S 12 KA 77/21

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 77/21
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze

1. Fehlt es an der Fortführungsfähigkeit der Praxis aufgrund geringer Honorarumsätze und Fallzahlen, weshalb diese nicht zur Nachbesetzung ausgeschrieben wird, so ist es unerheblich, ob der Vertragsarzt nie beabsichtigt hat, den Versorgungsauftrag tatsächlich auszufüllen, oder lediglich äußere Umstände wie die Coronakrise einen Praxisaufbau verhindert haben. Maßgeblich für ein Nachbesetzungsverfahren ist allein der Umstand, ob objektiv ein nennenswertes Praxissubstrat vorliegt. 
2. Bei einem fehlenden Praxissubstrat kommt es auch nicht darauf an, ob der Planungsbereich erneut geöffnet bzw. teilentsperrt wird. Versorgungsgesichtspunkten wird gerade durch die Teilöffnung entsprochen. 

1.    Die Klage wird abgewiesen. 

2.    Der Kläger hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten. 

3.    Der Streitwert wird auf 300.000,00 € festgesetzt. 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit eines Antrags auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens gem. § 103 Abs. 3a SGB V für den Vertragsarztsitz in C Stadt, C-Straße mit hälftigem Versorgungsauftrag und hierbei insb. um die Frage, ob eine fortführungsfähige Praxis bestanden hat. 

Der beklagte Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ließ den Kläger nach Entsperrung des Planungsbereichs für einen vollen Vertragsarztsitz mit Beschluss vom 24.09.2019 zur vertragsärztlichen Tätigkeit für den Vertragsarztsitz C-Stadt, C-Straße, mit Wirkung zum 01.10.2019, beschränkt auf die Hälfte des Versorgungsauftrages nach § 19a Abs. 1 Ärzte-ZV, zu. 

Der Kläger erklärte mit Datum vom 28.10.2020 den Verzicht auf seine Zulassung mit Wirkung zum 01.02.2021 unter dem Vorbehalt einer Nachfolgeregelung und beantragte die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens. Die Praxisübernahme sollte durch die MVZ IMD GmbH erfolgen. 

Der Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 22.12.2020 mit, die Abfrage der Versorgungssituation im betreffenden Planungsbereich habe einen Versorgungsgrad von 114,12 % ergeben. Er könne die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes ablehnen, wenn eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich sei. Nachdem die Fallzahlen des Klägers in den geprüften Quartalen durchschnittlich deutlich unterhalb des Fachgruppendurchschnitts gelegen hätten, habe er Bedenken hinsichtlich der Versorgungsrelevanz des Praxissitzes. 

