S 12 KA 199/19

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 199/19
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze

Steht der dringende Verdacht im Raum, dass der Arzt abgerechnete Leistungen nicht erbracht hat und/oder Leistungen abgerechnet hat, die im Rahmen einer Notfallbehandlung nicht hätten erbracht werden dürfen, obliegt es dem Arzt, die Ordnungsgemäßheit der Abrechnung nachzuweisen und reicht als Nachweis für die Leistungserbringung seine Abrechnung nicht mehr aus. 

1.     Die Klage wird abgewiesen. 

2.    Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

3.    Der Streitwert wird auf 114.434,78 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Honorarrückforderungen in Höhe von insgesamt 114.434,78 € aufgrund von patientenbezogenen und ergänzenden Plausibilitätsprüfungen der Honorarabrechnungen bzgl. der Tätigkeit im Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) der Beklagten im ÄBD-Bezirk D-Stadt der sechs Quartale II/12 bis III/13, die die Beklagte insb. mit Hilfe eines Praxisabgleichs mit der Abrechnung des Herrn C. durchgeführt hat.

Der Kläger nimmt als Arzt am ärztlichen Bereitschaftsdienst in verschiedenen Zentralen teil. Im streitbefangenen Zeitraum war er nicht zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten zugelassen. 

Die Beklagte setzte das Honorar des Klägers in den streitbefangenen Quartalen wie folgt fest:

Quartal II/12 III/12 IV/12 I/13
Honorarbescheid v. 28.09.2012 06.01.2013 08.04.2013 11.09.2014
Gesamthonorar brutto in € 48.055,51 25.190,79 51.965,35 41.378,85
Quartal II/13  III/13
Honorarbescheid v. 07.11.2014   07.01.2015
Gesamthonorar in €  31.868,16 32.797,50

 Die Beklagte führte für die streitbefangenen Quartale eine patientenbezogene und ergänzende Plausibilitätsprüfung durch. Mit Schreiben vom 18.08.2016 und 29.08.2016 erläuterte sie das Prüfverfahren und die Prüfvoraussetzungen. Sie führte weiter aus, die Abrechnung des Klägers sei der des Herrn C. gegenübergestellt worden. Dies habe eine hohe Anzahl gemeinsamer Patienten ergeben, was sie im Einzelnen quartalsweise auflistete. Sie führte eine Patientenliste mit drei bis sechs Patientennamen pro Quartal auf. Auffällig seien u. a. die häufig mehrfachen Arzt-Patienten-Kontakte pro Tag im ärztlichen Bereitschaftsdienst sowie der überdurchschnittlich häufige Ansatz der GOP 01440. Ferner bat sie unter Beifügung einer weiteren Patientenliste mit ein bis zwei Patientennamen pro Quartal um detaillierte patientenbezogene Stellungnahme zu dem Behandlungsgeschehen, der Abrechnung sowie der Diagnostik.

Der Kläger äußerte sich nicht zum Prüfverfahren.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 08.11.2016 die strittigen Honorarrückforderungen für die Quartale II/12 bis III/13 fest, insgesamt auf 114.434,79 €. Im Einzelnen entfielen auf die streitbefangenen Quartale folgende Honorarrückforderungen: 

   BSNR: xxxx1
Quartal Honorar in €
II/12 23.030,08
III/12  12.184,30
IV/12  23.968,32
I/13  22.126,25
II/13  15.779,96
III/13  17.345,88
gesamt  114.434,79

Zur Begründung führte sie bezüglich der Abrechnung in der Bereitschaftsdienstzentrale D-Stadt aus, der konkrete Hinweis auf Abrechnungsauffälligkeiten ergebe sich primär aus der auffällig hohen Patientenidentität zwischen der Abrechnung des Klägers und der des Herrn C. in D-Stadt. Sie habe seine Abrechnung der Abrechnung Herrn C. gegenübergestellt. Die Berechnungsergebnisse hätten folgende Werte ergeben: 

Quartal  Fallzahl  Gemeinsame Patienten Anteil in Prozent
2/2012  390 168 43,08
3/2012 209 54  25,84
4/2012 503 103 20,48
1/2013 404 110 27,23
2/2013 307 85 27,69
3/2013 363 99 27,27

 Sie habe weiter festgestellt, dass in allen Quartalen in einer Vielzahl der Doppelfälle Leistungen taggleich mit Herrn C. abgerechnet worden seien. Hierzu führte sie beispielhaft 20 Behandlungsfälle auf. Die taggleichen Behandlungen fänden teilweise scheinbar zeitgleich statt. Dies erläuterte sie beispielhaft an zwei Behandlungsfällen. Sie wies auf zwei weitere Behandlungsfälle hin. Es träten häufig wiederholte Kombinationen von bestimmten Abrechnungsdaten in Bezug auf den Erstkontakt zwischen dem Kläger und Herrn C. auf. Bei der Abrechnung des Erstkontaktes der betroffenen Fälle bestehe in der Regel eine Differenz von 1-3 Tagen. Beispielsweise seien am 09.04.2012 34 Patienten vom Kläger abgerechnet worden, die am 07.04.2012 ebenfalls von Herrn C. im ÄBD D-Stadt abgerechnet worden seien. Dies erscheine in dieser Quantität nicht plausibel. Beispielhaft werden für die Quartale II/12, IV/12 und I/13 52, 13 und 35 Behandlungsfälle aufgeführt. Nicht plausibel zu erklären sei auch die Abrechnungskombination in sechs Behandlungsfällen zwischen dem Kläger und Herrn C. und einem dritten Kollegen des ÄBD D-Stadt. Es sei nicht zu erklären, dass sechs Patienten den ÄBD D-Stadt so abgestimmt durchliefen. Keiner dieser Kontakte sei bei dem Kläger oder Herrn C. in der Tagesprotokollliste der ÄBD-Zentrale dokumentiert. Lediglich bei dem Kollegen seien diese Patienten aufgeführt. Vergleiche man die abgerechneten Patienten des Klägers und Herrn C. mit der Tagesprotokollliste der Zentrale, so lasse sich feststellen, dass diese nicht übereinstimmten. Überprüfe man beispielsweise die Patientenidentitäten mit der häufigen Kombination (34 Patienten) „Erstkontakt A. 09.04.2012/Erstkontakt C. 07.04.2012“, so ergebe sich folgende Dokumentation in der Tagessprotokollliste der ÄBD-Zentrale: 
-     23 Patienten werden ausschließlich beim Kläger aufgeführt ,
-     6 Patienten seien nicht dokumentiert, 
-     ein Patient sei unter „C.“ vermerkt, 
-     lediglich 2 Patienten würden in der angegebenen Erstkontaktkonstellation der Abrechnung auch so in der Tagesprotokollliste aufgeführt werden. 
Dies werfe Fragen auf, die bisher unbeantwortet geblieben seien. Eine ergänzende Prüfung der Abrechnung habe ergeben, dass der Kläger im Prüfzeitraum insgesamt 2.176 Fälle behandelt habe. Die Fallzahl liege im Durchschnitt des Prüfzeitraumes bei 373 Fällen und sei damit dreimal höher als beim Prüfgruppendurchschnitt mit 103 Fällen. Die Honoraranforderungen je Fall seien bei dem Kläger mit 89,44 € gegenüber 36,24 € bei der Prüfgruppe durchgängig erhöht. Grundsätzlich fehle die Angabe des weiterbehandelnden Arztes auf Muster 19 (Notfall-Vertretungsschein). Es werde lediglich die Angabe „unbekannt“ oder „k. A.“ gemacht. Es sei zumindest ein nachlässiges Ausfüllen des Musters 19 vorzuwerfen. Es stelle sich die Frage, ob all diese Patienten tatsächlich keinen Hausarzt hätten, was den gesetzlichen Vorgaben und der Lebenswirklichkeit widerspreche. Die GOP 01440 sei bei einem „Verweilen außerhalb der Praxis ohne Erbringung weiterer berechnungsfähiger Gebührenordnungspositionen, wegen der Erkrankung erforderlich, je vollendete 30 Minuten“ ansatzfähig. Sie sei daher nicht berechnungsfähig, wenn der Arzt sich in seiner Praxis nur in Rufbereitschaft befinde, um sich im Notfall zu dem Patienten zu begeben. Der Kläger rechne die GOP in folgender Höhe ab:

Quartal                     Anzahl GOP Praxis Anzahl GOP je 100 BHF Praxis Anzahl GOP je 100 BHF Prüfgruppe Abw. in %
2012/2  238 62 2     528,22
2012/3 142 68     2     549,61
2012/4 259     52     2 369,89
2013/1 195     49     3 381,75
2013/2 162     54     3 464,83
2013/3 167     46     2 448,33

