L 13 AS 980/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 3049/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 980/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. März 2019 aufgehoben, soweit der Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 3. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2017 verurteilt wurde, den Klägerinnen für den Zeitraum 1. Juli 2017 bis 31. Oktober 2017 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren und die Klage insoweit abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Der Beklagte hat 1/3 der außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.

 

 

Tatbestand

Umstritten ist die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Zeit vom 1. Juli 2017 bis 31. Oktober 2017.

Die Klägerin 1.) und ihre 2016 geborene Tochter A (Klägerin 2.) bezogen seit Dezember 2016 beim Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Sie bewohnten ein im Eigentum der Eltern der Klägerin 1.) stehendes Haus mit einer Wohnfläche von 125 m², für das laut Mietvertrag vom 25. April 2016 (Mietbeginn 1. Mai 2016) eine Grundmiete in Höhe von 1.000 € sowie Neben- und Heizkosten in Höhe von 450 € (nach der Anlage KDU Heizkostenvorauszahlung 164 €, Nebenkostenvorauszahlung 164 €, Haushaltsstrom 122 €) anfielen. Bis November 2016 wohnte dort auch der Vater der Klägerin 2.), der die Mietkosten übernommen hatte, die über den von der Klägerin 1.) bis dahin übernommenen Mietanteil von monatlich 600 € hinausgingen.

Die Klägerin 1.) erhielt ab 2. September 2016 bis 1. November 2017 Elterngeld (ab 2. November 2016 in Höhe von 1.121,05 €). Ferner erzielte sie Kindergeld in Höhe von 192 € sowie Kindesunterhalt ab Oktober 2016 in Höhe von monatlich 250 € bis 281 €.

Mit Schreiben vom 28. Dezember 2016 teilte der Beklagte der Klägerin 1.) mit, die Miete sei zu hoch. Angemessen sei für zwei Personen eine Grundmiete von 422 €. Die tatsächlichen Neben- und Heizkosten könnten ebenfalls nur in angemessenem Umfang von insgesamt 157,80  € (Heizkostenvorauszahlung 85,80 €, Nebenkostenvorauszahlung 72 €) berücksichtigt werden. Die Kosten für Haushaltsstrom seien vom Regelbedarf mitumfasst. Nach Ablauf der Übergangsfrist könnten ab 1. Juni 2017 (gemeint 1. Juli 2017) nur noch die angemessene Grundmiete sowie die angemessenen Neben- und Heizkosten berücksichtigt werden. Die Klägerin 1.) wurde zur Kostensenkung durch Umzug in eine preisgünstigere Wohnung, durch Untervermietung, durch wirtschaftlichen Umgang mit Verbrauchsgütern oder auf andere Weise aufgefordert.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 21. April 2017 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 11. Mai 2017 (später als Bescheid vom 12. Mai 2017 bezeichnet) Leistungen für die Zeit vom 1. Juni 2017 bis 30. November 2017. Ab 1. Juli 2017 würden nur noch die angemessenen Höchstbeträge für zwei Personen bei der Berechnung des Leistungsanspruchs berücksichtigt. Für Juni 2017 wurden 827,19 €, für Juli bis Oktober 2017 monatlich 78,99 € und für November 2017 900,04 € bewilligt. Ab Juli 2017 wurden für KdU eine Grundmiete in Höhe von 422 € sowie Heizkosten in Höhe von 85,80 € und Nebenkosten in Höhe von 72 € zugrunde gelegt.

Mit Bescheiden vom 31. Mai 2017 hob der Beklagte den Bescheid vom 12. Mai 2017 wegen einer einmaligen Gutschrift des Finanzamts in Höhe von 966,11 € am 18. Mai 2017, die vom 1. Juni bis 30. November 2017 in Höhe von monatlich 161,01 € als Einkommen angerechnet wurde, für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Oktober 2017 ganz sowie für den Monat November 2017 teilweise auf und bewilligte nunmehr für November 2017 Leistungen in Höhe von 769,03 €. Am 26. Juni 2017 legte die Klägerin 1.) Widerspruch bezüglich der Mietkürzung ab 1. Juli 2017 ein. Sie legte ein Schreiben der Vermieterin vom 20. Mai 2017 vor, wonach die beantragte Mietminderung nicht möglich sei. Bei anderweitiger Vermietung wäre die angemessene Kaltmiete 1.400 €, so dass sie der Klägerin 1.) bereits mit einer reduzierten Kaltmiete von 1.000  € entgegengekommen sei, weil sie ihre Tochter sei und gerade kein volles Gehalt erziele. Sie sei auf die Mieteinnahmen zur Rückzahlung eines Hauskredits, der sogar höher sei als die Mieteinnahmen, angewiesen. Einer Untervermietung stimme sie aufgrund der offenen Wohnräume und weil es nur ein Badezimmer gebe, nicht zu. Ferner legte die Klägerin Kopien von Zeitungsanzeigen mit als in Frage kommend gekennzeichneten Wohnungsanzeigen für die Zeit ab 7. April 2017 vor.

Der Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin 1.) vom 26. Juni 2017, den er als Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. Mai 2017 interpretierte, mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2017 zurück. Gleichzeitig wertete der Beklagte den Widerspruch als Überprüfungsantrag und nahm daraufhin den Bescheid vom 31. Mai 2017 mit Bescheid vom 3. Juli 2017 zurück und bewilligte nunmehr Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von Juli bis Oktober 2017 in Höhe von monatlich 31,78 €. Dabei berücksichtigte der Beklagte ab 1. Juli 2017 gemäß § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) eine Referenzmiete in Höhe von 578,60 € (Kaltmiete inklusive Kaltnebenkosten) und Heizkosten nach dem Bundesheizkostenspiegel in Höhe von 115 €.