Der Kläger trug vor, wegen möglicher Konkurrentenwidersprüche habe er nach seiner Zulassung zunächst die Rechtsmittelfrist abgewartet. Der Beschluss vom 24.09.2019 sei ihm am 06.10.2019 zugegangen. Nach dem 06.11.2019 habe er die Tätigkeit aufgenommen und die Praxis eingerichtet. In der Anfangsphase seien kaum Patientenanfragen zu verzeichnen gewesen. Dies habe ihm geholfen, die Praxis auch in Bezug auf die notwendige Telematikinfrastruktur und Praxismanagementsoftware sorgfältig einzurichten. Bekanntlich habe dann die Coronakrise dazu geführt, dass Kontakte hätten eingeschränkt werden sollen. Dies sei besonders gut im Bereich elektiver ärztlicher Tätigkeiten umsetzbar gewesen. Hierzu zählten fast alle humangenetischen ärztlichen Leistungen. Da er zudem auch als Ärztlicher Leiter Führungsgruppe Katastrophenschutz gemeinnützig tätig gewesen sei, habe er es für angebracht gehalten, im ärztlichen Kollegenkreis nicht intensiv auf seine Praxis aufmerksam zu machen. So seien die Zuweisungen auf das Notwendigste/Dringendste beschränkt geblieben. Mitte September 2020 sei dann ein MVZ mit dem Angebot einer Praxisübernahme an ihn herangetreten, da junge fachärztliche Kollegen zur Anstellung bereitstünden. Er habe gleichzeitig ein Anstellungsangebot eines mit ihm seit längerem befreundeten Kollegen aus D-Stadt gehabt, was er ab 01.01.2021 in halber Stelle auch angenommen habe. Für die Praxis in C-Stadt bestehe ein großer Bedarf, der nur mangels Kenntnis der Kollegen noch nicht in den von ihm abgerechneten Fällen sichtbar geworden sei. Zudem sei es so, dass die Fälle aus dem Quartal 1 und 2 im Jahre 2020 erst als Nachzügler mit den Fällen aus dem 3. Quartal 2020 abgerechnet worden und somit in der Auswertung der Beigeladenen zu 1) noch nicht erschienen seien. In C-Stadt (und ganz Osthessen) gebe es außer seiner Praxis weder in Niederlassung noch an Kliniken einen Facharzt für Humangenetik. Die nächste humangenetische Praxis/Beratungsstelle finde sich in den weit entfernten Städten Bad Nauheim, Marburg oder Frankfurt. Der Niederlassungsort C-Stadt sei von ihm im Rahmen seines Zulassungsantrages unter dem Gesichtspunkt der bestmöglichen Verbesserung der Versorgungssituation in Hessen gewählt worden. Dabei habe er keinen Standort identifizieren können, der diesem Gesichtspunkt besser entspreche. C-Stadt habe zudem ein Klinikum der Maximalversorgung und weitere Kliniken, in denen sich zahlreiche humangenetische Schnittstellen ergäben. Hier seien die ersten Kontakte beispielsweise zur Frauenheilkunde in Bezug auf die Fragestellung erblicher Krebs und zum Sozialpädiatrischen Zentrum (Praxis E. und F.) in Bezug auf die Frage angeborener Entwicklungsstörungen (geistige und körperliche Behinderungen) aufgenommen worden. Dort sei man sehr froh, die zahlreichen Patienten nicht mehr in die weit entfernten anderen humangenetischen Einrichtungen verweisen zu müssen, sondern auf ein Angebot vor Ort verweisen zu können. 

Der Beklagte lehnte mit Beschluss vom 26.01.2021, ausgefertigt am 15.02.2021, den Antrag als unzulässig ab. Zur Begründung führte er aus, der Planungsbereich Hessen weise für das Fachgebiet der Humangenetiker einen Versorgungsgrad von 114,12 % aus. Der Kläger habe im Quartal IV/19 drei Behandlungsfälle, in den Quartalen I und II/20 keine Behandlungsfälle abgerechnet. Die Fachgruppe habe in diesen Quartalen durchschnittlich 213, 232 und 244 Fälle abgerechnet. Da für den Vertragsarztsitz des Klägers seit Beginn der Tätigkeitsaufnahme ab dem Quartal IV/19 nicht bzw. in nur äußerst geringen Maß abgerechnet worden sei, liege aufgrund von fehlendem Praxissubstrat schon keine Antragsberechtigung für die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens vor. Die Praxis sei nicht in einem nennenswerten Umfang vertragsärztlich tätig gewesen. Insb. liege keine tatsächliche Entfaltung einer ärztlichen Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen vor. Bei derart geringen Fallzahlen könne von einem normalen Betrieb der Praxis nicht gesprochen werden, so dass schlechterdings keine Praxis vorliege, die übergeben werden könnte. Es fehlt an dem nötigen Praxissubstrat. Der Kläger bestreite nicht die geringen Fallzahlen, vielmehr gebe er an, auch neben der vertragsärztlichen Tätigkeit als Ärztlicher Leiter Führungsgruppe Katastrophenschutz gemeinnützig tätig gewesen zu sein. Diese Tätigkeit sei erst nach Erhalt der Zulassung, im April 2020, aufgenommen worden. Die nicht abgerechneten Fälle aus den Quartalen I und II/20 tauchten nach Angabe des Klägers im 3. Quartal 2020 auf. Auch aus diesen Angaben werde gerade nicht das erforderliche und nötige Praxissubstrat erkannt. 

