S 12 KA 116/19

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 116/19
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 21/21
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze

„Wohlverhalten“ setzt, um eine vertragsärztliche Zulassungsentziehung zu vermeiden, mehr voraus, als lediglich keine weiteren Pflichtverstöße zu begehen. Der Vertragsarzt muss aktiv an der Aufklärung der Verfehlungen, der Schadensbegrenzung und Schadensregulierung mitwirken. Überlässt es der Vertragsarzt den Zulassungs- und Prüfgremien sowie der Kassenärztlichen Vereinigung, den Schaden allein im Rahmen deren Amtsermittlungspflicht festzustellen, so fehlt es an einem „Wohlverhalten“. Soweit der Vertragsarzt in die Lage gerät, sich auch im Hinblick auf laufende Strafverfahren selbst zu beschuldigen, steht es ihm frei zu entscheiden, in welchem Umfang er mitwirkt. Die Zulassungsgremien und Gerichte können aber sein Mitwirken unabhängig davon frei bewerten. 

1.    Die Klage wird abgewiesen.

2.    Der Kläger hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

3.    Der Streitwert wird auf 1.519.426,80 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung wegen gröblicher Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten. 

Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin seit 01.04.2004 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Seit dem 01.09.2008 ist er mit Herrn C., Facharzt für Innere Medizin im hausärztlichen Versorgungsbereich, in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) tätig.

Die Beigeladene zu 1) setzte aufgrund implausibler Abrechnung in den Quartalen I bis III/08 in Bezug auf die Tätigkeit im Ärztlichen Bereitschaftsdienst gegen den Kläger eine Honorarrückforderung in Höhe von 70.813,85 € fest. SG Marburg, Urteil v. 21.07.2017   S 16 KA 446/14 - hob die Honorarrückforderung für das Quartal II/08 (25.567,50 €) auf und wies im Übrigen die Klage ab (Berufung anhängig: LSG Hessen   L 4 KA 46/17). Die Beigeladene zu 1) setzte für die Quartale IV/08 bis IV/10 in Bezug auf die Tätigkeit des Klägers im Ärztlichen Bereitschaftsdienst eine weitere Honorarrückforderung in Höhe von 651.035,66 € fest, die sie mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2015 auf 320.921,98 € netto reduzierte. SG Marburg, Urteil v. 21.07.2017   S 16 KA 362/15 - wies die Klage ab (Berufung anhängig: LSG Hessen   L 4 KA 47/17).

Die Beigeladene zu 1) setzte aufgrund implausibler Abrechnung in den Quartalen I/09 bis IV/10 gegen die BAG des Klägers eine Honorarrückforderung in Höhe von 538.739,39 € fest. In der mündlichen Verhandlung zum Aktenzeichen S 16 KA 447/14 vor der 16. Kammer des SG Marburg verglichen sich die Beteiligten auf eine reduzierte Rückforderungssumme in Höhe von 363.044,04 €. Hintergrund war, dass die Beigeladene zu 1) einen Weiterbildungsassistenten nicht hinreichend berücksichtigt hatte. Die Klage gegen die Rückforderung gegenüber der BAG aus einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung bezüglich der fünf Quartale I/11 bis I/12 in Höhe von 650.509,01 € wies SG Marburg, Gerichtsbescheid vom 06.04.2021 - S 12 KA 18/119 ab (noch nicht rechtskräftig). Über die Rückforderung gegenüber der BAG aus einer Plausibilitätsprüfung bezüglich der sechs Quartale II/12 bis III/13 in Höhe von 147.405,38 € ist ein weiteres Verfahren unter dem Az.: S 12 KA 314/19 anhängig.

Die Beigeladene zu 1) setzte aufgrund einer sachlich-rechnerischen Honorarberichtigung wegen implausibler Honorarabrechnungen in den Quartalen I/11 bis IV/11 in Bezug auf die Tätigkeit des Klägers im Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD D-Stadt bzw. DX-Stadt, ÄBD G-Stadt = E-Stadt und ÄBD A-Stadt) gegen den Kläger eine Honorarrückforderung in Höhe von 73.136,77 € fest. Die hiergegen erhobene Klage wies SG Marburg, Gerichtsbescheid v. 13.02.2019 - S 12 KA 601/17- ab (Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 8/19). Über die Rückforderung aus einer patientenbezogenen und ergänzenden Plausibilitätsprüfungen der ÄBD-Honorarabrechnungen der sieben Quartale I/12 bis III/13 in den ÄBD-Bezirken D-Stadt, A-Stadt - mit Ausnahme des Quartals IV/12 - und G-Stadt in Höhe von insgesamt 138.954,72 € ist ein weiteres Verfahren unter dem Az.: S 12 KA 315/19 anhängig. 

