelaugt, innerlich leer und demotiviert. Früher gerne und häufig ausgeführte Freizeitaktivitäten mache sie fast gar nicht mehr. Daneben leide sie an einer schwergradigen Migräne mit verschiedenen Triptanen und werde seit neuestem mit dem Migräneprophylaktikum Aimovig behandelt. Mit der doppelten Dosierung werde ein deutlicher Therapieerfolg erzielt. Pro Monat träten sechs bis acht Migräneanfälle auf und führten teilweise zur Arbeitsunfähigkeit. Die rezidivierende depressive Störung könne medikamentös nicht angegangen werden, da eine Inkompatibilität mit den Migränepräparaten bestehe.

Der H teilte mit, dass bei der Klägerin chronische Kopfschmerzen bestünden mit Beschwerden in zwei bis drei Wochen im Monat. Der Schmerz sei jeweils tagelang anhaltend bis zu einer Woche mit Geräusch- und Lichtempfindlichkeit. Im Zusammenhang mit der Migräne bestehe eine anfallsweise auftretende, schmerzlose Schwäche im Bein, die in der Sprechstunde noch nie habe verifiziert werden können. Es bestünden chronische Schmerzen besonders in der Brustwirbelsäule (BWS) und der Lendenwirbelsäule (LWS), die auf die chronische Belastung im Berufsalltag zurückzuführen seien. Momentan nehme sie keine Antidepressiva ein, Belastungen bestünden durch den unerfüllten Kinderwunsch und hohe Anforderungen am Arbeitsplatz. Ergänzend hat er Befundberichte vorgelegt. Im Befundbericht des Radiologischen Zentrums W über die Kernspintomographie (MRT) der BWS vom 25. März 2019 wurde eine mäßige rechtskonvexe Seitausbiegung der BWS bei bekannter Skoliose beschrieben. Eine spinale Enge habe sich nicht gezeigt. Der Rt berichtete nach ambulanter Untersuchung am 3. April 2018 über eine Distorsion des rechten Sprunggelenks, die durch eine Schiene behandelt worden sei. F1, Lungenzentrum W, bezeichnete nach ambulanter Untersuchung am 19. September 2017 eine relevante bronchiale Hyperreagibilität als ausgeschlossen und empfahl keine weitere Applikation von Inhalativa. Eine pulmonale Genese der dargebotenen Symptomatik halte er für sehr ausgeschlossen. Eine kardiale Abklärung könne erfolgen.

S3 legte versorgungsärztlich dar, dass das Kopfschmerzleiden mit einem GdB von 30 bewertet werden könne. Die leichten degenerativen Wirbelsäulenveränderungen begründeten keinen höheren GdB als 10. Der Gesamt-GdB sei weiter auf 40 einzuschätzen.

Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2019 zurück. Wie die Auswertung der – auch im Widerspruchsverfahren – beigezogenen Befundunterlagen ergeben habe, sei eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 5. Juni 2015 zu Grunde lagen, nicht eingetreten. Die GdB-Beurteilung von Migränesymptomen richte sich nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen. Es liege eine mittelgradige Verlaufsform vor, die mit einem GdB von 30 zu bewerten sei. Hinsichtlich der geltend gemachten Borreliose habe ein krankhafter Befund nicht nachgewiesen werden können. Es bestehe eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, sodass Überschneidungen durch eine organisch und eine somatisch bedingte Schmerzkomponente bestünden.

Am 18. September 2019 hat die Klägerin erneut Klage beim SG erhoben, welches zur weiteren Sachaufklärung sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte eingeholt hat.