Der Kläger setze diese GOP beispielsweise im Quartal III/12 in 68 % der Fälle an. Am 15.07.2012 komme er mit dem Ansatz der GOP 01440 aufgrund des obligaten Leistungsinhaltes, der 30 Minuten als Verweildauer mindestens voraussetze, allein auf 9 Stunden und 30 Minuten nur durch untätiges Verweilen. Weitere Beispiele ließen sich zu genüge finden, so auch der 20.01.2013, an dem der Kläger 11 Stunden und 30 Minuten bei den Patienten verweile. Bei der Abrechnung dieser Ziffer habe der Kläger in nahezu allen Fällen folgenden Text angegeben: „Überw. n. Medik.". Im Rahmen der Verfahrenseröffnung sei der Kläger dazu aufgefordert worden, dazu Stellung zu nehmen sowie die entsprechende Patientendokumentation bei Verabreichung eines Medikaments zu übermitteln. Aufgrund des extrem hohen Umfangs werde angenommen, dass der Ansatz dieser GOP eindeutig implausibel sei. Übermäßig würden GOP 01216 - Notfallkonsultationspauschale II und GOP 01218 Notfallkonsultationspauschale III angesetzt:
Ansatz der GOP 01216:

Quartal Anzahl Praxis Anzahl GOP je 100 BHF Praxis Anzahl GOP je 100 BHF Prüfgruppe Abw. in % 
2012/2 294 77 0 2.355,00
2012/3 109     52    1 1.930,30
2012/4 378     76   1 2.591,67
2013/1 365     91  1 2.676,74
2013/2 365     121    0 3.255,32
2013/3 294     81   1 3.319,35

Ansatz der GOP 01218:

Quartal. Anzahl Praxis   Anzahl GOP je 100 BHF Praxis Anzahl GOP je 100 BHF Prüfgruppe Abw. in %
2012/2 366     96     4 2.229,69
2012/3 239     115  3 3.559,18
2012/4    368     74 3 2.200,00
2013/1 273     68   3 2.168,75
2013/2 102     34  2 1.690,00
2013/3 182     50  3 1.804,76

Es falle auf, dass der Kläger bei einem weiteren Arzt-Patienten-Kontakt vermehrt die GOP 01218 abrechne und dabei die Uhrzeit angebe. Es könne festgestellt werden, dass vom Kläger in Verbindung mit der Uhrzeit die GOP häufig zum Ansatz gebracht worden sei, obwohl hier eigentlich eine andere Notfallkonsultationspauschale hätte angesetzt werden müssen. Es wird beispielhaft ein Behandlungsfall erläutert. Der so deutlich erhöhte Ansatz der GOP 01216 - Notfallkonsultationspauschale II und GOP 01218 - Notfallkonsultationspauschale III komme zustande, da der Kläger in der überwiegenden Anzahl der Fälle mehrere - meist drei - Arzt-Patienten-Kontakte am Tag bei einem Patienten abrechne. Des Weiteren werden die GOP 01411 (Dringender Besuch) und die GOP 40230 (Wegepauschale > als 5 km, 20-8 Uhr) überdurchschnittlich oft angesetzt:
 
GOP 01411

Quartal                     Anzahl-Praxis Anzahl GOP je 100 BHF Praxis Anzahl GOP je 100 BHF Prüfgruppe Abw. in %
2012/2 260     68     2 1.006,32
2012/3 145     70 1 875,00
2012/4 260 52 2 746,15
2013/1 231 58  2 764,98
2013/2 172 57 2 850,00
2013/3 179 49  2 574,93

GOP 40230

Quartal   Anzahl-Praxis Anzahl GOP je 100 BHF Praxis Anzahl GOP je 100 BHF Prüfgruppe Abw. in % 
2012/2  175  46   3 523,08
2012/3 108     52 3 534,48
2012/4 145 29  3 291,14
2013/1 123   31  4 337,33
2013/2  42 14 4 124,24    
2013/3 95  26  3 262,34

Die beschriebenen statistischen Auffälligkeiten der Abrechnung ergäben sich durch das regelhafte Abrechnungsverfahren des Klägers. Nach dem Erstkontakt (GOP 01210) würden weitere Arzt-Patienten-Kontakte nach GOP 01218/GOP 01216 mit Uhrzeitangabe angesetzt. So erfolge nahezu regelhaft je Patient der Ansatz folgender GOP's: 

GOP   
01210 Notfallpauschale im organisierten Not(-fall)dienst und Notfallpauschale für nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Institute und Krankenhäuser
01411 Dringender Besuch wegen der Erkrankung, unverzüglich nach Bestellung ausgeführt
40230/40228 Wegegeld
01440 Verweilen außerhalb der Praxis ohne Erbringung weiterer berechnungsfähiger Gebührenordnungspositionen, wegen der Erkrankung erforderlich, je vollendete 30 Minuten
01216/01218 Notfallkonsultationspauschale II/Notfallkonsultationspauschale Ill

 Dieses Abrechnungsverhalten erkläre den hohen Fallwert. Es seien Abrechnungen nach Leichenschauen erfolgt. Es liege die Vermutung nahe, dass vom Kläger Leistungen von bereits am gleichen Tag verstorbenen Patienten abgerechnet worden seien. Sobald der Arzt zur Feststellung der Todesursache oder aber zur Ausstellung eines Totenscheins gerufen werde, seien alle Leistungen privat zu berechnen. Dies seien solche Fälle, in denen auch ein Laie oder das Fachpersonal eines Pflegeheims mit ziemlicher Sicherheit feststellen könne, dass der Tod eingetreten sei. Es handele sich hier um eine unzulässige Abrechnung zu Lasten der GKV. Werde ein Arzt zu einem Schwerkranken gerufen und stelle dieser dann bei seinem Eintreffen den bereits eingetretenen Tod des Kranken fest, so könne er die Besuchsgebühr und die Wegegebühren noch abrechnen, nicht aber weitere Leistungen, wie das Ausstellen des Totenscheines. Untersuchungen zur Feststellung, ob der Tod eingetreten sei, seien selbstverständlich abrechnungsfähig, nicht aber Untersuchungen zur Feststellung der Todesursache oder Todeszeit (hierfür siehe die Nrn. 100 bis 107 GOÄ). Werde der Arzt ausdrücklich zu einem Toten allein zur Ausstellung des Totenscheines gerufen, könnten Besuchsgebühr und Wegegelder nicht mehr zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse abgerechnet werden. Diese seien dann zusammen mit der Gebühr für den Totenschein privat in Rechnung zu stellen. Es werden beispielhaft drei Behandlungsfälle aufgeführt. Die Plausibilitätsprüfung habe den Indizienbeweis zu Grunde gelegt, dass der Kläger fehlerhaft abgerechnet habe. Dieser Indizienbeweis berechtige sie, Honorarkorrekturen vorzunehmen. Hinsichtlich eines Verschuldens sei festzustellen, dass angesichts der Anzahl sowie der sich über viele Quartale hinziehenden Abrechnungspraxis es sich auch nicht um ein bloßes Versehen handele, sondern um wiederholtes, standardmäßiges Vorgehen. Soweit das Durchschnittshonorar der ÄBD-Zentrale niedriger liege als das vom Kläger abgerechnete Honorar, werde sein Honorar für die hier streitigen Honorarbescheide auf das Durchschnittshonorar je ÄBD-Zentrale/je Quartal neu festgesetzt. Der Durchschnitt werde anhand der Zahl der Diensttage bzw. Behandlungstage im ÄBD ermittelt, um die unterschiedliche zeitliche Präsenz im ÄBD zu erfassen. Der durchschnittliche Einbehalt der Praxisgebühr werde berechnet, indem für jedes Quartal und jede ÄBD-Zentrale das Verhältnis zwischen Fallzahl und Einbehalt der Praxisgebühr (Praxisgebührkennziffer 80030N) ermittelt werde. Dieser Prozentwert werde auf die verbleibenden plausiblen Fälle übertragen und auf diese Weise die Zahl der Fälle mit Praxisgebührabzug (10,00 € je Fall) ermittelt. Für die Höhe des Abzugs der Verwaltungskosen/Umlage Weiterbildung Allgemeinmedizin/ÄBD-Umlage sowie der Betriebskosen seien bei beiden Berechnungsweisen jeweils die in den Honorarbescheiden bzw. Kontoauszügen ausgewiesenen Prozentwerte zugrunde gelegt worden. Die konkrete Neuberechnung des Honorars und der Honorarrückforderung für die einzelnen ÄBD-Abrechnungen und Quartale ergebe sich aus der Anlage zum Bescheid. 