Die Beigeladene zu 1) beantragte mit Schreiben vom 24.11.2017 die Entziehung der Zulassung des Klägers wegen gröblicher Verletzung der vertragsärztlichen Pflicht. Zur Begründung wies sie auf die Plausibilitätsprüfungen bis zum Quartal IV/10 hin. Bzgl. der Abrechnung in verschiedenen ÄBD-Zentralen in den Quartalen IV/08 bis IV/10 habe in allen ÄBD-Abrechnungen (den ÄBD-Zentralen in A-Stadt, F-Stadt, D-Stadt, G-Stadt, H Stadt, I-Stadt und J-Stadt) vorsätzlicher Abrechnungsbetrug nachgewiesen werden können. Dies ergebe sich u. a. aus einer unter keinem Blickwinkel nachvollziehbaren Anzahl von Patienten, die sowohl in der Berufsausübungsgemeinschaft des Klägers, bezogen auf ihn selbst, als auch in den ÄBD-Zentralen behandelt und abgerechnet worden seien (sog. Patientenidentitäten). Auch sei eine implausible Anzahl von Patientenidentitäten zwischen und unter den einzelnen ÄBD-Zentralen festgestellt worden. In allen Quartalen habe sich der Befund ergeben, dass in vielen Fällen, in denen Patienten in mehreren ÄBD-Zentralen behandelt worden seien, das Einlesedatum der Versichertenkarte an lediglich einem bestimmten Tag stattgefunden habe, die abgerechneten Behandlungen in den unterschiedlichen ÄBD-Zentralen jedoch an verschiedenen Tagen. Weiter habe der Kläger eine Vielzahl von Abrechnungen für Daten vorgelegt, an denen er keinen oder in der betreffenden ÄBD-Zentrale keinen Dienst verrichtet habe. Bspw. habe er für das Quartal IV/10 die Behandlung eines Patienten für die ÄBD-Zentrale G-Stadt abgerechnet, während er am angegebenen Tag Dienst im ÄBD-F-Stadt verrichtet habe. Weiterhin zeige eine Vielzahl von Abrechnungsfällen eine Diskrepanz zwischen Einlesedatum der Versichertenkarte und dem Diensttag in der entsprechenden ÄBD-Zentrale gemäß unterzeichneter Sammelerklärung. Ebf. seien in einer Vielzahl von Fällen Versichertenkarten von demselben Patienten in mehreren ÄBD-Zentralen, teilweise bis zu fünf ÄBD-Zentralen, eingelesen und abgerechnet worden. Nachdem sich im Quartal I/09 die Abrechnungsnummer für die ÄBD-Zentrale in J-Stadt geändert habe, seien vom Kläger daraufhin 392 Fälle kumulativ über beide Abrechnungsnummern abgerechnet worden. Darüber hinaus habe der Kläger in den Quartalen I bis IV/10 für eine Reihe von Patienten für den jeweils selben Behandlungstag jeweils zwei Behandlungsabrechnungen pro Patient angelegt und hierbei teilweise unterschiedliche Angaben zu den Praxisgebührbefreiungskennziffern gemacht. Aufgrund des sich aus den Abrechnungen ergebenden Anfangsverdachts sei das Verfahren an die Staatsanwaltschaft Frankfurt weitergeleitet worden. Dort seien momentan drei staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren gegen den Kläger anhängig. Zusammengefasst habe dem Kläger zu ihrer Überzeugung in allen Quartalen IV/08 bis IV/10 hinsichtlich sämtlicher genannter ÄBD-Zentralen vorsätzlicher Abrechnungsbetrug nachgewiesen werden können. Eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger gefährde das System der vertragsärztlichen Versorgung und sei weder hinnehmbar noch zumutbar. 

Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen lud den Kläger unter Datum vom 20.04.2018 zu einer mündlichen Verhandlung am 08.05.2018.

Der Kläger führte mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 27.04.2018 aus, aufgrund der Berufungseinlegung oder des Vergleichs sei keines der von der Beigeladenen zu 1) angeführten Gerichtsurteile in Rechtskraft erwachsen. Die behaupteten Pflichtverletzungen lägen inzwischen rund zehn oder auch über acht Jahre zurück. Die Urteilsgründe der 16. Kammer des SG Marburg gingen nicht von Vorsatz, sondern lediglich von grober Fahrlässigkeit aus. Zu den Ausführungen der Beigeladenen zu 1) in dem Widerspruchsbescheid vom 03.09.2014, welcher seine Tätigkeit in der Berufsausübungsgemeinschaft in den Quartalen IV/08 bis IV/10 betreffe, verweise er auf seine Klagebegründung. In objektiver Hinsicht lägen tatsächlich einige Abrechnungsfehler vor, die er eingeräumt habe. Er habe keine wie auch immer gearteten Abrechnungsmuster zur Vermehrung seiner Fallzahlen verwendet. Die hohen Fallzahlen im ÄBD beruhten auf der Vielzahl seiner Dienste. Die festgestellten unrichtigen Abrechnungen seien nicht durch grob fahrlässiges Fehlverhalten zustande gekommen, sondern beruhten auf schlichtem Versehen, was vor dem Hintergrund der schier unfassbaren Behandlungsfrequenz mit der damit einhergehenden physischen und psychischen Belastung gut nachvollziehbar erscheine. Dies habe das Sozialgericht Marburg in seinem Urteil zum Verhalten im ÄBD nicht ausreichend gewürdigt. Er habe die Honorarrückforderungen schon seit langem vollständig zurückgezahlt und sich frühzeitig auf eine Tilgungsvereinbarung zur Rückzahlung der geforderten Beträge geeinigt. Er habe seit Bekanntwerden der Vorwürfe mit Plausibilitätsbescheiden vom 12.05.2012 dafür Sorge getragen, dass sich derartige Vorfälle nicht wiederholen könnten. 

An der mündlichen Verhandlung des Zulassungsausschusses nahmen weder der Kläger noch sein Prozessbevollmächtigter teil. 

Der Zulassungsausschuss entzog mit Beschluss vom 08.05.2018 dem Kläger die Zulassung gem. § 95 Abs. 6 SGG i. V. m. § 27 Ärzte-ZV.

Hiergegen legte der Kläger am 26.07.2016 Widerspruch ein. Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 08.11.2018 verwies er auf seine bisherigen Ausführungen und die fehlende Rechtskraft der Urteile hin. Von daher bestehe auch keine Schadenssumme von über einer Million Euro. Der Zulassungsausschuss habe sich nicht mit seinem Vorbringen auseinandergesetzt, insb. nicht mit seiner hohen Dienstfrequenz und der Belastung durch die Tätigkeit in der BAG. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit komme allein eine disziplinarische Maßnahme in Betracht. Auch müsse eine Bewährungszeit von fünf Jahren beachtet werden. 

Der Beklagte lud den Kläger zu einer mündlichen Verhandlung am 19.12.2018, an der der Kläger teilnahm. 

