S 12 KA 315/19

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 315/19
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 29/21
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze

1. Mit der Sammelerklärung wird erklärt, alle Leistungen ordnungsgemäß abgerechnet zu haben. Die Abrechnung von Leistungen an Tagen, an denen keine Tätigkeit vorliegt, erfüllt den objektiven Betrugstatbestand. Es steht nicht im Belieben eines Vertragsarztes, Leistungen abzurechnen und ggf. dann die Absetzung dieser Leistungen hinzunehmen. Es handelt sich nicht um Fälle einer Verkennung der Leistungslegende oder um Zweifel bei der Auslegung von Abrechnungsnormen, sondern um eine von vornherein und vollständig falsche Abrechnung. 
2. Es gibt keinerlei Grund, insb. nicht im Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung, Versichertenkarten vor oder unabhängig von einer konkret anstehenden Behandlung einzulesen. 

Bemerkung

SG verb. mit S 12 KA 316/19

1.     Die Klagen werden abgewiesen. 

2.    Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

3.    Der Streitwert wird festgesetzt
für das Verfahren zum Az.: S 12 KA 315/19 auf 138.954,72 € und 
für das Verfahren zum Az.: S 12 KA 316/19 auf 35.000,00 €. 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Honorarrückforderungen in Höhe von insgesamt 138.954,72 € aufgrund von patientenbezogenen und ergänzenden Plausibilitätsprüfungen der ÄBD-Honorarabrechnungen der sieben Quartale I/12 bis III/13 im ÄBD-Bezirk C-Stadt (BSNR xxx1) und ÄBD-Bezirk A-Stadt (BSNR xxx2) sowie - mit Ausnahme des Quartals IV/12 - im ÄBD-Bezirk D-Stadt (BSNR xxx3). 

Der Kläger ist Facharzt für Allgemeinmedizin und war mit Einzelpraxis im hausärztlichen Versorgungsbereich in A-Stadt zugelassen. Seit 01.09.2008 betreibt er mit Herrn E., Facharzt für Innere Medizin, ebf. zugelassen für den hausärztlichen Bereich, eine Berufsausübungsgemeinschaft in A-Stadt. 

Die Beklagte setzte aufgrund implausibler Abrechnung in den Vorquartalen I/09 bis IV/10 gegen die Berufsausübungsgemeinschaft des Klägers eine Honorarrückforderung in Höhe von 538.739,39 € fest. In der mündlichen Verhandlung zum Aktenzeichen S 16 KA 447/14 vor der 16. Kammer des SG Marburg verglichen sich die Beteiligten auf eine reduzierte Rückforderungssumme in Höhe von 363.044,04 €. Hintergrund war, dass die Berufsausübungsgemeinschaft einen Weiterbildungsassistenten nicht hinreichend berücksichtigt hatte. Die Klage der Berufsausübungsgemeinschaft gegen eine Rückforderung aus einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung bezüglich der fünf Quartale I/11 bis I/12 in Höhe von 650.509,01 € wies die Kammer mit Gerichtsbescheid vom 06.04.2021 - S 12 KA 119/18 - (Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 22/21) ab. Die Beklagte setzte aufgrund implausibler Abrechnung in den Quartalen I bis III/08 in Bezug auf die Tätigkeit im Ärztlichen Bereitschaftsdienst gegen den Kläger eine Honorarrückforderung in Höhe von 70.813,85 € fest. SG Marburg, Urteil v. 21.07.2017   S 16 KA 446/14 - hob die Honorarrückforderung für das Quartal II/08 (25.567,50 €) auf und wies im Übrigen die Klage ab (Berufung anhängig: LSG Hessen   L 4 KA 46/17). Die Beklagte setzte für die Quartale IV/08 – IV/10 in Bezug auf die Tätigkeit des Klägers im Ärztlichen Bereitschaftsdienst eine weitere Honorarrückforderung in Höhe von 651.035,66 € fest. SG Marburg, Urteil v. 21.07.2017   S 16 KA 362/15 - wies die Klage ab (Berufung anhängig: LSG Hessen   L 4 KA 47/17). Die Klage gegen eine weitere sachlich-rechnerische Honorarberichtigung wegen implausibler Honorarabrechnungen in den Quartalen I/11 bis IV/11 in Bezug auf seine Tätigkeit im Ärztlichen Bereitschaftsdienst in Höhe von 73.136,77 € wies die Kammer mit Gerichtsbescheid vom 13.02.2019 - S 12 KA 601/17 - (Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 8/19) ab. Die Klage gegen die Zulassungsentziehung des Klägers wies SG Marburg, Gerichtsbescheid vom 06.04.2021 - S 12 KA 116/19 - (Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 21/21) ab. 

In den streitbefangenen Quartalen I/12 bis III/13 setzte die Beklagte durch Honorarbescheid das Honorar des Klägers quartalsweise und bezogen auf den jeweiligen ÄBD-Bezirk fest.

Die Beklagte führte für die streitbefangenen Quartale eine patientenbezogene und ergänzende Plausibilitätsprüfung durch. 

Die Beklagte hob mit Bescheid vom 12.07.2016 die Honorarbescheide für die streitbefangenen Quartale und ÄBD-Bezirke auf und setzte die strittigen Honorarrückforderungen für die Quartale I/12 bis III/13 fest, insgesamt auf 138.954,72 €. Im Einzelnen entfielen auf die streitbefangenen Quartale folgende Honorarrückforderungen: 

Quartal  Honorar in €
I/12 22.102,26
II/12 11.530,11
III/12 14.761,55
IV/12 31.832,78
I/13 27.374,65
II/13  17.631,34
III/13 13.722,03
gesamt 138.954,72

 Zur Begründung führte sie aus, die vorliegende Plausibilitätsprüfung sei eine anlassbezogene Prüfung. Der konkrete Hinweis auf Abrechnungsauffälligkeiten ergebe sich primär aus der quartalsweise auffallend hohen Patientenzahl im Ärztlichen Bereitschaftsdienst neben der umfangreichen, zeitauffälligen Praxistätigkeit sowie der auffällig hohen Patientenidentität zwischen der BAG des Klägers und seiner Tätigkeit im ÄBD. Neben den massiven zeitlichen Belastungen, die sich summarisch in den genannten Überschreitungen im Quartalsprofil der BAG zeigten, seien sowohl der Kläger als auch Herr E. in verschiedenen ärztlichen Bereitschaftsdienstzentren tätig. Im Überprüfungszeitraum sei der Kläger ab dem Quartal I/12 regelmäßig in drei ÄBD-Zentralen tätig gewesen, wobei der Schwerpunkt seiner Notdiensttätigkeit in der ÄBD-Zentrale A-Stadt (ÄBD-Nr. xxx2) ausgeübt worden sei. In dieser Zentrale seien von ihm 879 bis 1.575 Patienten pro Quartal neben seiner eigentlichen Tätigkeit in der Berufsausübungsgemeinschaft abgerechnet worden. Insgesamt seien vom Kläger in allen ÄBD-Zentralen zwischen 1.181 bis 2.028 Patienten mit einem zusätzlichen ärztlichen Zeitaufwand und akuter Behandlungsbedürftigkeit neben der „Regelversorgung" in der eigenen BAG abgerechnet worden. Bei einer unterstellten Behandlungszeit von 15 Minuten je Patient errechne sich eine Arbeitszeit von bis zu 500 Stunden im Quartal. Der Kläger habe im Quartal durchschnittlich 31 ärztliche Bereitschaftsdienste absolviert. Es stelle sich die Frage, wie es dann zu einer derart überdurchschnittlich hohen Patientenanhäufung in der Regelversorgung innerhalb der BAG und umgekehrt kommen könne. So betrage am 31.01.2012 die Tagesprofilzeit des Klägers in der Berufsausübungsgemeinschaft 18:19 Stunden. An diesem Tag seien zusätzlich weitere 58 Patienten in der ÄBD-Zentrale A-Stadt behandelt worden, die bei Berechnung einer durchschnittlichen Behandlungszeit von 15 Minuten zu einer weiteren Behandlungszeit von 14:30 Stunden führen würden. Ähnlich verhalte es sich beispielhaft am 06.02.2012. Darüber hinaus zeige insb. der Vergleich mit der ÄBD-Abrechnung A Stadt (BSNR xxx2) eine klärungsbedürftige Patientenübereinstimmung zwischen 21,14 % und 47,83 % bzw. 215 bis 508 Behandlungsfällen mit der BAG. Die hohe Zahl der Doppelpatienten in Verbindung mit den diversen, nachfolgend aufgeführten Abrechnungsauffälligkeiten ließen u. a. den Schluss zu, dass der Kläger die Behandlung seiner Patienten regelhaft in den auf Akutfälle ausgerichteten Ärztlichen Bereitschaftsdienst verlagere. Durch Umgehung der Honorarbudgetierungen und behandlungsfallbezogenen Vergütungen (z. B. Versichertenpauschale) in der Regelversorgung sowie der Vorgaben zur Genehmigung einer Zweigpraxis erlange er Honorar, das bei ordnungsgemäßer Ausübung des vertragsärztlichen Berufs nicht angefallen wäre. Sie wies weiter auf die grundsätzlich fehlende Angabe des weiterbehandelnden Arztes auf Muster 19 (Notfall-Vertretungsschein), auf die Angabe von Dauerdiagnosen im Quartal, Mehrfach- und Dauerbehandlungen von Patienten und Familienbehandlungen hin. So fänden im Quartal I/12 mit der Diagnose J40G (Bronchitis, nicht als akut oder chronisch bezeichnet) bei dem Patienten F., 14 Arzt-Patienten-Kontakte im ÄBD statt. Unter Angabe der Diagnosen M51.2G (Sonstige nicht näher bezeichnete Bandscheibenverlagerung) und R10.4G (Sonstige und nicht näher bezeichnete Bauchschmerzen) komme es im Quartal IV/12 zu 15 Arzt-Patienten-Kontakte im ÄBD. Ähnlich verhalte es sich in den übrigen Quartalen. Das Ganze erwecke den Anschein, dass die hausärztliche Betreuung in der ÄBD-Zentrale erfolge. Ferner sei aufgefallen, dass in einer extrem hohen Zahl von Fällen sowohl in der ÄBD-Abrechnung als auch in der BAG-Abrechnung Leistungen am gleichen Tag zur Abrechnung gebracht worden seien. Ein Teil der Patienten erscheine an diesem Tag nicht in der Tagesprotokollliste. In einer Vielzahl von Fällen der taggleichen Behandlung in der BAG kämen ausschließlich einzelne Leistungen wie z. B. Laborleistungen, Verwaltungskomplex, oder Chronikerzuschlag zum Ansatz, auch lägen in diesen Fällen teilweise identische Einlesedaten der Krankenversichertenkarte vor. Weitere Auffälligkeiten für ein implausibles Abrechnungsverhalten habe mittels der Tagesprotokolllisten der ÄBD-Zentralen A-Stadt und C-Stadt, in denen die Behandlungen der Patienten tagesbezogen, unter Angabe des diensthabenden Arztes, dokumentiert würden, festgestellt werden können, was im Einzelnen weiter aufgeführt wird u. a. unter den Überschriften „Unterschiedliche Angaben zur Diagnose (ÄBD-Schein - Tagesprotokollliste)“, „Praxisgebühr ÄBD A-Stadt“, „Unterschiedliche Angaben zur Praxisgebühr bei Patienten zwischen BAG und ÄBD (BAG= 80032, ÄBD= 80033N)“, „Unterschiedliche Angaben zur Praxisgebühr identischer Patienten die in verschiedenen ÄBD Zentralen behandelt wurden“, „Widersprüchliche Angaben zwischen Angabe des ÄBD-Diensttages in der Erklärung zur Quartalsabrechnung und den Daten des Abrechnungsscheins“, „Diskrepanz zwischen Behandlungstag und ÄBD-Dienst laut Erklärung zur Quartalsabrechnung“, „Diskrepanz zwischen Einlesedatum und ÄBD-Dienst laut Sammelerklärung“, „Diskrepanz zwischen den Einlesedaten und Behandlungsdaten im ÄBD“ und „Abweichungen keine Einlesedaten“. Die Plausibilitätsprüfung erbringe den Indizienbeweis, dass der Kläger fehlerhaft abgerechnet habe. Dieser Indizienbeweis berechtige sie, Honorarkorrekturen vorzunehmen. Angesichts der Anzahl sowie der sich über viele Quartale hinziehenden Abrechnungspraxis handele es sich nicht um ein bloßes Versehen, sondern um wiederholtes, standardmäßiges Vorgehen. Das Honorar für die vorliegenden ÄBD-Abrechnungen der Quartale I/12 bis III/13 werde neu festgesetzt. Ziel der Neufestsetzung des Honorars sei es, die fiktiven Fallzahlen, den Umfang der abgerechneten EBM-Leistungen sowie den Praxisgebührabzug auf einen (durchschnittlichen) Normalwert zurückzuführen. Soweit das Durchschnittshonorar der ÄBD-Zentrale niedriger liege als das vom Kläger abgerechnete Honorar, werde sein Honorar für die hier streitigen Honorarbescheide auf das Durchschnittshonorar je ÄBD-Zentrale/je Quartal neu festgesetzt. Der Durchschnitt werde anhand der Zahl der Diensttage bzw. Behandlungstage im ÄBD ermittelt, um die unterschiedliche zeitliche Präsenz im ÄBD zu erfassen. Der durchschnittliche Einbehalt der Praxisgebühr werde berechnet, indem für jedes Quartal und jede ÄBD-Zentrale das Verhältnis zwischen Fallzahl und Einbehalt der Praxisgebühr (Praxisgebührkennziffer 80030N) ermittelt werde. Dieser Prozentwert werde auf die verbleibenden plausiblen Fälle übertragen und auf diese Weise die Zahl der Fälle mit Praxisgebührabzug (10,00 € je Fall) ermittelt. Für die Höhe des Abzugs der Verwaltungskosen/Umlage Weiterbildung Allgemeinmedizin/ÄBD-Umlage sowie der Betriebskosen seien bei beiden Berechnungsweisen jeweils die in den Honorarbescheiden bzw. Kontoauszügen ausgewiesenen Prozentwerte zugrunde gelegt worden. Die konkrete Neuberechnung des Honorars und der Honorarrückforderung für die einzelnen ÄBD-Abrechnungen und Quartale ergebe sich aus der Anlage zum Bescheid. 