Hiergegen legte der Kläger am 08.12.2016 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, seine Fallzahlen seien insgesamt gering, was deren Aussagekraft einschränke. Er habe in keinem Fall eine grob fahrlässige oder gar vorsätzliche Abrechnung von ärztlichen Leistungen getätigt, die er entweder gar nicht oder unter Verkennung der entsprechenden Abrechnungsbestimmungen erbracht habe. Bei den taggleichen 20 Behandlungen handele es sich mit 0,9% aller 2.176 Fälle um seltene Ausnahmefälle, die schon aus diesem Aspekt heraus nicht grundsätzlich implausibel sein könnten. Denn grundsätzlich sei eine auch taggleiche Behandlung im ÄBD nichts Ungewöhnliches und komme immer wieder einmal vor. Er habe in einer Tabelle die gemeinsam mit Herrn C. behandelten Patienten noch einmal in einer Übersicht dargestellt und die dabei von den beiden Ärzten gestellten Diagnosen mitberücksichtigt. Die wechselseitige Besuchstätigkeit rühre daher, dass es im streitgegenständlichen Zeitraum im ÄBD D Stadt üblich gewesen sei, alle 4 Stunden zwischen Ambulanz- und Hausbesuchsdienst zu wechseln (dies habe von den diensthabenden Ärzten selbstverständlich auch anders geregelt werden können). So sei es immer wieder vorgekommen, dass bei einem notwendigen (taggleichen) Zweitbesuch eines Patienten im ÄBD der jeweils andere diensthabende Arzt (es seien im ÄBD D-Stadt immer zwei Ärzte gleichzeitig im Dienst) gerade im Hausbesuchsdienst gewesen sei und dann notwendigerweise auch Hausbesuche durchgeführt habe, die von dem jeweils anderen Arzt schon einmal angefahren worden seien. In anderen Fällen sei sogar mit dem Patienten explizit vereinbart worden, noch am selben Tag einen Kontrollbesuch durchzuführen, wenn dies aus medizinischen Gründen sinnvoll erschienen sei. In anderen Fällen habe es sich zwar um taggleiche Hausbesuche gehandelt, aber nicht um den gleichen ÄBD-Dienst. Auch die zwei herausgehobenen Behandlungsfälle stellten kein implausibles Behandlungsverhalten dar. Bzgl. der zu den „auffälligen Abrechnungskombinationen“ besonders hervorgehobenen 34 Patienten sei festzustellen, dass es sich bei dem 07.04.2012 um den Ostersamstag und bei dem 09.04.2012 um den Ostermontag des Jahres 2012 gehandelt habe. Bei dem zweiten Kontakt mit den Patienten am 09.04.2012 durch ihn habe daher sicher keine Möglichkeit bestanden, die Patienten an einen Arzt in der Regelversorgung zu verweisen. Bei den Patienten hätten in allen Fällen kontrollbedürftige medizinische Befunde vorgelegen. Das gleiche gelte für die Behandlungssituationen am 11.05.2012, einem Freitag, und dem darauffolgenden Sonntag, den 13.05.2012, sowie Anfang Oktober 2012 mit dem dazwischenliegenden Feiertag (03.10.2012) und Weihnachten 2012. In den anderen Fällen handele es sich ausnahmslos um von ihm durchgeführte Hausbesuche bei einem Patientenklientel weit fortgeschrittenen Alters. Die Tagesprotokollliste werde vom diensthabenden Hilfspersonal geführt. Es komme immer wieder vor, dass dieses ganz oder stundenweise nicht antrete. Aus verwaltungspraktischen Gründen werde die Aufnahme in die Liste, insb. bei großem Andrang, auch unterlassen. Hausbesuche würden häufig gar nicht erfasst werden. Die zum Nachweis überhöhter Honorarforderungen vorgenommene statistische Prüfung der Gesamtabrechnung sei grob unrichtig und halte selbst einer einfachsten Überprüfung nicht stand. Der höhere Fallwert beruhe auf seinem sehr hohen Hausbesuchsanteil. Auf Grund der gesetzlichen Vorgabe der schriftlichen Einwilligung des Patienten vor Weitergabe der Daten an den Hausarzt habe sich wegen des erhöhten Verwaltungsaufwands praktisch im gesamten ÄBD eine andere Vorgehensweise etabliert und werde auf die Angabe des Hausarztes verzichtet. Der häufige Ansatz der Verweilgebühr (GOP 01440) beruhe auf seiner vermehrten Hausbesuchstätigkeit. Bei den herausgestellten Tagen mit hohen Verweilzeiten handele es sich um Sonntage mit 24-Stunden-Diensten, so dass auch die genannten Verweilzeiten nicht ungewöhnlich seien. Die GOP 01216 und 01218 würden von weniger als 50% der Vergleichsgruppe der ÄBD-Ärzte überhaupt zum Ansatz gebracht werden, was die Aussagekraft eines statistischen Vergleichs mit der Prüfgruppe erheblich einschränke, wenn nicht sogar unbrauchbar mache. Ihr erhöhter Anteil beruhe auf seiner vermehrten Hausbesuchstätigkeit. Diese bedinge eine erhöhte telefonische Kontaktaufnahme. Eine Mehrheit der ÄBD-Ärzte rechne dies gar nicht ab, was ihm nicht angelastet werden könne. Bei dem genannten Fehlansatz in Bezug auf die angegebene Uhrzeit handele es sich um einen einzigen Fall. Er habe in keinem einzigen Fall Leistungen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung bei bereits verstorbenen Patienten zur Abrechnung gebracht. Vier Behandlungsfälle werden ausführlich dargestellt. Die Höhe der Rückforderung sei derart übersetzt, dass sie sich mit den Grundsätzen der hierzu ergangenen Rechtsprechung unter keinem Gesichtspunkt mehr vereinbaren lasse. Das ihm belassene Honorar entspreche sicher nicht dem durchschnittlichen Honorar im ÄBD D-Stadt. Das Durchschnittshonorar sei fehlerhaft berechnet. Ihm verbleibe in allen streitgegenständlichen Quartalen nur rund ein Fünftel der ursprünglichen Honoraranforderung. Seine Berechnung ergebe, dass der durchschnittliche Arztlohn nach Abzug der Fahrkosten bei 10,62 € pro Stunde betrage, auf die einzelnen Quartale berechnet ergäben sich z. T. noch geringere Stundenvergütungen. Die Rückforderung hätte maximal 64.584,18 € betragen dürfen. Ein „durchschnittlicher Abzug der Praxisgebühr“ hätte nicht zugrunde gelegt werden dürfen. Ihm werde keine falsche Kennzeichnung der Praxisgebühr vorgeworfen. Daher hätte in den Berechnungen nicht der durchschnittliche, sondern der von ihm tatsächlich in seiner Abrechnung angeführte Praxisgebührabzug berücksichtigt werden müssen. Im Übrigen müsse bei der Honorarkürzung eine Untergrenze einer zulässigen Patientenidentität von 20% beachtet werden. 

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2019 den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte aus, eine stichprobenweise Überprüfung der Abrechnung der GOP 01440 EBM habe ergeben, dass der Kläger diese Leistung abgerechnet habe, obwohl es zeitlich ausgeschlossen sei, dass er bei allen abgerechneten Leistungen nach der GOP 01440 EBM die nach der Leistungslegende zwingende Mindestzeit vollständig erbracht habe. Die statistische Auffälligkeit werde nicht durch die Vielzahl von Hausbesuchen, sondern durch Falschabrechnungen verursacht. Der Einwand, es würde sich teilweise um 24-Stunden-Dienste handeln, überzeuge auch nicht, weil nach den Eintragungen und Zeitangaben auf den Behandlungsscheinen die Leistungen in einem bestimmten Zeitfenster nicht erbracht worden sein könnten. Denn über die abgerechneten Wegepauschalen könne man die Besuchsleistungen (GOP 01411) sowie die daneben abgerechnete GOP 01440 (Verweilen) zeitlich eingrenzen. Der Kläger rechne immer die Wegepauschale für Besuche bei Nacht zwischen 20:00 Uhr und 8:00 Uhr (Ziffer 40230) ab. Besuch und Verweilen müssten somit am angegebenen Behandlungstag zwischen 20:00 Uhr und 24:00 Uhr stattgefunden haben, anderenfalls hätte der folgende Behandlungstag angegeben werden müssen. Weiterer Anhaltspunkt seien die Zeitangaben auf den Abrechnungsscheinen zur GOP 01218. Allein die Anzahl der in diesem Zeitfenster (20 bis 24 Uhr) abgerechneten GOP 01440 (Mindestzeit von 30 Minuten) könne zeitlich nicht erbracht worden sein. Zusätzlich seien in dem Zeitfenster weitere Zeit-in-Anspruch-nehmende Leistungen (GOP 01218, die Fahrt zum Besuch mit mindestens 5 km Strecke) abgerechnet worden. Liste man die Behandlungsscheine zeitlich sortiert auf, falle über Quartale hinweg die Regelmäßigkeit der Anrufe auf (meistens 10-Minuten-Takt zwischen den Patienten, 65-Minuten-Abstand zwischen Erst-und Zweitanruf). Auch die weiteren Angaben auf den Behandlungsscheinen wirkten stereotyp, als ob die Behandlungsscheine nach Mustern ausgefüllt würden: Es werde taggleich ein Erstkontakt (GOP 01210) abgerechnet - dann die GOP 01218 mit Uhrzeitangabe für eine erste telefonische Beratung - dann die GOP 01218 mit Uhrzeitangabe für eine zweite telefonische Beratung exakt 65 Minuten später und daneben die GOP 01411 und GOP 01440 mit dem Text „überw. nach der med.gabe" sowie die Ziffer 40230. Die Stichprobenprüfung des Quartals II/12 (Montag, der 09.04.2012) habe folgendes ergeben: Die Scheine zeigten einen stereotypen Aufbau. Unter dem Datum 09.04.2012 werde die GOP 01218 zunächst für eine (erste) telefonische Beratung (Text „tel. ber.“) mit einer Uhrzeitangabe abgerechnet. Zusätzlich würden am 09.04.2012 auf jedem der unten genannten Scheine in der folgenden Reihenfolge die GOP 01218 mit einer (späteren) Uhrzeitangabe und dem Text „tel. ber.“ sowie daneben die GOP 01411 (dringender Besuch) und die GOP 01440 (Verweilen) sowie eine Ziffer für die Wegepauschale für Besuche bei Nacht zwischen 20:00 und 8:00 Uhr (Ziffer 40230) abgerechnet.