Der Beklagte wies mit Beschluss vom 19.12.2018, ausgefertigt am 31.01.2019, den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies er auf die Rechtslage und die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hin. Die Entscheidung des Zulassungsausschusses sei vollinhaltlich zu bestätigen. Er nehme auf die ausführliche Begründung der Entscheidung des Zulassungsausschusses Bezug, welcher nach eigener Prüfung in jeder Hinsicht zu folgen sei und die er sich in vollem Umfang zu eigen mache. Weiter führte er aus, den Zulassungsgremien sei es unbenommen, einen Vergleichsabschluss zusammen mit dem ihm zugrundeliegenden Sachverhalt ggf. im Rahmen einer freien Beweiswürdigung bei der Entscheidung über eine Zulassungsentziehung zu berücksichtigen. Eine Verwertung von Erkenntnissen aus anderen Verfahren ohne bestandskräftige Entscheidungen sei möglich. Auf der Grundlage der tatbestandlichen Schilderungen in dem Widerspruchsbescheid, der letztendlich Gegenstand des zitierten gerichtlichen Vergleichs geworden sei, sowie der erstinstanzlichen gerichtlichen Entscheidungen in den Plausibilitätsverfahren, welche noch Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung seien, sei es für die Zulassungsgremien möglich, unter Einbeziehung der umfangreichen Stellungnahme des Klägers eine eigenständige Beweiswürdigung vorzunehmen und eine Entscheidung zu treffen, ob auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse eine abschließende Entscheidung des Inhalts möglich sei, dass eine gröbliche Pflichtverletzung festgestellt werden könne. In der Gesamtschau der konkreten Vorwürfe seit die Erkenntnis zwingend, dass hier äußerst gravierende Falschabrechnungen erfolgt seien. Die Beigeladene zu 1) habe in ihren Honorarberichtigungsbescheiden eine in keiner Weise nachvollziehbare Anzahl von Identitäten verschiedener Patienten im Einzelnen benannt, die sowohl in der Berufsausübungsgemeinschaft des Klägers von ihm selbst wie auch in den ÄBD-Zentralen abgerechnet bzw. behandelt worden seien. Derselbe Vorgang habe für verschiedene einzelne ÄBD-Zentralen festgestellt werden können. Auch sei es wiederholt vorgekommen, dass der Kläger Abrechnungen für Tage vorgenommen habe, an welchen er keinen ÄBD-Dienst verrichtet habe. Ebf. sei das Einlesen einer Vielzahl von Versichertenkarten derselben Patienten in mehreren ÄBD-Zentralen festgestellt worden. Auch die in einer Vielzahl von Abrechnungsfällen festgestellte Diskrepanz zwischen Einlesedatum der Versichertenkarte und dem Tag, an welchem der Widerspruchsführer in der entsprechenden ÄBD-Zentrale Dienst gehabt habe, seien mit den Einlassungen des Klägers in keiner Weise vereinbar. Dies gelte auch für die Auffälligkeit, dass in einer Vielzahl von Fällen Versichertenkarten von denselben Patienten für Tätigkeiten in mehreren ÄBD-Zentralen eingelesen und abgerechnet worden seien. Für die Quartale I bis IV/08 würden Quartalsprofile für den Kläger mit Überschreitungen von 167:09 Stunden im Quartal I/08 und 259:35 Stunden im Quartal III/08 vorliegen. Diese Profilzeiten führten zu einer rechnerischen täglichen Arbeitszeit von 13:55 Stunden im Quartal I/08 und von 14:59 Stunden im Quartal III/08, wobei von einer 7-Tage-Woche ausgegangen werde. Die tägliche Arbeitszeit unter Bereinigung der Wochenendtätigkeiten liegt damit rechnerisch bei 16:13 bzw. 17:57 Stunden. Die Zugrundelegung von Quartals- bzw. Tagesprofilen sei bei der Feststellung fehlerhafter Abrechnung ebenso zulässig wie ein hierauf aufbauender Vorwurf gröblicher Pflichtverstöße. Das Sozialgericht Marburg habe in seiner Entscheidung S 16 KA 446/14 eine Vielzahl der geschilderten Vorwürfe im Rahmen seiner Feststellungen bestätigen können. Es habe in diesem Zusammenhang sogar die Vermutung geäußert, dass der Kläger seine Abrechnungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen unter Einsatz von krimineller Energie zielgerichtet und planvoll vorgenommen habe, um sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Mithin habe das Sozialgericht Marburg hierin deutlich den Verdacht eines betrügerischen Vorgehens des Klägers geäußert. Der Kläger räume die Vorwürfe jedenfalls teilweise ein. Soweit der Kläger sich in diesem Zusammenhang darauf berufe, dass er wegen seiner enormen Arbeitsbelastung die konkrete Abrechnung einer Helferin überlassen habe, auf deren Fehlverhalten letztendlich dann die Falschabrechnungen zurückzuführen seien, könne dem nicht gefolgt werden. Die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung umfasse auch die Verpflichtung, ggf. die Abrechnungen, die von Hilfskräften gefertigt würden, auf Korrektheit und Plausibilität zu überprüfen, was im Rahmen der jeweiligen Sammelerklärungen durch den jeweiligen Vertragsarzt zu bestätigen sei. Dies bedeute, dass der Vertragsarzt zur Überprüfung der Arbeit seiner Hilfskräfte verpflichtet sei. Angesichts der geschilderten Implausibilitäten hätte dem Kläger bei dieser geschuldeten Überprüfung der von Hilfskräften getätigten Abrechnungen die Fehlerhaftigkeit derselben ins Auge springen müssen. Unterstelle man hier, dass die Angaben des Klägers bezüglich des Einsatzes von Hilfskräften bei der Abrechnung zutreffend sein sollten, falle dem Kläger hier zumindest eine grobe Fahrlässigkeit bei der Überprüfung der Arbeit seiner Hilfskräfte zur Last. Der Kläger habe über mehrere Quartale hinweg unkorrekte Abrechnungen wiederholt eingereicht und bei den jeweiligen Abrechnungen den Grundsatz der Erforderlichkeit einer peinlich genauen Abrechnung massiv verletzt mit dem Ergebnis, dass erhebliche Honorarsummen zu Unrecht zur Abrechnung eingereicht worden seien. Für die Tätigkeit im Rahmen des ÄBD bestehe eine Honorarrückforderung in Höhe von 321.000 € für die Jahre 2009 und 2010. Ferner sei für die Tätigkeit des Klägers im Bereich seiner vertragsärztlichen Tätigkeit durch den Vergleich eine Rückforderungssumme in Höhe von 363.044,04 € einvernehmlich festgesetzt worden. Der entstandene Schaden betrage in der Mindestsumme weit mehr als eine halbe Million Euro. Damit stehe der objektive Tatbestand einer gröblichen Pflichtverletzung fest. Auf ein Verschulden komme es nicht an. Gleichwohl folge er der Auffassung des Sozialgerichts Marburg in seiner Entscheidung S 16 KA 446/14, dass hier mindestens grobe Fahrlässigkeit, wenn nicht Vorsatz anzunehmen sei. Dies folge aus dem bereits geschilderten Umfang des Schadens sowie der festgestellten Tagesprofile wie auch der Tatsache, dass die streitgegenständlichen Falschabrechnungen sich über viele - konkret 12 - Quartale hinweg zugetragen hätten. Sollten die fehlerhaften Abrechnungen darauf zurückzuführen sein, dass Hilfskräfte hierfür verantwortlich seien, liege nach den obigen Ausführungen mindestens ein massives Überwachungsverschulden vor, welches jedenfalls grobe Fahrlässigkeit impliziere. Auch von einer Verhältnismäßigkeit der Maßnahme könne ausgegangen werden. Auf eine Negativprognose für die Zukunft komme es nicht an. Angesichts des zumindest festzustellenden Schuldgrades und der Höhe des entstandenen Schadens sowie der Dauer der gröblichen Pflichtverletzung stehe auch kein milderes Mittel zur Verfügung, insb. nicht die Möglichkeit einer Anordnung des Ruhens der vertragsärztlichen Tätigkeit. Eine schlichte Disziplinierung sei nicht als ausreichend anzusehen. Die Erfüllung einer zivilrechtlich ohnehin gebotenen Verpflichtung zur Rückzahlung aufgrund eines zuvor begangenen Deliktes bewirke nicht, dass das zerstörte Vertrauensverhältnis wiederhergestellt sei. Vielmehr werde lediglich der entstandene Vermögensschaden ausgeglichen. Eine gröbliche Pflichtverletzung, die das Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen so tiefgreifend und nachhaltig störe, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt nicht mehr zugemutet werden könne, werde nicht bereits durch eine bloß lange Zeitdauer relativiert werden. Die Plausibilitätsbescheide seien erst im Jahre 2012 erlassen worden und es hätten sich daraufhin mehrjährige rechtliche Auseinandersetzungen bezüglich deren Rechtmäßigkeit ergeben. Unter diesem Aspekt könne auch von einer Verwirkung keine Rede sein. Dem Kläger seien schwerwiegende gröbliche Pflichtverletzungen insb. in den Jahren 2008 bis 2010 vorzuwerfen. Diese Pflichtverletzungen hätten in fehlerhaften implausiblen Abrechnungen bestanden, die im Ergebnis dazu geführt hätten, dass der Kläger mindestens weitaus mehr als eine halbe Million Euro Honorar zu Unrecht abgerechnet habe. Dem Kläger sei im Zusammenhang mit diesen Falschabrechnungen auch mindestens grobe Fahrlässigkeit, wenn nicht Vorsatz vorzuwerfen. Hieraus resultiere eine tiefgreifende bis heute anhaltende Störung des Vertrauensverhältnisses der vertragsärztlichen Institutionen in den Kläger, die dessen dauerhafte Entfernung aus dem vertragsärztlichen System zwingend erforderlich mache. Mildere, den Kläger weniger belastende Maßnahmen stünden nicht zur Verfügung. Auch sei keine Verjährung eingetreten. 