Hiergegen legte der Kläger am 11.08.2016 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, es sei unverständlich, was aus der Feststellung, bei den im ÄBD behandelten Patienten handele es sich um ein auffallend junges Klientel, folge. Leistungen im organisierten Notdienst seien nach den Richtlinien bei der Berechnung von Behandlungszeiten nicht berücksichtigungsfähig. Für den Abrechnungstag 31.01.2012 könne maximal die Zeit von 18.00 Uhr bis 24.00 Uhr am 31.01.2012 hinsichtlich der im ÄBD behandelten Patienten berücksichtigungsfähig sein. Alle ab 24.00 Uhr im ÄBD behandelten Patienten hätten mit dem Tagesprofil am 31.01.2012 keine Gemeinsamkeiten und müssten unberücksichtigt bleiben. Bei einer maximalen Behandlungszeit von 6 Stunden (18.00 Uhr bis 24.00 Uhr) ergebe sich eine mittlere Behandlungszeit im ÄBD je Patient von 6,2 Minuten, was dem Durchschnitt entsprechen dürfte. Die Patientenüberschneidungen im ÄBD A-Stadt und der BAG A./E. beruhten darauf, dass sich seine Praxis und der ÄBD A-Stadt in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander befänden. Er sei sehr beliebt bei seinen Patienten, woraus eine hohe Arztbindung resultiere. So sei die Zahl der Doppelbehandlungen keine große Überraschung. Vielen Patienten kämen die Behandlungszeiten im ÄBD entgegen, da sie ihnen einen Besuch des Arztes auch nach Ende der regulären Arbeitszeit ermöglichten. Hinzu komme seine extrem hohe Dienstfrequenz. Im ÄBD A-Stadt habe er in den streitbefangenen Quartalen durchgehend an über 35 Tagen im Quartal einen Dienst versehen. Er könne auch rechtlich eine Behandlung nicht ablehnen. Die fehlende Angabe des weiterbehandelnden Arztes auf Muster 19 (Notfall-/Vertretungsschein) sei unerheblich, wenn es sich um eigene Patienten handele. Wegen des hohen Verwaltungsaufwands werde ferner im ÄBD auf die direkte Weitergabe der Daten an den Hausarzt durch den ÄBD-Arzt in den meisten Fällen verzichtet. Dem Patienten werde üblicherweise das Muster 19b (Blatt 2 des Notfall-/Vertretungsscheins) mit den vom ÄBD-Arzt notierten Behandlungsdaten nach Hause mitgegeben. Dies sei bisher nicht moniert worden. Die Patientendaten mit der Angabe von Dauerdiagnosen auf ÄBD-Scheinen fänden sich nicht in der Verwaltungsakte. Die Angabe von Dauerdiagnosen mache die Leistungserbringung im ÄBD nicht implausibel. Bei den von dem Ausschuss genannten Patienten, bei denen Mehrfach oder Dauerbehandlungen (mehr als zwei Arzt-Patienten-Kontakte) stattgefunden hätten, handele es sich immer wieder um die gleichen Patienten. Dies zeige, dass bestimmte Patienten dazu neigten, den ÄBD in relativ hoher oder sogar in sehr hoher Frequenz aufzusuchen. Dies könne ihm nicht als ein Fehlverhalten zugerechnet werden. Mehrfach- und Familienbehandlungen im ÄBD seien nicht nur häufig, sondern für den diensthabenden ÄBD-Arzt schlicht unvermeidbar. In der Situation eines wiederholten Patientenkontaktes müsse sich der diensthabende Arzt in jedem Fall zunächst selbst von der akuten Behandlungsbedürftigkeit eines Patienten überzeugen. Die im Bescheid genannten Familien suchten den ÄBD regelmäßig im Familienverband auf. Die Kinder der Familien klagten regelmäßig über Bagatellerkrankungen wie Halsschmerzen, Fieber und Husten und stellten die dadurch bedingte Behandlungsbedürftigkeit heraus. Die insgesamt 43 von dem Ausschuss aufgeführten Fälle taggleicher Behandlungen der Patienten im ÄBD A-Stadt und der BAG entsprächen vor dem Hintergrund der von ihm im streitgegenständlichen Zeitraum insgesamt im ÄBD A-Stadt behandelter 7.850 Patienten einem Prozentsatz von 0,55 % der Behandlungsfälle. Von einer extremen Vielzahl von Fällen könne daher sicher nicht gesprochen werden. Im Übrigen könne ein im Verlauf eines Werktages in der BAG behandelter Patient aus vielerlei plausiblen Gründen am gleichen Tag den ÄBD aufzusuchen. Die Tagesprotokolllisten des ÄBD A-Stadt seien ihm nicht zur Verfügung gestellt worden. Auch sei das Fehlen eines Eintrages im Tagesprotokoll für die Behandlung eines Patienten grundsätzlich kein Nachweis für ein implausibles Abrechnungsverhalten. Die „Chronikerziffer“ (GOP 03212 EBM) könne, soweit die Voraussetzungen vorlägen, an jedem beliebigen Tag abgerechnet werden. Der Patient müsse am Abrechnungstag nicht in der Praxis gewesen sein. Häufige Arzt-Patienten-Kontakte könnten dem diensthabenden Arzt nicht vorgeworfen werden. Es sei nicht ersichtlich, weshalb aus unterschiedlichen Angaben zur Diagnose beim Vergleich von ÄBD-Schein und Tagesprotokollliste eine Falschabrechnung folge. Er bestreite auch die Abweichungen. Zudem könne die Feststellung der Helferin nicht die ärztliche Diagnoseerstellung ersetzen. Es sei auch völlig ausreichend, eine behandlungsrelevante Diagnose für den Patienten anzugeben. Eine Pflicht zur vollständigen Angabe aller Diagnosen des Patienten sei den Abrechnungsbestimmungen des EBM nicht zu entnehmen. Patienten, die von ihm bereits in der BAG behandelt worden seien, hätten bei einer erneuten Behandlung im ÄBD bei dem gleichen Arzt die Praxisgebühr nicht erneut zu entrichten gehabt. Er habe in keinem Fall bei der Abrechnung von Patienten wider besseren Wissens eine Befreiungskennziffer verwendet, um sich unberechtigte Honorarvorteile zu verschaffen. Es entspreche nicht den Tatsachen, bei identischen Patienten in verschiedenen ÄBD-Zentralen unterschiedliche Kennziffern bezüglich der Praxisgebührkennzeichnung verwendet zu haben. Da dem Ausschuss nicht der Nachweis eines grob fahrlässigen oder gar vorsätzlichen Fehlverhaltens in Bezug auf die Erhebung der Praxisgebühr gelungen sei, hätte sein Honorar nicht um die durchschnittliche Praxisgebühr bereinigt werden dürfen. Es treffe nicht zu, dass Patienten mit teilweise versetzten Einlese- und Behandlungsdaten im ÄBD sich in den Protokolllisten der ÄBD-Zentralen nicht wiederfinden ließen. Diskrepanzen könnten sich daraus ergeben, dass der Dienst über zwei Kalendertage laufe und er im gleichen Dienst irrtümlich einem nicht korrekten Behandlungstag in seiner Abrechnung zugeordnet habe. Alle aufgeführten Patienten (die ersten 63 Fälle der Tabelle in Anlage 2) wiesen als Einlesedatum entweder den 23.03.2012 oder den 24.03.2012 aus. Richtig sei, dass er laut der von ihm eingereichten Sammelerklärung an diesen beiden Tagen keinen ÄBD-Dienst gehabt habe. Alle Patienten seien aber an den von ihm angegebenen Behandlungstagen laut Tagesprotokoll der ÄBD-Zentralen regulär behandelt worden. Die teilweise versetzten Einlese- und Behandlungsdaten rührten von der Abrechnungsweise her. Den größten Teil der Abrechnungsarbeit habe eine Helferin der BAG erledigt. Die von ihr verwendete Abrechnungssoftware habe regelmäßig das Datum eingestellt, an welchem die Software von ihr zuletzt gestartet worden sei. Wenn er dies übersehen habe, sei er den ÄBD-Dienst mit einem Systemdatum seiner Software angetreten, die dem letzten Bearbeitungsstand der Arzthelferin entsprochen habe. In diesen Fällen habe die Software bei dem Einlesen der Versichertenkarten während des ÄBD-Dienstes das Einlesedatum produziert, auf welches die Software gerade eingestellt gewesen sei. Hierdurch erkläre sich auch die zu einem sehr geringen Anteil versetzten Einlese- und Behandlungsdaten der Patientenbehandlungen im ÄBD. Dies erkläre auch, dass sich bei ihm zum Teil Einlesedaten finden ließen, an denen er keinen ÄBD-Dienst gehabt habe, die Behandlungen aber praktisch durchweg in den Tagesprotokolllisten korrekt erscheine. Es handele sich um Fälle leichter Fahrlässigkeit, die mit einem manipulativen Abrechnungsverhalten keine Gemeinsamkeiten aufwiesen. Bei den von dem Ausschuss festgestellten Fällen, bei denen das Einlesedatum nach dem ersten Kontakt des Patienten mit dem ÄBD liege, beruhe auf einer weiteren Besonderheit der von ihm verwendeten Arztsoftware Albis. Wenn die Versichertenkarte eines Patienten zweimal erfasst werde an zwei Behandlungstagen, so generiere die Software das letzte (aktualisiertes) Einlesedatum der Versichertenkarte für diesen Tag, das in der Software auch nicht verändert werden könne. Das gänzliche Fehlen von Einlesedaten bei einem bestimmten Prozentsatz von im ÄBD behandelten Patienten sei eine alltägliche Erscheinung im ÄBD-Behandlungsgeschehen. Hierfür gebe es das Ersatzverfahren. Die Höhe der Rückforderung sei derart übersetzt, dass sie sich mit den Grundsätzen der hierzu ergangenen Rechtsprechung unter keinem Gesichtspunkt mehr vereinbaren lasse. Das ihm belassene Honorar entspreche sicher nicht dem durchschnittlichen Honorar im ÄBD A-Stadt. Das Durchschnittshonorar sei fehlerhaft berechnet. Die Berechnung der Honorarrückforderung beruhe daher nicht auf dem vom Ausschuss vorgeblich behaupteten Fachgruppendurchschnitt, sondern auf einem viel niedrigeren Wert, was die extreme Höhe der Honorarrückforderung erkläre.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2019 den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte aus, sie habe nicht die vollständigen Tagesprotokolllisten zur Verfügung gestellt, da die u. a. die Namen und Behandlungsdaten aller Patienten des ÄBD A-Stadt, somit auch der Patienten, die nicht vom Kläger behandelt worden seien, enthielten. Die Überprüfung habe ergeben, dass der Kläger in den Quartalen I bis IV/12 in allen streitgegenständlichen ÄBD-Abrechnungen auf den Behandlungsscheinen falsche Angaben über die Praxisgebühr-Kennziffern gemacht und damit die Verringerung des Vergütungsanspruchs gegenüber der KV verhindert habe. Sie listete für jedes Quartal und jeden ÄBD mehrere Beispielsfälle auf, die zeigten, dass der Kläger die Kennziffer 80033N vorsätzlich falsch angegeben habe, weil er im Zeitpunkt der Behandlung von dem Patienten noch keine Quittung über die Zahlung der Praxisgebühr (im ÄBD) vorgelegt bekommen haben könne. Der Kläger räume fehlerhafte Eintragungen der Praxisgebührkennziffern ein. Sein Hinweis auf die ggf. fehlende Zuzahlungspflicht des Patienten ändere nichts an seiner Pflicht zur korrekten Abrechnung. Die (zumindest grob fahrlässige) Verletzung der Pflicht zur korrekten Abrechnung führe zur Nichtigkeit der Sammelerklärung und Beweislastumkehr. Solange der Kläger nicht nachweise, welche Praxisgebühr-Kennziffern korrekt angesetzt worden seien, bestehe kein Vergütungsanspruch. Dies bedeute bezogen auf die Praxisgebühr, es sei vom Grundsatz der Erhebung der Zuzahlung und nicht vom Ausnahmefall eines Befreiungstatbestandes auszugehen mit der Folge, dass sich der Vergütungsanspruch verringere. Während die Kennziffer 80030N für die Zahlung der Praxisgebühr im ÄBD in der Abrechnung des Klägers ab dem Quartal II/12 von unter 6 % auf 15 % bis 25 % steige, liege die Quote bei den zum Vergleich herangezogenen Abrechnungen von zwei Kollegen zwischen knapp 40 % bis 75 % der Fälle. Demgegenüber trage der Kläger ab dem Quartal II/12 in immer noch 23 % bis 63 % der Fälle die Kennziffer 80033N ein, während dies bei den Kollegen nur in rund 10 % bis 12 % der Fälle vorkomme. Es sei nicht plausibel, dass in denselben ÄBD-Zentralen solche gravierenden Unterschiede auftreten sollten, zumal der Kläger seine Fehleintragungen auf Angaben der Arzthelferinnen zurückführen wolle. Im Übrigen ergebe sich die vorsätzliche Falschabrechnung in den hier streitgegenständlichen ÄBD-Abrechnungen für A-Stadt, D-Stadt und C-Stadt aus der nicht plausibel erklärbaren Tatsache, dass auf den ÄBD-Abrechnungsscheinen Einlesetage von Krankenversichertenkarten oder Behandlungstage registriert worden seien, obwohl der Kläger am Einlesetag bzw. abgerechneten Behandlungstag in dieser ÄBD-Zentrale überhaupt keinen ÄBD-Dienst gehabt habe. Diese Wertung sei auch vom SG Marburg für eingeklagte Vorquartale bestätigt worden (SG Marburg, Urteil vom 21.07.2017, Az: S 16 KA 362/15, Seite 32). Auch wenn Behandlungsfälle wegen Differenz zwischen Sammelerklärung und angegebenem Behandlungstag zurückgestellt und damit insgesamt nicht vergütet worden seien, ändere dies nichts an der Falschabrechnung von Leistungen mit den entsprechenden Rechtsfolgen (Nichtigkeit der abgegebenen Sammelerklärung). Gegen die sachlich-rechnerischen Berichtigungen sei der Kläger nicht vorgegangen. Wenn ihm Fehlanlagen seines Abrechnungsprogramms bekannt sei, dann hätte er seine Abrechnungen besonders sorgfältig prüfen müssen, bevor er diese mit der Sammelerklärung als richtig bestätigt habe. Die Implausibilität werde durch weitere Auffälligkeiten bestätigt wie Vorabeinlesedaten der Versichertenkarte im ÄBD sowie erkennbare Abrechnungsmuster (wiederkehrende Konstellationen von Behandlungstag und Tag des Einlesedatums der Versichertenkarte entgegen der Sammelerklärung). Allein die Auflistung von 65 Fällen für die ÄBD-Abrechnung A-Stadt, Quartal I/12, mit Einlesedaten der Versichertenkarte ohne entsprechenden Diensttag in der Zentrale (davon 32 Fälle allein am 23.03.2012, 25 Fälle am 24.03.2012 häufig mit Vorabeinlesedatum im ÄBD) sei in keiner Weise plausibel zu erklären (Anlage 2 zum Bescheid). Es treffe nicht zu, dass die in Anlage 2 aufgeführten 69 Patienten (G. bis H.) fast alle so wie abgerechnet in den Tagesprotokolllisten zu finden seien. Ebenso seien alle aufgeführten Patienten (die ersten 63 Fälle der Tabelle in Anlage 2 zum Bescheid) mit Einlesedatum 23.03.2012 oder 24.03.2012 alle an dem abgerechneten Behandlungstag laut Tagesprotokoll behandelt worden. Es gebe tatsächlich Patienten, die unter dem Kürzel des Klägers am abgerechneten Behandlungstag auch in der Tagesprotokollliste geführt seien (z. B. I., J., K.). Dies ändere aber nichts an der Tatsache, dass auf nicht plausibel erklärbare Weise ein falsches Einlesedatum auf den Abrechnungsscheinen