Dagegen legte die Klägerin 1.) Widerspruch ein. Sie habe täglich alles in ihrer Macht stehende versucht, bei verschiedenen Stellen um Hilfe gefragt (Diakonisches Werk, Pro Familia), einen Wohnberechtigungsschein beantragt und sich bei der V angemeldet. Des Weiteren suche sie weiterhin - bislang ohne Erfolg - im Internet und in Zeitungen nach Wohnungen und frage im Freundes- und Familienkreis nach. Sie verwies auf die im Rahmen des Widerspruchs vom 26. Juni 2017 vorgelegten Zeitungsanzeigen. Nachweise weiterer Zeitungsannoncen für die Zeit vom 27. Juni bis 18. Juli 2017 könne sie wegen ihrer Abwesenheit (Mutter-Kind-Kur) nicht vorlegen. Ihre eigene Annonce sei jeweils zweimal erschienen, die tägliche Suche im Internet könne sie nicht schriftlich nachweisen. Der Beklagte könne sich bezüglich der Bemühungen im Familienheim und bezüglich der versuchten Kürzung der bisherigen Miete telefonisch überzeugen.

Mit Änderungsbescheid vom 17. August 2017 bewilligte der Beklagte für November 2017 Leistungen in Höhe von 882,83 € und berücksichtigte KdU in derselben Höhe.

Mit weiterem Änderungsbescheid vom 17. August 2017 bewilligte der Beklagte unverändert Leistungen für September 2017 in Höhe von 31,78 € und gewährte eine einmalige Beihilfe für Babyerstausstattung in Höhe von 141 €.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2017 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 3. Juli 2017 zurück. Es lägen keine Gründe vor, warum über den abgelaufenen Sechs-Monats-Zeitraum des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II hinaus ein höherer Anspruch auf Leistungen für KdU als die abstrakt angemessenen Beträge bestehen sollte. Es sei ein Umzug innerhalb des Vergleichsraums des Landkreises K möglich und zumutbar. Der Beklagte sei weder davon überzeugt, dass kein angemessener Wohnraum zu finden sei, noch dass sonstige Gründe einem Umzug entgegenstünden. Darüber hinaus habe die Klägerin 1.) in Kenntnis der Unterdeckung ab Juli 2017 erst jetzt Anstrengungen erkennen lassen, sich tatsächlich um günstigeren Wohnraum zu bemühen. Ein Wohnberechtigungsschein sei erst im Juli 2017 beantragt worden und eine Bewerbung bei der V erst im August 2017 erfolgt.

Dagegen hat die Klägerin 1.), sinngemäß (aufgrund der Bezugnahme auf die geltend gemachte Übernahme der vollständigen KdU) auch im Namen der Klägerin 2.), am 6. September 2017 zur Niederschrift Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie sei auf der Suche nach einer Wohnung, was aber bei der aktuellen Wohnungssituation nicht so einfach sei. Die Klägerinnen haben die Übernahme der vollständigen KdU bis zur Anmietung einer anderen Wohnung geltend gemacht und im weiteren Verlauf des Klageverfahrens klargestellt, die Klage beziehe sich auf den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Oktober 2017; bezüglich des Zeitraums vom 1. bis 30. November 2017 werde eine Untätigkeitsklage erhoben, weil der angefochtene Widerspruchsbescheid vom 28. August 2017 darüber keine Entscheidung treffe.

Der angefochtene Bescheid vom 3. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2017 sei bereits formal rechtswidrig, weil nicht erwähnt worden sei, ob der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) befürwortete Sicherheitszuschlag von 10% berücksichtigt worden sei. Die angefochtene Entscheidung sei auch materiell-rechtlich rechtswidrig, weil der Beklagte die konkrete Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nicht – wie vom BSG gefordert – unter Zugrundelegung der sogenannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren geprüft habe und darüber hinaus in den Bescheiden vom 11. Mai 2017 und vom 3. Juli 2017 völlig andere Werte ab 1. Juli 2017 als angemessen bezeichnet worden seien. Dies entspreche nicht der Rechtsprechung des BSG, wonach die angemessene Miete in einem nachvollziehbaren Verfahren zu bewerten sei.

Im Bescheid vom 3. Juli 2017 werde sofort ohne jegliche Bewertung der konkreten oder abstrakten Angemessenheitskriterien auf das Wohngeldgesetz abgestellt, ohne den Wohnungsmarkt zu sondieren und zu prüfen, ob in der konkreten Situation der Klägerinnen zu dem für angemessen erachteten Preissegment überhaupt adäquater Wohnraum zur Verfügung stehe. Es lägen zur ausführlichen Dokumentation der Kostensenkungsbemühungen der Klägerin 1.) umfangreiche Kopien des örtlichen Wohnungsmarktes vor, wobei die Wohnungen nicht zu erlangen gewesen seien. Die Klägerin 1.) habe sogar eine eigene Anzeige geschaltet, bei der V vorgesprochen und einen allgemeinen Wohnberechtigungsschein beantragt. Die Vermieterin habe sich gegen eine Untervermietung bzw. sonstige Mietreduzierung ausgesprochen. Sei keine konkret anmietbare Wohnung vorhanden, erwiesen sich die tatsächlichen Mietkosten als nach wie vor angemessen und seien vom Beklagten ohne Berücksichtigung der Pauschalen des Wohngeldgesetzes, das ohnehin nur herangezogen werden könne, wenn der Beklagte darlege, dass ein schlüssiges Konzept nicht möglich sei, zu übernehmen.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen. Auch die Untätigkeitsklage sei abzuweisen. Der Widerspruch vom 23. Juni 2017 (eingegangen am 26. Juni 2017) habe sich gegen den Bescheid vom 11. Mai 2017 gerichtet und sei verfristet gewesen, worauf die Klägerin 1.) hingewiesen worden sei. Der Widerspruchsbescheid sei auf Bitten der Klägerin 1.) wegen der anstehenden Mutter-Kind-Kur möglichst spät erlassen worden, damit die Klagefrist nicht versäumt werde. Die am 20. Juli 2017 erhobene Klage (S 9 AS 2470/17) sei am 7. August 2017 wieder zurückgenommen worden. Von einer Untätigkeit könne keine Rede sein.