Hiergegen hat der Kläger am 01.03.2019 die Klage erhoben. Er trägt vor, der Beklagte habe sich mit seinem Vorbringen im Rahmen der drei Plausibilitätsverfahren weder im Verwaltungsverfahren noch in den sich hieran anschließenden Klageverfahren in irgendeiner Weise inhaltlich auseinandergesetzt. Er habe eine unfassbar hohe Zahl an Ärztlichen Bereitschaftsdiensten in vielen verschiedenen ÄBD-Zentralen abgeleistet und an den Grenzen seiner Belastbarkeit gearbeitet. Die von ihm durch diese Belastungen gelegentlich begangenen Fehler in der Abrechnung von ihm erbrachter ärztlicher Leistungen im ÄBD, die er im Grundsatz nicht bestritten habe, stellten zwar unbestritten einen Verstoß gegen die Pflicht zu einer peinlich genauen Abrechnung dar. Zur Grundlage einer Zulassungsentziehung ließen sich diese Abrechnungsfehler jedoch nicht machen. Er habe sich keinen rechtswidrigen Vermögensvorteil zulasten der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen verschaffen wollen oder dies auch nur angestrebt. Bei einer derart hohen Fallzahl habe keine Veranlassung für eine künstliche Fallzahlvermehrung bestanden. Seine von dem Beklagten errechnete tägliche Arbeitszeit unter Bereinigung der Wochenendtätigkeiten von 16:13 bzw. 17:57 Stunden sei unrichtig und irreführend. Das Quartalsprofil von 780 Stunden beruhe nicht auf einer 7-, sondern auf einer 5-Tage-Woche. Die im EBM hinterlegten Prüfzeiten für das Quartalsprofil eigneten sich nicht für eine Berechnung von Überschreitungen im Tagesprofil. Die 16. Kammer des Sozialgerichts Marburg komme in ihrem Urteil vom 21.07.2017 (Az.: S 16 KA 446/14) zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Abrechnungsverstößen um ein fahrlässiges und nicht ein vorsätzliches Verhalten gehandelt habe. Es habe einen zusätzlichen Nachweis für eine mindestens grob fahrlässige Fehlabrechnung für notwendig gehalten. Da ein derartiger Nachweis für das Quartal II/08 nicht habe geführt werden können, habe das Sozialgericht der Klage für das Quartal II/08 stattgegeben. Es gehe auch nur von grober Fahrlässigkeit aus. Die Fehlerhaftigkeit seiner Abrechnungen, die nur einen verschwindend geringen Anteil aller abgerechneten ärztlichen Leistungen betreffe, sei ihm in nicht vorwerfbarer Weise erst mit dem Zugang der Plausibilitätsbescheide Anfang Mai 2012 bekannt geworden. Hieraus habe er auch sofort die entsprechenden Konsequenzen mit der Folge gezogen, dass sich derartige Abrechnungsfehler nicht mehr wiederholt hätten. Außer der vergleichsweise vereinbarten Rückforderung von 363.044,04 € seien die übrigen Rückforderungen Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens. Von einer feststehenden Rückforderungssumme in Höhe von über einer halben Million Euro könne daher nicht gesprochen werden. Der Beklagte sei in keine nachvollziehbare Verhältnismäßigkeitsprüfung eingetreten. Er habe Schadenswiedergutmachung in voller Höhe geleistet und habe sich dieser zu keinem Zeitpunkt entgegengestellt. Er habe sich bis zur Zulassungsentziehung bzw. dem Bescheid vom 19.12.2018 nichts mehr zu Schulden kommen lassen, ein Zeitraum von 8 Jahren (2011-2018). Diese lange Wohlverhaltensperiode hätte der Beklagte bereits berücksichtigen müssen. Ggf. reichten disziplinarische Maßnahmen aus. Die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt habe das das von der Beigeladenen zu 1) mit Strafanzeige vorn 10.04.2012 gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren mit Nachricht vom 18.03.2020 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Aus welchen Gründen der Beklagte aus einem gerichtlich geschlossenen Vergleich die Schlussfolgerung ableiten wolle, dass er mit dem Vergleichsschluss einen Schaden der Versichertengemeinschaft in der in dem Vergleich genannten Größenordnung zugestanden hätte, erschließe sich ihm aus keinem Zusammenhang. Der damalige Vergleichsschluss habe aus nachvollziehbaren Gründen lediglich ein für ihn belastendes Verfahren beenden sollen. Bei dem Vorwurf der gröblichen Verletzung vertragsärztlicher Pflichten handle es sich um eine Gesamtwürdigung des Fehlverhaltens. Eine Verletzung vertragsärztlicher Pflichten sei bei vorsätzlicher Begehungsweise sicher zu einem erheblich früheren Zeitpunkt als gröblich zu bezeichnen, als wenn der Vertragsarzt lediglich versehentliche (nicht schuldhafte) vertragsärztliche Pflichtverletzungen begangen habe. 