eingetragen worden sei, sich viele Fälle fänden, die nicht so wie abgerechnet in den Tagesprotokolllisten zu finden seien. Entweder fehlten die Patienten oder sie seien mit einem ganz anderen Behandlungstag als vom Kläger abgerechnet in der Tagesprotokollliste erfasst. Hier zeigten also sowohl der Behandlungstag als auch das Einlesedatum Falschabrechnungen. Man habe den Eindruck, dass der Kläger willkürlich und damit vorsätzlich (dolus eventualis) irgendwelche Eintragungen auf den Abrechnungsscheinen vornehme. Selbst der Erklärungsansatz, die 6 Patienten mit Behandlungstag 26.03.2012 (Anlage 2, Seite 2) seien tatsächlich am frühen Morgen des 27.03.2012 behandelt worden (womit der Kläger unkorrekte Abrechnungsangaben einräume), lenke von dem eigentlich implausiblen Sachverhalt ab: dem Einlesedatum 24.03.2012, an dem der Kläger keinen ÄBD-Dienst in A-Stadt gehabt habe. Zudem treffe auch diese Erklärung nicht zu. Im Übrigen liste sie ergänzend zu der Anlage 2 des Bescheides für die ÄBD-Abrechnungen C-Stadt (Quartale I und II/13) und D-Stadt (Quartal III/13) noch Beispielsfälle auf (Einlesedatum der Versichertenkarte entspreche keinem Diensttag laut Sammelerklärung zur entsprechenden ÄBD-Abrechnung). Es werde auf die Fälle hingewiesen, in denen die Krankenversichertenkarten der Patienten vor dem eigentlichen Behandlungstag im ÄBD eingelesen worden seien. Die Verschaffung von Versichertenkartendaten ermögliche Abrechnungsbetrug. Dem Einwand, Vorabeinlesedaten hätten ihre Ursache darin, dass die Laptop-Software auf einem vorherigen Tag stehengeblieben und nicht auf den aktuellen Tag aktualisiert worden sei, überzeuge nicht, da z. B. die Fälle L., M. und N. (Anlage 2, Seite 2), bei denen die Behandlungstage im Februar und Mitte März gelegen habe, das Einlesedatum (ohne entsprechenden Dienst) aber erst viel später am 24.03.2012. Auffällig seien die erkennbaren Abrechnungsmuster, die belegten, dass dies in einer Vielzahl von Fällen geschehe. Im Widerspruchsbescheid wird für den ÄBD A-Stadt auf 26 Fälle im Quartal I/12 (Einlesedatum 23.03.2012/Behandlungstag 26.03.2012) und 12 Fälle im Quartal IV/12 (Einlesedatum 07.10.2012/Behandlungstag 14.10.2012) sowie für den ÄBD D-Stadt auf 19 Fälle im Quartal I/13 (Einlesedatum 10.03.2013/Behandlungstag 17.03.2013) verwiesen, ergänzend auf den Ausgangsbescheid. In diesem Zusammenhang seien auch die Fälle zu werten, in denen das Einlesedatum nach dem Behandlungstag liege oder umfangreiche Fälle ohne Einlesedatum der Versichertenkarte. Es möge zwar zutreffen, dass im Akutfall einzelne Patienten keine Versichertenkarte mit sich führten. Die Quote liege in den ÄBD-Abrechnungen des Klägers für A-Stadt aber zwischen 10 % und 16 % der Fälle ohne Einlesedatum, in der ÄBD-Abrechnung für D-Stadt für das Quartal II/13 sogar bei 25 %. Der Kläger führe inzwischen drei unterschiedliche Erklärungen an, weshalb seine Abrechnungen solche Unstimmigkeiten beim Behandlungstag und Einlesedatum zeigten (Falschauswahl BSNR, Softwarefehler Laptop, Softwarefehler Änderung des Einlesedatums beim Zweitkontakt). Es sei erstaunlich, weshalb bei anderen ÄBD-Ärzten, die die Software „Albis“ verwendeten, keine solchen Auffälligkeiten wie in den Abrechnungen des Klägers aufträten. Auch habe der Kläger sich bereits in früheren Verfahren auf Software-Fehler ausgerechnet beim Einlesedatum der Versichertenkarte berufen. Bei einer wiederholten Inanspruchnahme werde kein Vordruck ausgestellt, sondern der bereits vorhandene Vordruck (Abrechnungsschein) weiter verwendet. Die „versehentliche“ Auswahl der falschen BSNR finde man in erheblichem Umfang bereits in 12 ÄBD-Abrechnungen des Jahres 2011. Darüber hinaus seien diese „Versehen“ bereits in 46 ÄBD-Abrechnungen im Zeitraum von 2008 bis 2010 aufgetreten. Angesichts dieses Umfangs über Jahre hinweg sei nicht mehr von versehentlichen Fehlklicks bei Auswahl der BSNR auszugehen, sondern bestenfalls von gröbster Fahrlässigkeit bei Erstellung der Abrechnungen. Wenn ein Ausstellungsdatum vom Behandlungstag im ÄBD abweiche, dann gehe es nicht einfach um die Differenz von zwei Daten (Einlesedatum/Behandlungstag). Vielmehr gehe es um die Frage, ob sich tatsächlich ein Patient legitimiert habe. Denn gerade in der Akutversorgung des ÄBD sei es nicht realistisch, dass eine Karte vorab (vor Eintritt des Akutfalls) oder nachträglich (zufällig zu den Zeiten, wenn der ÄBD-Arzt erneut in dieser Zentrale Dienst habe, obwohl es ausdrücklich die Möglichkeit des Ersatzverfahrens gemäß Anhang 1, Anlage 4a zum BMV-Ä gebe) erfasst werde. Ob zu einem späteren Datum eine Leistungsabrechnung erfolge, ändere nichts daran, dass die Angaben über die Legitimation zur Anlage eines Abrechnungsscheins falsch seien. Nachträgliche Einlesedaten fänden sich auch auf Scheinen, in denen der Kläger nur einen Behandlungstag abgerechnet habe. Es sei ferner auf die zutreffenden Feststellungen im Ausgangsbescheid bzgl. der Patientenidentitäten zwischen der BAG und der ÄBD-Abrechnung zu verweisen. Bei der hohen Quote identischer Patienten sowie den taggleichen Behandlungen im ÄBD und in der BAG entstehe der Eindruck, dass der Kläger dies bewusst steuere. Die schlagartig ab dem Quartal II/12 sinkende Patientenidentität zeige, dass der Kläger offensichtlich sehr wohl Einfluss darauf habe, ob seine Patienten den ÄBD A-Stadt aufsuchten. Wenn der Kläger feststelle, dass seine Patienten den Unterschied zwischen der Akutversorgung des ÄBD und der Regelversorgung nicht kennten und beachteten, dann sei es seine Aufgabe, die Patienten entsprechend aufzuklären und für die Zukunft auf eine vertragsarztrechtkonforme Inanspruchnahme hinzuwirken. Häufig den ÄBD aufsuchende Patienten mit Mehrfachbehandlungen fänden sich bei allen ÄBD-Ärzten wieder. Aber in den Abrechnungen des Klägers fänden sich nicht nur in Einzelfällen mehrere Behandlungstage pro Patient. Insb. sei auf die Fälle hinzuweisen, in denen vier und mehr Behandlungstage je Patient abgerechnet worden seien. Auch hier gelte, dass es auffällig sei, dass die eigentlich vom Zufall abhängigen, mehrfachen Akutsituationen bei denselben Patienten gerade in den Dienstzeiten des Klägers aufträten. Dies deute vielmehr auf eine Einbestellung in den ÄBD hin. Die Überprüfung sämtlicher Fälle der ÄBD-Abrechnung für A-Stadt für das Quartal I/12 (Gesamtfallzahl laut Arztrechnung 1.062 Fälle) habe ergeben, dass der Kläger in 14,7 % der Fälle (156 Fälle) mindestens zwei Arzt-Patienten-Kontakte im ÄBD gehabt habe. In 4,2 % der Fälle (45 Fälle) hätten mindestens drei Arzt-Patientenkontakte stattgefunden. Im Quartal III/13 (Gesamtfallzahl 959 Fälle) seien auf 9,4 % der Fälle (89 Fälle) mindestens zwei Arzt-Patienten-Kontakte, bei 2,4 % der Fälle (23 Fälle) mindestens drei Arzt-Patienten-Kontakte entfallen. Im Vergleich dazu sei die Abrechnung für das Quartal I/12 eines ÄBD-Arztes aus A-Stadt ausgewertet worden. Bei 657 Fällen insgesamt sei es nur in 4,4 % der Fälle (29 Fälle) zu mehreren Arzt-Patienten-Kontakten an verschiedenen Tagen und nur in 0,6 % der Fälle (vier Fälle) zu mindestens drei Arzt-Patienten-Kontakte gekommen. Auch die taggleichen Behandlungen sowohl in der BAG als auch bei im ÄBD in A-Stadt seien nicht plausibel. Es handele sich nicht um Einzelfälle. Die Prüfung der Abrechnung für den ÄBD A-Stadt des Quartals I/12 habe ergeben, dass von 508 Doppelfällen mit der BAG 123 Fälle aufgetreten seien (24 %), in denen eine Behandlung am gleichen Tag im ÄBD A-Stadt und in der BAG abgerechnet worden sei. Gemessen an der Fallzahl im ÄBD A-Stadt (1.062 Fälle) seien rund 11,6 % der ÄBD-Patienten am gleichen Tag im ÄBD A-Stadt als auch in der BAG behandelt worden. Es sei weiter verwunderlich, dass der Patient tagsüber selbst in die Praxis kommen könne (z. B. für eine Vorsorgeuntersuchung oder Impfung) und am gleichen Tag so krank sei, dass er kurze Zeit später vom Kläger einen Besuch im ÄBD erhalte. Die GOP 03212 EBM setze mindestens zwei Arzt-Patienten-Kontakte voraus. Daher könne ihr Ansatz sehr wohl ein Indiz für fehlende Plausibilität bei taggleicher Abrechnung im ÄBD sein. Der Verwaltungskomplex (GOP 01430 EBM) setze zwar keinen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt voraus, der Patient werde aber typischerweise persönlich in der Praxis erschein, um das Wiederholungsrezept, den Überweisungsschein oder die Befunde/ärztlichen Anordnungen in Empfang zu nehmen. Gleiches gelte bei Laboruntersuchungen, die ohne Mitwirkung und Anwesenheit des Patienten in der Praxis nicht durchgeführt werden könnten. Im Hinblick auf die festgestellten Abrechnungsauffälligkeiten (Falschangaben bei der Praxisgebühr-Kennziffer, Einlesedaten der Versichertenkarte in ÄBD-Zentralen ohne Dienst) kämen identischen Einlesedaten in der BAG und in der ÄBD-Abrechnung bei auffälliger taggleicher Behandlung im ÄBD und der BAG eine besondere Bedeutung zu. Hier stelle sich schon die Frage, ob Patienten gezielt dem ÄBD zugewiesen oder gar Scheine generiert worden seien. Sicherlich stellten die Eintragungen in der Tagesprotokollliste keine Abrechnungsvoraussetzungen dar. Wichen die Eintragungen in der Tagesprotokollliste gravierend von den Abrechnungsdaten ab (z. B. Angaben über die Zahlung der Praxisgebühr, Angaben über den behandelnden Arzt, fehlende Registrierung des Patienten in der Zentrale, registrierter Anlass für den ÄBD-Besuch), dann könnten die Angaben in der Tagesprotokollliste zusammen mit weiteren Auffälligkeiten sehr wohl ein zusätzliches Indiz für Abrechnungsunregelmäßigkeiten sein. Die Tagesprotokolllisten mögen an mancher Stelle unvollständig sein. Es würden aber aus vorhandenen Daten der Tagesprotokollliste Indizien gewonnen werden, da Informationen in der Tagesprotokollliste von den Daten der Behandlungsscheine (Behandlungstag, Diagnosen, Kennziffern Praxisgebühr) abwichen. Es sei realitätsfremd anzunehmen, dass der Patient bei der Anmeldung und bei dem Arzt völlig unterschiedliche Beschwerden angebe. Falls ein Patient wegen mehrerer Beschwerden komme, dann seien sämtliche Diagnosen zu dokumentieren. Falsche Angaben zu Diagnosen führten daher zur Nichtigkeit der Sammelerklärung. Die Vorgaben zum Ausfüllen des Musters 19 seien verbindlich. Die (praktizierte) Weitergabe der Behandlungsdaten an den Hausarzt (durch Übergabe des Formulars an den Patienten; Pflicht zur Information des Hausarztes) habe nichts mit den korrekten Eintragungen auf dem eigenen Abrechnungsschein zu tun. Die Frage des Rentneranteils im ÄBD, die angenommene Behandlungszeit im ÄBD von 15 Minuten/je Patient, Angabe von Dauerdiagnosen im ÄBD und die zeitbezogene Plausibilitätsprüfung sei für die vorliegende Entscheidung nicht relevant. Es sei hinsichtlich der Eintragung der fehlerhaften Praxisgebührkennziffern und nicht plausibel erklärbaren Differenzen der Sammelerklärungen und Abrechnungsdaten (z. B. Einlesedatum der Krankenversichertenkarten, Differenzen von Einlesedaten/Behandlungstagen) von vorsätzlich fehlerhafter Abrechnung auszugehen, zumal sich die Auffälligkeiten über viele Quartale, 20 ÄBD-Abrechnungen und in einer Vielzahl von Fällen erstreckten und damit Zufälle oder seltene Versehen ausgeschlossen seien. Die vorsätzlichen bzw. grob fahrlässigen Abrechnungsverstöße führten zur Nichtigkeit der Sammelerklärungen. Die auf den nichtigen Sammelerklärungen beruhenden Honorarbescheide würden aufgehoben und das Honorar werde neu festgesetzt. Daraus folge, dass im Rahmen der Honorarneufestsetzung auch die Höhe des Praxisgebührabzugs neu festgesetzt werde. Die Neufestsetzung des Honorars dürfe geschätzt werden. Ob das Rechenergebnis zu einem wirtschaftlichen Ergebnis führe, sei nicht relevant. Die Berechnungen eines Fallwertes und Ausführungen, dieser sei nicht ökonomisch, mache die Grundlagen und Rechenschritte nicht rechtswidrig. Nach der Feststellung von vorsätzlicher Falschabrechnung von Leistungen liege die Beweislast bei dem Kläger, welche Leistungen überhaupt tatsächlich erbracht worden und vergütungsfähig seien. Gerade die auffällige Häufung von Abrechnungsauffälligkeiten sei ein Indiz, dass besonders massive Falschabrechnungen vorgelegen hätten, die auch besonders massive Honorarkorrekturen erforderten. Es sei auch folgerichtig, die gesamte Abrechnung (Fälle, Honorar) der Ärzte, gegen die Plausibilitätsprüfungsbescheide ergangen seien, nicht zur Durchschnittshonorarberechnung heranzuziehen. Denn bei diesen Abrechnungen seien die Sammelerklärungen nichtig und damit der Wahrheitsgehalt der gesamten Abrechnungsdaten erschüttert. Zudem könnten nicht einzelne Parameter (z. B. Fallzahl) anhand verschiedener Basisgruppen (z. B. Gruppe sämtliche ÄBD-Ärzte, Gruppe ÄBD-Ärzte ohne Plausibilitätsprüfungsverfahren) gebildet werden. Der Tagesprotokollliste komme keine rechtliche Garantiewirkung zu, sie sei daher nicht heranzuziehen. Vielmehr sei die Bildung der Durchschnittswerte zu Recht anhand der mit Sammelerklärung bestätigten Abrechnungsdaten der ÄBD-Ärzte erfolgt. Der Vortrag des Klägers zur Patientenzahl im ÄBD A-Stadt sei nur eine unbewiesene Behauptung. Die Höhe der Fallzahl habe für die Bildung des durchschnittlichen Bruttohonorars je Behandlungstag zudem keine Relevanz. Auf die abgerechneten Fälle könne man wegen der Implausibilität der Abrechnungen nicht abstellen. Die vorliegende Berechnung stelle zu Recht auf das Durchschnittshonorar je Behandlungstag ab. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Zudem blieben unabhängig davon, welche Berechnungsmethode angewandt werde, die den verschiedenen Berechnungsarten zugrunde liegenden Daten (Honorar, Fallzahlen, Behandlungstage, Diensttage laut Sammelerklärung) identisch. 