Der S hat bekundet, dass die rezidivierende depressive Störung als schwer zu bezeichnen sei, die Migräne als sehr schwer, die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren als schwer, das Wirbelsäulensyndrom als mittel, der psychosomatische Symptomkomplex als schwer und die nichtorganische Schlafstörung ebenfalls als schwer. Bei der Migräne handele es sich um eine schwere Verlaufsform mit lang andauernden Anfällen, mit stark ausgeprägten Begleiterscheinungen, sodass ein Teil-GdB von 50 bis 60 anzunehmen sei. Bei den psychischen Störungen könne von einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ausgegangen werden, sodass hier ein Teil-GdB von 30 bis 40 anzusetzen sei. Das Wirbelsäulensyndrom mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt sei mit einem Teil-GdB von 30, der Gesamt-GdB mit mindestens 50 zu bewerten. Die Migräne und das Wirbelsäulenleiden hätten sich seit Mai 2015 verschlimmert.

Die S4 hat angegeben, dass die Gesundheitsstörungen Migräne, psychosomatische Schmerzstörung, depressive Episoden und Rückenbeschwerden jeweils als mittelschwer zu bewerten seien, die Atembeschwerden als leicht. Der GdB könne von ihr nicht eingeschätzt werden, nach Angaben der Klägerin habe sich ihr psychischer Zustand verschlechtert, sodass sie seit September 2019 durch den Psychiater krankgeschrieben sei.

Weiter hat die Klägerin den Befundbericht des Facharztes für Psychiatrie S nach ambulanter Untersuchung vom 6. Februar 2020 vorgelegt. Diagnostisch handele es sich um eine schwergradige Migräne. Die Klägerin leide unter häufigen Anfällen, die über Tage andauerten und sie ans Bett fesselten. Im vergangenen Jahr hätten fünf bis sechs heftigste Migräneanfälle pro Monat bestanden, diese hätten durch die Gabe von Aimovig 140 weitgehend reduziert werden können. Neben der schwergradigen Migräne bestehe eine rezidivierende depressive Störung, ein psychosomatischer Symptomkomplex, eine nichtorganische Schlafstörung und ein nervöser Spannungskopfschmerz. In der Untersuchung sei sie wach und bewusstseinsklar gewesen, zu allen Qualitäten orientiert, zurückhaltend und scheu. Die Stimmungslage sei deutlich gedrückt, die affektive Schwingungsfähigkeit stark eingeengt. Sie zeige kaum Regung, der Antrieb sei leicht verlangsamt, ebenso der Gedankengang. Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit seien ungestört, Anhaltspunkte für inhaltliche Denkstörungen ergäben sich nicht, ebenso keine für akute Suizidalität. Durch das neue Migräneprophylaktikum Aimovig sei es gelungen, die Anfallsfrequenz deutlich zu reduzieren. Bedingt durch Stress bei der Arbeit komme es immer wieder zu heftigsten Migräneanfällen, die Arbeitsunfähigkeit bedingten.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27. Mai 2020 abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob gegenüber 2015 eine Verschlechterung eingetreten sei, da die Gesundheitsstörungen jedenfalls keinen GdB von mehr als 40 rechtfertigten. Im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ betrage der Teil-GdB 40, wobei das Migräneleiden im Vordergrund stehe. Dieses äußere sich in mehrstündigen bis mehrtägigen Anfällen, die maximale Zahl der Kopfschmerztage bis zum Erfolg einer Prophylaxe im Februar 2020 habe bei insgesamt drei Wochen im Monat gelegen, die minimale bei zwei Wochen. Im Februar 2020 sei die Zahl der Migräneanfälle mit Prophylaxe auf einen bis zwei Anfälle pro Monat gesunken, wobei sich positive Auswirkungen der Prophylaxe bereits im Juni 2019 gezeigt hätten. Die rezidivierende depressive Erkrankung führe zu einem anhaltenden Erschöpfungsgefühl und Schlafstörungen. Intermittierend seien das Antriebsvermögen und die Schwingungsfähigkeit eingeschränkt. Das Migräneleiden sei isoliert mit einem GdB von 30 zu bewerten, erachte man die durch die Prophylaxe eingetretene Besserung für beachtlich, sei der GdB niedriger anzusetzen. Dies könne dahinstehen, da sich jedenfalls kein höherer GdB ergäbe. Die rezidivierende depressive Erkrankung sei isoliert ebenfalls mit keinem höheren GdB als 30 zu bewerten. Die Beeinträchtigung der Klägerin in der Pflege sozialer Kontakte und privater Interessen beruhe in erster Linie auf dem Migräneleiden und nicht auf der depressiven Erkrankung. Im Funktionssystem „Rumpf“ betrage der Teil-GdB nicht mehr als 20, da keine mehr als mittelgradigen funktionellen Auswirkungen vorlägen. Neben dem klinischen Befund spreche gegen eine Bewertung als schwer, dass die Wirbelsäulensyndrome weniger durch alltägliche Belastungen auslösbar seien, sondern maßgeblich auf die berufliche Belastung der Klägerin zurückgingen. Das angegebene Borrelioseleiden sei nicht ärztlich festgestellt und die angegebenen Atembeschwerden hätten sich ebenfalls nicht objektivieren lassen.