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 19.12.2018 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, 

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seine Ausführungen im angefochtenen Bescheid und trägt ergänzend vor, er habe sich eingehend sowohl mit den Urteilen des Sozialgerichts Marburg wie auch mit den Widerspruchsbescheiden der Kassenärztlichen Vereinigung in den Plausibilitätsprüfungen auseinandergesetzt. Der Vergleich über die 363.044,04 € habe eine indizierende Wirkung dahingehend, dass der Kläger mit diesem Vergleichsabschluss zugestanden habe, fehlerhafte Abrechnungen eingereicht zu haben, die zu einem Schaden mindestens in Höhe der Vergleichssumme geführt hätten. Mithin könne bereits hieraus auf einen Schaden in dieser Größenordnung geschlossen werden. Er habe in seinem Bescheid lediglich die zutreffende Berechnung des Sozialgerichts Marburg zu den Tagesprofilen übernommen. Das Gericht sei lediglich aufgrund letzter Restzweifel beim Grad der groben Fahrlässigkeit geblieben, was für dessen gegenüber dem Kläger negative Entscheidung ausreichend gewesen sei. Auf Verschulden komme es im Übrigen nicht an. Allein der bereits durch den abgeschlossenen Vergleich abschließend und rechtskräftig festgestellte Schaden in Höhe der Rückforderungssumme von 363.044,04 € sei als Grundlage für einen Zulassungsentzug völlig ausreicht. Die Entziehung sei verhältnismäßig. Selbst unter der Annahme, dass die erhobenen Vorwürfe nur zu einem geringeren Teil zutreffend seien, sei davon auszugehen, dass der Kläger mindestens durch grob fahrlässiges Verhalten erhebliche Vermögensschädigungen der Kassenärztlichen Vereinigung, mittelbar der Versichertengemeinschaft zu verantworten habe. Dies reiche für die Annahme einer Verhältnismäßigkeit der Zulassungsentziehung völlig aus, da den Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung die weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht zugemutet werden könne. Die frühere Wohlverhaltensrechtsprechung habe das Bundessozialgericht ausdrücklich aufgegeben. Die Kassenärztliche Vereinigung sei auch gezwungen gewesen, zunächst den Ausgang der Plausibilitätsverfahren abzuwarten, die beim Sozialgericht Marburg anhängig gewesen seien. Verzögerungen im Klageverfahren seien dem Kläger anzulasten. Die Verfehlungen des Klägers seien, auch wenn sie nunmehr mehr als zehn Jahre zurücklägen, so schwerwiegend, dass nach wie vor davon auszugehen sei, dass den Institutionen des vertragsärztlichen Systems eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht zuzumuten sei. Er lege die vollständige Einstellungsverfügung mit der entsprechenden Begründung der Generalstaatsanwaltschaft vor. Hieraus ergebe sich in aller Eindeutigkeit, dass die Einstellung des Ermittlungsverfahrens hinsichtlich der Abrechnungen des Klägers bis zum Quartal IV/14 wegen des zwischenzeitlich eingetretenen Verfahrenshindernisses der Verjährung erfolgt sei.

Die Beigeladenen haben sich zum Verfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt. 

Die Kammer hat mit Beschluss vom 08.03.2019 die Beiladung ausgesprochen. 

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen. 

Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 12.03.2021 angehört. Ein Einverständnis der Beteiligten hierzu wird vom Gesetz nicht verlangt.

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden. Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist allein der Bescheid des Berufungsausschusses, nicht auch der ursprüngliche Verwaltungsakt des Zulassungsausschusses (vgl. BSG, Urt. v. 06.02.2008 - B 6 KA 40/06 R - SozR 4-5520 § 31 Nr. 3, juris Rdnr. 12; BSG, Urt. v. 28.08.1996 - 6 RKa 37/95 - SozR 3-1500 § 54 Nr. 30, juris Rdnr. 18, jeweils m.w.N.).

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 19.12.2018 ist rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben. 

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung wegen gröblicher Pflichtverletzung aufgrund der dem Kläger vorgeworfenen implausiblen Abrechnungen. Rechtsgrundlage hierfür ist § 95 Abs. 6 SGB V i. V. m. § 27 Ärzte-ZV. Danach ist die Zulassung u. a. zu entziehen, wenn der Vertragsarzt seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. 

Der angefochtene Bescheid vom 19.12.2018 des Beklagten ist rechtmäßig. Zur Begründung verweist die Kammer auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid des Beklagten (§ 144 Abs. 3 SGG). Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen: 