Das SG hat am 8. Februar 2018 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt. In diesem Termin wurde eine aktuelle Dokumentation der Wohnungssuche durch die Klägerin 1.) angekündigt. Diesbezüglich wird auf das Protokoll des Erörterungstermins verwiesen.

Die Klägerin 1.) hat daraufhin eine Auflistung ihrer Bemühungen um eine andere Wohnung in der Zeit von Dezember 2016 bis aktuell vorgelegt. Sie habe bislang nur Absagen erhalten, vielfach wegen ihrer Tochter bzw. den drei Katzen. Sie habe sich auch bei verschiedenen Institutionen gemeldet (z.B. Diakonisches Werk, Rathaus der Stadt K, Familienheim K) und Aufrufe bei Facebook geschaltet, bei der V und Pro Familia vorgesprochen, jedoch ohne Erfolg. Bei der V sei von einer Wartezeit von zwei bis drei Jahren gesprochen worden. Sie habe auch selbst – erfolglos - Wohnungsanzeigen aufgegeben, zweimal im B Tagblatt und zweimal im WO. Im gesamten Suchbereich von D bis S sei kein Wohnraum in dem vom Beklagten befürworteten Segment zu erlangen gewesen. Die Vermieter hätten jetzt bis zum Ende der Elternzeit einer teilweisen Untervermietung zugestimmt, weshalb sie jetzt Untermieter suche, um die Mietkosten zu reduzieren.

Es müsse angesichts der prekären Wohnungssituation in K und im Hinblick auf die Dokumentation der Suchbemühungen als fraglich angesehen werden, ob für die Klägerinnen günstigerer Wohnraum zu erlangen sei. Ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des BSG sei nicht vorhanden. Da in der Kostensenkungsaufforderung von Beträgen die Rede sei, die nach der Rechtsprechung des BSG nicht als nachvollziehbar angesehen werden könnten, stelle sich ohnehin die Frage, ob überhaupt eine wirksame Kostensenkungsaufforderung vorliege.

Einen Vergleichsvorschlag des Gerichts, wonach der Beklagte die tatsächlichen KdU für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Oktober 2017 zu übernehmen und einen Widerspruchsbescheid für den Bewilligungsabschnitt November 2017 zu erlassen hätte, hat der Beklagte abgelehnt. Es komme nicht darauf an, ob ein schlüssiges Konzept vorliege. Wenn ein solches nicht existiere, werde die Angemessenheitsgrenze unter Rückgriff auf die Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz ermittelt, welche die zu übernehmenden Kosten nach oben begrenze. Da es sich bei diesen Tabellenwerten um Durchschnittswerte handele, werde zu dem Tabellenwert ein sogenannter Sicherheitszuschlag in Höhe von 10 % addiert. Eine Kostensenkung sei subjektiv zumutbar gewesen. Von der Klägerin 1.) sei weder vorgetragen worden noch sei ersichtlich, dass gerade die vom Beklagten zunächst angegebenen niedrigeren Werte ursächlich dafür gewesen wären, dass sie keine neue Wohnung gefunden habe und die Suche nach einer neuen Wohnung sei auch weder aus persönlichen noch aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar gewesen. Er könne im Dezember 2018 nicht mehr feststellen, ob angemessener Wohnraum im streitgegenständlichen Zeitraum ab Juli 2017 zur Verfügung gestanden habe.

Die Klägerinnen haben ergänzend vorgetragen, bei Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzepts müsse nicht unweigerlich auf die Tabelle des Wohngeldgesetzes zurückgegriffen werden. Vielmehr müssten unzulängliche Feststellungen zu den angemessenen Unterkunftskosten nachgebessert werden bzw. dargelegt werden, warum Ermittlungen für den vergangenen Zeitraum nicht möglich seien. Zuvor müsse hier aber die Frage geklärt werden, ob eine Verminderung der Wohnkosten möglich und zumutbar gewesen sei, wobei die entsprechenden Versuche aufgrund des sehr angespannten Wohnungsmarktes in K eben erfolglos geblieben seien. Eine ordnungsgemäße Mitteilung des Beklagten hinsichtlich des im Raume stehenden und von ihm zu übernehmenden Mietpreises sei zwingend notwendig, um adäquat suchen zu können. Im vorliegenden Verfahren sei völlig offen, welche Miete überhaupt als angemessene Miete zu bewerten sei, weshalb sie im Preissegment von 422 € bis 550 € Kaltmiete intensiv suche. Jedoch seien die Mietpreise in der Stadt K und Umgebung sehr hoch, so dass schon bei vielen 1- Zimmer-Wohnungen höhere Mieten als 422 € kalt verlangt würden, bei den 2-Zimmer-Wohnungen erfüllten vielleicht 20% die o.g. Preisspanne, jedoch wollten mindestens 50% der Vermieter keine Haustiere, 15% keine Kleinkinder und der Rest habe sehr genaue Vorstellungen, welche Mieter sie begehrten. Ferner hat die Klägerin 1.) ausführlich ihre negativen Erfahrungen bei der Wohnungssuche geschildert. Sie habe selbst ein großes Interesse daran, die Wohnung zu wechseln, weil sie von einem Nachbarn tyrannisiert werde. Es könne davon ausgegangen werden, dass es keine Mietwohnung zu dem vom Beklagten befürworteten Preissegment gebe, so dass die tatsächliche Miete als angemessene Miete in die Bedarfsberechnung eingestellt werden müsse. Nur dann, wenn man davon ausgehe, dass tatsächlich Wohnungen im o.g. Preissegment vorhanden seien, komme man zur Frage, ob evtl. die Suchfrist zu verlängern oder eine fehlerhafte Angabe des Mietpreises anzunehmen sei. Es gebe weder im Bereich des ursprünglich befürworteten Mietpreises noch unter Berücksichtigung der höheren Werte des Wohngeldgesetzes adäquaten Wohnraum.