Am 24. Juni 2020 hat die Klägerin Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Das Migräneleiden müsse deutlich höher bewertet werden und rechtfertige für sich schon einen GdB von 50.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Mai 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 8. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2019 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 5. Juni 2015 einen Grad der Behinderung von 50 seit dem 10. Dezember 2018 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er verweist auf die angefochtene Entscheidung.

Zur weiteren Sachaufklärung hat der Senat den Entlassungsbericht der W Klinik über die stationäre Rehabilitation zu Lasten der DRV vom 4. November bis 2. Dezember 2020 beigezogen.  Darin wurden als Diagnosen eine Migräne ohne Aura, eine depressive Episode, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie ein Asthma bronchiale benannt. Die Rehabilitation erfolge auf Veranlassung der Krankenkasse (§ 51 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V] – Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung [MDK] vom 16. April 2020). Die Tätigkeit als Krankenschwester und Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten vollschichtig verrichtet werden. Bei der Aufnahme habe die Klägerin über Kopfschmerzen und Migräne mit bis zu 20 Attacken pro Monat geklagt, die zwischen drei und sieben Tagen anhielten. Zwischendurch sei sie bis zu einer Woche beschwerdefrei. Die Kopfschmerzen behandele sie mit Diclofenac, welches sie nicht häufiger als dreimal im Monat einnehme. Aspirin vertrage sie nicht, Ibuprofen, Novalgin, Naproxen und Paracetamol hätten nicht geholfen. Eine Migräneprophylaxe habe ebenfalls keine Wirkung gezeigt, ebenso hätten Akupunktur und Osteopathie nicht geholfen. Sie treibe täglich Sport und gehe bis zu sieben Kilometer mit dem Hund spazieren. Mit der jetzigen Arbeitssituation sei sie zufrieden, bei Rehabilitationsbeginn aber seit 24. September 2019 arbeitsunfähig. Sie erwarte nicht, dass die Kopfschmerzen durch die Rehabilitation gebessert würden. Zu dieser sei sie aufgefordert worden, um die Leistungsfähigkeit zu überprüfen. Im Kontakt sei sie freundlich, bei ungestörten formalen Denken. Der Affekt sei labil und die Wahrnehmung bei reduziertem Antrieb ungestört. Sie sei wach, bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten orientiert. Aufmerksamkeit, Konzentration und Auffassungsgabe seien in der Aufnahmesituation regelrecht, ebenso das Neu- und Altgedächtnis. Die Wirbelsäule sei im Lot, es hätten sich keine Druckschmerzen über den Dornfortsätzen gezeigt. Die großen Gelenke seien frei beweglich gewesen. Im Abschlussgespräch habe die Klägerin berichtet, dass die Kopfschmerzsymptomatik unverändert geblieben sei mit auch gleichbleibenden Gelenkbeschwerden im Bereich der Knie, Ellenbogen, Schultern und der Hüfte. Während des stationären Aufenthaltes habe sie viermal Naratriptan getestet mit einer Wirkung von 30 Minuten bis zu einer Stunde mit dann wiederkehrenden Kopfschmerzen nach vier Stunden. Diclofenac helfe ihr besser und länger. Die psychische Situation habe sich deutlich beeinträchtigt gezeigt, zum Entlassungszeitpunkt habe die Klägerin weiterhin stark belastet gewirkt, eine weiterführende ambulante Psychotherapie sei indiziert. Die Rehabilitationsziele hätten nicht erreicht werden können. Der klinisch-neurologische Befund sei unauffällig gewesen, der Antrieb habe bei ungestörtem formalen und inhaltlichen Denken reduziert gewirkt. Es sei keine Verbesserung der Kopfschmerzsymptomatik und der Stimmungsschwankungen erreicht worden. Die getestete Medikation mit Naratriptan habe schlechter gewirkt als die bisherige mit Diclofenac. Die Einschätzung eines vollschichtigen Leistungsvermögens habe die Klägerin nicht geteilt.