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer keine Veranlassung sieht, ist eine Pflichtverletzung gröblich, wenn sie so schwer wiegt, dass ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig ist. Davon ist dann auszugehen, wenn durch sie das Vertrauen der vertragsärztlichen Institutionen in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und in die Rechtmäßigkeit der Abrechnungen durch den Vertragsarzt so gestört ist, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt nicht mehr zugemutet werden kann. Nicht erforderlich ist, dass den Vertragsarzt ein Verschulden trifft; auch unverschuldete Pflichtverletzungen können zur Zulassungsentziehung führen (vgl. zuletzt BSG, Beschl. v. 25.11.2020 - B 6 KA 36/19 B - juris Rdnr. 13; BSG, Beschl. v. 11.02.2015 - B 6 KA 37/14 B   juris. Rdnr. 11; BSG, Urt. v. 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R - BSGE 112, 90 = 4-2500 § 95 Nr. 26, juris Rdnr. 21; BSG, Urt. v. 21.03.2012 - B 6 KA 22/11 R - BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 24, juris Rdnr. 33 u. 50 ff.; BSG, Urt. v. 17.06.2009 - B 6 KA 16/08 R - BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr. 2, juris Rdnr. 36 f.; BSG v. 20.10.2004 - B 6 KA 67/03 R - BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 9, juris Rdnr. 17 m.w.N.). Wegen der Schwere des Eingriffs ist die Entziehung selbst immer ultima ratio. Die Zulassungsentziehung darf unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur ausgesprochen werden, wenn sie das einzige Mittel zur Sicherung und zum Schutz der vertragsärztlichen Versorgung ist (vgl. BSG, Urteil v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4, juris Rdnr. 23). Vorrangig kommen insb. Disziplinarmaßnahmen in Betracht; insb. ist als milderes Mittel die Anordnung des Ruhens (vgl. 95 Abs. 5 SGB V) zu prüfen (vgl. BSG, Beschl. v. 17.08.2011 - B 6 KA 18/11 B - juris Rdnr. 13; LSG Berlin, Urt. v. 01.12.2004 - L 7 KA 13/03 - www.sozialgerichtsbarkeit.de; LSG Bayern, Beschl. v. 14.01.2010 - L 12 KA 62/09 B ER - juris Rdnr. 18; SG Berlin, Urt. v. 07.09.2011 - S 83 KA 99/11 - juris Rdnr. 29 u. 34; SG Frankfurt a.M., Urt. v. 14.06.2000 - S 28 KA 2499/99 - juris Rdnr. 25). Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche und tatsächliche Beurteilung nicht vollzogener Entziehungsentscheidungen ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BSG, Urt. v. 17.08.2011 - B 6 KA 18/11 B - juris Rdnr. 11; BSG, Urt. v. 20.10.2004 - B 6 KA 67/03 R - BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 9, juris Rdnr. 20 ff.). Nach der Entscheidung des Berufungsausschusses liegende Umstände – wie eine Änderung des Verhaltens – können nur in einem Verfahren auf Wiederzulassung gewürdigt werden (vgl. BSG, Urt. v. 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R - BSGE 112, 90 = 4-2500 § 95 Nr. 26, juris Rdnr. 24 ff.). Eine Zulassungsentziehung erfordert keine Negativprognose für das künftige Verhalten des Leistungserbringers im Sinne der Feststellung einer Wiederholungsgefahr, da § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V nicht auf die Steuerung künftigen Verhaltens ausgerichtet ist, sondern auf eine nachträgliche Reaktion auf ein in der Vergangenheit liegendes pflichtwidriges Verhalten (vgl. BSG, Urt. v. 21.03.2012 - B 6 KA 22/11 R - BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 24, juris Rdnr. 56 ff.).

Für Vertragsärzte gilt das Gebot peinlich genauer Abrechnung der zu vergütenden Leistungen. Hierzu ist auch die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung zu rechnen. Leistungen dürfen nicht abgerechnet werden, die der Arzt entweder nicht oder nicht vollständig oder – sofern sie sein Tätigwerden voraussetzen – nicht selbst erbracht hat. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts deshalb von so entscheidender Bedeutung, weil ordnungsgemäße Leistungserbringung und peinlich genaue Abrechnung lediglich in einem beschränkten Umfang der Überprüfung durch diejenigen zugänglich sind, die die Gewähr für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu tragen haben, nämlich die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen. Insbesondere die Verpflichtung zur peinlich genauen Abrechnung gehört daher zu den Grundpflichten des Arztes (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4, juris Rdnr. 22; BSG, Urt. v. 25.10.1989 - 6 RKa 28/88 - BSGE 66, 6 = SozR 2200 § 368a Nr. 24, juris Rdnr. 15 -; BSG, Urt. v. 08.07.1981 - 6 RKa 17/80 - juris Rdnr. 31; BSG, Beschl. v. 09.04.2008 - B 6 KA 18/07 B - juris Rdnr. 12; BVerfG, Beschl. v. 28.03.1985 - 1 BvR 1245/84, 1 BvR 1254/84 - BVerfGE 69, 233 = SozR 2200 § 368a Nr. 12, juris Rdnr. 27). Mit der Abrechnungs- und Sammelerklärung (§ 16 Abs. 2 EKV-Z) garantiert der Kassen-/Vertragsarzt, dass die Angaben auf den von ihm eingereichten Behandlungsausweisen bzw. Datenträgern zutreffen (vgl. BSG, Urt. v. 17.09.1997 - 6 RKa 86/95 - SozR 3-5550 § 35 Nr. 1, juris Rdnr. 19). Wiederholt unkorrekte Abrechnungen können die Zulassungsentziehung rechtfertigen (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4, juris Rdnr. 36; BSG, Urt. v. 25.10.1989 - 6 RKa 28/88 - BSGE 66, 6 = SozR 2200 § 368a Nr. 24, juris Rdnr. 15; BSG, Urt. v. 30.03.1977 - 6 RKa 4/76 - BSGE 43, 250, 252 = SozR 2200 § 368a Nr. 3).

Dem Beklagten steht weder ein Ermessens- noch Beurteilungsspielraum zu. Insofern kommt es allenfalls sekundär auf die Auseinandersetzung des Beklagten mit dem Widerspruchsvorbringen an. Begründungen können im Übrigen nachgeholt werden (§ 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB X). Auch kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das die Form und damit auch der Begründung zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (§ 42 SGB X). Selbst eine unzutreffende Begründung führt nicht zur Aufhebung des Entziehungsbescheids (vgl. BSG, Beschl. v. 11.09.2019 - B 6 KA 10/19 B - juris Rdnr. 9). 

Im Übrigen hat sich der Beklagte auch umfangreich mit dem Widerspruchsvorbringen auseinandergesetzt. Ferner trifft es zu, dass bereits Umfang und Ausmaß der inkorrekten Abrechnung, die zum abgeschlossenen Vergleich in Höhe der Rückforderungssumme von 363.044,04 € geführt haben, die Zulassungsentziehung rechtfertigen würden. 