Hiergegen hat der Kläger am 02.09.2019 die Klage zum Az.: S 12 KA 315/19 erhoben. 

Die Beklagte hörte den Kläger für die streitbefangenen Quartale II/12 bis III/13 wegen einer patientenbezogenen und ergänzenden Plausibilitätsprüfung mit Schreiben vom 18.08.2016 an. Sie erläuterte das Prüfverfahren und die Prüfvoraussetzungen. Sie führte weiter aus, die Abrechnung des Klägers im ÄBD A-Stadt bzw. ÄBD B-Stadt sei mit der des Herrn Dr. O. im ÄBD A-Stadt gegenübergestellt worden. Dies habe eine hohe Anzahl gemeinsamer Patienten ergeben, was sie im Einzelnen quartalsweise auflistete (ÄBD A-Stadt: zwischen 3,90 % und 16,61 %; ÄBD B-Stadt, Quartal I/13: 21,9 %). Sie führte eine Patientenliste auf.

Der Kläger trug vor, alle beispielhaft aufgelisteten Patienten seien regulär im ÄBD A Stadt behandelt worden. Auffälligkeiten ließen sich nicht feststellen. Er merke an, dass er sich bereits in Plausibilitätsverfahren befinde. Bzgl. des ÄBD B-Stadt wies er weiter auf die geringe Zahl der behandelten Patienten hin. 