In der mündlichen Verhandlung am 13. März 2019 hat die Klägerin 1.) u.a. angegeben, der Bescheid vom 31. Mai 2017 sei Anlass für den Widerspruch vom 26. Juni 2017 gewesen. Sie habe anfangs Wohnungen im Preissegment 422 € gesucht, seit 2018 sei sie bis 550 € hochgegangen. Sie habe im Raum K (N, H, N1, R, alles Mögliche um und in K), E und R1 gesucht.

Der in der mündlichen Verhandlung vernommene Zeuge F hat bestätigt, dass er die Klägerin 1.) 2017 bei der Wohnungssuche begleitet habe bzw. an mehreren Wochenenden bei den Wohnungsbesichtigungen dabei gewesen sei. Viele Wohnungen seien aufgrund diverser Mängel nicht annehmbar gewesen. Die Wohnungssuche sei sehr schwierig. Er sei bei etwa acht bis zehn Besichtigungen dabei gewesen, habe sich aber nichts aufgeschrieben und könne nicht sagen, ob die Klägerin 1.) auch unter der Woche Wohnungsbesichtigungen durchgeführt habe.

Mit Urteil vom 13. März 2019 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 3. Juli 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2017 verurteilt, den Klägerinnen für den Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis 31. Oktober 2017 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren sowie über den Widerspruch der Klägerinnen vom 26. Juni 2017 gegen den Verwaltungsakt vom 31. Mai 2017 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 17. August 2017 zu entscheiden.

Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die tatsächlichen KdU in Höhe von 1.328 € überstiegen die abstrakt angemessenen KdU zwar bei weitem, seien im vorliegenden Fall aber konkret angemessen und daher als Bedarf anzuerkennen. Die Kostensenkung durch Wohnungswechsel sei den Klägerinnen objektiv unmöglich gewesen. Sie hätten nachvollziehbar dargelegt, dass kostengünstigere Wohnungen nicht angeboten worden seien, nicht zumutbar oder für sie nicht verfügbar gewesen seien. Die Klägerinnen seien bei ihrer Suche durch die fälschliche Bezeichnung der als angemessen erachteten KdU wesentlich eingeschränkt gewesen. Die fälschliche Bezeichnung der als angemessen erachteten KdU erscheine dann als eine wesentliche Einschränkung in der Suche, wenn mehr als zwei Mietenstufen nach der Tabelle zu § 12 Abs. 1 WoGG unterschritten werden sollten, weil die Suche nach einer Alternativwohnung zu einem um zwei Mietstufen geringeren Mietzins objektiv unmöglich sei. Im konkreten Fall seien die Klägerinnen in der Suche nach einer Alternativwohnung zu einem um 156,60 € geringeren Mietzins wesentlich eingeschränkt gewesen. Der Absturz von 578,60 € auf 422 € sei vergleichbar mit einem Sprung in der Tabelle nach § 12 WoGG um mehr als zwei Mietenstufen nach unten, so dass die Klägerin zu 1.) dadurch statt der für R1 einschlägigen Mietenstufe IV quasi unter der Einschränkung der für weniger miettechnisch attraktive Gegenden einschlägigen Mietenstufe II ihre Suchbemühungen habe anstellen müssen. Sie habe sich bei ihren Suchbemühungen im Landkreis K an den Vorgaben der Kostensenkungsaufforderung, also an einer kalten Höchstmiete von 422 € orientiert, obwohl eine Kaltmiete von 578,60 € abstrakt angemessen gewesen wäre und habe als rechtsunkundige Naturperson auf den vom Beklagten vorgegebenen Richtwert vertrauen dürfen. Damit hänge die Bestimmung, ob die Suchbemühungen als ausreichend zu werten seien und ob sie wesentlich erschwert waren, von der vorgegebenen, angeblich angemessenen Miete von 422 € ab. Es könne damit dahingestellt bleiben, ob die Klägerseite hinreichend intensive Kostensenkungsbemühungen dargelegt habe, aus denen geschlossen werden könne, dass eine weitere Kostensenkung nicht möglich war. Dass es selbst nicht möglich gewesen sei, eine zwar über der angegebenen Angemessenheitsgrenze liegende, aber kostengünstigere Wohnung zu finden, werde dadurch belegt, dass die Klägerinnen trotz Suche von Mietwohnungen im Preissegment von 422 € bis 550 € Kaltmiete nicht fündig geworden seien. Die Klägerseite lege glaubhaft dar, dass sich die Wohnungssuche im konkreten Einzelfall derart schwierig gestalte, dass es als wahrscheinlich angesehen werden könne, dass Wohnungen mit einem Mietpreis bis zu 578,60 € kalt tatsächlich nicht für die Klägerinnen verfügbar gewesen seien, wobei der Umstand, dass die Klägerin 1.) eine alleinerziehende Mutter sei und drei bzw. jetzt zwei Katzen habe die Wohnungssuche nicht unerheblich erschwere und gerichtsbekannt sei, dass im Vergleichsraum K ein nahezu ausgetrocknetes Angebot an Mietwohnungen vorherrsche. Die materielle Beweislast liege somit beim Beklagten, der jedoch keinen entsprechenden Beweis geführt habe. Er könne nicht damit gehört werden, dass die vorgelegten Kostensenkungsbemühungen nicht ausreichend seien. Die Kostensenkungsaufforderung enthalte keine konkreten Vorgaben über den Umfang der Kostensenkungsbemühungen und der Beklagte habe die Klägerinnen nicht zeitnah darauf hingewiesen, unter welchen konkreten Voraussetzungen er von ausreichenden Kostensenkungsbemühungen ausgehe sowie habe den Klägerinnen für den maßgeblichen Zeitraum kein konkretes Wohnungsangebot unterbreitet.