Patient GOP 01218 für telefonische Beratung, Uhrzeitangabe laut Schein GOP 01218 für telefonische Beratung, Uhrzeitangabe laut Schein und GOP 01411 + 01440 + immer Wegepauschale Ziffer 40230 
N.E. 20:00 21:05
E.O. 20:10  21:15
M.G. 20:20 21:25
A.M. 20:30  21:35
H.R. 20:40  21:45
A.B. 20:50 21:55
K.H. 22:05 23:10
H.G.  22:15 23:20
E.W. 22:25 23:30
R.G.   22:35 23:40
R.E. 22:45 23:50

Nach dem Vortrag des Klägers zum Ansatz der GOP 01216/01218 EBM habe er diese Leistungen für telefonische Arzt-Patienten-Kontakte im Rahmen von Hausbesuchen abgerechnet. Hausbesuche würden im ÄBD erst dann durchgeführt, wenn sich der ÄBD-Arzt von der Notwendigkeit und den Umständen des Hausbesuchs persönlich überzeugt hätte. Dies diene zudem der Bestimmung der Reihenfolge der Besuche. Demnach führe der Kläger zuerst ein Telefonat und zeitlich nach dem Telefonat den Hausbesuch durch. Gehe man von den Daten und Angaben auf den Scheinen aus, dann habe der Kläger am 09.04.2012 ab 21:05 Uhr 11 Telefonate geführt. Zeitlich im Anschluss an die Telefonate habe er am 09.04.2012 bei 11 Patienten jeweils einen Hausbesuch durchgeführt sowie jeweils 30 Minuten verweilt. Dies ergebe am 09.04.2012 in der Zeit von 21:00 Uhr (bzw. 20:00 Uhr) bis 24:00 Uhr die zeitlich unmögliche Verweildauer von 5:30 Stunden. Weitere Zeitanteile für den Arzt-Patienten-Kontakt beim Besuch sowie die Fahrt zum Patienten - immer die Wegepauschale GOP 40230 für eine Nachtfahrt von mehr als 5 km bis zu 15 km Radius - kämen noch hinzu. Leistungen, die ab 00:00 Uhr erbracht würden, müssten mit dem Datum 10.04.2012 abgerechnet werden. Zudem sei die GOP 01440 nur ohne die Erbringung weiterer berechnungsfähiger GOP abrechenbar. Angesichts der in der Zeit von 20:00 Uhr bis 23:50 Uhr abgerechneten Telefonate (GOP 01218) stelle sich die Frage, wann die 11 Leistungen der GOP 01440 am 09.04.2012 erbracht worden sein sollten. Zudem falle auf, dass jeweils der Arzt-Patienten-Kontakt (z. B. GOP 01218 mit Uhrzeitangabe) während des Hausbesuchs fehle. Hier wäre der Kläger aufgrund seiner Pflicht zur Vollständigkeit der Abrechnung (§ 295 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) verpflichtet gewesen, erneut eine Notfallkonsultationspauschale abzurechnen (abzurechnen je Arzt-Patienten-Kontakt) und die Uhrzeit des Kontaktes anzugeben. Die Abrechnung sei in der vorliegenden Form aus einem weiteren Grund eindeutig nicht plausibel: Bei Abrechnung nur eines telefonischen Arzt-Patienten-Kontaktes sei die Abrechnung einer Besuchsleistung und Verweilgebühr (d. h. eines persönlichen Arzt-Patienten-Kontaktes) unlogisch. Entsprechend erläuterte sie die Abrechnung für jeweils einen Tag der übrigen Quartale. Die Feststellung, dass die GOP 01440 falsch abgerechnet worden sei, habe Auswirkungen auf die Bewertung der anderen, ebenfalls statistisch auffälligen Leistungsabrechnungen der GOP 01216, 01218, 01411 und Wegepauschalen. Denn mit der nachgewiesenen Falschabrechnung der GOP 01440 sei die Garantiewirkung der Sammelerklärungen weggefallen, so dass nun sämtliche abgerechneten Leistungen in Frage zu stellen seien. Das gelte insb. für statistisch um mehrere hundert- bis tausendfach abweichende Abrechnungen von Leistungsziffern. Vorliegend gehe es nicht um die Frage, ob eine erbrachte Leistung wirtschaftlich gewesen sei, sondern um die Frage der tatsächlichen, vollständigen Erbringung der Leistungen. Selbst wenn ein ÄBD-Arzt schwerpunktmäßig viele Hausbesuche erbringe, so folge daraus nur ein entsprechend erhöhter Ansatz der Wegepauschale. Ein erhöhter Ansatz der für telefonische Kontakte angesetzten Notfallkonsultationspauschalen oder gar der GOP 01440 folge daraus nicht. Die Begründungen des Klägers, weshalb so häufig telefonische Kontakte bei Hausbesuchen vorkommen würden, überzeugten angesichts der Stereotypik der Abrechnungen nicht. Bei dieser Stereotypik stelle sich schon die Frage, ob hier nach einem Schema Leistungen auf Abrechnungsscheine eingetragen und tatsächlich nie erbracht worden seien. Auffällig sei dabei auch, dass hier bei Bagatelldiagnosen Hausbesuche mit mehrmaligen Telefonaten und 30-minütigem Verweilen nach Medikamentengabe abgerechnet werde. Die Eintragung von (telefonischen) Zweitkontakten finde sich auch oft im Ambulanzdienst bei Bagatelldiagnosen. Es stelle sich die Frage, ob über diesen Weg die Vergütung für den einzelnen ÄBD-Fall (fast) verdoppelt werden solle. Die Überprüfung habe ergeben, dass die GOP 01218 entgegen der Vorgaben des EBM bei einer falschen Uhrzeit abgerechnet worden sei. Auch wenn die Zahl der Fälle nicht hoch sei, sei zu bedenken, dass bereits eine zumindest grob fahrlässige Falschabrechnung für die Aufhebung des Honorarbescheides genüge. Die Prüfung des im Quartal IV/12 abgerechneten Falls G. St. bestätige, dass der Kläger an einem Donnerstag (Werktag) die GOP 01218 mit der Uhrzeit 07:55 angegeben habe. In den Quartalen II/12 bis IV/12 würden auf den Behandlungsscheinen falsche Angaben über die Praxisgebühr-Kennziffern gemacht werden; damit sei die Verringerung des Vergütungsanspruchs gegenüber der KV verhindert worden. In den von ihr aufgeführten Beispielsfällen habe vor dem Tätigwerden des Klägers keine Notfallbehandlung im ÄBD stattgefunden. Wenn der Kläger in der Abrechnung mit aktiver Angabe der Kennziffer 80033N behaupte, eine Quittung über die Zahlung der Zuzahlung (Praxisgebühr) im ÄBD/im Notfall gesehen zu haben, obwohl dies sachlich nicht möglich sein könne, dann sei von vorsätzlicher Falschabrechnung auszugehen. Abrechnungsauffällig sei die hohe Zahl gemeinsamer Patienten zwischen den Abrechnungen des Klägers und den ÄBD-Abrechnungen von Herrn C. für D-Stadt. Anders als bei Praxen der Regelversorgung diene der ÄBD nur der Akutversorgung, die verschiedenen ÄBD-Ärzte wechselten im Schichtdienst und die Anzahl der beteiligten ÄBD-Ärzte sei größer (dementsprechend die Wahrscheinlichkeit der Doppelbehandlung geringer). Zudem seien die Öffnungszeiten und Dienstzeiten im ÄBD nicht mit den Öffnungszeiten von Praxen vergleichbar. Somit bestehe eine viel geringere Wahrscheinlichkeit, dass die Patienten überhaupt wiederholt den ÄBD aufsuchten und dass sich die Patientenidentitäten gehäuft bei zwei ÄBD-Ärzten fänden. Es könne dahinstehen, ob die im Bescheid aufgeführten Beispiele für taggleiche Behandlungen plausibel seien. Die im Bescheid vom 08.11.2016 aufgeführten Abrechnungskombinationen seien nicht plausibel erklärbar, sondern sprächen für eine gezielte Einbestellung von Patienten in den nur für die Akutversorgung vorgesehenen ÄBD. Wenn auffalle, dass der ÄBD anstelle der Regelversorgung genutzt werde, dann müssten zwar zunächst diese Patienten behandelt werden, aber die Patienten seien auf den Unterschied zwischen Regelversorgung und den Auftrag des ÄBD hinzuweisen. Der Kläger habe Behandlungsfälle abgerechnet, die bei rechtmäßiger Ausübung der Tätigkeit als ÄBD-Arzt nicht entstanden wären. Die Anzahl der Fälle mit Abrechnungskombinationen sei nicht gering. Es handele sich nicht um kontrollbedürftige Befunde, sondern um Bagatelldiagnosen. Die gleichbleibend hohe Patientenidentität von 25% bzw. 27% in den Quartalen III/12, II/13 und III/13 spreche für eine künstliche Fallzahlgenerierung. Die Vorgaben zum Ausfüllen des Musters 19 seien verbindlich. Die Prüfung der im Bescheid aufgeführten Fälle anhand der Tagesprotokolllisten für D-Stadt habe ergeben, dass in einem Fall von einer Leistungsabrechnung bei bereits Verstorbenen auszugehen ist. Bei den übrigen Fällen könne der Verdacht auf Abrechnung von Leistungen bei bereits Verstorbenen nicht bestätigt werden. Hinsichtlich der Eintragung der fehlerhaften Kennziffern für die Zuzahlung (Praxisgebühr) und der Abrechnung der GOP 01440 sei von vorsätzlich fehlerhafter Abrechnung auszugehen. Im Übrigen liege mindestens auch grobe Fahrlässigkeit vor, wenn die Akutversorgung des ÄBD faktisch wie eine erweiterte Regelversorgung betrieben werde und sich die Auffälligkeiten über mehrere Quartale in einer Vielzahl von Fällen erstrecke. Der durchschnittliche Abzug der Praxisgebühr bei der Rückforderungsberechnung für die Quartale II/12 bis IV/12 sei rechtmäßig, weil der Kläger in diesen Quartalen auf den Behandlungsscheinen falsche Angaben über die Praxisgebühr-Kennziffern gemacht habe und damit die Verringerung des Vergütungsanspruchs gegenüber der KV verhindert habe. Eine Untergrenze von 20 %-Patientenidentität gelte nicht, weil eine ganz andere Art der Rückforderungsberechnung vorgenommen werde, nämlich ein durchschnittliches Diensttag-Honorar gebildet werde. Die Art der Honorarrückforderung sei bereits durch den Nachweis der Falschabrechnung der GOP 01440 und der Kennziffern für die Zuzahlung (Praxisgebühr) begründet. Allein daraus, dass das neu festgesetzte Honorar im Vergleich zum ursprünglich angeforderten Honorar sehr niedrig sei, könne man nicht folgern, dass die Durchschnittswertberechnung falsch sei. Denn gerade die auffällige Häufigkeit und stereotype Abrechnung bestimmter, hoch bewerteter Leistungen (z. B. GOP 01440, 01411) im Vergleich zur Prüfgruppe der ÄBD-Ärzte sei ein Indiz, dass besonders massive Falschabrechnungen vorlägen, die auch besonders massive Honorarkorrekturen erforderten. Selbst wenn die tatsächlich ausgezahlten Stundensätze im streitgegenständlichen Zeitraum deutlich höher lägen als die errechneten Stundensätze, so seien diese nicht relevant, weil es sich bei diesen Stundensätzen um künstlich erhöhte Honorare handele und in diesem Zusammenhang mehrere Plausibilitätsprüfungsverfahren gegen verschiedene ÄBD-Ärzte anhängig seien. 

