L 9 AS 2256/20 WA

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 2256/20 WA
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

1. Die Anträge des Klägers, den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht, den Richter am Landessozialgericht und die Richterin am Landessozialgericht wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, werden als unzulässig verworfen.

2. Die Anhörungsrügen des Klägers gegen die Beschlüsse des Senats vom 17. Juli 2020 bezogen auf die Verwerfung von Ablehnungsgesuchen in den Verfahren L 9 SF 1511/20 AB und L 9 SF 1512/20 AB werden als unzulässig verworfen.

3. Die Anhörungsrügen des Klägers gegen die Beschlüsse des Senats vom 20. Juli 2020 bezogen auf die Verwerfung von Wiederaufnahmeverfahren und Feststellung von Aktenzeichen werden als unzulässig verworfen.

4. Die Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss des Senats vom 30. Juni 2020 – L 9 SF 1510/20 AB – wird als unzulässig verworfen.

5. Die Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss des Senats vom 20. Juli 2020 bezogen auf Anträge wegen der Besorgnis der Befangenheit wird als unzulässig verworfen.

6. Die Anträge des Klägers auf Feststellung der Nichtigkeit oder der Feststellung der Unwirksamkeit der Beschlüsse des Senats vom 17. April 2018, der Beschlüsse vom 3. Dezember 2019, der Beschlüsse vom 26. März 2020, der Beschlüsse vom 2. April 2020, des Beschlusses vom 30. Juni 2020 und der Beschlüsse vom 20. Juli 2020 werden als unzulässig verworfen.

7. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Gegenstand des Verfahrens sind Anträge des Klägers in dessen Schreiben vom 15.07.2020, 20.07.2020, 21.07.2020, 22.07.2020 und 24.07.2020, mit denen er erneut die an den Urteilen des Senats vom 17.04.2018 beteiligten Berufsrichter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und u. a. Anhörungsrügen und Wiederaufnahmeverfahren nach § 179 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bezogen auf Beschlüsse des Senats vom 20.07.2020 in den Verfahren L 9 AS 458/20 WA, L 9 AS 459/20 WA, L 9 AS 460/20 WA, L 9 AS 461/20 WA, L 9 AS 1270/20 RG, L 9 AS 1271/20 RG, L 9 AS 1506/20 WA, L 9 AS 1507/20 WA, L 9 AS 1508/20 WA, L 9 AS 1509/20 WA, L 9 AS 2029/20 WA, L 9 AS 2030/20 WA, L 9 AS 1485/20, L 9 SF 1511/20 AB, L 9 SF 1512/20 AB erhoben hat, die hier unter dem Aktenzeichen L 9 AS 2303/20 RG geführt werden. Ferner hat der Kläger mit Schreiben vom 15.07.2020 die Nichtigkeit des Beschlusses des Senats vom 30.06.2020 geltend gemacht. In diesem Verfahren (L 9 SF 1510/20 AB) hat der Senat den Antrag des Klägers, die genannten Berufsrichter des Senats wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, als unzulässig verworfen. Dieses Verfahren wird unter dem Aktenzeichen L 9 AS 2256/20 WA geführt. Darüber hinaus hat der Kläger mit Schreiben vom 21.07.2020 die Nichtigkeit des den Antrag im Schreiben vom 15.07.2020 als unzulässig verwerfenden Beschlusses vom 20.07.2020 geltend gemacht, mit welchem der Senat den weiteren Befangenheitsantrag des Klägers gegen die Berufsrichter des Senats verworfen hat und welches unter dem Aktenzeichen L 9 AS 2321/20 WA geführt wird.

Wegen des Inhalts wird auf diese Schreiben des Klägers Bezug genommen und im Übrigen auf die Gründe zu I in den genannten Wiederaufnahmeverfahren sowie auf die ausführliche Darstellung des Verfahrensverlaufs in den Tatbeständen der Urteile des Senats vom 21.07.2020 (L 9 AS 3178/19 ZVW und L 9 AS 3179/19 ZVW).

II.

Die gestellten Anträge waren als unzulässig zu verwerfen.

Eine Anhörung zur beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss war nicht erforderlich, da dem Kläger die Rechtsauffassung des Senats sowohl bezogen auf das Verfahren als auch hinsichtlich der Statthaftigkeit der Anträge bereits aus der Aufklärungsverfügung vom 01.07.2020 und den Beschlüssen vom 20.07.2020 bekannt ist und der Kläger seine Begehren erschöpfend mit den bereits genannten Schreiben begründet hat. Einer Anhörung vor Erlass dieser Entscheidung käme daher nur einer bloßen Förmelei gleich.