H1 hat versorgungsärztlich ausgeführt, dass die Auskünfte des Nervenarztes S und der S4 im Wesentlichen die bereits bekannten Gesundheitsstörungen nochmals bestätigten. Die Ausführungen zur Migräne im Rehabilitationsentlassungsbericht seien unklar. Es werde über bis zu 20 Migräneattacken im Monat berichtet, die zwischen drei und sieben Tagen anhielten. Weiter werde eine Behandlung mit Diclofenac beschrieben, diese Medikation aber nicht häufiger als dreimal im Monat eingenommen. 20 Migräneattacken im Monat bedeuteten einen Migräneanfall häufiger als jeden zweiten Tag. Hierzu passe die Angabe von drei bis sieben Tagen anhaltenden Attacken mit einer Woche Beschwerdefreiheit ebenso wenig wie eine Medikation drei Mal im Monat. Die Diagnose eines Asthmas bronchiale sei unklar, nachdem der F1 eine bronchiale Hyperreagibilität ausgeschlossen habe.

Die Klägerin hat den Bericht des S5 vom 20. Februar 2020 vorgelegt, wonach die Lunge frei gewesen, die Sauerstoffsättigung bei 99 % gelegen habe. Der FEV1-Wert habe bei 102 % des Solls gelegen, die formalen Grenzen zur bronchialen Hyperreagibilität seien in der Lungenfunktion nicht erreicht. Im weiteren Befundbericht vom 19. Juli 2021 hat er wiederum eine freie Lunge und einer Sauerstoffsättigung von 98 % beschrieben. Der FEV1-Wert habe bei 103% des Solls gelegen, in der Bodyplethsmographie habe sich keine Obstruktion gezeigt. Phasenweise träten vermehrte Atembeschwerden bei Exposition auf bestimmte physische oder klinische Reize auf. Aktuell bestehe eine normale Lungenfunktion.

Weiter ist der Befundbericht der Radiologie W vom 18. Januar 2021 über die MRT der LWS zur Akte gelangt. Die Neuroforamina L5/S1 seien beidseits mäßig eingeengt, der Spinalkanal in allen Etagen normal weit und es fänden sich flache Bandscheibenprotrusionen im Segment L4/5. Die Facetten- und Iliosakralgelenke seien leicht entzündlich aktiviert.

Letztlich hat der Senat im Hinblick auf eine behauptete Verschlechterung die sachverständige Zeugenauskunft der M erhoben, die einen Druckschmerz über der LWS und ein bei 60° positives Lasèque-Zeichen beschrieben hat. Ergänzend hat sie den Befundbericht der Radiologie S6 über die MRT des rechten Knies vorgelegt, wonach eine Chondropathie patellae Grad III der medialen Facette, eine degenerative Innenmeniskopathie ohne Hinweis auf eine Rissbildung und kein ligamentärer Kniebinnenschaden sowie keine Ergussbildung festzustellen gewesen seien.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 27. Mai 2020, mit dem die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) auf Verpflichtung des Beklagten zur Neufeststellung des GdB unter Aufhebung des Bescheides vom 8. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 6. September 2019 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 5. Juni 2015 abgewiesen worden ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rz. 34), ohne eine solche derjenige der Entscheidung.