Hiergegen hat der Kläger am 24.05.2019 die Klage erhoben. Er trägt ergänzend zu seinem Widerspruchsvorbringen vor, die von ihm im Zusammenhang mit der Abrechnung der GOP 01218 EBM (indirekter oder weiterer Kontakt im ÄBD am Wochenende zwischen 19.00 Uhr und 07.00 Uhr) angegebenen Uhrzeiten seien ausnahmslos mit dem Zusatz „tel Ber“ für „telefonische Beratung" versehen worden und könnten daher nicht den jeweiligen tatsächlichen Besuchszeiten bei den Patienten zugeordnet werden. Richtig sei lediglich, dass er im Rahmen seiner Abrechnung tatsächlich in einigen Fällen die GOP 01210 EBM in Verbindung mit den GOP 01411 und 01440 EBM gerade bei Behandlungen um 0.00 Uhr herum nicht mit dem richtigen Datum versehen habe. So hätten an dem von der Beklagten hervorgehobenen Tag 09.04.2012 einige Hausbesuche selbstverständlich nach 24.00 Uhr, also bereits am 10.04.2012 stattgefunden. Er könne in der Rückschau nach nunmehr fast acht Jahren nicht mehr genau angeben, um welche Besuche es sich handele. Sicher angegeben werden könne jedoch, dass alle Besuche am 10.04.2012 zwischen 0.00 Uhr und 07.00 Uhr stattgefunden hätten. Dies gelte auch für die übrigen Tage. Es handele sich nicht um eine Falschabrechnung, sondern versehentliche Fehldatierung der GOP 01440 EBM, weshalb auch nicht auf die Unrichtigkeit der übrigen Leistungen und Abrechnung insgesamt geschlossen werden könne. Die Reihenfolge der auf dem Abrechnungsschein angegebenen Abrechnungspositionen entspreche nicht der Reihenfolge seiner Angabe. Seinerzeit hätte der von ihm verwendeten Abrechnungssoftware ein indirekter Art-Patienten Kontakt nicht vor dem direkten Kontakt eingegeben werden können. Die „stereotype Abrechnungsweise“ sei den Eingabemodalitäten der von ihm verwendeten Software geschuldet gewesen. Bei den Symptomangaben Fieber, Husten, Schwindel oder auch akute Bronchitis könne es sich im Einzelfall um schwerwiegende Erkrankungen gehandelt haben. Aus dem Vortrag der Beklagten erschließe sich schon nicht, wie die Beklagte ermittelt haben wolle, dass es sich bei den in dem Widerspruchsbescheid ausgewiesenen Arzt-Patienten-Kontakten um jeweils den ersten Kontakt mit ihm im Quartal gehandelt haben soll. Den vertragsarztrechtlichen Regelungen sei eine Pflicht des behandelnden ÄBD-Arztes, den jeweiligen Patienten im Rahmen der Behandlung im ÄBD eingehend und unmissverständlich klar zu machen, dass er den ÄBD wirklich nur im äußersten Notfall und nur bei subjektiv unausweichlicher, sofortiger Behandlungsnotwendigkeit aufsuchen dürfe, nicht zu entnehmen. Auch im Rahmen der Behandlung im ärztlichen Bereitschaftsdienst könne es vertragsarztrechtlich nicht untersagt sein, Patienten auch auf Bestellung oder auf Wunsch des Patienten erneut zu behandeln, wenn dies im Einzelfall medizinisch sinnvoll erscheine. Soweit die Kassenärztliche Vereinigung bei der Ermittlung des Honorarrückforderungsbetrages Schätzungsermessen habe, seien in Honorarrückforderungsbescheiden zumindest Ausführungen dazu erforderlich, warum tatsächliche Rückforderungsbeträge ohne Schätzungen sich nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln feststellen ließen. Das Schätzungsermessen sei unzureichend ausgeübt worden. Die Beklagte stufe es selbst nicht als generell vertragsarztwidrig ein, wenn Patienten bei medizinisch kontrollbedürftigen Befunden erneut behandelt oder während der sprechstundenfreien Zeiten auf die Möglichkeit einer erneuten Inanspruchnahme des ÄBD hingewiesen worden seien. Es bestehe jedenfalls keine Verpflichtung, Patienten auf die Unterschiede zwischen Regelversorgung und Notdienst hinzuweisen. Wenn die Beklagte für die sog. Doppelfälle Beispielsfälle für eine taggleiche Behandlung aufführe, handle es sich in Wahrheit um Ausnahmefälle. Ihm erschließe sich auch nicht, weshalb die Leistungen bei den Patienten E. und F. nicht ordnungsgemäß erbracht worden sein sollen. Die GOP 01440 lasse das Führen einzelner kurzer Telefonate während einer Verweilzeit bei einem Patienten zu, da es sich um Leistungserbringungen bei anderen Patienten handle. Es sei auf jeden Fall zulässig, die Verweilzeit von 30 Minuten bei einem Patienten für die Erbringung einer berechnungsfähigen Leistung des EBM kurzzeitig zu unterbrechen, um das Verweilen im Anschluss wiederaufzunehmen. Im Einzelnen wird auf die Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 31.03.2020, 16.11.2020 und 18.01.2021verwiesen.

Der Kläger beantragt, 

den Bescheid vom 08.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2019 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, 

die Klage abzuweisen. 