Darüber hinaus seien andere Versuche, die KdU zu senken, erfolglos geblieben. Im streitigen Bewilligungsabschnitt habe die Vermieterin einer Untervermietung nicht zugestimmt. Es könne deshalb dahingestellt bleiben, ob der Beklagte den Klägerinnen eine wirksame Kostensenkungsaufforderung habe zukommen lassen. Da das tatsächliche Vorhandensein von Wohnungen für die Klägerinnen in dem vom Beklagten befürworteten Preissegment nicht dargelegt worden sei, brauche nicht weiter auf die Frage eingegangen werden, ob die Suchfrist evtl. zu verlängern sei.

Die Untätigkeitsklage sei in vollem Umfang begründet. Der Widerspruch vom 26. Juni 2017 habe sich expressis verbis auf die Mietkürzung ab dem 1. Juli 2017 bezogen und die Klägerin 1.) habe in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sie sich ausschließlich auf den Bewilligungsbescheid vom 31. Mai 2017 (Leistungsabschnitt Juni bis November 2017) bezogen habe. Der Beklagte sei im Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2017 davon ausgegangen, dass der Widerspruch verfristet gegen den Bescheid vom 11. Mai 2017 erhoben worden sei. Der Widerspruch hätte aber so ausgelegt werden müssen, dass er auch den Bescheid vom 31. Mai 2017 mitumfasst, der dann auch fristgerecht erhoben worden sei. Der Bescheid vom 31. Mai 2017 sei durch den Änderungsbescheid vom 17. August 2017 zwar aufgehoben worden, jedoch sei dieser gemäß § 86 SGG Teil des noch nicht abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens geworden.

Gegen das ihm am 15. März 2019 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 19. März 2019 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.

Die Klägerinnen hätten nicht nachgewiesen, dass eine ausreichende und kostengünstigere Wohnung im gesamten Vergleichsraum des Beklagten nicht zu finden gewesen wäre. Sie hätten ihre Suchbemühungen erst mit oder nach Ablauf des Sechs-Monats-Zeitraums begonnen und andererseits auch nicht den gesamten Vergleichsraum in Betracht gezogen, sondern nur einzelne isolierte große Kreisstädte wie R1 oder einzelne Gemeinden im Vergleichsraum. Die Klägerinnen seien bei ihrer Suche auch nicht durch die fälschliche Bezeichnung der als angemessen erachteten Kosten in der Kostensenkungsaufforderung wesentlich eingeschränkt gewesen. Sie hätten nämlich gar nicht erst mit den darin angegebenen Werten gesucht, sondern die Suche habe erst mit den im Widerspruchsbescheid vom 28. August 2017 angegebenen Werten nach dem Wohngeldgesetz begonnen. Zu diesen Werten sei es objektiv möglich, Wohnraum zu finden, was nicht zuletzt dadurch belegt werde, dass im Zuständigkeitsbereich des Beklagten monatlich ca. 40 sog. Wohnungsprüfungen stattfänden, d.h. Vorsprachen durch Leistungsempfänger, welche sich die Zustimmung zum Umzug durch den Leistungsträger einholten. Die Kostensenkungsaufforderung sei nicht zu beanstanden und der Beklagte halte auch kein Formular vor, in dem der Leistungsempfänger monatliche Angaben zu seinen Bemühungen um Wohnraum machen müsse. Die Ausführungen des SG, bei welchen Wohnungsbaugesellschaften der Beklagte hätte anfragen sollen oder Hinweis zur Leerstandsquote der V GmbH seien ebenfalls irrig, weil sich diese nur auf die Stadt K, aber nicht auf den Landkreis K bezögen.

Auch im Hinblick auf die Untätigkeitsklage könne der Widerspruch vom 26. Juni 2017 nicht so ausgelegt werden wie vom SG. Hierfür ergäben sich bei Betrachtung des Widerspruchsschreibens keinerlei Anhaltspunkte. Eine entsprechende „Richtigstellung“ in der mündlichen Verhandlung mache daraus keine Untätigkeit des Beklagten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. März 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie haben auf das angefochtene Urteil Bezug genommen und an ihrem Rechtsstandpunkt festgehalten. Die Beklagte habe auch nur bezüglich der Klägerin 1.) Berufung eingelegt.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung des Beklagten ist zulässig. Eine Beschränkung der Berufung im Hinblick auf die Ansprüche der Klägerin 1.) ist der Berufungsschrift nicht zu entnehmen, da der Beklagte das Urteil vom 13. März 2019 – trotz unvollständiger Wiedergabe des Rubrums - sinngemäß insgesamt angefochten hat.

Die Berufung ist auch überwiegend begründet. Die Klägerinnen haben im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis 31. Oktober 2017 keinen Anspruch auf Gewährung von höheren Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten.

Die Klägerinnen waren – wie das SG zutreffend unter Darlegung der einschlägigen Rechtsvorschriften (§§ 7, 9, 19, 28 SGB II) angenommen hat - im streitgegenständlichen Zeitraum leistungsberechtigt nach dem SGB II und hatten Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld II (Alg II).

Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden im Rahmen der Bewilligung von Alg II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs. 1 S. 3 SGB II).

Zur Bestimmung des anzuerkennenden Bedarfs für die Unterkunft ist von den tatsächlichen Aufwendungen auszugehen (BSG vom 22.September 2009 - B 4 AS 8/09 R - BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 24 <Staffelmiete>, Rn. 15 ff.). Will das Jobcenter nicht die tatsächlichen Aufwendungen als Bedarf anerkennen, weil es sie für unangemessen hoch hält, muss es grundsätzlich ein Kostensenkungsverfahren durchführen und der leistungsberechtigten Person den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang der Aufwendungen mitteilen (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II; so schon BSG vom 7. November2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2, Rn. 29; BSG, Urteil vom 15.Juni 2016 - B 4 AS 36/15 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 90).