Hiergegen hat der Kläger am 15.03.2021 die Klage erhoben. Er trägt vor, nach den Honorarbescheiden habe er im Quartal I/20 ein Honorar in Höhe von 4.418,23 €, im Quartal II/20 von 0,51 € und im Quartal III/20 von 325,23 € erzielt. Elf Fälle seien zurückgestellt worden. Wegen der Coronakrise sei der Anteil gesetzlich versicherter humangenetischer Patienten stark gefallen. Der Entzug der Zulassung führe zur Aufhebung der verfassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit. Es werde ihm nicht einmal die Möglichkeit gegeben, seine bereits getätigten hohen Aufwendungen wieder zu erwirtschaften. Dazu sollte die Veräußerung geeignet sein. Er habe realisiert, dass ihm die Coronakrise „das Kreuz gebrochen“ habe, weshalb er seine Praxis habe veräußern wollen. Er habe nicht die finanziellen Mittel, die Praxis fortzuführen, weshalb er auch das Angebot eines MVZ in D-Stadt angenommen habe. Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Hessen habe am 29.04.2021 unter Zugrundelegung des Arztstandes am 01.03.2021 beschlossen, dass im KV-Bereich Hessen ein halber humangenetischer Sitz ausgeschrieben werden solle, weil der Versorgungsgrad unter 110 % liege. In C Stadt und ganz Hessen gebe es weder in Niederlassung noch an Kliniken außer ihm keinen Facharzt für Humangenetik. Die Nachbesetzung sei deshalb notwendig. Es habe allenfalls ein unterdurchschnittliches Praxissubstrat vorgelegen, für das ein Anspruch auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens bestanden habe. Er habe mit der Praxis gezielt Beratungen vornehmen und keinen Einsendeanteil etablieren wollen. Während der Coronakrise habe er seinen Patienten mittels Videosprechstunde zur Verfügung gestanden von April bis Dezember 2020 monatlich ca. 25 Patienten behandelt. Da diese Tätigkeit nicht oder nur geringfügig abrechenbar gewesen sei, habe er die Abrechnung dieser Leistungen jedoch zurückgestellt. Er habe sein humangenetisches Versorgungskonzept mit namentlich genannten Kollegen besprochen. Er habe seine Praxispräsenzzeiten erbracht. 

Der Kläger beantragt, 

den Bescheid des Beklagten vom 15.02.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seinen Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens für den hälftigen humangenetischen Versorgungsauftrag in C-Stadt, C-Straße, anzunehmen. 

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen. 

Er trägt vor, die tatsächlichen Abrechnungsdaten des Klägers lauteten wie folgt:

Quartal   Fallzahl Kläger Fallzahl Fachgruppe
IV/19 3 213
I/20  10 232
II/20  1 245
III/20 1 231
IV/20  0  260
I/21 0 Noch nicht ermittelt

Aufgrund des hälftigen Versorgungsauftrags sei Vergleichsmaßstab nur die Hälfte des Werts der Fachgruppe. Angesichts dieser Abrechnungsdaten sei davon auszugehen, dass eine Ausübung der vertragsärztlichen Zulassung durch den Kläger im gesamten Zeitraum nicht stattgefunden habe. Auch wenn man von einer Aufbautätigkeit ausgehe, hätte doch die Entwicklung der Fallzahlen zumindest eine aufsteigende Tendenz aufweisen müssen, was offensichtlich nicht der Fall sei. Angesichts der vom Kläger geschilderten Lage als einzige Praxis im Umkreis von 100 km wäre vielmehr eine erheblich höhere Auslastung auch in den ersten Quartalen nach Eröffnung zu erwarten gewesen. Auf die Versorgungslage am Standort komme es nicht an. Der Kläger sei nicht bereit bzw. nicht in der Lage gewesen, den humangenetischen Bedarf in Osthessen zu befriedigen. Er habe zwischenzeitlich die Zulassung entzogen. Der Berufungsausschuss habe mit Beschluss vom 02.06.2021 den Widerspruch zurückgewiesen. 

Der Kläger hat zwischenzeitlich gegen den Beschluss des Berufungsausschusses vom 02.06.2021 Klage zum Az.: S 12 KA 226/21 erhoben, über die noch nicht entschieden ist. 

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt und sich zur Sache schriftsätzlich nicht geäußert. 

Die Kammer hat mit Beschluss vom 15.03.2021 die Beiladung ausgesprochen. 

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 07.07.2021 angehört.

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insb. form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden. 

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Beschluss des Beklagten vom 15.02.2021 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens für den hälftigen humangenetischen Versorgungsauftrag in C-Stadt, C-Straße. Die Klage war abzuweisen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens, weil eine fortführungsfähige Praxis nicht bestanden hat.