Sie ist unter teilweiser Wiederholung ihrer Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid und Verweis hierauf weiterhin der Auffassung, der Kläger habe in den streitigen Quartalen zumindest grob fahrlässig Leistungen abgerechnet und in den von ihm eingereichten Sammelerklärungen angegeben, die er tatsächlich nicht erbracht habe. Sie weist nochmals auf die hohe Patientenidentität mit dem ebenfalls im ÄBD D Stadt tätigen Arzt C. hin. Die Überprüfung der anderen vom Kläger abgerechneten Leistungen am 14.09.2020 zwischen 20 und 24 Uhr habe ergeben, dass der Kläger kein Zeitfenster von 30 Minuten frei gehabt habe, um untätig bei der Patientin F. zu verweilen, wenn man den hierfür erforderlichen Besuch mit mindestens 5 km Strecke sowie die Medikamentengabe mitberücksichtige. Ein untätiges Verweilen bei allen sechs Patienten am 05.10.2012 sei ebf. aufgrund der Uhrzeitangaben des Klägers zu den telefonischen Beratungen ausgeschlossen. Sie habe bei Gegenüberstellung der klägerischen Abrechnungen mit denen des Herrn C. auf häufig wiederholte Abrechnungskombinationen in Bezug auf den Erstkontakt der Doppelpatienten hingewiesen. Sie erwähne nochmals das Quartal II/12, in dem der Kläger 32 Patienten am 09.04.2012 behandelt habe, die am 07.04.2012 auch von Herrn C. behandelt worden seien. Dies spreche für eine gezielte Einbestellung von Patienten in den nur für die Akutversorgung vorgesehenen ÄBD. Das Argument des Klägers, die Patienten seien lediglich auf die Möglichkeit einer weiteren Inanspruchnahme des ÄBD hingewiesen worden, trage aufgrund der gehäuft wiederholten Abrechnungskombinationen nicht. Sie habe im Rahmen der ergänzenden Plausibilitatsprüfung der klägerischen Abrechnungen für den ÄBD D-Stadt weitere Abrechnungsauffälligkeiten festgestellt, so die gehäufte Abrechnung bestimmter Gebührenziffern, die auf ein bestimmtes Abrechnungsmuster hindeute. Die Verweilgebühr habe der Kläger abgerechnet, obwohl ausgeschlossen sei, dass er die Leistung (in jedem Fall) zeitlich erfüllt haben könne. Am 09.04.2012 habe der Kläger explizit die GOP 01411 EBM für die dringenden Besuche angesetzt. Sofern er nun vortrage, dass an diesem Tag wohlmöglich kein dringender Besuch stattgefunden habe, sei die Abrechnung bereits deshalb mindestens grob fahrlässig - wenn nicht vorsätzlich - falsch. Die Beweislast obliege zudem dem Kläger. Zum anderen könne bereits aufgrund der Uhrzeitangaben betreffend die telefonischen Beratungen in keinem einzigen Fall ein untätiges Verweilen von 30 Minuten zwischen 20 und 24 Uhr erfolgt sein. Dies gelte auch für die übrigen Tage. Der deutlich erhöhte Ansatz der GOP 01216 und 01218 resultiere aus dem Abrechnungsverhalten des Klägers. In der überwiegenden Anzahl der Fälle habe er mehrere - meist drei - Arzt-Patienten-Kontakte am Tag bei einem Patienten abrechnet. Sie habe auch für jedes Quartal Beispielsfälle zu den falschen Angaben über die Praxisgebühr-Kennziffern gemacht. Der Einwand des Klägers, die Patienten könnten zuvor bereits in einer anderen ÄBD-Zentrale gewesen sein, greife nicht durch, da es sich bei den ausgewiesenen Erstkontakten bzw. einzigen Kontakten um solche bezogen auf ganz Hessen handele. Das Aufsuchen einer ÄBD-Zentrale in einem anderen Bundesland erscheine wenig glaubhaft. Insbesondere erschließe sich nicht, warum die - nach Angaben des Klägers polymorbide und im Altenheim legende - Patientin F. einen ÄBD in einem anderen Bundesland in Anspruch nehmen sollte. Dies ergebe sich auch nicht ohne Weiteres für die im Widerspruchsbescheid beispielhaft aufgezählten bereits älteren Patienten. Personelle Hilfen befreie den Arzt nicht von seiner Pflicht zur korrekten Abrechnung. Zum anderen habe der Kläger in der Widerspruchsbegründung vorgetragen, dass die ÄBD-Zentrale immer wieder einmal stundenweise oder auch gelegentlich gar nicht mit nichtärztlichem Personal besetzt gewesen sei. Die Anwendung des Schätzungsermessens sei nicht als ultima ratio gegenüber der exakten Bezifferung zu verstehen. Vorrang einer konkreten Rückforderungsberechnung bestehe nicht. Angesichts der Vielzahl der festgestellten Abrechnungsauffälligkeiten und Ungereimtheiten in der klägerischen Abrechnung wäre ihr überdies eine an den einzelnen Abrechnungsverstößen orientierte realistische Honorarberechnung nicht möglich gewesen. Ein fester Mindeststundensatz sei nach der seinerzeit geltenden Notdienstordnung nicht vorgesehen. Im Einzelnen wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 28.08.2020 und 03.12.2020 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 18.11.2020 angehört.

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden. 

Die Klage ist aber unbegründet. Der Bescheid vom 08.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2019 ist rechtmäßig und war nicht aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Berichtigungsbescheids ist § 106a Abs. 2 Satz 1 bis 4 SGB V in der hier noch anzuwendenden und bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) v. 14.11.2003, BGBl I 2003, 2190 (aktuell § 106d Abs. 2 Satz 1 bis 4 SGB V) (im Folgenden: SGB V). Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Aufhebung des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der Grundnorm des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs für den gesamten Bereich des Sozialrechts, eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (vgl. BSG, Urt. v. 14.12.2005 - B 6 KA 17/05 R - BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 22, zitiert nach juris Rdnr. 11 m. w. N.). 

Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.

Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragszahnärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragszahnärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V).

Der angegriffene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.

Verjährung bzw. Ausschluss einer Berichtigung wegen Zeitablaufs ist nicht eingetreten. Die Beklagte kann eine Berichtigung innerhalb von vier Jahren vornehmen (vgl. BSG, Urt. v. 15.11.1995 - 6 RKa 57/94 - SozR 3-5535 Nr. 119 Nr. 1, juris Rdnr. 10; BSG, Urt. v. 28.03.2007 - B 6 KA 22/06 R - BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 35, juris Rdnr. 16 m. w. N.). Der Honorarbescheid für das älteste Prüfquartal II/12 wurde am 12.11.2012 versandt. Der angefochtene Ausgangsbescheid vom 08.11.2016 erging damit noch innerhalb der vierjährigen Ausschlussfrist. 

Nach § 106a SGB V (bzw. jetzt § 106d SGB V) stellt die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). 

Die näheren Einzelheiten des Prüfungsverfahrens ergeben sich aus den auf der Grundlage von § 106a Abs. 6 SGB V vereinbarten „Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfung der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen“ in der hier in den Quartalen III/08 bis I/18 grundsätzlich noch maßgebenden Fassung (DÄ 2008, A-1925), unter Berücksichtigung der Änderung des § 8 AbrPr-RL vom 07.03.2018 (DÄ 2018, A 600) (im Folgenden: AbrPr-RL), die nach der Übergangsregelung in § 22 Abs. 3 AbrPr-RL 2018 auf Verfahren anzuwenden ist, die am 31.12.2014 noch nicht abgeschlossen waren. Die §§ 8 und 8a der Richtlinien nach § 106a SGB V in der ab 01.07.2008 geltenden Fassung finden nach der Übergangsregelung auf diese Verfahren keine Anwendung (vgl. BSG, Urt. v. 11.09.2019 - B 6 KA 9/18 R - BSGE 129,220) = SozR 4-2500 § 106a Nr. 25, juris Rdnr. 13).

Die Prüfung der Abrechnungen des Vertragsarztes auf sachlich-rechnerische Richtigkeit zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen ordnungsgemäß, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Bestimmungen des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots - erbracht und abgerechnet worden sind (§ 4 AbrPr-RL). Dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität. 

Die Plausibilitätsprüfung stellt ein Verfahren dar, mit dessen Hilfe aufgrund bestimmter Anhaltspunkte und vergleichender Betrachtungen die rechtliche Fehlerhaftigkeit ärztlicher Abrechnungen vermutet werden kann. Anhaltspunkte für eine solche Vermutung sind Abrechnungsauffälligkeiten. Abrechnungsauffälligkeiten sind durch die Anwendung der Aufgreifkriterien mit sonstigen Erkenntnissen aus Art und Menge der abgerechneten ärztlichen Leistungen zu gewinnende Indizien, welche es wahrscheinlich machen, dass eine fehlerhafte Leistungserbringung im Sinne des § 6 zugrunde liegt (§ 5 Abs. 1 AbrPr-RL). Die Plausibilitätsprüfung allein ersetzt nicht das Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigstellung. Erst wenn die Kassenärztliche Vereinigung aufgrund der Plausibilitätsprüfung allein oder in Verbindung mit weiteren Feststellungen zu dem Ergebnis kommt, dass die Leistungen fehlerhaft abgerechnet worden sind, führt die Kassenärztliche Vereinigung ein Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigstellung durch. Auch die Krankenkasse kann Folgerungen aus einer Plausibilitätsprüfung erst ziehen, wenn sich daraus die Fehlerhaftigkeit der Abrechnung ergibt (§ 5 Abs. 2 AbrPr-RL). 

Zielrichtung der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit ist die rechtliche Ordnungsmäßigkeit der Leistungsabrechnung. Verstöße können z. B. darin liegen, dass die Leistung überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungsabrechnung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden ist (§ 6 Abs. 1 AbrPr-RL). Rechtlich nicht ordnungsgemäß sind insb. Abrechnungen in folgenden Fällen: 

-     Fehlende Berechtigung zur Leistungsabrechnung, 
-     Abrechnung nicht oder nicht vollständig erbrachter Leistungen, 
-     Abrechnung von Leistungen, welche unter Verstoß gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung erbracht worden sind, 
-     Ansatz der falschen Gebührennummer, 
-     Nichtbeachtung der vertraglich vereinbarten Abrechnungsbestimmungen, 
-     Abrechnung fachfremder Tätigkeit, 
-     Fehlen der fachlichen und apparativen Voraussetzungen (einheitliche Qualifikationserfordernisse), 
-     Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen, wenn die Leistungserbringung die erfolgreiche Teilnahme an Maßnahmen der Qualitätssicherung voraussetzt, 
-     Nichteinhaltung des Überweisungsauftrags zur Auftragsleistung, 
-     Fehlende ICD- und/oder OPS-Kodierung. 