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 8. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Beklagte hat die Neufeststellung des GdB zu Recht abgelehnt. Die ergänzenden Ermittlungen des Senats haben keinen neuen Sachverhalt gegenüber den Ausführungen des SG ergeben, sodass auf diese Bezug genommen wird (§ 153 Abs. 2 SGG).

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung im Gesundheitszustand ist auszugehen, wenn diese einen um wenigsten 10 veränderten Gesamt-GdB rechtfertigt (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt – teilweise – aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 – 9a RVs 55/85 –, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des – teilweise – aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 – B 9 V 2/10 R –, SozR 4-3100 § 35 Nr. 5, Rz. 38 m. w. N.).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin gegenüber dem maßgebenden Vergleichsbescheid vom 5. Juni 2015, mit dem der im gerichtlichen Verfahren geschlossene Vergleich ausgeführt worden ist, vorliegt.

Der Anspruch richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Nachdem noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen, somit die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (vgl. BSG, Urteil vom 1. September 1999 – B 9 V 25/98 R –, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“ oder „Altersstar“) bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 9 SB 35/10 B –, juris, Rz. 5).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSGE 82, 176 [177 f.]). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass der Gesamt-GdB mit 40 weiterhin zutreffend bemessen ist.

Die maßgeblichen Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin liegen im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ und sind mit einem Teil-GdB von 40 weiterhin ausreichend bewertet.

Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 begründen Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen in Form leichterer psychovegetativer oder psychischer Störungen einen GdB von 0 bis 20, stärkere Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdB von 30 bis 40, schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 80 bis 100. Die funktionellen Auswirkungen einer psychischen Erkrankung, insbesondere wenn es sich um eine affektive oder neurotische Störung nach F30.- oder F40.- ICD-10 GM handelt, manifestieren sich dabei im psychisch-emotionalen, körperlich-funktionellen und sozial-kommunikativen Bereich (vgl. Philipp, Vorschlag zur diagnoseunabhängigen Ermittlung der MdE bei unfallbedingten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen, MedSach 6/2015, S. 255 ff.). Diese drei Leidensebenen hat auch das BSG in seiner Rechtsprechung angesprochen (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Juli 2017 – B 9 V 12/17 B –, juris, Rz. 2). Dabei ist für die GdB-Bewertung, da diese die Einbußen in der Teilhabe am Leben in der (allgemeinen) Gesellschaft abbilden soll, vor allem die sozial-kommunikative Ebene maßgeblich (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 2017 – L 6 VH 2746/15 –, juris, Rz. 61). Bei dieser Beurteilung ist auch der Leidensdruck zu würdigen, dem sich der behinderte Mensch ausgesetzt sieht, denn eine „wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit“ meint schon begrifflich eher Einschränkungen in der inneren Gefühlswelt, während Störungen im Umgang mit anderen Menschen eher unter den Begriff der „sozialen Anpassungsschwierigkeiten“ fallen, der ebenfalls in den VG genannt ist. Die Stärke des empfundenen Leidensdrucks äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztlicher Behandlung in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (Senatsurteil vom 22. Februar 2018 – L 6 SB 4718/16 –, juris Rz. 42; vgl. auch LSG Baden- Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 – L 8 SB 1549/10 –, juris, Rz. 31).