Anspruchsgrundlage ist § 103 Abs. 3a Satz 1 bis 3 SGB V. Wenn die Zulassung eines Vertragsarztes in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, durch Tod, Verzicht oder Entziehung endet und die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden soll, entscheidet der Zulassungsausschuss auf Antrag des Vertragsarztes oder seiner zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben, ob ein Nachbesetzungsverfahren nach Absatz 4 für den Vertragsarztsitz durchgeführt werden soll. Satz 1 gilt auch bei Verzicht auf die Hälfte oder eines Viertels der Zulassung oder bei Entziehung der Hälfte oder eines Viertels der Zulassung. Der Zulassungsausschuss kann den Antrag ablehnen, wenn eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist; dies gilt nicht, sofern die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden soll, der dem in Absatz 4 Satz 5 Nummer 4, 5 und 6 bezeichneten Personenkreis angehört oder der sich verpflichtet, die Praxis in ein anderes Gebiet des Planungsbereichs zu verlegen, in dem nach Mitteilung der Kassenärztlichen Vereinigung aufgrund einer zu geringen Ärztedichte ein Versorgungsbedarf besteht oder sofern mit der Nachbesetzung Festlegungen nach § 101 Abs. 1 Satz 8 SGB V befolgt werden. 

Ziel der Ausschreibung und Nachbesetzung ist die „Fortführung“ der Praxis, weshalb im Falle einer Einzelpraxis Ausschreibung und Nachbesetzung nur so lange erfolgen können, als ein Praxissubstrat noch vorhanden ist (vgl. BSG, Urt. v. 28.11.2007 - B 6 KA 26/07 R - BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr. 3, juris Rdnr. 19; BSG, Urt. v. 27.06.2018 - B 6 KA 46/17 R - BSGE 126, 96 = SozR 4-2500 § 103 Nr. 25, juris Rdnr. 25; BSG, Urt. v. 30.10.2019 - B 6 KA 14/18 R - SozR 4-2500 § 103 Nr. 28, juris Rdnr. 24). Praxisfortführung verlangt nicht notwendig, dass der Nachfolger eines ausscheidenden Vertragsarztes auf Dauer die bisherigen Patienten in denselben Praxisräumen mit Unterstützung desselben Praxispersonals und unter Nutzung derselben medizinisch-technischen Infrastruktur behandelt oder zumindest behandeln will. Der ausscheidende Vertragsarzt muss aber zum Zeitpunkt der Beendigung seiner Zulassung – soweit ein Ruhen nicht vorlag – tatsächlich unter einer bestimmten Anschrift in nennenswertem Umfang (noch) vertragsärztlich tätig gewesen sein (vgl. § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Das setzt den Besitz bzw. Mitbesitz von Praxisräumen, die Ankündigung von Sprechzeiten, die tatsächliche Entfaltung einer ärztlichen Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen sowie das Bestehen der für die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit im jeweiligen Fachgebiet erforderlichen Praxisinfrastruktur in apparativ-technischer Hinsicht voraus (vgl. BSG, Urt. v. 29.09.1999 - B 6 KA 1/99 R - SozR 3-2500 § 103 Nr. 5, juris Rdnr. 40). 

Der Beklagte geht zutreffend davon aus, dass eine fortführungsfähige Praxis nicht bestanden hat. Der Kläger hat seit seiner Zulassung keine Praxis aufgebaut. Darauf weisen bereits die geringen Honorarumsätze und Fallzahlen hin. Der Kläger räumt dies letztlich selbst ein. Dabei ist es unerheblich, ob der Kläger nie beabsichtigt hat, den hälftigen Versorgungsauftrag tatsächlich auszufüllen, oder lediglich äußere Umstände wie die Coronakrise einen Praxisaufbau verhindert haben. Maßgeblich für ein Nachbesetzungsverfahren ist allein der Umstand, ob objektiv ein nennenswertes Praxissubstrat vorliegt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Fortführungsfähigkeit der Praxis ist aus Gründen der Effektivität des Rechtsschutzes   abgesehen von hier nicht vorliegenden einzelnen Ausnahmen - der Zeitpunkt der Antragstellung auf Ausschreibung des Praxissitzes (vgl. BSG, Urt. v. 23.03.2016 - B 6 KA 9/15 R - BSGE 121, 76 = SozR 4-2500 § 103 Nr. 18, juris Rdnr. 18 ff.). 