Plausibilitätsprüfungen werden von der Kassenärztlichen Vereinigung als regelhafte (Absatz 2), als ergänzende Plausibilitätsprüfungen (Absatz 3), als Stichprobenprüfungen (Absatz 4) und als anlassbezogene Prüfungen (Absatz 5) durchgeführt (§ 7 Abs. 1 AbrPr-RL). Nach § 7 Abs. 3 AbrPr-RL werden ergänzende Plausibilitätsprüfungen nach Maßgabe des § 12 Abs. 1 AbrPr-RL durchgeführt, wenn die regelhafte Plausibilitätsprüfung Abrechnungsauffälligkeiten ergibt. Die regelhafte Plausibilitätsprüfung erstreckt sich auf die Feststellung von Abrechnungsauffälligkeiten (§ 5 Abs. 1 Satz 3) durch Überprüfung des Umfangs der abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand (Prüfung nach Zeitprofilen [§ 8]). Die regelhafte Prüfung kann nach Maßgabe des § 9 erweitert werden (§ 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 AbrPr-RL). Die Kassenärztliche Vereinigung kann im regelhaften Prüfverfahren weitere Aufgreifkriterien anwenden, um die Plausibilität der Abrechnung zu prüfen (§ 9 Abs. 2 AbrPr-RL). Ergeben die Plausibilitätsprüfungen nach §§ 8 bis 11 Abrechnungsauffälligkeiten, so führt die Kassenärztliche Vereinigung weitere Prüfungen durch (§ 12 Abs. 1 AbrPr-RL). Die weiteren Überprüfungen haben zum Ziel, mit Hilfe ergänzender Tatsachenfeststellungen und Bewertungen unter Berücksichtigung der Merkmale nach Absatz 3 festzustellen, ob gegen die rechtliche Ordnungsmäßigkeit nach § 6 verstoßen worden ist oder nicht (§ 11 Abs. 2 AbrPr-RL).

Die Beklagte hat zum Teil extrem hohe Überschneidungen der vom Kläger im ärztlichen Bereitschaftsdienst behandelten Patienten mit den von Herrn C. behandelten Patienten, ebf. im ÄBD D-Stadt, festgestellt, was hinreichend Anlass zu einer sachlich-rechnerischen Prüfung bot. Angesichts der hohen Zahl gemeinsamer Patienten, der Vielzahl von Doppelfällen mit taggleichen Leistungen, wiederholten Kombinationen von bestimmten Abrechnungsdaten in Bezug auf den Erstkontakt zwischen dem Kläger und Herrn C., der oftmals fehlenden Dokumentation der Patienten in der Tagesprotokollliste - im Einzelnen wird auf den angefochtenen Ausgangs- und Widerspruchsbescheid verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG) - kann dies nicht allein auf Ausnahmefälle oder besondere Feiertage zurückgeführt werden. Eine auch taggleiche Behandlung im ÄBD ist eher ungewöhnlich, auch wenn dies immer wieder einmal vorkommt. Die Beklagte geht daher zu Recht davon aus, dass im ÄBD eine Abrechnungsauffälligkeit nicht erst bei einer Patientenidentität von 20 % und mehr beginnt, wie dies in § 11 Abs. 1 Satz 1 AbrPr-RL vorgesehen ist. Im Übrigen zielt diese Regelung ausdrücklich auf eine Praxisgemeinschaft zugelassener Vertragsärzte in der Regelversorgung. 

Entscheidend sind aber die von der Beklagten festgestellten weiteren Auffälligkeiten bzgl. der GOP 01216, 01218, 01411 und 01440 EBM. Hinzu kommen die Auffälligkeiten bei der Abrechnung der Praxisgebühr und fehlende Angaben zum weiterbehandelnden Arzt auf Muster 19 (Notfall-/Vertretungsschein). Dies hat sie mit zahlreichen Fällen belegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die angefochtenen Bescheide und Widerspruchsbescheide verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG).

Damit steht der dringende Verdacht im Raum, dass der Kläger abgerechnete Leistungen nicht erbracht hat und/oder Leistungen abgerechnet hat, die im Rahmen einer Notfallbehandlung nicht hätten erbracht werden dürfen. Bei dieser Sachlage obliegt es dem Arzt, die Ordnungsgemäßheit der Abrechnung nachzuweisen und reicht als Nachweis für die Leistungserbringung seine Abrechnung nicht mehr aus. 

Es ist in erster Linie Sache des Arztes, begründete Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung auszuräumen. Diese Obliegenheit ist umso ausgeprägter, je gravierender die Hinweise auf Abrechnungsfehler sind. Als Anspruchsteller trifft den Arzt grundsätzlich die Feststellungslast hinsichtlich der Voraussetzungen für seinen Vergütungsanspruch. Das gilt vor allem, wenn sich der Arzt auf für ihn günstige Tatsachen berufen will, die allein ihm bekannt sind oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können. Die zur Begründung seines Anspruchs dienenden Tatsachen muss der Vertragsarzt in diesen Fällen so genau wie möglich angeben und belegen (vgl. BSG, Urt. v. 15.07.2020 - B 6 KA 13/19 R - SozR 4-5531 Nr. 01100 Nr. 1 <vorgesehen>, juris Rdnr. 32; BSG, Urt. v. 13.05.2020 - B 6 KA 6/19 R - SozR 4-2500 § 106d Nr. 8 <vorgesehen>, juris Rdnr. 27 f. jeweils m.w.N.). Ein Vertragsarzt hat im Rahmen seiner Abrechnung die Voraussetzungen der beanspruchten Gebührenpositionen unter Beachtung des unmittelbar verpflichtenden Wirtschaftlichkeitsgebots jedenfalls nach Beanstandungen und Nachfragen der Kassenärztlichen Vereinigung nachzuweisen. Dies gilt auch für die besonderen Leistungsvoraussetzungen von qualifizierten, d. h. aufwändigeren und daher höher dotierten Leistungspositionen. Der Nachweispflicht unterfällt auch, dass die aufwändigere (und daher höher honorierte) Leistung gegenüber einer weniger aufwändigen (geringer honorierten) Leistung erforderlich war, d. h. die den höheren Aufwand bedingenden Umstände müssen ebf. nachgewiesen werden. Darlegungs , Nachweis- und Dokumentationspflichten stellen Obliegenheiten des Vertragsarztes dar. Soweit diesen nicht hinreichend nachgekommen wird, wird der entsprechende Honoraranspruch verwirkt. Nicht hinreichend dargelegte, dokumentierte und nachgewiesene Leistungen sind als nicht erbracht bzw. als nicht erfüllt anzusehen und können nicht abgerechnet werden (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 27.05.2015 - L 4 KA 50/12 - juris Rdnr. 166 ff., Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. v. 17.03.2016 - B 6 KA 60/15 B - BeckRS 2016, 68302, unter Hinweis auf LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 26.11.2014 - L 3 KA 70/12 -, Revision <B 6 KA 1/15 R> zurückgenommen). 

Der Kläger hat aber weitgehend nur allgemein bzgl. der Beanstandungen der Beklagten vorgetragen. Der Kläger muss sich auch an seiner Abrechnung und den darin enthaltenen Uhrzeit- und Datumsangaben festhalten lassen. Es fehlt auch jeder Nachweis, weshalb die ursprünglich und zeitnah gemachten Angaben unrichtig sein sollen. Ein Irrtum oder Versehen könnte dem Kläger allenfalls in wenigen Einzelfällen zugestanden werden, nicht aber in der Gesamtschau der Auffälligkeiten. Das gleiche gilt für den Vortrag, die Abrechnungssoftware sei unzureichend gewesen. Völlig unverständlich ist auch die hohe Zahl der abgerechneten Verweilgebühr, im Durchschnitt über alle Quartale hinweg bei über der Hälfte der Patienten, während ansonsten diese Leistung nur bei 2 % bis 3 % der Patienten anfällt. Soweit die Beklagte auf die Diagnosestellung verwiesen hat, aus der sich das Erfordernis der Leistung nicht ablesen lasse, hat der Kläger sich mit dem Hinweis, bei den Symptomangaben Fieber, Husten, Schwindel oder auch akute Bronchitis könne es sich im Einzelfall um schwerwiegende Erkrankungen gehandelt haben, wiederum sehr allgemein gehalten. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Tagesprotokolllisten nur unzureichend geführt worden sein sollten, insb. in dem vom Kläger behaupteten Umfang und in den von der Beklagten angeführten Belegfällen. 

Der Kläger verkennt auch seine Pflicht, den jeweiligen Patienten im Rahmen der Behandlung im ÄBD eingehend und unmissverständlich klar zu machen, dass er den ÄBD wirklich nur im äußersten Notfall und nur bei subjektiv unausweichlicher, sofortiger Behandlungsnotwendigkeit aufsuchen dürfe. Diese Verpflichtung folgt bereits daraus, dass der Kläger als nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Arzt nicht berechtigt ist, gesetzlich versicherte Patienten zu behandeln. 