Bei der Klägerin besteht ein labiler Affekt mit reduziertem Antrieb, wie der Senat dem Rehabilitationsentlassungsbericht der W-Klinik entnimmt, den er im Wege des Urkundsbeweises verwertet (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]). Aufmerksamkeit, Konzentration und Auffassungsgabe waren regelrecht, sie war wach, bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten orientiert bei ungestörtem formalen Denken. Die im Bericht der D noch angegebene leichte Beeinträchtigung von Merkfähigkeit und Gedächtnis ist im aktuellen Befund nicht beschrieben worden. Anhaltspunkte für eine schwere rezidivierende depressive Störung, wie sie der Psychiater S in seinem Befundschein gegenüber dem Beklagten angegeben hat, haben sich in beiden stationären Aufenthalten ebenso wenig bestätigt, wie die von ihm beschriebene Ausprägung der Symptomatik. Soweit er angibt, dass die Klägerin fast keine Freizeitaktivitäten mehr verrichte, lässt sich dies mit ihren eigenen Angaben gegenüber der W-Klinik nicht vereinbaren, wonach sie täglich Sport macht und bis zu sieben Kilometer mit dem Hund spazieren geht, was die verbliebene Fähigkeit zur Freizeitgestaltung und ein bestehendes Interessenspektrum belegt. Nachdem der Psychiater S die beschriebene Schlafstörung als nicht organisch bezeichnet, wird deutlich, dass diese ebenfalls der psychischen Problematik zuzurechnen und daher von deren Bewertung umfasst ist. Ein höherer Teil-GdB als 30 lässt sich daher nicht begründen.

Entsprechendes gilt für die Migräne. Nach den VG, Teil B, Nr. 2.3 ist die echte Migräne nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen zu bewerten. Eine leichte Verlaufsform mit Anfällen durchschnittlich einmal im Monat führt zu einem GdB von 0 bis 10, eine mittelgradige Verlaufsform mit häufigeren Anfällen, jeweils einen oder mehrere Tage anhalten, zu einem GdB von 20 bis 40 und eine schwere Verlaufsform mit lang andauernden Anfällen mit stark ausgeprägten Begleiterscheinungen und Anfallspausen von nur wenigen Tagen zu einem GdB von 50 bis 60.

Nach diesen Maßstäben ergibt sich aus den Darlegungen des Psychiaters S, dass zunächst sechs bis acht Migräneanfalle pro Monat aufgetreten seien, die sich auf fünf bis sechs reduziert hatten und durch die Gabe des Migräneprophylaktikums nochmals deutlich reduziert werden konnten. Vor diesem Hintergrund dieser Befunde ist es nicht nachvollziehbar, wenn die Klägerin nunmehr gegenüber der W-Klinik behauptet, dass die Migräneprophylaxe keine Wirkung gezeigt habe, zumal nicht nur der Allgemeinzustand gut war, sondern auch der neurologische und psychische Befund unauffällig, insbesondere die Aufmerksamkeit und Konzentration, was bei einem behaupteten so ausgeprägten Krankheitsbild schlicht nicht vorstellbar ist. Im Übrigen hat H1 versorgungsärztlich für den Senat überzeugend herausgearbeitet, dass auch die sonstigen Angaben der Klägerin gegenüber der Klinik nicht plausibel sind. Schlüssig legt er dar, dass die behaupteten 20 Migräneanfalle pro Monat mit einer Dauer von drei bis sieben Tagen einen Migräneanfall häufiger als jeden zweiten Tag bedeutet und sich mit einer Beschwerdefreiheit mit bis zu einer Woche genauso wenig vereinbaren lässt wie mit der angegebenen Medikation von Diclofenac nur dreimal im Monat. Ebenso passen die Behauptungen weder zu der angegebenen Freizeitgestaltung, noch ist die Symptomatik in entsprechendem Ausmaß während der stationären Behandlung objektiviert worden. Nachdem die Klägerin schon zu Beginn der Maßnahme angegeben hat, sich keine Besserung davon zu erhoffen und nur von der Krankenkasse zur Antragstellung aufgefordert worden zu sein, kommt es nicht darauf an, dass sie keinen Erfolg wahrgenommen haben will, da eine Behandlungsmotivation danach von vornherein nicht bestanden hat.