Die Beklagte erteilte dem Kläger mit zwei weiteren Bescheiden vom 08.11.2018 wegen den ÄBD-Honorarabrechnungen für die Quartale II/12 bis III/13 für den ÄBD A-Stadt (BSNR xxx2) bzw. der ÄBD-Honorarabrechnung für das Quartal I/13 für den ÄBD D-Stadt (BSNR xxx3) beratende informelle Hinweise. Sie verwies auf den Bescheid vom 12.07.2016. In diesem Bescheid seien die Auffälligkeiten der ÄBD-Abrechnungen aufgeführt worden, so dass von einer weiteren Honorarkorrektur abgesehen werden könne. Als weitere Auffälligkeiten wurden die Patientenidentität zwischen den ÄBD-Abrechnungen des Klägers und den ÄBD-Abrechnungen von Herrn Dr. O. (ÄBD A-Stadt: 3,9 % bis zu 16,61 %; ÄBD B-Stadt). Bzgl. des ÄBD A-Stadt fänden sich Fälle, bei denen das Einlesedatum nicht mit dem Behandlungstag übereinstimmen würde. Welter sei in einer Vielzahl der Fälle die taggleiche Behandlung der Patienten aufgefallen, teilweise mit unterschiedlichen Diagnoseangaben. Zudem hätte die Überprüfung der Patienten mit taggleicher Behandlung im ÄBD A-Stadt mit der Tagesprotokollliste ergeben, dass gerade die identischen Patienten gar nicht oder nicht an diesem Tag oder nur bei einem der Ärzte in der Tagesprotokollliste erschienen seien. Darüber hinaus würden sich die Angaben der Praxisgebührkennziffern in den Abrechnungen der zwei Ärzte widersprechen. Es sei von vorsätzlich falscher Abrechnung auszugehen. Auch bzgl. des ÄBD B-Stadt stimmten Einlesedaten nicht mit dem Behandlungstag überein. Es seien Abrechnungsmuster zu erkennen. Zudem fände sich in den Tagesprotokolllisten kein einziger identischer Patient. Die Patienten würden überwiegend aus dem 12 Kilometer entfernten A-Stadt stammen. Auch hier sei von vorsätzlicher Falschabrechnung auszugehen. 

Hiergegen legte der Kläger am 09.12.2016 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, die Eröffnung eines erneuten Plausibilitätsprüfungsverfahrens sei aus Gründen des Vertrauensschutzes rechtswidrig. Die Befugnis zur Aufhebung von Honorarbescheiden würde aus Vertrauensschutzgesichtspunkten entfallen, wenn die KV die Honoraranforderungen des Arztes bereits auf sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüft und vorbehaltlos bestätigt habe. Der informelle, beratende Hinweis sei kein einfacher Realakt, wie aus der Rechtsbehelfsbelehrung zum Bescheid folge. Der neue Bescheid vom 08.11.2016 verstoße gegen das Verbot der reformatio in peius, weil weitere schwere Vorwürfe erhoben würden. Der Vorwurf im Bescheid, es fände eine regelhafte Verlagerung von Behandlungen aus der Regelversorgung in den ÄBD statt, treffe nicht zu. Bei Patientenidentitäten von fast durchweg unter 8 % sei nicht erkennbar, welchen wirtschaftlichen Vorteil er durch die Doppelbehandlungen angesichts der hohen Fallzahlen (900 bis 1.600 Patienten/Quartal/ÄBD A-Stadt) gehabt haben solle. Die niedrigen Überschneidungsprozentsätze könnten kein implausibles Abrechnungsverhalten nachweisen. Die 23 Doppelpatienten in B-Stadt hätten vor dem Hintergrund der geringen Fallzahl von 105 Fällen im Quartal I/13 keine Aussagekraft. Zur Abweichung von Einlesedaten der Versichertenkarte und Behandlungsdaten verweise er auf sein Vorbringen im Berichtigungsverfahren. Die Doppelfälle mit taggleicher Behandlung seien sehr gering. Dies könne vorkommen. Die auffälligen Patienten seien auch in den Tagesprotokolllisten aufgeführt. Ihr Fehlen reiche für den Nachweis für implausible Behandlungsgeschehen nicht aus. Dafür gebe es verschiedene Gründe. Die Eintragung der Praxisgebühr-Befreiungskennziffern in den ÄBD-Abrechnungen sei stets korrekt erfolgt. 

Die Beklagte verband beide Widerspruchsverfahren und fasste mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2019 den Tenor der Ausgangsbescheide neu und wies im Übrigen die Widersprüche als unbegründet zurück. Sie stellte fest, dass die ÄBD-Honorarabrechnungen für die BSNR xxx2 für die Quartale III/12 bis III/13 sowie die ÄBD-Honorarabrechnung für die BSNR xxx3 für das Quartal I/13 wegen weiterer festgestellter Tatsachen (Patientenidentität zwischen ÄBD-Ärzten, taggleiche Leistungsabrechnung, Abrechnungsmuster bei implausiblen Abrechnungsdaten, Differenzen zwischen Angaben über die Kennziffern für die Praxisgebühr) implausibel seien und von vorsätzlicher Falschabrechnung auszugehen sei. Die Ausführungen in den Bescheiden vom 08.11.2016 seien nachträgliche Ergänzungen zur Begründung des Bescheides vom 12.07.2016 (sog. Nachschieben von Gründen). Der Wesensgehalt des Bescheides vom 12.07.2016 werde nicht geändert, weil es weiterhin um eine Plausibilitätsprüfung derselben ÄBD-Honorarabrechnungen gehe und die Verfügung des Bescheides vom 12.07.2016 (Honorarneufestsetzung bzw. Honorarrückforderung) weder in Art noch Höhe abgeändert werde. Auch das Verschuldenselement werde durch die nachgeschobenen Gründe nicht verändert, weil bereits im Bescheid vom 12.07.2016 von vorsätzlicher Falschabrechnung ausgegangen werde. Es handle sich nicht um die Eröffnung eines erneuten Plausibilitätsprüfungsverfahrens, sondern um die Fortsetzung des ersten Prüfverfahrens unter weiteren Gesichtspunkten. Bei der nachträglich ergänzenden Begründung handele es sich um keinen Fall der reformatio in peius, da die Entscheidung nicht zu Lasten des Klägers geändert werde. Bei einer Patientenidentität zwischen mehreren ÄBD-Ärzten könne man nicht davon ausgehen, dass erst ab einem Grenzwert von 20 % Abrechnungsauffälligkeiten vorlägen. Es sei nicht plausibel erklärbar, wieso bei 23 identischen Patienten mit Herrn Dr. O. im ÄBD B-Stadt es 18 Scheine von identischen Patienten gebe, die am 20.03.2013 von Herrn Dr. O. behandelt worden seien, bei denen der Kläger sämtlich am 17.03.2013 einen Behandlungstag abgerechnet habe und in allen diesen Fällen in seinen Abrechnungen ein Vorabeinlesedatum vom 10.03.2013 erscheine, obwohl der Kläger am 10.03.2013 laut Sammelerklärung keinen Dienst in der ÄBD-Zentrale B-Stadt gehabt habe. Die Tagesprotokolllisten von B-Stadt führten keinen dieser Patienten bei dem Kläger auf, dagegen bestätigten die Tagesprotokolllisten die Abrechnungsdaten des Kollegen. Die Erklärungsansätze des Klägers für die Lückenhaftigkeit der Tagesprotokollliste (Nichtbesetzung der Anmeldung am 17.03.2013; Nichterfassung bekannter Patienten; Nichterfassung des Patienten durch die Arzthelferin an der Anmeldung, um die Behandlungszeit des Arztes an stark frequentierten Tagen zu verkürzen) überzeugten angesichts solcher Auffälligkeiten (Vorabeinlesedatum ohne Diensttag in der ÄBD-Zentrale) nicht, sondern seien als Schutzbehauptungen zu werten. Auffällig sei im ÄBD A-Stadt die Vielzahl an identischen Patienten, die zu denselben Zeiten/im gleichen „Rhythmus“ erneut den ÄBD aufsuchten und dementsprechend die Zahl identischer Patienten ab dem Quartal IV/12 deutlich ansteige. Dies könne kein Zufall sein, sondern deute auf eine Steuerung (Einbestellung der Patienten) hin. Hinsichtlich der Angaben über die Kennziffern für die Praxisgebühr werde auf die durch Beispielsfälle belegte Feststellung der Falschabrechnung im Widerspruchsbescheid vom 31.07.2019 und die dadurch bedingte Umkehr der Beweislast verwiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 02.09.2019 die Klage zum Az.: S 12 KA 316/19 erhoben. 