Zu 1.: Der Senat konnte in der genannten Besetzung auch über die erneut gestellten Anträge entscheiden, die Berufsrichter des Senats wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, weil auch diese Anträge rechtsmissbräuchlich sind, nachdem der Senat, wie in den Entscheidungsgründen der Urteile vom 21.07.2020 (L 9 AS 3178/19 ZVW und L 9 AS 3179/19 ZVW) ausgeführt, die betroffenen Richter zwischenzeitlich nunmehr zum sechsten Mal wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat, ohne dass ein objektiver Grund dargetan wurde, der eine Voreingenommenheit oder Willkür in der Behandlung der Eingaben des Klägers nachvollziehbar macht. Die Frage, ob der Senat berechtigt war, im Beschluss vom 30.06.2020 im Wege der Selbstentscheidung zu entscheiden, kann dahinstehen. Die Selbstentscheidung rechtfertigt im Kontext der Vielzahl von Eingaben des Klägers – der jede Verfahrenshandlung und jede seiner Auffassung nach nicht rechtzeitig erfolgte Verfahrenshandlung von Mitgliedern des Senats und dessen Vertreter mit Anträgen wegen der Besorgnis der Befangenheit beantwortet (vgl. die ausführliche Darstellung in den Urteilen des Senats vom 21.07.2020) – nicht die Besorgnis der Befangenheit. Denn es geht dem Kläger mit den gestellten Anträgen (die er zudem wiederum mit angeblichen Versäumnissen im Verfahrensablauf zu begründen versucht), ganz offensichtlich auch nach Abschluss der Hauptsacheverfahren (Urteile vom 21.07.2020) allein um den Ausschluss ihm nicht genehmer Richter.

Zu 2.: Die Anhörungsrügen des Klägers mit Schreiben vom 22.07.2020 gegen die Beschlüsse des Senats bezogen auf die Verfahren L 9 SF 1511/20 AB und L 9 SF 1512/20 AB, die abweichend von den Angaben des Klägers nicht am 20.07.2020, sondern am 17.07.2020 ergangen sind und die sich auf Ablehnungsgesuche beziehen, die von Vertretern des Senats verbeschieden wurden, waren als unzulässig zu verwerfen, da der Kläger die Entscheidungserheblichkeit einer Gehörsverletzung nicht hinreichend dargetan hat.

Nach § 178a Abs. 2 Satz 5 SGG muss die Rüge das Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG darlegen. Die Erfüllung des Darlegungserfordernisses ist Zulässigkeitsvoraussetzung (MKLS/Leitherer, 13. Aufl. 2020, SGG § 178a Rn. 6a, m.w.N.). Soweit der Kläger insbesondere in seinem Schreiben vom 24.07.2020 darauf verweist, dass den Beschlüssen vom 20.07.2020 ein (weiterer) Beschluss vom 20.07.2020 vorangegangen sei, in dem unter Mitwirkung der abgelehnten Richter Ablehnungsgesuche des Klägers vom 15.07.2020 verworfen worden seien, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Senat von den Befangenheitsanträgen erst am Nachmittag des 20.07.2020, als die Beschlüsse bereits zur Post aufgegeben waren, Kenntnis erlangte. Ferner begründet sich hieraus gerade keine Gehörsverletzung, denn § 178a SGG findet keine Anwendung auf andere Verfahrensfehler als Gehörsverstöße, auch nicht auf Verstöße gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz, vgl. BFHE 217, 230), die der Kläger damit konkludent geltend macht; denn der Gesetzgeber hat mit dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut die Möglichkeit der Selbstkorrektur des Gerichts auf die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beschränkt und eine Rüge der Verletzung sonstiger Verfahrensgrundrechte oder Verfahrensfehler bewusst ausgeklammert erfasst (MKLS/Leitherer, 13. Aufl. 2020, SGG § 178a Rn. 5a).

Bezogen auf die am 16.07.2020 eingegangenen Schreiben ist ein Gehörsverstoß darüber hinaus in Bezug auf die beiden genannten Verfahren nicht ersichtlich. Der Kläger verliert sich in seinen Schreiben vielmehr auch in diesen Verfahren in der Wiederholung der Prozessgeschichte, um dann Anträge nach § 55 SGG zu konstruieren und die eigene Rechtsauffassung zu untermauern, aber ohne den Gehörsverstoß konkret zu benennen und schlüssig darzulegen, weshalb ein behaupteter Gehörsverstoß bezogen auf die konkreten Verfahren rechtserheblich gewesen ist. Insoweit ist lediglich zu konstatieren, dass der Kläger aufgrund der Anhörung mit Schreiben des Berichterstatters vom 01.07.2020 (das dem Kläger am 02.07.2020 zugestellt wurde) Gelegenheit hatte, zu den beabsichtigten Entscheidungen Stellung zu nehmen und ein Gehörsverstoß lediglich in der vor Entscheidung mangelnden Kenntnisnahme vom Posteingang am 16.07.2020 liegen könnte, nachdem der Senat von den am 16.07.2020 eingegangenen Schreiben vor Erlass der Beschlüsse keine Kenntnis hatte, und das Organisationsverschulden des Gerichts (die mangelnde Weiterleitung nicht zur Dienstaufsichtsbeschwerde gehörender Schreiben des Klägers an den Senat) dem Senat auch zuzurechnen gewesen ist. Da nach § 178a SGG eine Anhörungsrüge aber nur dann erfolgreich ist, wenn die Gehörsverletzung entscheidungserheblich ist, fehlt es darüber hinaus an der Darlegung, inwieweit die am 16.07.2020 vor Erlass der Entscheidungen eingegangenen Schreiben bzw. deren Begründung zu einer anderen Beurteilung hätten führen können, nachdem der Senat die Anträge gegen die nach dem Geschäftsverteilungsplan zur Entscheidung über Befangenheitsanträge berufenen Richter des Landessozialgerichts als gegenstandslos angesehen hatte. Mit Beschluss vom 20.07.2020 hat der Senat den gegen die Mitglieder des Senats erneut und umfassend gestellten Befangenheitsantrag als rechtsmissbräuchlich und damit als unzulässig verworfen.