Der Kläger versucht mit seinem Vorbringen, die massiven Abrechnungsverstöße zu bagatellisieren. In dem klageabweisenden Urteil in Bezug auf die Tätigkeit des Klägers im Ärztlichen Bereitschaftsdienst in den elf Quartalen IV/08 bis IV/10 weist die 16. Kammer des Sozialgerichts Marburg darauf hin, dass zur vollen Überzeugung der Kammer bereits mit den im Einzelnen ausführlich dargestellten Tatsachen der Indizienbeweis einer Implausibilität erbracht sei Es handele sich nämlich um eine Häufung von Auffälligkeiten, die sich zu einem Großteil zwar isoliert für jeden Einzelfall durchaus sachgerecht erklären ließen, nicht aber in ihrer Häufung und zugleich in der Kumulation mit den jeweils anderen Auffälligkeiten. Hinzu komme, dass einzelne Auffälligkeiten keiner Erklärung zugänglich seien, die zur Annahme ordnungsgemäßer Leistungsabrechnung führten. Dies betreffe insb. die Leistungsabrechnung unter ÄBD-Zentralen, in denen der Kläger zum Behandlungstag keinen Dienst gehabt habe. Im Übrigen habe die Kammer auch allergrößte Zweifel, dass sich solche Abrechnungsfehler noch mit einem anderen Grad des Verschuldens erklären, als dem des vorsätzlichen Handelns. Die über die streitgegenständlichen Quartale hervortretenden Abrechnungsmuster deuteten vielmehr sehr stark auf ein planvolles und zielgerichtetes Vorgehen zur Erlangung eines rechtswidrigen Honorarzuwachses hin. Besonders auffällig werde dies an den Leistungsabrechnungen, bei denen der Kläger für denselben Behandlungstag Leistungen unter mehreren ÄBD-Zentralen angegeben habe, in denen er aber zum jeweiligen Datum keinen Dienst verrichtet habe (vgl. SG Marburg, Urt. v. 21.07.2017 - S 16 KA 362/15 - Umdruck S. 32). Schließlich weise der Kläger das erforderliche Maß des Verschuldens, nämlich jedenfalls den Grad der groben Fahrlässigkeit auf. Die Kammer habe sich in ihrer Beratung ausführlich mit diesem Aspekt auseinandergesetzt. Sie halte es für höchst wahrscheinlich, dass der Kläger seine Abrechnungen gegenüber der Beklagten unter Einsatz von krimineller Energie zielgerichtet und planvoll vorgenommen habe, um sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zulasten der Beklagten zu verschaffen. Es sei dem Kläger auf gründliches Befragen in der mündlichen Verhandlung nicht gelungen, diesen Eindruck zu zerstreuen, vielmehr habe er ihn noch verstärkt. Beispielsweise bei der Frage der Kammer, wie der von ihm bezeichnete „Fehlklick“ nicht lediglich zu einer einzigen Abrechnung unter der sodann falschen Abrechnungsnummer (z. B. ÄBD A-Stadt statt ÄBD F-Stadt), sondern zur Anlage kumulativer Abrechnungen habe führen können (im genannten Beispiel also ÄBD A-Stadt und ÄBD F-Stadt), sei er der Beantwortung durch ständige ausufernde Erzählweise ausgewichen. Auf konkretes Nachfragen habe er mehrfach die Rückfrage an das Gericht gerichtet, warum er denn das vorgeworfene Verhalten an den Tag hätte legen sollen (vgl. SG Marburg, Urt. v. 21.07.2017 - S 16 KA 362/15 - Umdruck S. 38).

Der Beklagte hat in eigener Würdigung die Kürzungsmaßnahmen und die zu seinem Entscheidungszeitpunkt vorhandenen erstinstanzlichen Gerichtsentscheidungen gewürdigt. Die Kammer hat zwischenzeitlich die Honorarkürzung wegen implausibler Abrechnung in den Quartalen I/11 bis IV/11 in Bezug auf die Tätigkeit des Klägers im Ärztlichen Bereitschaftsdienst in verschiedenen ÄBD-Bereichen in Höhe von 73.136,77 € bestätigt (vgl. SG Marburg, Gerichtsb. v. 13.02.2019 - S 12 KA 601/17 -). Die Zulassungsgremien und Gerichte können sich bei einer Zulassungsentziehung wegen gröblicher Pflichtverletzung auf bestandskräftige und nicht bestandskräftige Honorarberichtigungsbescheide berufen, ohne in eine detaillierte Prüfung einzutreten, jedenfalls dann, wenn es an der Offensichtlichkeit einer Rechtswidrigkeit der Bescheide oder an einem substantiierten Vorbringen des Vertragsarztes fehlt (vgl. SG Marburg, Urt. v. 07.09.2016 - S 12 KA 179/16 - juris Rdnr. 60). 

Auf die Einstellung der staatsanwaltlichen Ermittlungen, die jedenfalls bzgl. der Quartale bis III/13 aus Gründen der Verjährung erfolgt sind, kommt es nicht an. Staatsanwaltliche und polizeiliche Ermittlungsergebnisse können von den Zulassungsgremien bei einer eigenen Beweiswürdigung herangezogen werden. Staatsanwaltliche Ermittlungen vermögen zwar nicht, wie rechtskräftige Urteile oder ein Strafbefehl, präjudizielle Wirkung zu entfalten, sie können aber Grundlage der eigenen Bewertung durch die Zulassungsgremien sein (vgl. BSG, Urt. v. 21.03.2018 - B 6 KA 47/16 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 18 juris Rdnr. 27; Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 95 SGB V <Stand: 18.01.2021>, Rn. 1176). Dies gilt insb. für tatbestandliche Feststellungen. Solche sind allerdings der Einstellungsverfügung der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt nicht zu entnehmen. Im Übrigen besteht kein zwingender Zusammenhang zwischen einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und einer Zulassungsentziehung weder im Sinne einer Vorgreiflichkeit noch im Sinne einer rechtlichen Bedeutung. Dies gilt auch für den Ausgang eines Strafverfahrens, bei dem insb. auch strafrechtliche Schuldgesichtspunkte von Bedeutung sind, wohingegen es im Zulassungsentziehungsverfahren lediglich auf eine objektive Pflichtverletzung, nicht aber auf ein Verschulden ankommt. Auch soweit sich die Zulassungsgremien auf Erkenntnisse eines Strafverfahrens stützen, müssen sie eine eigene Bewertung des Sachverhalts und der Pflichtverletzung vornehmen (vgl. SG Marburg, Beschl. v. 04.04.2016 S 12 KA 827/15 - juris Rdnr. 22; SG Marburg, Urt. v. 07.09.2016 - S 12 KA 179/16 - juris Rdnr. 46). 

Eine Zulassungsentziehung erfordert keine Negativprognose für das künftige Verhalten des Leistungserbringers im Sinne der Feststellung einer Wiederholungsgefahr, da § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V nicht auf die Steuerung künftigen Verhaltens ausgerichtet ist, sondern auf eine nachträgliche Reaktion auf ein in der Vergangenheit liegendes pflichtwidriges Verhalten (vgl. BSG, Urt. v. 21.03.2012 - B 6 KA 22/11 R - BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 24, juris Rdnr. 56 ff.; BSG, Urt. v. 13.05.2015 - B 6 KA 25/14 R - BSGE 119,79 = SozR 4-5520 § 19 Nr. 3, juris Rdnr. 54). 