Bei dem entscheidenden gesetzlichen Tatbestandsmerkmal "Angemessenheit" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff (stRspr: vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19 <München I>, Rn. 12; letztens BSG, Urteil vom 12. Dezember 2017 - B 4 AS 33/16 R - BSGE 125, 29 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 93 <Fortschreibung schlüssiges Konzept>, Rn.14), dessen Konkretisierung durch die Verwaltung grundsätzlich gerichtlich voll überprüfbar ist (vgl. nur Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 40 Rn. 147 ff., § 46 Rn. 63 ff., jeweils mwN; Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, K § 31 Rn. 100, Stand der Einzelkommentierung 12/2011).

Die Ermittlung des angemessenen Umfangs der Aufwendungen für die Unterkunft hat in zwei größeren Schritten zu erfolgen: Zunächst sind die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten (= Bruttokaltmiete), zu ermitteln; dann ist die konkrete (= subjektive) Angemessenheit dieser Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen, insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen, einschließlich eines Umzugs, zu prüfen (stRspr BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24 f; letztens BSG, Urteil vom 12. Dezember 2017 - B 4 AS 33/16 R - BSGE 125, 29 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 93 <Fortschreibung schlüssiges Konzept>, Rn. 14 ff; Berlit in LPK-SGB II, 6. Aufl. 2017, § 22 Rn.63 ff; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 Rn.70 ff., Stand der Einzelkommentierung 10/2012; Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, § 22 SGB II Rn. 33 ff., Stand der Einzelkommentierung 10/2016; Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 22 Rn. 73 ff.; Piepenstock in jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 22 Rn. 83 ff.; Šušnjar in Hohm, GK-SGB II, § 22 Rn. 80 ff., Stand der Einzelkommentierung 9/2017; Wieland in Estelmann, SGB II, § 22 Rn. 74 ff., Stand der Einzelkommentierung 10/2017).

Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen hat unter Anwendung der Produkttheorie ("Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis") in einem mehrstufigen Verfahren wie folgt zu erfolgen:(1) Bestimmung der (abstrakt) angemessenen Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte(n) Person(en), (2) Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards, (3) Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept (vgl. hierzu die vom BSG entwickelten Grundsätze, Urteil vom 22. September 2009 – B 4 AS 18/09 R, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R m.w.N.), (4) Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten.

Die umfassende Ermittlung der Daten sowie die Auswertung im Sinne der Erstellung eines schlüssigen Konzepts zur Ermittlung der Mietobergrenze ist Angelegenheit des Grundsicherungsträgers. Dieser muss im Rechtsstreit sein schlüssiges Konzept auf Aufforderung durch das Gericht vorlegen. Entscheidet der Grundsicherungsträger ohne ein schlüssiges Konzept, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 S 1 2. Halbs. SGG gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf. eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Liegen aber keine Ermittlungsergebnisse vor, brauchen insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume deshalb nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen nachträglich durchgeführt zu werden. Die Amtsermittlungspflicht der Tatsacheninstanzen ist in diesen Fällen begrenzt, sofern nachvollziehbare Darlegungen dazu erfolgen, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht entwickelt werden kann. Auch bei der Annahme eines Fehlens von Erkenntnismöglichkeiten und –mitteln nach Würdigung der Tatsacheninstanzen muss erkennbar sein, dass das Gericht bei dieser Feststellung die generellen Anforderungen für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts berücksichtigt hat. Erst wenn solche Feststellungen erfolgt sind, ist ein Rückgriff auf die Tabellenwerte des WoGG zu rechtfertigen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 87/12 R m.w.N.)

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte auf Nachfrage des Senats mitgeteilt, dass es für die in der Kostensenkungsaufforderung vom 28. Dezember 2016 angegebene Mietobergrenze von 422 € für die Kaltmiete bzw. 157,80 € für Neben- und Heizkosten keine Datengrundlage gebe und für den streitigen Zeitraum kein Datenmaterial vorliege bzw. nacherhoben werden könne, das die vom BSG entwickelten Kriterien für die Entwicklung eines schlüssigen Konzepts erfüllen könnte.

Der Senat verfügt demnach ohne Ermittlungen in erheblichem Umfang über keine ausreichende Entscheidungsgrundlage im Hinblick auf ein schlüssiges Konzept für den streitgegenständlichen Zeitraum. Demnach ist ein Rückgriff auf die Werte der Tabelle zu § 12 WoGG sowie des Bundesheizkostenspiegels möglich. Die vom Beklagten im Widerspruchsverfahren angegebenen Werte nach der Tabelle zu § 12 WoGG (unter Zugrundelegung des Wohnortes R1 [Mietenstufe IV] für zwei Personen: 526 €) zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10% für die Bruttokaltmiete und die nach dem damals geltenden Bundesheizkostenspiegel angemessenen Heizkosten (115 €) sind zutreffend ermittelt worden.

Damit steht fest, dass die tatsächlichen KdU in Höhe von 1.328 € unangemessen hoch sind und gemäß § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II – im Anschluss an die Kostensenkungsaufforderung vom 28. Dezember 2016 - in der Regel nur noch sechs Monate, d.h. bis Juni 2017, zu übernehmen waren.

Die unterschiedlichen Angaben in der Kostensenkungsaufforderung vom 28. Dezember 2016 und im Widerspruchsbescheid vom 28. August 2017 führten nicht zu einer subjektiven Unmöglichkeit der Kostensenkung für die Klägerinnen. Zwar wurde in der Kostensenkungsaufforderung eine wesentlich niedrigere Mietobergrenze angegeben als im Widerspruchsbescheid vom 28. August 2017.