Die freie Arztwahl der Versicherten ist im Bereich der ambulanten Versorgung auf den Kreis der nach § 95 SGB V zugelassenen Leistungserbringer beschränkt. Lediglich in Notfällen besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen Arztes. Die in Notfällen von Nichtvertragsärzten und Krankenhäusern erbrachten Notfallleistungen gelten, was das Bundessozialgericht aus dem Zusammenhang der Vorschriften über die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung auch außerhalb der Sprechstundenzeiten (vgl. jetzt § 75 Abs. 1b SGB V) und des erweiterten Wahlrechts des Versicherten (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V) herleitet, als im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführt und sind aus der Gesamtvergütung (vgl. § 85 Abs. 1 SGB V) zu honorieren (vgl. BSG, Urt. v. 11.09.2019 - B 6 KA 6/18 R - SozR 4-2500 § 76 Nr. 5, juris Rdnr. 17 m.w.N.). § 75 Abs. 1b Satz 3 SGB V i. d. F. des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) v. 16.07.2015, BGBl I 2015, 1211 hat die Einbeziehung in die vertragsärztliche Versorgung nunmehr kodifiziert. 

Allerdings beschränkt sich die Berechtigung der nicht nach 95 Abs. 1 SGB V zugelassenen Leistungserbringer auf die Erbringung und Vergütung von Notfallbehandlungen i. S. des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V (vgl. BSG, Urt. v. 26.06.2019   B 6 KA 68/17 R - SozR 4-2500 § 106d Nr. 6, juris Rdnr. 18). Notfallleistungen sind nur solche Leistungen, die auf die Erstversorgung ausgerichtet sind (vgl. BSG, Urt. v. 13.05.2020 - B 6 KA 6/19 R - SozR 4-2500 § 106d Nr. 8 <vorgesehen>, juris Rdnr. 21; BSG, Urt. v. 26.06.2019 - B 6 KA 68/17 R - SozR 4-2500 § 106d Nr. 6, juris Rdnr. 21). Es dürfen nur die ärztlichen Behandlungsmaßnahmen ergriffen werden, die in der jeweiligen gesundheitlichen Situation des Versicherten unverzichtbar sind. Die Inanspruchnahme des Not- oder Bereitschaftsdienstes ist kein Surrogat einer regelmäßigen vertragsärztlichen Behandlung (vgl. BSG, Urt. v. 02.07.2014 - B 6 KA 30/13 R - SozR 4-2500 § 76 Nr. 2, juris Rdnr. 9 m.w.N.). Die Behandlungen sind darauf zu konzentrieren, Gefahren für Leib und Leben sowie unzumutbaren Schmerzen der Patienten zu begegnen sowie die Notwendigkeit einer stationären Behandlung abzuklären. Der Behandlungsumfang ist beschränkt auf die Maßnahmen, die bis zum erneuten Einsetzen der Regelversorgung in den üblichen Sprechstundenzeiten erforderlich sind (vgl. BSG, Urt. v. 12.12.2012 - B 6 KA 5/12 R - SozR 4-2500 § 115 Nr. 1, juris Rdnr. 15).

Insofern folgt hieraus unmittelbar die Verpflichtung des Klägers, den Patienten ggf. auf die Grenzen seiner Behandlungsbefugnis hinzuweisen und Leistungen, die zur Abwendung des Notfalls nicht erforderlich sind, zu unterlassen. Im Notfalldienst ist es insb. einem Nichtvertragsarzt untersagt, Patienten auch auf Bestellung oder auf Wunsch des Patienten erneut zu behandeln, wenn dies im Einzelfall medizinisch auch sinnvoll, aber eben nicht erforderlich zur Abwendung des Notfalls erscheinen mag.

Die von der Beklagten aufgezeigten Abrechnungsmuster deuten auf eine systematisch fehlerhafte Abrechnung und damit auf eine vorsätzliche fehlerhafte Abrechnung hin, jedenfalls geht die Beklagte zutreffend davon aus, dass wenigstens grobe Fahrlässigkeit vorliegt. 

Angesichts der von der Beklagten festgestellten Verstöße gegen die Regeln des Vertragsarztrechts erweisen sich die von dem Kläger in den streitbefangenen Quartalen jeweils der Abrechnung beigefügten Abrechnungssammelerklärungen, in denen er die ordnungsgemäße Erbringung der abgerechneten Leistungen bestätigt hat, als falsch, mit der Folge, dass die Beklagte berechtigt war, die Honorarbescheide aufzuheben und die Honorare im Wege der Schätzung neu festzusetzen (vgl. BSG, Urt. v. 23.06.2010   B 6 KA 7/09 R - BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr. 4, juris Rdnr. 69). Der Beklagten kommt dabei ein weites Schätzungsermessen zu, da mit der Implausibilität der Abrechnung aufgrund des Formenmissbrauchs die Abrechnung selbst nicht mehr ausschlaggebend sein kann. 

Die Abrechnungssammelerklärung als Ganzes ist bereits dann unrichtig, wenn nur ein mit ihr erfasster Behandlungsausweis eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen enthält. Dies gilt auch für implausible Abrechnungen. Wegen dieser weitgehenden Wirkung der Rechtsfolgen aus der Abgabe einer unrichtigen Abrechnungssammelerklärung ist weiter vorauszusetzen, dass unrichtige Angaben in den Behandlungsausweisen zumindest grob fahrlässig oder vorsätzlich erfolgt sind (vgl. BSG, Urt. v. 17.09.1997 - 6 RKa 86/95 - SozR 3-5500 § 35 Nr.1, juris Rdnr. 21 f.). Angesichts der im Einzelnen von der Beklagten dargelegten Implausibilität der Abrechnung für alle streitbefangenen Quartale ist von einem zumindest grob fahrlässigen Verhalten des Klägers auszugehen. Es bedarf eines Nachweises im Einzelfall dann nicht mehr, wenn entweder eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen oder eben die Implausibilität der Abrechnung nachgewiesen ist. Der Nachweis der Implausibilität der Abrechnung steht insofern dem Nachweis einer unrichtigen Angabe über erbrachte Leistungen gleich bzw. ersetzt diesen. Im Übrigen hat die Beklagte für jedes Quartal viele Beispielsfälle angeführt. 

Keinesfalls steht dem Arzt mehr an Honorar zu, als ihm zu zahlen gewesen wäre, wenn er ordnungsgemäß abgerechnet hätte (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R - BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr. 6, juris Rdnr. 22 zum Formenmissbrauch bei einer Berufsausübungsgemeinschaft). Dies bedeutet jedoch nicht, dass den Ärzten auch tatsächlich das Honorar zu zahlen wäre, das sie erhalten hätten, wenn sie ordnungsgemäß abgerechnet hätten. Das lässt sich angesichts der Vielzahl der Implausibilitäten bei der Abrechnung des Klägers im Nachhinein auch nicht mehr feststellen. Honorarkürzungen dürfen sich auf das gesamte Honorar erstrecken, das auf rechtswidrige Weise erlangt wurde, ohne dass gegenzurechnen ist, was bei rechtmäßigem Verhalten als Honorar zu zahlen gewesen wäre; in solchen Fällen kann eine Honorarneufestsetzung im Wege einer Schätzung erfolgen (vgl. BSG, Beschl. v. 17.09.2008 - B 6 KA 65/07 B - BeckRS 2008, 57265, Rdnr. 9 ff.). Der Beklagten kommt insoweit ein weites Schätzungsermessen zu (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 30.11.2016   L 4 KA 22/14 - juris Rdnr. 55; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 02.01.2018 - L 11 KA 39/17 B ER - juris Rdnr. 81 m.w.N.). In aller Regel ist es nicht zu beanstanden, wenn die Kassenärztliche Vereinigung in den Fällen, in denen die vom Arzt geltend gemachte Quartalsvergütung bezogen auf den Fallwert wesentlich über dem Durchschnitt seiner Fachgruppe liegt, deutliche Abschläge gegenüber der ursprünglich geltend gemachten Honorarforderung vornimmt und sich im Wege pauschalierender Schätzung damit begnügt, ihm ein Honorar z. B. in Höhe des Fachgruppendurchschnitts   oder in KV-Bezirken mit hohen Fallwerten evtl. niedriger - zuzuerkennen (vgl. BSG, Urt. v. 17.09.1997 - 6 RKa 86/95 - SozR 3-5500 § 35 Nr.1, juris Rdnr. 23). 

Die Beklagte hat im Rahmen der Schätzung das Honorar des Klägers auf das Durchschnittshonorar der ÄBD-Zentrale je Quartal neu festgesetzt. Der Durchschnitt wurde anhand der Zahl der Diensttage bzw. Behandlungstage im ÄBD ermittelt, um die durchschnittliche zeitliche Präsenz zu erfassen. Der durchschnittliche Einbehalt der Praxisgebühr wurde berücksichtigt. Dies ist nicht zu beanstanden (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 13.02.2019 - S 12 KA 601/17 - Umdruck S. 17, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 8/19 -; SG Marburg, Urt. v. 25.09.2020 - S 12 KA 642/17 u.a. – juris Rdnr. 66, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 59/20 - u. a.).

Nach allem war die Klage abzuweisen. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Verfahrenskosten. 

Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). Der wirtschaftliche Wert folgt aus dem Rückforderungsbetrag. Dies ergab den festgesetzten Wert.

Rechtskraft
Aus
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