S 9 SO 40/21 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 9 SO 40/21 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 4/21 DS
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Der Antrag wird abgelehnt. 

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Anforderungen für die Vorlage von Unterlagen im Rahmen eines Leistungsantrages sowie die Geltung der DSGVO für den Antragsgegner.

Der Antragsteller bezieht derzeit Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Er beantragte am 20. Mai 2021 Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII). 

Die Voraussetzungen des Leistungsbezugs nach dem Vierten Kapitel SGB XII sind ab 1. September 2021 erfüllt Der Antragsteller erreicht die Altersgrenze gemäß § 41 Absatz 2 SGB XII am 1. September 2021. 

Da die Antragsunterlagen nicht vollständig waren, forderte der Antragsgegner mit Schreiben vom 9. Juni 2021 weitere Unterlagen bei dem Antragsteller an, um das anzurechnende Einkommen aus dem vom Antragsteller ausgeübten Gewerbe zu ermitteln. Mit Schreiben vom 28. Juni 2021 bat der Antragsgegner den Antragsteller nochmals um Übersendung des Einkommenssteuerbescheides 2020 sowie Gewinn-/Verlustrechnungen der Monate Mai, Juni und Juli 2021. Der Antragsteller legte sodann geschwärzte Kontoauszüge vor sowie weitere diverse Unterlagen.

Der Antragsteller hat am 30. Juni 2021 Antrag im einstweiligen Rechtsschutz gestellt. 

Er trägt vor, die Forderungen des Antragsgegners seien so nicht berechtigt zum derzeitigen Zeitpunkt. Der Antragsgegner wolle ferner rechtliche Sachen, welche diesem nicht zustehen, weil es Dritte betreffe. Erst ab 1. September sei er im Leistungsbezug nach dem SGB XII. Daher stünden dem Antragsgegner auch erst dann die angeforderten Unterlagen zu. Ferner handele es sich um Unterlagen, die Zeiträume deutlich vor Antragstellung beträfen. Die Anrechnungsmöglichkeiten wäre derzeit jedoch Aufgabe des SGB II Trägers. Die vom Antragsgegner angeforderten Unterlagen seien offenkundig ungeeignet, die Bedürftigkeit des Antragstellers ab September 2021 zu beurteilen. Ferner bestreite der Antragsgegner die Gültigkeit von gesetzlichen Datenschutzregelungen. 

Der Antragsteller beantragt wörtlich,

1. dass der Kreis keine Forderungen an mich stellt vor dem 01. September 2021, weil ich erst ab da Geld kriege vom Kreis,

2. dass der Landkreis in Zukunft sich an die DSGVO hält, weil ich meine Kunden und Lieferanten schützen muss. 

Der Antragsgegner beantragt, 

den Antrag abzulehnen. 

Der Antragsgegner trägt vor, der Antragsteller verfüge über Einnahmen aus einem Gewerbebetrieb. Wer Leistungen beantrage, müsse alle Tatsachen angeben, die für die Leistungen erheblich seien. Da auch die Einnahmen bei der Leistungsprüfung relevant seien, müssten diese nachvollziehbar nachgewiesen werden. Weder die angeforderten Einkommenssteuerbescheinigungen noch die Gewinn- und Verlustrechnung enthielten persönliche Angaben der Kunden und Lieferanten. Der Hinweis des Antragstellers, dass der Antragsgegner einen Anspruch auf die angeforderten Unterlagen erst ab Leistungsbeginn zustehe, gehe fehl. 

II.

Der statthafte Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß § 86b Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist teilweise zulässig, jedoch unbegründet.

Bezüglich des Antrages zu 2. ist der Antrag bereits unzulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers besteht nicht. Der Antragsteller hat mit seinem Antrag das streitige Rechtsverhältnis (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG) nicht hinreichend konkretisiert hat. Insoweit gelten im Eilverfahren dieselben Maßstäbe wie für die Feststellungsklage nach § 55 SGG (siehe Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, § 86b, Rn. 25b). Ein Antrag ist danach nur zulässig, wenn zwischen den Beteiligten die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen konkreten, bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (so BVerwG, 25.03.2009 – 8 C 1/09). Daran fehlt es hier. Der Antrag zu 2. ist so allgemein gefasst, dass sein Erfolg die Rechtssituation des Antragstellers nicht verbessern könnte. Denn die DSGVO gilt für den Landkreis Waldeck-Frankenberg ohnehin unmittelbar und zwingend. Sollte ein hinreichend konkreter Sachverhalt auftreten, in dem Streit über ihre Auswirkungen auf die Verwaltungstätigkeit entsteht, steht dem Antragsteller effektiver Rechtsschutz in dem jeweiligen Einzelfall zur Verfügung. Er kann seine gesetzlichen Rechte gegen die verantwortliche Stelle geltend machen oder sich an den Datenschutzbeauftragten oder die Aufsicht wenden. Auch bezüglich der geschwärzten Kontoauszüge hat der Antragsteller ein streitiges Rechtsverhältnis nicht hinreichend dargelegt, da eine nochmalige Anforderung ungeschwärzter Kontoauszüge bisher nicht erfolgt ist. 

Auch bezüglich des Antrages zu 1. erscheint das Vorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses jedenfalls fraglich. Der Kläger hat auch hier das Rechtsverhältnis nicht weiter konkretisiert, sondern beantragt, dass der Antragsteller keine „Forderungen“ mehr gegen ihn stellt. 

Jedenfalls sind die Anträge aber auch unbegründet. 

Gemäß § 86b Absatz 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Gemäß Satz 2 sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend wird der Erlass einer Regelungsanordnung begehrt. 

Dabei sind sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen (§ 86b Absatz 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 ZPO).

Vorliegend hat der Antragsteller weder einen Anordnungsgrund, noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. 

1. Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch bezüglich seines Antrages, dass der Antragsgegner, keine Forderungen gegen ihn stellt, glaubhaft gemacht. Auszulegen ist der Antrag sinngemäß als Antrag in dem Sinne, dass der Antragsteller die angeforderten Unterlagen nicht an den Antragsteller einzureichen hat. Ein solcher Anspruch besteht jedoch nicht.

Gemäß § 60 Absatz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen. Der Antragsteller hat nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die seitens des Antragsgegners angeforderten Unterlagen nicht anzufordern wären. Alle angeforderten Unterlagen beziehen sich auf den Antragsteller sowie dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Eine solche Verpflichtung besteht auch bereits nach dem Wortlaut bei Antragstellung, also vor dem Zeitpunkt der Leistungsbewilligung.

2. Auch einen Anordnungsanspruch bezüglich des Antrages zu 2. hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Vorliegend ist weder ersichtlich, dass der Antragsgegner konkrete Daten zu Lieferanten oder Kunden angefordert oder erfasst hat. Ferner hat der Antragsgegner ungeschwärzte Kontoauszüge bisher nicht angefordert. Der Antragsteller betreibt vorliegend ein Gewerbe und erzielt nach eigenen Angaben Ausgaben sowie Einnahmen. Kontoauszüge können jedenfalls nur dann geschwärzt eingereicht werden, sofern dies nicht leistungserhebliche Zahlungsausgänge betrifft (dazu ausführlich Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Mai 2020, B 14 AS 7/19 R, juris, Rn. 22 ff.). 

Schließlich ist eine besondere Eilbedürftigkeit nicht ersichtlich. Der Antragsteller bezieht Leistungen nach dem SGB II. Eine besondere Notlage ist mithin derzeit nicht ersichtlich. Der Lebensunterhalt ist sichergestellt. 

Die Kostenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung von §§ 183, 193 SGG.

Rechtskraft
Aus
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