L 9 R 3068/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 1946/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3068/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 11. Juli 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

 

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die 1984 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie bezieht seit August 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); im Versicherungsverlauf der Klägerin sind außerdem Pflichtbeitragszeiten für Kindererziehung enthalten. Wegen der Einzelheiten des Versicherungskontos wird auf den Versicherungsverlauf vom 08.01.2019 (Bl. 12 f. der Senatsakten) Bezug genommen.

Einen ersten Rentenantrag der Klägerin vom 03.08.2012 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.01.2013 ab. Die hiergegen zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhobene Klage (S 7 R 465/13) wurde nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens bei B und eines orthopädischen Gutachtens bei B1 mit Urteil vom 08.12.2014 abgewiesen.

Am 11.03.2016 stellte die Klägerin bei der Beklagten erneut einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 08.04.2016 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Die Klägerin könne nach der medizinischen Beurteilung mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Im anschließenden Widerspruchsverfahren holte die Beklagte eine sozialmedizinische Stellungnahme bei der S ein, die unter dem 27.05.2016 ausführte, nach Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen verbleibe es bei der Annahme eines vollschichtigen Leistungsvermögens für eine angepasste Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.2016 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen und den sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen bei der Ausübung von Erwerbstätigkeiten seien keine Auswirkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen der Klägerin für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten. Der Klägerin seien noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in Tages- oder auch Wechselschicht ohne häufiges Bücken, ohne häufiges Knien/Hocken und ohne häufiges Klettern und Steigen auf Leitern sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zumutbar.

Hiergegen hat die Klägerin am 29.08.2016 Klage beim SG erhoben, die sie unter Vorlage eines Befundscheins der G vom 26.04.2016 im Wesentlichen damit begründet hat, dass sie insbesondere auf Grund ihrer psychischen Beeinträchtigungen nicht in der Lage sei, einer Tätigkeit von mindestens sechs Stunden arbeitstäglich nachzugehen.

Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Die M hat unter dem 01.10.2015 mitgeteilt, die Klägerin sei seit Anfang 2015 nicht mehr vorstellig geworden, weshalb sie keine Angaben zum gegenwärtigen Gesundheitszustand machen könne. Nach Auskunft des S1 vom 28.01.2017 hat er die Klägerin vom Dezember 2013 an wegen eines chronischen Schmerzsyndroms mit somatischen und psychischen Faktoren und einer Coxalgie rechts behandelt; Angaben zum aktuellen Gesundheitszustand könne er nicht machen. Die H hat in ihrer Stellungnahme vom 25.01.2017 ausgeführt, die Klägerin einmalig am 26.01.2016 behandelt zu haben. Eine dauerhafte Gesundheitsstörung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet habe sie nicht feststellen können, diagnostisch handle es sich um Spannungskopfschmerzen; ferne habe der Verdacht auf psychogene Anfälle und Schlafstörungen bestanden. Eine Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens sei aufgrund der einmaligen Untersuchung nur schwer möglich gewesen, zumal zusätzlich ein Hüftleiden bestehe. Soweit aus neurologisch-psychiatrischer Sicht beurteilbar sei von einem vollschichtigen Leistungsbild für leichte sitzende Tätigkeiten auszugehen. In seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 30.01.2017 hat der D ausgeführt, die Klägerin leide unter einer chronischen Schmerzsymptomatik und könne seiner Einschätzung nach leichte sitzende Tätigkeiten mit einer Arbeitsdauer von drei bis sechs Stunden täglich ausüben. Der B2 hat unter dem 30.01.2017 ausgeführt, das maßgebliche Leiden bei der Klägerin stelle seit 10 Jahren eine Zöliakie dar. Auch leichte Tätigkeiten könne sie auf Grund der derzeit bestehenden abdominellen Schmerzproblematik und der erhöhten Stuhlfrequenz nicht über sechs Stunden arbeitstäglich ausführen. Tätigkeiten zwischen drei und sechs Stunden seien kritisch zu überdenken. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin G hat in der am 04.07.2017 eingegangenen sachverständigen Zeugenaussage mitgeteilt, die Klägerin könne auf Grund der Knochen- und Gelenkprobleme inklusive Rückenschmerzen sowie der psychischen Einschränkung durch die massive depressive Symptomatik nur sehr leichte körperliche Arbeiten über sehr kurze Zeiträume von zwei bis drei Stunden täglich ausüben.