Im Hinblick auf das fehlende Praxissubstrat kommt es auch nicht darauf an, ob der Planungsbereich erneut geöffnet bzw. teilentsperrt wurde. Versorgungsgesichtspunkten wird gerade durch die Teilöffnung entsprochen. 

Eine Eigentumsverletzung liegt nicht vor. 

Der Schutz von Eigentum kann sich nur auf vorhandene vermögenswerte Rechte beziehen; er erstreckt sich nicht auf etwas, das nie vorhanden war oder längst untergegangen ist. Die Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen verfolgt nicht den Zweck, dem Arzt eine Mehrung seines Vermögens durch Kommerzialisierung der ihm erteilten öffentlich-rechtlichen Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung in einem gesperrten Planungsbereich zu ermöglichen (vgl. BSG, Urt. v. 30.10.2019 - B 6 KA 14/18 R - SozR 4-2500 § 103 Nr. 28, juris Rdnr. 33 m.w.N.). 

Das Gesetz geht von einer Unterscheidung zwischen dem – öffentlich-rechtlichen – Vertragsarztsitz und der – zivilrechtlich verkehrsfähigen – ärztlichen Praxis aus, wobei eine Vertragsarztpraxis nur verkauft werden kann, wenn der Käufer auch eine Zulassung erhält. Mit der Beschränkung auf die wirtschaftlichen Interessen will der Gesetzgeber aber verhindern, dass ein Aufschlag für die Zulassung bezahlt werden muss (vgl. BT-Drs. 12/3608, S. 99). Ein Interesse an der Verwertung lediglich der Zulassung ist nicht geschützt, weshalb ein Wille bestehen muss, die Praxis zu veräußern (vgl. BSG, Urt. v. 23.03.2016 - B 6 KA 9/15 R - BSGE 121, 76 = SozR 4-2500 § 103 Nr. 18, juris Rdnr. 11), was aber nur bei einer vorhandenen Praxis möglich ist. Die Zulassung, die der Nachfolger für seine Tätigkeit als Vertragsarzt benötigt, ist als öffentlich-rechtliche Berechtigung nicht übertragbar und muss vom Nachfolger beim Zulassungsausschuss beantragt werden (vgl. BSG, Urt. v. 23.03.2016 - B 6 KA 9/15 R - BSGE 121, 76 = SozR 4-2500 § 103 Nr. 18, juris Rdnr. 13). Eigentumsrechtlich ist nur die Verwertung der Praxis als solche geschützt, nicht die damit verbundene öffentlich-rechtliche Zulassung (vgl. SG Marburg, Gerichtsb. v. 15.06.2020 - S 12 KA 395/19 - juris Rdnr. 53). 

Eine Verletzung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz) liegt nicht vor. Es war die alleinige Entscheidung des Klägers, auf die Fortführung seiner weiteren Berufstätigkeit zu verzichten. Soweit es ihm um die Verwertung der Praxis ankommt, können allein eigentumsrechtliche Belange berührt werden. Eine Eigentumsverletzung liegt aber, wie bereits ausgeführt, nicht vor. 

Nach allem war die Klage abzuweisen. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. 

Die Beigeladenen haben keinen Kostenerstattungsanspruch. Die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt (§ 197a SGG i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO). Von dieser Möglichkeit ist Gebrauch zu machen, wenn der Beigeladene erfolgreich Anträge gestellt hat, wenn er allein oder mit anderen Beteiligten gesiegt hat oder das Verfahren wesentlich gefördert hat (vgl. B. Schmidt in Meyer-Ladewig u. a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 197a, Rdnr. 29). Zu berücksichtigen ist, ob der Beigeladene sich während des Verfahrens geäußert und auch Anträge gestellt hat (vgl. BSG, Urt. v. 14.11.2002 - B 13 RJ 19/01 R - SozR 3-5795 § 10d Nr. 1, juris Rdnr. 44). 

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den gesetzlichen Vorgaben.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). Der Kläger hat einen Kaufvertrag über seine Praxis vorgelegt, wonach der Kaufpreis 300.000,00 € beträgt. Darin kommt sein wirtschaftliches Interesse zum Ausdruck. In dieser Höhe war der Streitwert festzusetzen. 

Rechtskraft
Aus
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