Der Kläger verweist im Verfahren zum Az.: S 12 KA 315/19 auf seine Widerspruchsbegründung und trägt im Übrigen vor, er gehe weiterhin davon aus, dass die Akteneinsicht nur unvollständig erfolgt sei und nicht von einer grob fahrlässigen bzw. sogar vorsätzlichen Falschabrechnung auszugehen sei. Hinsichtlich der Praxisgebühr-Kennziffer habe er sich auf sein Personal verlassen dürfen. Bei den von der Beklagten aufgeführten Beispielsfällen handele es sich um eine sehr geringe Anzahl von Fällen. Bei der Erhebung der Zuzahlung müsse es sich nicht um die erste Inanspruchnahme gehandelt haben. Es wäre daher im Sinne der Regelung zulässig gewesen, die Praxisgebühr im Rahmen der regulären Sprechstundentätigkeit zu erheben, und sie im Rahmen der Behandlung des ÄBD nicht zu erheben. Der von der Beklagten beharrlich vorgetragene Vorwurf, dass es bei der Behandlung im ÄBD keine vorherige Behandlung in der BAG gegeben habe, sei unrichtig, da die Beklagte die behaupteten Patientenkontakte in der Abrechnung der BAG aus der Abrechnung nicht entnehmen könne. Er habe bereits darauf hingewiesen, dass die Beklagte von einer falschen Datengrundlage ausgehe. Er habe bereits vorgetragen, dass die erhöhte Verwendung der Praxisgebührkennziffer 80033N im Wesentlichen auch darauf beruht habe, dass er im ÄBD eine erhöhte Anzahl an Patienten versorgt habe, die er im Rahmen seiner vertragsärztlichen Tätigkeit in der BAG ebenfalls behandelt habe. Hieraus resultiere schon denklogisch, dass bei ihm die Verwendung der Praxisgebührkennziffer 80033N im Vergleich zur Gruppe der anderen ÄBD Ärzte mit einer erhöhten Häufigkeit vorkommen müsse. Bei ihm handele es sich eben nicht um einen durchschnittlichen ÄBD-Arzt, was die Beklagte aber beharrlich nicht zur Kenntnis nehmen wolle. Die Abrechnung von Scheinen für Tage, an denen er keinen ÄBD-Dienst gehabt habe, habe die Beklagte zurückgestellt. Sie könnten somit auch nicht zum Gegenstand eines Plausibilitätsverfahrens gemacht werden. Im Rahmen der Vorabinformation über Abrechnungsauffälligkeiten bestehe die Regelung, dass die bemängelten Abrechnungsteile nach einer Stellungnahmefrist von 10 Tagen automatisch nicht Teil der Abrechnung werde. Er habe also keinen Grund gehabt, einen gesonderten Antrag auf Abrechnungskorrektur zu stellen, da er zurecht habe davon ausgehen können, dass nach dem Ablauf der Stellungnahmefrist von 10 Tagen die bemängelten Leistungen eben nicht Teil seiner Abrechnung werden würden. Er bestreite, dass sich die von der Beklagten angeführten Behandlungsfälle nicht in den Tagesprotokolllisten finden ließe. Ohne Einsichtnahme in die wenigstens pseudonymisierte Tagesprotokollliste sei ihm eine Nachprüfung nicht möglich. Er bestreite nicht in Gänze, dass er fehlerhafte Angaben über den Zeitpunkt seiner Leistungserbringung gemacht habe. Die Gründe hierfür habe er bereits in der Widerspruchsbegründung genannt. Er habe in den Fällen, bei denen das Einlesedatum der Versichertenkarte keinem Diensttag laut Sammelerklärung zur entsprechenden ÄBD-Abrechnung entsprochen habe, die Versichertenkarten während eines ÄBD-Dienstes in A-Stadt lediglich nachträglich eingelesen, was keinem vertragsarztrechtswidrigen Verhalten entspreche. Der Vorwurf, er habe in einigen Fällen die Krankenversichertenkarten der Patienten vor dem eigentlichen Behandlungstag im ÄBD eingelesen, übersehe, dass mit dem bloßen Einlesen der Krankenversichertenkarte in ein ärztliches Abrechnungssystem noch kein Abrechnungsschein generiert werde. Die Anlage eines Abrechnungsscheins sei in sämtlichen Varianten der von Vertragsärzten verwendeten Software ein eigener Vorgang, bei dem. das Einlesedatum der Versichertenkarte lediglich übernommen werde. Z. T. habe die Arzthelferin bei der Eingabe der einzelnen Abrechnungsziffern für die im ÄBD behandelten Patienten aus Praktikabilitätsgründen das Datum der verwendeten Software so eingestellt, dass ihr die Eingabe der entsprechenden Abrechnungsdaten möglichst leicht falle. Er habe das Ersatzverfahren bei Nichtvorlage der Krankenversichertenkarte anwenden und einen Abrechnungsschein ohne Einlesedatum der Versicherungskarte anlegen können. Hinsichtlich der insgesamt seltenen Abweichungen bei den Einlese- und Behandlungstagen auf den Abrechnungsscheinen habe er dies überzeugend mit den Eigenarten der von ihm verwendeten Software begründet. Das bloße Einlesen der Krankenversichertenkarte sei in allen ärztlichen Abrechnungssystemen nicht automatisch mit der Anlage eines Abrechnungsscheins gleichzusetzen. Die Anlage eines Abrechnungsscheins erfordere die Angabe einer ärztlichen Leistung. Erst dann werde ein Abrechnungsschein angelegt. Der sehr selten vorkommende Fall eines Einlesedatums einer Versichertenkarte, an denen er in der betreffenden ÄBD-Zentrale keinen Dienst gehabt habe, beruhe darauf, dass die mit der Abrechnung beauftragte Helferin an diesem Tag die Versichertendaten aus einem Kartenlesegerät in die Arztsoftware übertragen habe. Diese habe bei der Übertragung der Daten als Einlesetag den Tag, auf den die Software zum Zeitpunkt der Abrechnungserstellung durch die Arzthelferin eingestellt gewesen sei, generiert. Die Häufigkeit seiner ÄBD-Dienste habe dazu geführt, dass er vergleichsweise öfters Patienten wiederholt im ÄBD behandelt habe. Er habe zu den einzelnen Vorwürfen detailreich und minutiös vorgetragen, wonach sich die bei ihm festgestellten Abrechnungsauffälligkeiten alle erklären ließen. Bei den verbleibenden objektiven Unrichtigkeiten in der Abrechnung handele es sich um lediglich einfache Fahrlässigkeit im Hinblick auf die Erstellung der jeweiligen Abrechnungen. Aus den Gründen der Widerspruchsbegründung sei auch die von der Beklagten festgesetzte Höhe der Honorarrückforderung fehlerhaft. Es dürfe vermutet werden, dass es der Beklagten bei der Berechnung der Honorarrückforderungen darum gegangen sei, ihn einer Bestrafung zuzuführen und nicht eine Honorarrückforderung festzusetzen, die sich an den tatsächlichen Durchschnittswerten, die im streitgegenständlichen Zeitraum im ÄBD erwirtschaftet worden seien, orientiere. Er behaupte nicht, dass es sich beim ÄBD um eine zusätzliche Versorgung in sprechstundenfreien Zeiten handele. es gehe allein um die Erfüllung des Sicherstellungsauftrags, die auch die Behandlung von sog. Bagatellerkrankungen beinhalte. Zur Begründung im Verfahren zum Az.: S 12 KA 316/19 verweist der Kläger auf seine obigen Ausführungen zum Az.: S 12 KA 315/19

Der Kläger beantragt, 

den Bescheid vom 12.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2019 und 
die Bescheide vom 08.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2019 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt im Verfahren zum Az.: S 12 KA 315/19

die Klage abzuweisen. 

Die Beklagte verweist im Verfahren zum Az.: S 12 KA 315/19 auf ihre Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid und geht weiterhin davon aus, dass von einer Verlagerung eines Teils der Behandlung der Patienten der hausärztlichen Praxis in den Ärztlichen Bereitschaftsdienst auszugehen sei. Die Ausführungen des Klägers könnten den Vorwurf der vorsätzlichen Falschangabe der Kennziffer 80033N nicht entkräften. Sie habe bereits im Widerspruchsbescheid ausgeführt, dass in den Beispielsfällen die Behandlung des Klägers im ÄBD der erste Kontakt in der ambulanten ärztlichen Versorgung gewesen sei und zeitlich spätere Behandlungen bei anderen Ärzten (ÄBD/Regelversorgung) erfolgt seien, der Patient zudem nicht von der Zahlung der Praxisgebühr befreit gewesen. In dem Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 21.07.2017, Az.: S 16 KA 362/15 (Berufung anhängig unter L 4 KA 47/17) werde für die Quartale IV/08 bis IV/10 ausgeführt, dass mit den in dem Urteil aufgeführten Tatsachen - u. a. Einlesen der Versichertenkarte an Tagen, an denen der Kläger keinen ÄBD-Dienst gehabt habe oder Vorabeinlesungen der Versichertenkarte - der Indizienbeweis der Implausibilität erbracht worden sei. Weiterhin werde darin angeführt, dass einzelne Auffälligkeiten keiner Erklärung zugänglich seien, die zur Annahme ordnungsgemäßer Leistungsabrechnung führe. Dies betreffe insb. die Leistungsabrechnung unter ÄBD-Zentralen, in denen der Kläger zum Behandlungstag keinen Dienst gehabt habe. Im Übrigen habe die Kammer auch allergrößte Zweifel, dass sich solche Abrechnungsfehler noch mit einem anderen Grad des Verschuldens erklären ließen, als dem des vorsätzlichen Handelns. Auch die Höhe der geltend gemachten Honorarrückforderung sei nicht zu beanstanden. 

Die Beklagte hat im Verfahren zum Az.: S 12 KA 316/19 keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht weitergehend geäußert. 

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 03.05.2021 angehört.

Die Klagen sind zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden. 

Die Klagen sind aber unbegründet. Der Bescheid vom 12.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2019 und die Bescheide vom 08.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2019 sind rechtmäßig und waren nicht aufzuheben. Die Klagen waren abzuweisen. 

Die Klage zum Az.: S 12 KA 315/19 war abzuweisen.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Berichtigungsbescheids ist § 106a Abs. 2 Satz 1 bis 4 SGB V in der hier noch anzuwendenden und bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) v. 14.11.2003, BGBl I 2003, 2190 (aktuell § 106d Abs. 2 Satz 1 bis 4 SGB V) (im Folgenden: SGB V). Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Aufhebung des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der Grundnorm des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs für den gesamten Bereich des Sozialrechts, eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (vgl. BSG, Urt. v. 14.12.2005 - B 6 KA 17/05 R - BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 22, zitiert nach juris Rdnr. 11 m. w. N.). 

Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.

Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragsärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V).

Der angegriffene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.

Verjährung bzw. Ausschluss einer Berichtigung wegen Zeitablaufs ist nicht eingetreten. Die Beklagte kann eine Berichtigung innerhalb von vier Jahren vornehmen (vgl. BSG, Urt. v. 15.11.1995 - 6 RKa 57/94 - SozR 3-5535 Nr. 119 Nr. 1, juris Rdnr. 10; BSG, Urt. v. 28.03.2007 - B 6 KA 22/06 R - BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 35, juris Rdnr. 16 m. w. N.). Alle Honorarbescheide wurden nicht vor dem 12.07.2012 versandt. Gegenteiliges ist nicht ersichtlich und wird von den Beteiligten nicht vorgetragen. Der angefochtene Ausgangsbescheid vom 12.07.2016 erging damit noch innerhalb der vierjährigen Ausschlussfrist. 

Nach § 106a SGB V (bzw. jetzt § 106d SGB V) stellt die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). 

Die näheren Einzelheiten des Prüfungsverfahrens ergeben sich aus den auf der Grundlage von § 106a Abs. 6 SGB V vereinbarten „Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfung der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen“ in der hier in den Quartalen III/08 bis I/18 grundsätzlich noch maßgebenden Fassung (DÄ 2008, A-1925), unter Berücksichtigung der Änderung des § 8 AbrPr-RL vom 07.03.2018 (DÄ 2018, A 600) (im Folgenden: AbrPr-RL), die nach der Übergangsregelung in § 22 Abs. 3 AbrPr-RL 2018 auf Verfahren anzuwenden ist, die am 31.12.2014 noch nicht abgeschlossen waren. Die §§ 8 und 8a der Richtlinien nach § 106a SGB V in der ab 01.07.2008 geltenden Fassung finden nach der Übergangsregelung auf diese Verfahren keine Anwendung (vgl. BSG, Urt. v. 11.09.2019 - B 6 KA 9/18 R - BSGE 129, 220 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 25, juris Rdnr. 13).

Die Prüfung der Abrechnungen des Vertragsarztes auf sachlich-rechnerische Richtigkeit zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen ordnungsgemäß, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Bestimmungen des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots - erbracht und abgerechnet worden sind (§ 4 AbrPr-RL). Dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität. 

Die Plausibilitätsprüfung stellt ein Verfahren dar, mit dessen Hilfe aufgrund bestimmter Anhaltspunkte und vergleichender Betrachtungen die rechtliche Fehlerhaftigkeit ärztlicher Abrechnungen vermutet werden kann. Anhaltspunkte für eine solche Vermutung sind Abrechnungsauffälligkeiten. Abrechnungsauffälligkeiten sind durch die Anwendung der Aufgreifkriterien mit sonstigen Erkenntnissen aus Art und Menge der abgerechneten ärztlichen Leistungen zu gewinnende Indizien, welche es wahrscheinlich machen, dass eine fehlerhafte Leistungserbringung im Sinne des § 6 zugrunde liegt (§ 5 Abs. 1 AbrPr-RL). Die Plausibilitätsprüfung allein ersetzt nicht das Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigstellung. Erst wenn die Kassenärztliche Vereinigung aufgrund der Plausibilitätsprüfung allein oder in Verbindung mit weiteren Feststellungen zu dem Ergebnis kommt, dass die Leistungen fehlerhaft abgerechnet worden sind, führt die Kassenärztliche Vereinigung ein Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigstellung durch. Auch die Krankenkasse kann Folgerungen aus einer Plausibilitätsprüfung erst ziehen, wenn sich daraus die Fehlerhaftigkeit der Abrechnung ergibt (§ 5 Abs. 2 AbrPr-RL). 

Zielrichtung der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit ist die rechtliche Ordnungsmäßigkeit der Leistungsabrechnung. Verstöße können z. B. darin liegen, dass die Leistung überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungsabrechnung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden ist (§ 6 Abs. 1 AbrPr-RL). Rechtlich nicht ordnungsgemäß sind insb. Abrechnungen in folgenden Fällen: 

-     Fehlende Berechtigung zur Leistungsabrechnung, 
-     Abrechnung nicht oder nicht vollständig erbrachter Leistungen, 
-     Abrechnung von Leistungen, welche unter Verstoß gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung erbracht worden sind, 
-     Ansatz der falschen Gebührennummer, 
-     Nichtbeachtung der vertraglich vereinbarten Abrechnungsbestimmungen, 
-     Abrechnung fachfremder Tätigkeit, 
-     Fehlen der fachlichen und apparativen Voraussetzungen (einheitliche Qualifikationserfordernisse), 
-     Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen, wenn die Leistungserbringung die erfolgreiche Teilnahme an Maßnahmen der Qualitätssicherung voraussetzt, 
-     Nichteinhaltung des Überweisungsauftrags zur Auftragsleistung, 
-     Fehlende ICD- und/oder OPS-Kodierung. 