Hält der Grundsicherungsempfänger die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Kosten für nicht zutreffend bzw. einschlägig, so ist der Streit hierüber bei der Frage auszutragen, welche KdU angemessen sind. Insofern stellt die Kostensenkungsaufforderung seitens der Grundsicherungsträger ein "Angebot" dar, in einen Dialog über die angemessenen KdU einzutreten. Insbesondere trifft den Grundsicherungsträger nicht von vornherein eine weitergehende Verpflichtung, den Hilfeempfänger im Einzelnen darüber aufzuklären, wie und in welcher Weise die Kosten auf den ihrer Auffassung nach angemessenen Betrag gesenkt werden könnten (so bereits früher der 7b Senat des BSG, SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rn. 30) . Der Grundsicherungsträger ist nicht verpflichtet, über die Angabe des von ihm als angemessen anzusehenden Mietpreises hinaus den Leistungsempfänger "an die Hand zu nehmen" und ihm im Einzelnen aufzuzeigen, auf welche Weise er die KdU senken bzw. welche Wohnungen er anmieten kann (BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 70/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 8 Rn. 15). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Die Klägerin 1.) ist damit durch die Angabe der aus Sicht des Beklagten angemessenen Unterkunftskosten und über die aus seiner Sicht bestehende Rechtslage grundsätzlich hinreichend informiert worden (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 70/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 8 Rn. 14 f.). Allein die objektive fehlerhafte Angabe zur Höhe der Referenzmiete führt nur dann zur subjektiven Unmöglichkeit der Kostensenkung mit einem Ausnahmefall, wenn dadurch bewirkt wird, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige seine Suche auf Grund der unzutreffenden Angabe in wesentlichem Umfang beschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R).

Dies ist jedoch hier nicht der Fall. Denn die Klägerin 1.) hat überhaupt erst für die Zeit ab dem 7. April 2017, als der Sechs-Monats-Zeitraum des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II schon mehr als zur Hälfte abgelaufen war, durch Vorlage von Kopien von Wohnungsangeboten, auf denen die in Frage kommenden Wohnungen gekennzeichnet sind, erste (allerdings nur sporadische) Bemühungen zur Wohnungssuche dargelegt, weshalb die Suche für den überwiegenden Teil des Sechs-Monats-Zeitraums nicht durch falsche Angaben in der Kostensenkungsaufforderung, sondern durch Untätigkeit der Klägerin 1.) eingeschränkt war. Darüber hinaus ergibt sich aus den in den Kopien markierten Wohnungsangeboten, dass die Klägerin 1.) ihre Suche von Anfang an nicht nur auf Wohnungen mit der angegebenen Mietobergrenze von 422 € für die Kaltmiete begrenzt hat, sondern auch teurere Wohnungen in Betracht gezogen hat. Damit war die Wohnungssuche der Klägerin 1.) durch die falschen Angaben zur Höhe der angemessenen KdU in der Kostensenkungsaufforderung nicht in wesentlichem Umfang beschränkt.

In einem weiteren Schritt kommt es darauf an, ob für die Klägerinnen eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar war. Ein Wohnungswechsel ist nur dann möglich, wenn eine konkrete Unterkunftsalternative für den Hilfebedürftigen besteht, d.h. eine angemessene Wohnung tatsächlich zur Verfügung steht. Hat sich der Leistungsberechtigte erfolglos um eine andere Wohnung bemüht und dies auch nachgewiesen, muss der Grundleistungsträger konkrete Unterkunftsalternativen benennen.

Die Bemühungen der Klägerin 1.) um eine kostengünstigere Wohnung im Anschluss an die Kostensenkungsaufforderung vom 28. Dezember 2016 waren nicht ausreichend. Zum Beleg ausreichender Eigenbemühungen reicht die bloße Vorlage von Tagespresse oder dem Internet entnommenen Angeboten teurerer Wohnungen nicht aus. Der Hilfebedürftige hat sich unter Inanspruchnahme aller ihm zumutbar erreichbaren Hilfen und Hilfsmittel (z.B. regelmäßige Recherche der Wohnungsangebote in Internet und Tageszeitungen, Anfragen an Wohnungsbaugesellschaften und Hausverwaltungen, Verhandlungen mit Vermieter über einen Mietnachlass) ernstlich um eine Kostensenkung zu bemühen und seine Bemühungen systematisch und substantiiert nachzuweisen. Ein hinreichender Nachweis setzt voraus, dass Behörden und Gerichte in die Lage versetzt werden, die Kontaktaufnahmen und die Gründe für das Scheitern der einzelnen Suchbemühungen rekonstruieren und verifizieren zu können. Erst wenn der Hilfebedürftige diesen Obliegenheiten hinreichend nachkommt und seine Bemühungen dennoch erfolglos bleiben, liegt die Beweislast beim Leistungsträger und muss dieser darlegen, dass während des streitgegenständlichen Zeitraums bedarfsgerechte, kostenangemessene Unterkünfte konkret anmietbar gewesen wären (vgl. Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 22 (Stand:09. April 2020), Rn. 135 m.w.N.).

Die Klägerin 1.) hat erst für die Zeit ab Anfang April 2017 Kopien von Wohnungsangeboten in der Zeitung vorgelegt, auf denen die in Frage kommende Wohnungen markiert sind.