Zu 3. Die Anhörungsrügen des Klägers gegen die Beschlüsse des Senats vom 20.07.2020 bezogen auf die Verwerfung von Wiederaufnahmeverfahren und Feststellung von Aktenzeichen waren aus den Gründen zu 2. ebenfalls als unzulässig zu verwerfen, nachdem der Kläger auch in diesen Verfahren mit Verfügung des Berichterstatters vom 01.07.2020 zur beabsichtigten Entscheidung angehört worden war.

Zu 4.: Der Antrag vom 15.07.2020, den Beschluss vom 30.06.2020 für nichtig zu erklären, soweit dieser bezogen auf weitere Anträge in diesem Schreiben nicht bereits in den Entscheidungsgründen der beiden Urteile vom 21.07.2020 verbeschieden ist (Aufklärungsverfügung, Terminsverlegung), ist nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen gewesen. Der Senat verweist insoweit auf die Begründung in dem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 20.07.2020 (L 9 AS 458/20 WA) sowie die weiteren an diesem Tag erlassenen Beschlüsse des Senats, die sich mit Wiederaufnahmeanträgen des Klägers bezogen auf rechtskräftig verbeschiedene Befangenheitsanträge auseinandersetzen. Soweit der Kläger mit seinem Wiederaufnahmebegehren vom 15.07.2020 auch eine Anhörungsrüge erhoben haben will, hat der Senat diese Anhörungsrüge in den Urteilen vom 21.07.2020 als unzulässig, weil verfristet angesehen. Insoweit wird auf diese Ausführungen verwiesen.

Zu 5.: Die Nichtigkeitsklage mit Schreiben vom 21.07.2020 gegen den Beschluss des Senats vom 20.07.2020 (Ablehnung von Befangenheitsgesuchen) war als unzulässig zu verwerfen, da dieser Antrag nicht statthaft ist, was der Senat in den Beschlüssen vom 20.07.2020 zu den anhängig gewesenen Wiederaufnahmeverfahren (L 9 AS 458/20 WA, L 9 AS 459/20 WA, L 9 AS 460/20 WA, L 9 AS 461/20 WA, L 9 AS 1506/20 WA, L 9 AS 1507/20 WA, L 9 AS 1508/20 WA, L 9 AS 1509/20 WA, L 9 AS 2029/20 WA, L 9 AS 2030/20 WA) dargelegt hat.

Zu 6. Die Unzulässigkeit der Anträge auf Feststellung der Nichtigkeit oder Unwirksamkeit der Beschlüsse vom 17.04.2018, der Beschlüsse vom 03.12.2019, der Beschlüsse vom 26.03.2020, der Beschlüsse vom 02.04. 2020, des Beschlusses vom 30.06.2020 und der Beschlüsse vom 20.07.2020, soweit sie sich nicht schon mit den Anträgen nach Nr. 1 bis 4 überschneiden, ergibt sich aus den vorgenannten Gründen, aus den Ausführungen in den genannten Beschlüssen und in den Urteilen vom 21.07.2020 (L 9 AS 3178/19 ZVW und L 9 AS 3179/19 ZVW) und aus der Unanfechtbarkeit und Rechtskraft der Beschlüsse vom 20.07.2020 in den Verfahren L 9 AS 458/20 WA, L 9 AS 459/20 WA, L 9 AS 460/20 WA, L 9 AS 461/20 WA, L 9 AS 1270/20 RG, L 9 AS 1271/20 RG, L 9 AS 1506/20 WA, L 9 AS 1507/20 WA, L 9 AS 1508/20 WA, L 9 AS 1509/20 WA, L 9 AS 2029/20 WA, L 9 AS 2030/20 WA, , L 9 AS 1888/20 RG, L 9 AS 1889/20 RG, L 9 SF 1510/20 AB, L 9 SF 1511/20 AB, L 9 SF 1512/20 AB.

Soweit der Kläger die Nichtigkeit der die Befangenheit verschiedener Spruchkörper zurückweisenden Entscheidungen mit Anträgen nach § 54 und § 55 SGG begründen will, die im Übrigen nur den prozessualen Rahmen für Ansprüche im Verhältnis des Versicherten/Leistungsempfängers zum Versicherungsträger bilden, und hilfsweise die Feststellung der Unwirksamkeit der Beschlüsse geltend macht, sind diese keine im Rahmen des § 179 SGG und § 578 ZPO bzw. § 579 ZPO zu berücksichtigende Gründe, weshalb auf diese auch nicht näher eingegangen werden muss. Hierauf gestützte Klagen wären unzulässig.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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