Das SG hat dann den S2 mit der Erstellung eines nervenärztlichen Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 22.12.2017 und seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 05.02.2018 hat dieser ausgeführt, die Klägerin leide allenfalls unter einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, die keine Leistungsminderung in zeitlicher Hinsicht begründen könne. Bei der Prüfung der Glaubhaftigkeitskriterien/Realkennzeichen hätten sich deutliche Auffälligkeiten, die auf ein nicht glaubhaftes, ziel- und ergebnisorientiertes Verhalten der Klägerin hinweisen würden, ergeben. Dies stehe in völliger Übereinstimmung mit den ausführlichen Schilderungen im Gutachten des Orthopäden B1 vom Juli 2014, das im Vorverfahren für das SG Konstanz erstattet worden sei. Auch B1 habe auf eine mangelnde Glaubhaftigkeit, Aggravationstendenzen und Inkonsistenzen der Darstellung hinwiesen. Auch der nervenärztliche Gutachter B habe entsprechende Verhaltensweisen beschrieben, wenn die Klägerin sich beispielsweise mit dem Rollstuhl zu ihm ins Untersuchungszimmer habe fahren lassen, ohne dass ansonsten objektive Störungen, die ein eigenständiges Gehen verunmöglichen würden, von ihm beobachtet worden seien. Zu einem späteren Zeitpunkt seien im Gutachten von B1 auch Beobachtungen niedergelegt worden, wonach die Klägerin vermeintlich unbeobachtet unauffällig habe gehen können. Bei beiden vorangehenden Gutachten von B1 und B seien auch die von der Klägerin angeblich eingenommenen schmerzlindernden Medikamente, die sie auf Grund ihrer starken Schmerzen benötige, im Blut nicht nachweisbar gewesen. Bei seiner Begutachtung habe die Klägerin entgegen dem Hinweis in der schriftlichen Einladung, keinen Medikamentenplan mehr mitgebracht und angegeben, nicht zu wissen, was sie einnehme, während ihr dies bei den Vorbegutachtungen durchaus geläufig gewesen sei. Auch dies spreche für ein klares und energievolles, ziel- und ergebnisorientiertes Verhalten vor dem Hintergrund des laufenden Verfahren. Die Klägerin habe sich auch alleine ziel- und ergebnisorientiert vor dem Hintergrund des damaligen Rentenverfahrens in fachärztliche neurologisch-psychiatrische und orthopädische Behandlung begeben. Dies relativiere ebenso wie die nicht eingenommenen Schmerzmedikamente bei vorgeblich heftigen Schmerzen das tatsächliche Leiden. Man blicke letztlich seit Jahren auf nicht glaubhafte Darstellungen ohne wirklich fassbare körperliche oder auch psychische Befundverschlechterungen. B habe in seinem Gutachten aus März 2014 noch keine psychische Störung von Krankheitswert, ausdrücklich auch keine somatoforme Schmerzstörung feststellen können. Nach Kenntnis des Gutachtens relativiere sich seine Diagnose der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Darunter verstehe man, dass der Schmerz zum hauptsächlichen Fokus der gesamten Lebensaufmerksamkeit werde, während die Lebensaufmerksamkeit der nach jetzt ausführlicher Aktenanalyse durchaus energievollen Frau in erster Linie auf das Rentenziel ausgerichtet sei und nicht auf die Bewältigung eines von Schmerzen geprägten Lebens. Auch könne man bei Sichtung des Langzeitverlaufs keine regelmäßige Inanspruchnahme verschiedener Ärzte beobachten, um die organische Ursache der Schmerzen endlich herauszufinden, um dann, wenn die Ursache endlich gefunden sei, geheilt zu werden. Auch wenn man eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung unterstelle, sei sie als leichtgradig einzustufen, nach dem bisherigen Verlauf nicht als chronifiziert und keinesfalls therapieresistent.