Im Übrigen gibt die Klägerin zwar an, sich bei Migräneattacken hinlegen und das Zimmer abdunkeln zu müssen, stark ausgeprägte Begleiterscheinungen sind indessen keine beschrieben. Die Angabe, dass es zu Erbrechen komme, belegt solche nicht. Dass die Klägerin eine Gewichtszunahme von sieben Kilogramm in den letzten sechs Monaten beschrieben hat, spricht vielmehr gerade gegen eine stärkere Ausprägung des Erbrechens. Die gegenüber H geklagte schmerzlose Schwäche im Bein hat dieser nach eigenem Bekunden nicht objektivieren können, ebenso gibt die W-Klinik einen unauffälligen Befund an den Extremitäten an.

Unabhängig von der vom SG aufgeworfenen Frage, ob die erfolgreiche Prophylaxe mindernd bei der GdB-Einschätzung zu berücksichtigen lässt, kommt ein höherer GdB von 30 für die Migräne anhand der objektivierten Befunde nicht in Betracht, sodass das Funktionssystem insgesamt mit einem Teil-GdB von 40 angemessen bewertet ist. Die abweichende GdB-Einschätzung des Psychiaters S wird von den objektivierten Befunden nicht gedeckt. Abgesehen davon handelt es sich hierbei um eine rechtliche Frage, die vom Senat zu beurteilen ist, und um keine medizinische.

Diese Einschätzung wird dadurch untermauert, dass beide Rehabilitationskliniken ein vollschichtiges Leistungsvermögen für die berufliche Tätigkeit bescheinigt haben. Indem die Arbeitgeberin darauf verweist, die Klägerin in einem anderen Tätigkeitsfeld, nämlich am Empfang der Endoskopie und nicht mehr bei der Endoskopie selbst, einzusetzen, wird deutlich, dass betrieblich bereits auf die Einschränkungen reagiert worden ist, diese aber einer beruflichen Tätigkeit gerade nicht entgegenstehen. Die Klägerin selbst hat gegenüber der W-Klinik angegeben, mit dem jetzigen Arbeitsumfeld zufrieden zu sein. Im Übrigen lässt sich daraus, dass bei der Klägerin in der Vergangenheit wohl eine deutliche Überforderung am Arbeitsplatz bestanden, nicht auf eine generelle Teilhabeeinschränkung schließen, die eine Höherbewertung des GdB rechtfertigt.

Nichts anderes folgt daraus, dass die Klägerin eine Borreliose behauptet hat, da diese schon nicht ärztlich bestätigt worden ist. Abgesehen davon entnimmt der Senat dem Entlassungsbericht der W-Klinik einen neurologisch unauffälligen Befund, sodass keine Funktionseinschränkungen aufgrund der vermeintlichen Borreliose objektiviert sind.

Im Funktionssystem „Atmung“ ist kein GdB von mehr als 10 begründet.

Nach den VG, Teil B, Nr. 8.3 sind Krankheiten der Atmungsorgane mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion geringen Grades (das gewöhnliche Maß übersteigende Atemnot bei mittelschwerer Belastung, Messwerte der Lungenfunktionsprüfung bis zu 1/3 niedriger als die Sollwerte, Blutgaswerte im Normbereich) mit einem GdB von 20 bis 40 zu bewerten. Ein Bronchialasthma ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion bei Hyperreagibilität mit seltenen (saisonalen) und/oder leichten Anfällen führt zu einem GdB von 0 bis 20.

Den Befundberichten des S5, die er im Wege des Urkundsbeweises verwertet, entnimmt der Senat, dass bei der Klägerin eine normale Lungenfunktion besteht. Die Sauerstoffsättigung wird mit 98 % bzw. 99 % als normal beschrieben, eine Obstruktion ist ausgeschlossen worden. Der FEV-1-Wert lag bei 102 % bzw. 103 % des Solls, sodass überzeugend keine Einschränkung der Lungenfunktion gesehen wird. Die beschriebene Reaktion auf physikalische Reize allein rechtfertigt keinen Teil-GdB von wenigstens 20.