Sie hat auch nach eigenen Angaben (vgl. die im Klageverfahren vorgelegte Auflistung) erst Ende April 2017 Kontakt mit der V GmbH aufgenommen und sich erst im Mai 2017 wegen einer Reduzierung der Mietzahlungen an die Vermieterin gewandt sowie Kontakt mit dem Familienheim K aufgenommen und erst im Juni 2017 einen Wohnberechtigungsschein beantragt. Sie hat damit ab der Kostensenkungsaufforderung vom 28. Dezember 2016 mehr als die Hälfte des Sechs-Monats-Zeitraums des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II ohne nachgewiesene Bemühungen zur Wohnungssuche verstreichen lassen. Darüber hinaus sind auch ab April 2017 keine ernsthaften Bemühungen zur Wohnungssuche nachgewiesen. Zunächst zeigen die vorgelegten Kopien nur einen kleinen Ausschnitt des Wohnungsmarktes und belegen nur eine sporadische Auswertung der Wohnungsanzeigen in einzelnen Zeitungsausgaben, dokumentieren aber keine regelmäßige und umfassende Sichtung der in Frage kommenden Wohnungsangebote ab April 2017. Außerdem lässt sich aus den vorgelegten Kopien über Wohnungsangebote mit Markierung der offenbar in Betracht gezogenen Wohnungen nicht für einzelne Wohnungen erkennen, ob eine Kontaktaufnahme mit dem Vermieter erfolgte und was die Gründe dafür waren, dass die Wohnung nicht angemietet werden konnte. Die Angaben der Klägerin zu den Gründen, warum ein Mietverhältnis nicht zustande kam, sind pauschal und nicht auf einzelne, konkret bezeichnete Wohnungsangebote bezogen. Auch die Angaben des in der mündlichen Verhandlung gehörten Zeugen sind nicht geeignet, ausreichende Bemühungen nachzuweisen. So konnte auch dieser keine Angaben zu einzelnen Wohnungsangeboten und den jeweiligen Gründen, welche die Klägerin 1.) an einer Anmietung der Wohnung hinderten, machen und hat auch nicht angegeben, in welchem Zeitraum die acht bis zehn Wohnungsbesichtigungen stattfanden, zu denen er die Klägerin 1.) begleitet habe, und es fehlen Angaben dazu, ob es sich dabei jeweils um angemessene Wohnungen gehandelt hätte. Hinzu kommt, dass sich die von der Klägerin 1.) selbst aufgegebenen Wohnungsanzeigen auf die Suche nach einer Drei-Zimmer-Wohnung beschränkt haben, so dass Angebote für Zwei-Zimmer-Wohnungen (mit einer vom BSG als angemessen angesehenen Wohnfläche von bis zu 60 m² für zwei Personen) von vornherein ausgeschlossen waren. Nicht nachvollziehbar ist auch, weshalb erst im November 2017 – obwohl sich der Wohnungszuschnitt nicht geändert hat – die Zustimmung der Vermieterin im Hinblick auf eine Untervermietung erlangt werden konnte.

Die Klägerin 1.) hat darüber hinaus selbst eingeräumt, dass sich ca. 20 % der angebotenen Zwei-Zimmer-Wohnungen in der Preisspanne von 422 € bis 550 € Kaltmiete bewegen. Der Senat hat deshalb keine ernsthaften Zweifel daran, dass ein ausreichendes Angebot an angemessenen Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt bestand. Zweifel an der konkreten Verfügbarkeit einer angemessenen Wohnung könnten sich daher allenfalls im Hinblick darauf ergeben, dass die Klägerin 1.) alleinerziehende Empfängerin von Leistungen nach dem SGB II ist und Katzen hält. Da sie jedoch – wie bereits dargelegt – innerhalb des Sechs-Monats-Zeitraums keine ausreichenden Bemühungen um die Anmietung einer kostengünstigeren Wohnung nachgewiesen hat, war der Beklagte nicht zum Nachweis verpflichtet, dass bedarfsgerechte, kostenangemessene Unterkünfte konkret anmietbar gewesen wären.

Der Beklagte hat demnach zu Recht nach Ablauf des Sechs-Monats-Zeitraums gemäß § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II ab dem 1. Juli 2017 nur noch die angemessenen KdU (insgesamt 693,60 [Kaltmiete + kalte Nebenkosten 578,60 €, Heizkosten 115 €]) berücksichtigt.

Da das SG den Beklagten daher zu Unrecht verurteilt hat, den Klägerinnen höhere KdU unter Berücksichtigung der tatsächlichen KdU für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Oktober 2017 zu gewähren, war der Berufung des Beklagten insoweit stattzugeben und das Urteil aufzuheben.

Im Hinblick auf die Verurteilung des Beklagten, über den Widerspruch der Klägerinnen vom 26. Juni 2017 zu entscheiden, ist die Berufung unbegründet. Das SG hat den Beklagten zu Recht verurteilt, über den Widerspruch vom 26. Juni 2017 gegen den Bescheid vom 31. Mai 2017 (in der Fassung des Änderungsbescheids vom 17. August 2017) zu entscheiden, allerdings ist zur Klarstellung anzumerken, dass dies – entsprechend der zur Interpretation des Antrags der Klägerinnen heranzuziehenden Klagebegründung - nur den Monat November 2017 betrifft.

Da die Klägerin 1.) im Widerspruch vom 26. Juni 2017 nicht angegeben hat, gegen welchen Bescheid sie sich wendet, sondern lediglich die Mietkürzung ab 1. Juli 2017 angesprochen hat, war der Widerspruch zu ihren Gunsten so auszulegen, dass er fristgerecht gegen die Bescheide vom 31. Mai 2017 erhoben wurde (Zeitraum 1. Juli bis 31. Oktober 2017 und 1. November bis 30. November 2017).

Der Bescheid vom 31. Mai 2017, der den Zeitraum 1. Juli bis 31. Oktober 2017 betrifft, wurde – nachdem der Beklagte den Widerspruch vom 26. Juni 2017 als Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X gewertet hatte - mit Bescheid vom 3. Juli 2017 zurückgenommen und es wurde gleichzeitig eine neue Entscheidung über den genannten Zeitraum getroffen. Der Beklagte hat über den dagegen erhobenen Widerspruch mit dem hier streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid vom 28. August 2017 (bezüglich des Zeitraums 1. Juli bis 31. Oktober 2017) entschieden.

Dementsprechend haben die Klägerinnen in der Klagebegründung nur noch eine Entscheidung über den Widerspruch vom 26. Juni 2017 gegen den Bescheid vom 31. Mai 2017 (bezüglich des Monats November 2017) in der Fassung des Änderungsbescheids vom 17. August 2017, der gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens wurde, begehrt. Diesbezüglich steht noch eine Entscheidung im Widerspruchsverfahren aus.

Aus diesen Gründen war das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. März 2019 teilweise aufzuheben, soweit der Beklagte verurteilt wurde, den Klägerinnen höhere KdU für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Oktober 2017 unter Berücksichtigung der tatsächlichen KdU zu gewähren und die Klage insoweit abzuweisen.

Rechtskraft
Aus
Saved