Mit Urteil vom 11.07.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Die – näher dargelegten – Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung seien nicht erfüllt. Hinsichtlich der Feststellungen zum Gesundheitszustand und zum Leistungsvermögen der Klägerin stütze sich das SG insbesondere auf die vorausgehenden unter dem Aktenzeichen S 7 R 465/13 eingeholten Gutachten des B1 und des B sowie auf das im Gerichtsverfahren von Amts wegen erstellte Gutachten des Facharzt für Neurologie und Psychiatrie S2, wobei zu konstatieren bleibe, dass alle Gutachter unabhängig voneinander deutliche Auffälligkeiten festgestellt hätten, die auf nicht glaubhaftes, ziel- und ergebnisorientiertes Verhalten der Klägerin hingedeutet hätten. Auf psychiatrischem Fachgebiet sei bei der Klägerin den überzeugenden Ausführungen des S2 folgend allenfalls von einer leichtgradigen somatoformen Schmerzstörung auszugehen. Zwar habe die Kammer hieran insoweit Zweifel, dass der Schmerz zum hauptsächlichen Fokus der gesamten Lebensaufmerksamkeit werde müsste, während die Lebensaufmerksamkeit der Klägerin in erster Linie auf das Rentenziel ausgerichtet sei und nicht auf die Bewältigung eines von Schmerzen geprägten Lebens und sie weiterhin nicht regelmäßig verschiedene Ärzte aufgesucht habe, um die organische Ursache der Schmerzen herauszufinden. Jedoch würde selbst eine unterstellte leichtgradige somatoforme Schmerzstörung den überzeugenden Ausführungen des S2 folgend keine quantitative Leistungsminderung begründen. Weiterhin bleibe zu konstatieren, dass in den letzten Jahren nie eine regelmäßige oder weitergehende Behandlung erfolgt sei. Solange jedoch zumutbare Behandlungsmöglichkeiten noch nicht verursacht bzw. wie vorliegend noch nicht ausgeschöpft worden seien und noch ein Erfolgsversprechen des Behandlungspotential bestehe, könne eine dauerhafte quantitative Leistungsminderung bereits alleine deshalb nicht auf diese Erkrankung gestützt werden. Maßgebliche Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet seien nicht erkennbar, zumal sich die Klägerin aktuell nicht in fachärztlicher orthopädischer Behandlung befinde und der Gutachter B1 ihr auf orthopädischem Fachgebiet ein vollschichtiges Leistungsvermögen attestiert habe. Auch die diagnostizierte Zöliakie vermöge allenfalls qualitative, aber keinesfalls quantitative Leistungseinschränkungen zu begründen, da diese seit zehn Jahren bestehe und im Laufe der Jahre keine Verschlimmerung dokumentiert worden sei. Auch sei von keinem der gehörten Gutachter die Notwendigkeit zur Unterbrechung der teilweise langwierigen Untersuchungen beschrieben worden, noch sei das Erfordernis betriebsunüblicher Pausen bejaht worden. Soweit D, B2 und G ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen auf Grund der chronischen Schmerzkrankheit befürwortet hätten, bleibe festzustellen, dass sie diese Beurteilung zum einen fachfremd getroffen hätten, zum anderen ein grundlegender Unterschied in der prozessualen Stellung eines gerichtlich bestellten Sachverständigen und eines zu Auskunftszwecken herangezogenen Arztes bestehe. Der Sachverständigenbeurteilung komme grundsätzlich der höhere Beweiswert zu. Sonstige schwerwiegende spezifische Leistungseinschränkungen, die ausnahmsweise die Annahme eines verschlossenen Arbeitsmarktes trotz sechsstündiger Leistungsfähigkeit bedingen könnten, seien bei der Klägerin nicht ersichtlich. Die Klägerin sei nach der Auffassung der Gutachter in der Lage, die sozialrechtlich relevante Wegstrecke in zumutbarer Zeit zurückzulegen. Zusätzliche Arbeitspausen seien nicht erforderlich.