Plausibilitätsprüfungen werden von der Kassenärztlichen Vereinigung als regelhafte (Absatz 2), als ergänzende Plausibilitätsprüfungen (Absatz 3), als Stichprobenprüfungen (Absatz 4) und als anlassbezogene Prüfungen (Absatz 5) durchgeführt (§ 7 Abs. 1 AbrPr-RL). Nach § 7 Abs. 3 AbrPr-RL werden ergänzende Plausibilitätsprüfungen nach Maßgabe des § 12 Abs. 1 AbrPr-RL durchgeführt, wenn die regelhafte Plausibilitätsprüfung Abrechnungsauffälligkeiten ergibt. Die regelhafte Plausibilitätsprüfung erstreckt sich auf die Feststellung von Abrechnungsauffälligkeiten (§ 5 Abs. 1 Satz 3) durch Überprüfung des Umfangs der abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand (Prüfung nach Zeitprofilen [§ 8]). Die regelhafte Prüfung kann nach Maßgabe des § 9 erweitert werden (§ 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 AbrPr-RL). Die Kassenärztliche Vereinigung kann im regelhaften Prüfverfahren weitere Aufgreifkriterien anwenden, um die Plausibilität der Abrechnung zu prüfen (§ 9 Abs. 2 AbrPr-RL). Ergeben die Plausibilitätsprüfungen nach §§ 8 bis 11 Abrechnungsauffälligkeiten, so führt die Kassenärztliche Vereinigung weitere Prüfungen durch (§ 12 Abs. 1 AbrPr-RL). Die weiteren Überprüfungen haben zum Ziel, mit Hilfe ergänzender Tatsachenfeststellungen und Bewertungen unter Berücksichtigung der Merkmale nach Absatz 3 festzustellen, ob gegen die rechtliche Ordnungsmäßigkeit nach § 6 verstoßen worden ist oder nicht (§ 11 Abs. 2 AbrPr-RL).

Die Beklagte hat insb. fehlerhafte Eintragungen der Praxisgebührkennziffern und die Registrierung von Einlesetagen von Krankenversichertenkarten oder Behandlungstagen an Tagen, an denen der Kläger in dieser ÄBD-Zentrale überhaupt keinen ÄBD-Dienst gehabt habe, daneben weitere Auffälligkeiten wie Vorabeinlesedaten der Versichertenkarte im ÄBD sowie erkennbare Abrechnungsmuster (wiederkehrende Konstellationen von Behandlungstag und Tag des Einlesedatums der Versichertenkarte entgegen der Sammelerklärung) und nicht unerhebliche Patientenidentitäten zwischen der BAG und der ÄBD-Abrechnung festgestellt, was hinreichend Anlass zu einer sachlich-rechnerischen Prüfung bot. Im Einzelnen wird auf den angefochtenen Ausgangs- und Widerspruchsbescheid verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG). 

Hinzu kommen die Auffälligkeiten bei der Abrechnung der Praxisgebühr und fehlende Angaben zum weiterbehandelnden Arzt auf Muster 19 (Notfall-/Vertretungsschein). Dies hat die Beklagte mit zahlreichen Fällen belegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den angefochtenen Bescheid und Widerspruchsbescheide verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG).

Es ist in erster Linie Sache des Arztes, begründete Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung auszuräumen. Diese Obliegenheit ist umso ausgeprägter, je gravierender die Hinweise auf Abrechnungsfehler sind. Als Anspruchsteller trifft den Arzt grundsätzlich die Feststellungslast hinsichtlich der Voraussetzungen für seinen Vergütungsanspruch. Das gilt vor allem, wenn sich der Arzt auf für ihn günstige Tatsachen berufen will, die allein ihm bekannt sind oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können. Die zur Begründung seines Anspruchs dienenden Tatsachen muss der Vertragsarzt in diesen Fällen so genau wie möglich angeben und belegen (vgl. BSG, Urt. v. 15.07.2020 - B 6 KA 13/19 R - SozR 4-5531 Nr. 01100 Nr. 1 <vorgesehen>, juris Rdnr. 32; BSG, Urt. v. 13.05.2020 - B 6 KA 6/19 R - SozR 4-2500 § 106d Nr. 8, juris Rdnr. 27 f. jeweils m.w.N.). Ein Vertragsarzt hat im Rahmen seiner Abrechnung die Voraussetzungen der beanspruchten Gebührenpositionen unter Beachtung des unmittelbar verpflichtenden Wirtschaftlichkeitsgebots jedenfalls nach Beanstandungen und Nachfragen der Kassenärztlichen Vereinigung nachzuweisen. Dies gilt auch für die besonderen Leistungsvoraussetzungen von qualifizierten, d. h. aufwändigeren und daher höher dotierten Leistungspositionen. Der Nachweispflicht unterfällt auch, dass die aufwändigere (und daher höher honorierte) Leistung gegenüber einer weniger aufwändigen (geringer honorierten) Leistung erforderlich war, d. h. die den höheren Aufwand bedingenden Umstände müssen ebf. nachgewiesen werden. Darlegungs , Nachweis- und Dokumentationspflichten stellen Obliegenheiten des Vertragsarztes dar. Soweit diesen nicht hinreichend nachgekommen wird, wird der entsprechende Honoraranspruch verwirkt. Nicht hinreichend dargelegte, dokumentierte und nachgewiesene Leistungen sind als nicht erbracht bzw. als nicht erfüllt anzusehen und können nicht abgerechnet werden (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 27.05.2015 - L 4 KA 50/12 - juris Rdnr. 166 ff., Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. v. 17.03.2016 - B 6 KA 60/15 B - BeckRS 2016, 68302, unter Hinweis auf LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 26.11.2014 - L 3 KA 70/12 -, Revision <B 6 KA 1/15 R> zurückgenommen). 

Der Kläger hat aber weitgehend nur allgemein bzgl. der Beanstandungen der Beklagten vorgetragen. 

Insbesondere die Abrechnung von Behandlungsfällen im ÄBD ohne Dienst im ÄBD zu haben, belegt die Unrichtigkeit der Abrechnung und lässt sich nicht mit bloßem Versehen erklären. Soweit der Kläger vortragen lässt, wegen der Zurückstellung der Abrechnung dieser Scheine könnten sie nicht zum Gegenstand eines Plausibilitätsverfahrens gemacht werden, soweit er keinen gesonderten Antrag auf Abrechnungskorrektur stelle, würden nach dem Ablauf der Stellungnahmefrist von 10 Tagen die bemängelten Leistungen eben nicht Teil seiner Abrechnung werden, verkennt er vollständig das Gebot der peinlich genauen Abrechnung und den Inhalt der Sammelerklärung. Mit der Sammelerklärung wird erklärt, alle Leistungen ordnungsgemäß abgerechnet zu haben. Die Abrechnung von Leistungen an Tagen, an denen keine Tätigkeit vorliegt, erfüllt den objektiven Betrugstatbestand. Es steht nicht im Belieben eines Vertragsarztes, Leistungen abzurechnen und ggf. dann die Absetzung dieser Leistungen hinzunehmen. Es handelt sich nicht um Fälle einer Verkennung der Leistungslegende oder um Zweifel bei der Auslegung von Abrechnungsnormen, sondern um eine von vornherein und vollständig falsche Abrechnung. 

Grundlegend für die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung sind insbesondere die Pflicht zur peinlich genauen Leistungsabrechnung. Das Abrechnungs- und Honorierungssystem der vertragsärztlichen Versorgung baut auf Vertrauen auf. Der Honorierung werden die Angaben der Leistungserbringer über die von ihnen erbrachten Leistungen zugrunde gelegt; eine Überprüfung erfolgt nur bei Auffälligkeit oder stichprobenweise. Da also bei der Honorierung die Angaben der Leistungserbringer grundsätzlich als zutreffend zugrunde gelegt werden, muss auf deren Richtigkeit vertraut werden können: Dies ist ein Fundament des Systems der vertragsärztlichen Versorgung (sog. Pflicht zur peinlich genauen Leistungsabrechnung) (vgl. BSG, Urt. v. 21.03.2012   B 6 KA 22/11 R - BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 24, juris Rdnr. 34 f. m. w. N.). Der Arzt verstößt hiergegen, wenn er Leistungen abrechnet, die er entweder nicht oder nicht vollständig oder - sofern sie sein Tätigwerden voraussetzen - nicht selbst erbracht hat. Auch die beiden letztgenannten, häufig nur schwer nachzuweisenden Formen des Abrechnungsbetruges wiegen nicht weniger schwer als die Abrechnung von Leistungen, die von vornherein nicht erbracht worden sind (vgl. (BSG, Urt. v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4, juris Rdnr. 22). 

Der Kläger muss sich auch an seiner Abrechnung und den darin enthaltenen Datumsangaben festhalten lassen. Dies gilt auch für die Angaben von Einlesedaten und Behandlungstage. Ein Irrtum oder Versehen könnte dem Kläger allenfalls in wenigen Einzelfällen zugestanden werden, nicht aber in der Gesamtschau der Auffälligkeiten. Das gleiche gilt für den Vortrag, die Abrechnungssoftware sei unzureichend gewesen. 

Es gibt keinerlei Grund, insb. nicht im ÄBD, Versichertenkarten vor oder unabhängig von einer konkret anstehenden Behandlung einzulesen. Die Versichertenkarte ist der Nachweis, dass der Arzt Leistungen zu Lasten der Krankenkasse erbringen dar. Ohne konkrete Leistungserbringung kann der Arzt sie nicht beanspruchen oder hat sie ggf. abzuweisen. 

Der Kläger verkennt auch seine Pflicht, den jeweiligen Patienten im Rahmen der Behandlung im ÄBD eingehend und unmissverständlich klar zu machen, dass er den ÄBD wirklich nur im äußersten Notfall und nur bei subjektiv unausweichlicher, sofortiger Behandlungsnotwendigkeit aufsuchen dürfe. Notfallleistungen sind nur solche Leistungen, die auf die Erstversorgung ausgerichtet sind (vgl. BSG, Urt. v. 13.05.2020   B 6 KA 6/19 R - SozR 4-2500 § 106d Nr. 8, juris Rdnr. 21; BSG, Urt. v. 26.06.2019 - B 6 KA 68/17 R - SozR 4-2500 § 106d Nr. 6, juris Rdnr. 21). Es dürfen nur die ärztlichen Behandlungsmaßnahmen ergriffen werden, die in der jeweiligen gesundheitlichen Situation des Versicherten unverzichtbar sind. Die Inanspruchnahme des Not- oder Bereitschaftsdienstes ist kein Surrogat einer regelmäßigen vertragsärztlichen Behandlung (vgl. BSG, Urt. v. 02.07.2014 - B 6 KA 30/13 R - SozR 4-2500 § 76 Nr. 2, juris Rdnr. 9 m. w. N.). Die Behandlungen sind darauf zu konzentrieren, Gefahren für Leib und Leben sowie unzumutbaren Schmerzen der Patienten zu begegnen sowie die Notwendigkeit einer stationären Behandlung abzuklären. Der Behandlungsumfang ist beschränkt auf die Maßnahmen, die bis zum erneuten Einsetzen der Regelversorgung in den üblichen Sprechstundenzeiten erforderlich sind (vgl. BSG, Urt. v. 12.12.2012 - B 6 KA 5/12 R - SozR 4-2500 § 115 Nr. 1, juris Rdnr. 15).

Insofern folgt hieraus unmittelbar die Verpflichtung des Klägers, den Patienten ggf. auf die Grenzen seiner Behandlungsbefugnis hinzuweisen und Leistungen, die zur Abwendung des Notfalls nicht erforderlich sind, zu unterlassen. Auch Vertragsärzten ist es untersagt, Patienten auf Bestellung oder auf Wunsch des Patienten im ÄBD erneut zu behandeln, wenn dies im Einzelfall medizinisch auch sinnvoll, aber eben nicht erforderlich zur Abwendung des Notfalls erscheinen mag. Soweit der Vertragsarzt mit einer besonderen Leistungsbereitschaft zur Verfügung stehen will, kann er den Umfang seiner Sprechstundenzeiten bis in die Nachtstunden oder am Wochenende ausweiten. 

Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass in den Beispielsfällen die Behandlung des Klägers im ÄBD der erste Kontakt in der ambulanten ärztlichen Versorgung gewesen sei und zeitlich spätere Behandlungen bei anderen Ärzten (ÄBD/Regelversorgung) erfolgt seien, der Patient zudem nicht von der Zahlung der Praxisgebühr befreit gewesen. Damit ist nicht ersichtlich, dass die Praxisgebühr später erhoben wurde. Zudem fielt die Praxisgebühr bei dem ersten Kontakt im Quartal an, so dass auf evtl. nachfolgende Kontakte nicht verwiesen werden kann. 

Die von der Beklagten aufgezeigten Abrechnungsmuster deuten auf eine systematisch fehlerhafte Abrechnung und damit auf eine vorsätzliche fehlerhafte Abrechnung hin, jedenfalls geht die Beklagte zutreffend davon aus, dass wenigstens grobe Fahrlässigkeit vorliegt. 

Angesichts der von der Beklagten festgestellten Verstöße gegen die Regeln des Vertragsarztrechts erweisen sich die von dem Kläger in den streitbefangenen Quartalen jeweils der Abrechnung beigefügten Abrechnungssammelerklärungen, in denen er die ordnungsgemäße Erbringung der abgerechneten Leistungen bestätigt hat, als falsch, mit der Folge, dass die Beklagte berechtigt war, die Honorarbescheide aufzuheben und die Honorare im Wege der Schätzung neu festzusetzen (vgl. BSG, Urt. v. 23.06.2010   B 6 KA 7/09 R - BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr. 4, juris Rdnr. 69). Der Beklagten kommt dabei ein weites Schätzungsermessen zu, da mit der Implausibilität der Abrechnung aufgrund des Formenmissbrauchs die Abrechnung selbst nicht mehr ausschlaggebend sein kann. 

Die Abrechnungssammelerklärung als Ganzes ist bereits dann unrichtig, wenn nur ein mit ihr erfasster Behandlungsausweis eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen enthält. Dies gilt auch für implausible Abrechnungen. Wegen dieser weitgehenden Wirkung der Rechtsfolgen aus der Abgabe einer unrichtigen Abrechnungssammelerklärung ist weiter vorauszusetzen, dass unrichtige Angaben in den Behandlungsausweisen zumindest grob fahrlässig oder vorsätzlich erfolgt sind (vgl. BSG, Urt. v. 17.09.1997 - 6 RKa 86/95 - SozR 3-5500 § 35 Nr.1, juris Rdnr. 21 f.). Angesichts der im Einzelnen von der Beklagten dargelegten Implausibilität der Abrechnung für alle streitbefangenen Quartale ist von einem zumindest grob fahrlässigen Verhalten des Klägers auszugehen. Es bedarf eines Nachweises im Einzelfall dann nicht mehr, wenn entweder eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen oder eben die Implausibilität der Abrechnung nachgewiesen ist. Der Nachweis der Implausibilität der Abrechnung steht insofern dem Nachweis einer unrichtigen Angabe über erbrachte Leistungen gleich bzw. ersetzt diesen. Im Übrigen hat die Beklagte für jedes Quartal viele Beispielsfälle angeführt. 

Keinesfalls steht dem Arzt mehr an Honorar zu, als ihm zu zahlen gewesen wäre, wenn er ordnungsgemäß abgerechnet hätte (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R - BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr. 6, juris Rdnr. 22 zum Formenmissbrauch bei einer Berufsausübungsgemeinschaft). Dies bedeutet jedoch nicht, dass den Ärzten auch tatsächlich das Honorar zu zahlen wäre, das sie erhalten hätten, wenn sie ordnungsgemäß abgerechnet hätten. Das lässt sich angesichts der Vielzahl der Implausibilitäten bei der Abrechnung des Klägers im Nachhinein auch nicht mehr feststellen. Honorarkürzungen dürfen sich auf das gesamte Honorar erstrecken, das auf rechtswidrige Weise erlangt wurde, ohne dass gegenzurechnen ist, was bei rechtmäßigem Verhalten als Honorar zu zahlen gewesen wäre; in solchen Fällen kann eine Honorarneufestsetzung im Wege einer Schätzung erfolgen (vgl. BSG, Beschl. v. 17.09.2008 - B 6 KA 65/07 B - BeckRS 2008, 57265, Rdnr. 9 ff.). Der Beklagten kommt insoweit ein weites Schätzungsermessen zu (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 30.11.2016   L 4 KA 22/14 - juris Rdnr. 55; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 02.01.2018 - L 11 KA 39/17 B ER - juris Rdnr. 81 m.w.N.). In aller Regel ist es nicht zu beanstanden, wenn die Kassenärztliche Vereinigung in den Fällen, in denen die vom Arzt geltend gemachte Quartalsvergütung bezogen auf den Fallwert wesentlich über dem Durchschnitt seiner Fachgruppe liegt, deutliche Abschläge gegenüber der ursprünglich geltend gemachten Honorarforderung vornimmt und sich im Wege pauschalierender Schätzung damit begnügt, ihm ein Honorar z. B. in Höhe des Fachgruppendurchschnitts - oder in KV-Bezirken mit hohen Fallwerten evtl. niedriger - zuzuerkennen (vgl. BSG, Urt. v. 17.09.1997 - 6 RKa 86/95 - SozR 3-5500 § 35 Nr.1, juris Rdnr. 23). 

Die Beklagte hat Rahmen der Schätzung das Honorar des Klägers auf das Durchschnittshonorar der ÄBD-Zentrale je Quartal neu festgesetzt. Der Durchschnitt wurde anhand der Zahl der Diensttage bzw. Behandlungstage im ÄBD ermittelt, um die durchschnittliche zeitliche Präsenz zu erfassen. Der durchschnittliche Einbehalt der Praxisgebühr wurde berücksichtigt. Dies ist nicht zu beanstanden (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 13.02.2019 - S 12 KA 601/17 - Umdruck S. 17, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 8/19 -; SG Marburg, Urt. v. 25.09.2020 - S 12 KA 642/17 u.a. -, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 59/20 - u. a.).

Nach allem war die Klage zum Az.: S 12 KA 315/19 abzuweisen. 

Die Klage zum Az.: S 12 KA 316/19 war ebf. abzuweisen

Die weiteren Bescheide vom 08.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2019 betreffen ebf. die sachlich-rechnerische Berichtigung der streitbefangenen Quartale. Rechtsgrundlage für die weitere Prüfung der Beklagten ist § 45 SGB X

Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei den Bescheiden vom 08.11.2016 nicht um bloße nachträgliche Ergänzungen zur Begründung des Bescheides vom 12.07.2016 (sog. Nachschieben von Gründen).

Die Beklagte erteilte dem Kläger mit den beiden weiteren Bescheiden vom 08.11.2018 wegen den ÄBD-Honorarabrechnungen für die Quartale II/12 bis III/13 für den ÄBD A Stadt (BSNR xxx2) bzw. der ÄBD-Honorarabrechnung für das Quartal I/13 für den ÄBD D-Stadt (BSNR xxx3) beratende informelle Hinweise. Die Hinweise bezog sie auf weitere Auffälligkeiten einer Patientenidentität zwischen den ÄBD-Abrechnungen des Klägers und den ÄBD-Abrechnungen von Herrn Dr. O. (ÄBD A-Stadt: 3,9 % bis zu 16,61 %; ÄBD B-Stadt). Damit stellte sie diese Auffälligkeiten verbindlich fest, auch wenn sie hieraus keine weitere Honorarkorrektur festsetze. Der Wille der Beklagten, verbindlich zu handeln, folgt auch aus der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung. In diesem Sinn hat auch der Kläger die Bescheide aufgefasst, indem er Widerspruch eingelegt hat. Insofern sind Willenserklärungen nach dem Empfängerhorizont auszulegen und gehen Unklarheiten zu Lasten des Erklärenden. 

Der neuerlichen Überprüfung der Abrechnungen standen aber keine Gründe des Vertrauensschutzes entgegen. 

Die Befugnis der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung war aus Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht eingeschränkt. Vertrauensschutz kann entgegenstehen, wenn die Kassenärztliche Vereinigung Honoraranforderung des Vertragsarztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüft und vorbehaltlos bestätigt hat (vgl. BSG, Urt. v. 15.05.2019 - B 6 KA 65/17 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 24, juris Rdnr. 23; BSG, Urt. v. 13.08.2014 - B 6 KA 38/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 47, juris Rdnr. 20; BSG, Urt. v. 28.08.2013 - B 6 KA 43/12 R - BSGE 114, 170 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 11, juris Rdnr. 26; BSG, Urt. v. 26.06.2002 - B 6 KA 26/01 R - juris Rdnr. 19). Auch aus einer Beanstandung aufgrund der Prüfung folgt, dass weitere Beanstandungen nicht zu besorgen sind und weitere Überprüfungen nur unter besonderen Voraussetzungen erfolgen können. 

Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geht von einer inhaltlichen Prüfung aus, die in Form eines Verwaltungsakts bestätigt wird. So kann ein „Verbrauch“ der Prüfkompetenz dann vorliegen, wenn die Kassenärztliche Vereinigung die Honoraranforderungen des Vertragsarztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüfte und vorbehaltlos bestätigte, indem sie z. B. auf den Rechtsbehelf des Vertragsarztes hin die ursprüngliche Richtigstellung eines bestimmten Gebührenansatzes ohne jede Einschränkung wieder rückgängig machte (vgl. BSG, Urt. v. 14.12.2005 - B 6 KA 17/05 R - BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 22, juris Rdnr. 15). In diesem Fall wird die jedem Honorarbescheid innewohnende Vorläufigkeit im Verhältnis zum Vertragsarzt insoweit aufgehoben, und die Kassenärztliche Vereinigung kann einen Honorarbescheid wegen anfänglicher Fehlerhaftigkeit nur noch unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X zurücknehmen (vgl. BSG, Beschl. v. 08.02.2010 - B 6 KA 22/09 B - juris Rdnr. 11). 

Der Erlass des (ersten) Berichtigungsbescheids vom 12.07.2016 hat für den Kläger insofern die Wirkung, dass weitere Unrichtigkeiten der geprüften Honorarabrechnungen nicht vorliegen. Der Beklagten war insofern eine Ergänzung der Prüfung nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X möglich. Diese Voraussetzungen liegen aber vor. 

Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit  
1.     er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 
2.     der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 
3.     er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 SGB X). 
Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen (§ 45 Abs. 1 SGB X). 

Die ÄBD-Honorarabrechnungen für die Quartale II/12 bis III/13 waren auch insofern rechtswidrig, als sie auf hohen Patientenidentitäten zwischen den ÄBD-Abrechnungen des Klägers und den ÄBD-Abrechnungen von Herrn Dr. O. beruhten. Dies beruhte auf wenigstens grob fahrlässigen Angaben des Klägers. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Einzelnen auf die angefochtenen Ausgangsbescheide und den angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG). Die Kammer hat bereits die Klage des Dr. O. gegen die ihn betreffende Honorarberichtigung abgewiesen (vgl. SG Marburg, Gerichtsb. v. 06.04.20212 - S 12 KA 200/19 -, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 24/21). 

Anzeichen dafür, dass die Jahresfrist überschritten wurde, sind nicht ersichtlich und werden vom Kläger nicht vorgetragen.

Nach allem war die Klage zum Az.: S 12 KA 316/19 ebf. abzuweisen. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Verfahrenskosten. 

Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). Der wirtschaftliche Wert folgt im Verfahren zum Az.: S 12 KA 315/19 aus dem Rückforderungsbetrag. Im Verfahren zum Az.: S 12 KA 316/19 war von den beratenden informellen Hinweisen für zwei ÄBD-Bezirke bzgl. eines Quartals bzw. sechs Quartale auszugehen. Der Sach- und Streitgegenstand bietet für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, weshalb der Streitwert für jeden ÄBD-Bezirk und pro Quartal auf 5.000 € festzusetzen (§ 52 Abs. 2 GKG) war. In der Summe ergab dies den festgesetzten Streitwert.

Rechtskraft
Aus
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