Im Funktionssystem „Rumpf“, zu dem auch die Wirbelsäule zu rechnen ist, lässt sich kein Teil-GdB begründen.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung und Minderbelastbarkeit) sowie die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicherweise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind gegebenenfalls zusätzlich zu werten (vgl. VG, Teil A, Nr. 2 j). Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein. Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der Wirbelsäule (z. B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdB begründen. Bei den entzündlich-rheumatischen Krankheiten sind unter Beachtung der Krankheitsentwicklung neben der strukturellen und funktionellen Einbuße die Aktivität mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die Beteiligung weiterer Organe zu berücksichtigen.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 ergibt sich der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem so genannten „Postdiskotomiesyndrom“) primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. So genannte „Wirbelsäulensyndrome“ (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten. Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung. Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein.

Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität haben einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz-dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z. B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.

Bereits der Allgemeinmediziner H hat überzeugend dargelegt, dass die geklagten Wirbelsäulenbeschwerden der beruflichen Belastung zuzuschreiben seien, hat aber keinen organischen Befund angegeben. Dementsprechend entnimmt der Senat dem urkundsbeweislich zu verwerten Rehaentlassungsbericht der D, dass sich ein unauffälliges Gangbild bei leichtgradgeer C-Skoliose rechtskonvex der BWS zeigte, die Seitneigung der HWS war mit 45-0-45° und die Rotation mit 50-0-50° möglich, sodass nur geringgradige Einschränkungen gegeben waren. Das Zeichen nach Schober für die Beweglichkeit der LWS lag bei 10:15 cm und ergab somit einen Normalbefund. Der FBA war mit 0 cm nicht eingeschränkt. Aus dem Bericht der W Klinik ergibt sich nichts anderes. Dort wird ein Klopfschmerz der HWS verneint. Es zeigten sich motorisch keine Paresen, Stand und Gang inklusive differenzierter Gangprüfung mit Zehen-, Fersen- und Seiltänzergang, das Aufrichten aus der Hocke und der Romberg Stehversuch waren unauffällig. Die Muskeleigenreflexe an den oberen und unteren Extremitäten waren bei seitengleich mittellebhaft, die Sensibilität intakt. Korrespondierend dazu zeigte die MRT der BWS keine spinale Enge und die LWS einen in allen Etagen normal weiten Spinalkanal sowie nur flache Bandscheibenprotrusionen im Segment L4/5. Die als sachverständige Zeugin gehörte M konnte auch nur einen Druckschmerz über der LWS beschreiben, hat aber keine Befunde mitgeteilt, die wenigstens mittelgradige Einschränkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt belegen. Soweit der Psychiater S – in weiten Teilen fachfremd – eine schwere Funktionseinschränkung in einem Wirbelsäulenabschnitt sehen will, belegt er dies schon mit keinem Funktionsbefund. Die von ihm behauptete Verschlechterung seit 2015 hat sich durch die Funktionsbefunde der Rehaklinik in keiner Weise bestätigt und seine GdB-Einschätzung, auf die es nicht ankommt (vgl. oben), erweist sich vor diesem Hintergrund als nicht tragfähig.

Im Funktionssystem „Beine“ ist kein Teil-GdB gegeben. Abgesehen davon, dass eine relevante Bewegungseinschränkung nicht dokumentiert ist, hat die MRT des rechten Knies zwar eine Chondropathia patellae Grad III gezeigt, indessen keine Ergussbildung als Hinweis auf anhaltende Reizerscheinungen (vgl. VG, Teil B, Nr. 18.14). Ein Kniebinnenschaden wird darüber hinaus ausdrücklich verneint.

Der Teil-GdB von 40 im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ entspricht somit dem Gesamt-GdB.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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