Gegen das ihr am 25.07.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.08.2018, einem Montag, Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Das Gutachten von B1 aus dem Jahr 2013 sei lange vor Stellung des aktuellen Rentenantrags angefertigt worden, weshalb ihm für das laufende Verfahren keine Bedeutung mehr beigemessen werden könne. Darüber hinaus erschienen die orthopädischen Beeinträchtigungen in Rentenverfahren ohnehin eher als von sekundärem Interesse, nachdem sich ein Rentenanspruch nur in sehr seltenen Fällen auf orthopädische Sachverhalte stützen lassen dürfte. Die maßgeblichen Beeinträchtigungen lägen auf neurologisch-psychiatrischem sowie internistisch-gastroenterologischem Fachgebiet. Nachdem S2 selbst ausgeführt habe, sich zu einer fundierten psychiatrischen Einschätzung nicht in der Lage zu sehen, sei dessen Gutachten nicht bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Dieses umso mehr, als dass die behandelnde Ärztin G in ihrer Zeugenauskunft von einer ausgeprägten depressiven Symptomatik berichtet habe. Diese Diagnose habe G auch nochmals in einem vorgelegten Attest vom 14.09.2018 bestätigt. Obwohl sich der Befund wie ein roter Faden durch die gesamte Akte ziehe, sei auch der Zöliakie nicht in ausreichendem Umfang nachgegangen worden.

Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat der Senat den V am 01.03.2019 mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nachdem die Klägerin Termine am 23.04.2019, 02.07.2019 und 09.07.2019 nicht wahrgenommen hat, ist der Gutachtensauftrag aufgehoben worden. Nach Mitteilung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, diese habe nun doch davon überzeugt werden können, dass die Wahrnehmung des gutachterlichen Untersuchungstermins unabdingbar sei, ist V am 26.06.2020 erneut beauftragt worden. Die Klägerin hat den Termin zur Begutachtung am 28.07.2020 nicht wahrgenommen und dem Gutachter telefonisch mitgeteilt, sie habe unter Durchfällen und Bauchschmerzen gelitten, weshalb sie habe umkehren müssen. Eine Begutachtung sei auch in Zukunft nicht möglich. Der Gutachtensauftrag ist daraufhin aufgehoben worden.

Der Klägervertreter hat dann ein nach Aktenlage durch die S3 erstelltes Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg vom 18.05.2020 vorgelegt, mit dem ein Pflegegrad 4 seit 01.04.2020 festgestellt wurde.

Nachdem der Klägervertreter mitgeteilt hatte, die Klägerin befinde sich (auch coronabedingt) derzeit ausschließlich in Behandlung bei der Hausärztin G hat der Senat diese schriftlich als sachverständige Zeugin gehört. Diese hat mit am 17.06.2021 eingegangen Schreiben die bei der Klägerin erhobenen Befunde und Diagnosen mitgeteilt und ausgeführt, eine berufliche Tätigkeit sei in den Jahren des Arzt-Patientinnen-Verhältnis aus Patientinnensicht nicht möglich gewesen. Die Klägerin fühle sich in keiner Weise leistungsfähig, weder im Bereich der Haushaltsführung als Mutter kleiner Kinder, wo sie immer wiederkehrend eine Unterstützung durch eine Haushaltshilfe durch die Krankenkasse begehrt habe, noch in einer beruflichen Tätigkeit. Starke Schmerzzustände wechselnder Lokalisation hätten immer wieder zu Arbeitsabbrüchen bzw. dazu geführt, ein Arbeitsverhältnis gar nicht beginnen zu können.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 11. Juli 2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 8. April 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juli 2016 zu verurteilen, der Klägerin bezogen auf eine Antragstellung am 20. Februar 2016 Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf sozialmedizinische Stellungnahmen des L vom 07.01.2021 und vom 13.07.2021.