Eine Prüfung des Wohlverhaltens findet nach der neueren BSG-Rspr. im Verfahren über die Zulassungsentziehung nicht mehr statt. Nach der Entscheidung des Berufungsausschusses liegende Umstände - wie eine Änderung des Verhaltens - können nur in einem Verfahren auf Wiederzulassung gewürdigt werden (vgl. BSG, Urt. v. 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R - BSGE 112, 90 = 4-2500 § 95 Nr. 26, juris Rdnr. 53 ff.; siehe auch BVerfG, Beschl. v. 26.09.2016 - 1 BvR 1326/15 - SozR 4-5520 § 19 Nr. 4, juris Rdnr. 45). 

Bis zur Entscheidung des Berufungsausschusses hat der Kläger aber seine Eignung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Tätigkeit durch verändertes Verhalten nicht wiederhergestellt. Auf eine förmliche oder bestandskräftige Feststellung weiterer Pflichtenverstöße kommt es nicht an; es reicht jeder durch Tatsachen belegte Zweifel, ob tatsächlich eine wirkliche Verhaltensänderung eingetreten ist, um die Annahme eines rechtlich relevanten „Wohlverhaltens“ auszuschließen (vgl. BSG, Urt. v. 19.06.1996 - 6 BKa 25/95 - juris Rdnr. 8). Schwerwiegende Pflichtverletzungen können auch nach einer „Bewährungszeit“ von fünf Jahren einer Wiederzulassung entgegenstehen (vgl. BSG, Urt. v. 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R - BSGE 112, 90 = 4-2500 § 95 Nr. 26, juris Rdnr. 67). Ein bloßer Zeitablauf ist nicht geeignet, (erneut) eine Eignung des Arztes zu begründen. Es bedarf darüber hinaus einer Würdigung des bisherigen und einer prognostischen Wertung des zukünftigen Verhaltens (vgl. BSG, Urt. v. 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R - BSGE 112, 90 = 4-2500 § 95 Nr. 26, juris Rdnr. 62). Bei der Prognose sind grundsätzlich alle Umstände des Einzelfalles in Betracht zu ziehen und zu würdigen. Ein wesentlicher Umstand wird dabei typischerweise die Frage der Einsicht des Betroffenen in den Unrechtsgehalt seines Verhaltens und einer hieraus ggf. resultierenden Einstellungs- und Verhaltensänderung für die Zukunft sein (vgl. BVerfG, Beschl. v. 22.12.2008 - 1 BvR 3457/08 SozR 4-2500 § 95 Nr. 18, juris Rdnr. 4). Die Auffassung, nach der „eine Rechtsverteidigung, zumindest bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts, schon aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit nie eine mangelnde Einsicht beweisen“ könne, ist in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend (vgl. BSG, Beschl. v. 22.03.2016 - B 6 KA 69/15 B - juris Rdnr. 15). Erschöpft sich ein „Wohlverhalten“ lediglich darin, dass keine weiteren Pflichtverstöße vorliegen, so genügt ein Vertragsarzt nur den allgemeinen Anforderungen. „Wohlverhalten“ setzt vielmehr voraus, dass der Vertragsarzt aktiv an der Aufklärung der Verfehlungen, der Schadensbegrenzung und Schadensregulierung mitwirkt. Überlässt es der Vertragsarzt den Zulassungs- und Prüfgremien sowie der Kassenärztlichen Vereinigung, den Schaden allein im Rahmen deren Amtsermittlungspflicht festzustellen, so fehlt es an einem „Wohlverhalten“. Soweit der Vertragsarzt in die Lage gerät, sich auch im Hinblick auf laufende Strafverfahren selbst zu beschuldigen, steht es ihm frei zu entscheiden, in welchem Umfang er mitwirkt. Die Zulassungsgremien und Gerichte können aber sein Mitwirken unabhängig davon frei bewerten (vgl. Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 95 SGB V <Stand: 18.01.2021>, Rn. 1212). 

In diesem Sinne liegt ein „Wohlverhalten“ des Klägers nicht vor. Die bereits erfolgte Zahlung der Honorarrückforderungen folgt aus den gesetzlichen Regelungen, da Widerspruch und Klage gegen Berichtigungsbescheide keine aufschiebende Wirkung haben (§ 87b Abs. 2 Satz 6 SGB V i. V. m. § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG). Im Übrigen hat der Kläger zunächst versucht, bzgl. der Honorarkürzungen für die Quartale IV/08 bis IV/10 die aufschiebende Wirkung der Widersprüche im Wege einer einstweiligen Anordnung zu erwirken, was die Kammer mit Beschluss vom 24.05.2012 - S 12 KA 217/12 ER u. a. - abgelehnt hat, was im Beschwerdeverfahren vor dem LSG Hessen zu einer vergleichsweisen Einigung mit der Beigeladenen zu 1) bzgl. eines Einbehalts und laufender Zahlungen bzw. Einbehalte führte. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger an der Aufklärung des tatsächlichen Behandlungsverhaltens und des entstandenen Schadens mitgewirkt hätte. Darauf weisen auch die bereits oben zitierten Ausführungen der 16. Kammer hin. 

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). 

In Zulassungsangelegenheiten ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der die Kammer hier folgt, der Streitwert in der Regel in Höhe des Umsatzes eines Drei-Jahres-Zeitraums anzusetzen, den der Arzt innerhalb der nächsten Zeit aus vertragsärztlicher Tätigkeit erzielen könnte, abzüglich des Praxiskostenanteils (vgl. BSG, Beschl. v. 12.10.2005 - B 6 KA 47/04 B – juris; BSG, Beschl. v. 26.09.2005 - B 6 KA 69/04 B   juris; BSG, Beschl. v. 01.09.2005 - B 6 KA 41/04 R – juris = www.sozialgerichtsbarkeit.de). Bei einer Zulassungsentziehung folgt der mögliche Umsatz aus den vergangenen Honorarabrechnungen. Die Kammer geht nach den Angaben des Klägers von einem Reingewinn aus der Vertragsarztpraxis in Höhe von 363.949,82 € für die ersten zehn Monate des Jahres 2018 bzw. hochgerechnet auf das Jahr von 436.739,78 € aus. Der Gewinn für drei Jahre beträgt damit 1.310.219,34 €. Dies ergab den Streitwert. Soweit in der Klageschrift von einem höheren Streitwert ausgegangen wird, beruht dies darauf, dass die Zahlen des Vorjahrs zugrunde gelegt werden. 

Rechtskraft
Aus
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