Mit Schreiben vom 03.08.2021 sind die Beteiligten auf die beabsichtigte Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden; ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

 

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die Berufung ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 11.07.2018 sowie der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 08.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2016 sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für eine Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]) und eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht besteht, weil die Klägerin noch wenigstens sechs Stunden täglich für zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig ist. Ebenso zutreffend hat das SG festgestellt, dass ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit schon deshalb nicht besteht, weil die Klägerin nicht vor dem 02.01.1961 geboren ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe im Wesentlichen ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Die im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen konnten diese Einschätzung nicht entkräften. Trotz wiederholter Erinnerung hat die Klägerin Termine zur Begutachtung durch V, die durch sie beantragt worden war, nicht wahrgenommen. Zu weiteren Ermittlungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sah sich der Senat auch nicht veranlasst. Zwar ist der Senat anders als das SG nicht der Auffassung, dass eine dauerhafte quantitative Leistungsminderung bereits dann nicht auf eine psychiatrische Erkrankung gestützt werden kann, solange nicht alle zumutbaren Behandlungsmöglichkeiten versucht bzw. wie vorliegend noch nicht ausgeschöpft worden seien. Die Frage der Behandelbarkeit einer psychischen Erkrankung ist zur Überzeugung des Senats vielmehr für die Frage, ob eine quantitative Leistungsreduzierung tatsächlich vorliegt, nicht maßgeblich, sondern allein für die Befristung und Dauer einer Rente von Bedeutung (Senatsurteil vom 23.06.2020 - L 9 R 1194/19 -, Juris). Unabhängig davon konnte sich der Senat auf Grundlage des Gutachtens von S2, des Umstandes, dass sie sich in keiner fachpsychiatrischen Behandlung befindet und der fehlenden Mitwirkung bei der Begutachtung im Berufungsverfahren nicht davon überzeugen, dass die Klägerin an einer sich auf das Leistungsvermögen rentenrechtlich relevant auswirkenden psychiatrischen Erkrankung leidet. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die überzeugenden Ausführungen des SG.

Soweit aufgrund des Pflegegutachtens vom 18.05.2020, das durch eine Pflegekraft erstellt worden ist, ein Pflegegrad 4 seit dem 01.04.2020 festgestellt worden ist, begründet dies ebenfalls keine andere Beurteilung. Denn die Beurteilung nach dem Recht der Pflegeversicherung hat für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit im Rahmen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung keine anspruchsbegründende Bedeutung und die Voraussetzungen für die Beurteilung des Pflegegrades unterscheiden sich maßgeblich von jenen für die Beurteilung einer Erwerbsminderung (Senatsurteil vom 21.09.2021 - L 9 R 3676/20 -, n.v.; zur Feststellung des Grades der Behinderung vgl. BSG, Beschluss vom 10.07.2018 - B 13 R 64/18 B -, Juris). Im Übrigen ist das Gutachten des MDK Baden-Württemberg vom 18.05.2020 allein aufgrund der Angaben der Klägerin nach Aktenlage und telefonischer Rücksprache erfolgt, ohne dass eine Objektivierung der vorgetragenen Beschwerden erfolgt wäre. Es wurde davon ausgegangen, dass die Angaben der Versicherten wahrheitsgemäß erfolgten. Eine Untersuchung der Klägerin ist nicht erfolgt, so dass, unabhängig davon, dass ein Rückschluss vom Pflegegrad auf die Erwerbsfähigkeit ohnehin nicht zwingend ist, dem Pflegegutachten lediglich ein geringer Beweiswert zukommt. L weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass Objektivierungsversuche der durch die Klägerin vorgetragenen Beeinträchtigungen nicht erfolgt sind und durch die Gutachterin übertriebene Beschwerdeangaben, wie sie S2 nachvollziehbar und überzeugend dargelegt hat, überhaupt nicht in Betracht gezogen worden sind. Auch aus der Aussage der behandelnden Hausärztin G im Juni 2021 lässt sich eine Verschlechterung der gesundheitlichen Einschränkungen im Vergleich zur Begutachtung durch S2 nicht ableiten. Durch dessen Gutachten wurde die Leistungsfähigkeit der Klägerin, die auch nach Einschätzung der behandelnden Ärztin im Wesentlichen durch die „ausgeprägte psychische Komponente“ limitiert wird, auf diesem Fachgebiet umfangreich gewürdigt.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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