S 12 KA 303/20

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 303/20
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze

1. Die Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen hat nach der hessischen Rahmenvereinbarung über die zahnärztliche Versorgung der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) vom 08.03.2016 bereits nach Rechnungstellung gegenüber dem kommunalen Leistungsträger einen Zahlungsanspruch für die Behandlung von Asylbewerbern. Die kommunalen Leistungsträger haben kein vorheriges Prüfungsrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht. 
2. Stellt sich die Unzuständigkeit der kommunalen Leistungsträger nachträglich heraus, haben sie ggf. einen Erstattungsanspruch gegen den zuständigen Leistungsträger, i.d.R. eine gesetzliche Krankenkasse. Damit fällt ein Zuständigkeitswechsel grundsätzlich in die Risikosphäre des einen Zahnbehandlungsschein ausstellenden kommunalen Leistungsträgers. 
3. Die Rahmenvereinbarung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

1.    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 273,53 € zu zahlen.

2.    Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen. 

3.    Die Berufung wird nicht zugelassen. 

4.    Der Streitwert wird auf 273,53 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Vergütung für die Behandlung von vier Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in dem Quartal III/19 in Höhe von insgesamt 273,53 € und hierbei um die Frage, ob noch eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten nach Zuständigkeitswechsel vor dem Behandlungszeitpunkt besteht. 

Die Klägerin ist eine Kassenzahnärztliche Vereinigung nach § 77 Abs. 1 SGB V. Die Beklagte ist eine kreisfreie Stadt in Hessen.

Die Klägerin schloss am 08.03.2016 mit dem Hessischen Städtetag und dem Hessischen Landkreistag eine Rahmenvereinbarung über die zahnärztliche Versorgung der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) (im Folgenden: RV).

Die Vertragszahnärzte und Mitglieder der Klägerin rechneten auf der Grundlage des BEMA-Z die erbrachten Leistungen ab, die ihnen die Beklagte mit einem festen Punktwert vergütete. Die Beklagte rechnete wiederum die Leistungen aller Vertragszahnärzte gegenüber der Klägerin ab. Nach der Rahmenvereinbarung übernimmt die Klägerin die zahnärztliche Versorgung der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG. Kostenträger sind das Land Hessen sowie nach der Durchführungsverordnung zum AsylbLG die kreisfreien Städte und Landkreise (§ 1 RV). Die zuständige Behörde stellt dem Leistungsberechtigten einen Zahnbehandlungsschein, ggf. mit dem Hinweis auf den eingeschränkten Leistungsumfang aus. Der Leistungsberechtigte weist sich vor Beginn der Behandlung hiermit aus. Kann vor Behandlungsbeginn ein Zahnbehandlungsschein nicht vorgelegt werden, so ist, abgesehen von Notfällen, der Leistungsberechtigte zunächst an den zuständigen Kostenträger zu verweisen. Die Gültigkeit des Zahnbehandlungsscheines ist in der Regel bis zum Ende des laufenden Kalendervierteljahres befristet. Erstreckt sich die zahnärztliche Behandlung über mehr als ein Kalendervierteljahr, so ist für jedes Kalendervierteljahr ein neuer Zahnbehandlungsschein vorzulegen. (§ 3 RV). Die von den Zahnärzten im Rahmen der konservierend-chirurgischen und kieferorthopädischen Behandlungen erbrachten Leistungen sind vierteljährlich, alle weiteren Leistungen monatlich vom Zahnarzt ausschließlich über die KZVH bis zu den von ihr bestimmten Terminen abzurechnen. Für die Abrechnung gelten die gleichen Regelungen wie gegenüber der AOK Hessen. Die KZVH prüft die eingereichten Abrechnungen auf rechnerische, sachliche sowie gebührenordnungsmäßige Richtigkeit und berichtigt sie, soweit dies erforderlich ist. Die KZVH erstellt entsprechend der Abrechnungseinreichung der Zahnärzte vierteljährlich bzw. monatlich Rechnungen und sendet diese mit den Abrechnungsunterlagen an den zuständigen Kostenträger. Die Kostenträger sind verpflichtet, den Gesamtbetrag der Abrechnung innerhalb eines Monats nach Eingang der Abrechnungen an die KZVH zu zahlen. Die Kostenträger können Berichtigungen von rechnerischen, sachlichen sowie gebühren-ordnungsmäßigen Fehlern innerhalb eines halben Jahres nach Erhalt der Abrechnungsunterlagen bei der KZVH beantragen (§ 8 RV). 

Die Klägerin hat am 24.07.2020 die Klage erhoben. Sie hat mit Schriftsatz vom 18.11.2020 den Antrag auf Verzinsung der Klageforderung zurückgenommen. 

Die Klägerin trägt vor, sie begehre die Bezahlung von verschiedenen zahnärztlichen Leistungen, die Mitgliedzahnärzte von ihr für Asylbewerber im Zuständigkeitsbereich der Beklagten im Quartal III/19 erbracht hätten. Im Einzelnen handele es sich dabei um die Behandlungsfälle A. A., B. A., C. C. und D. D.. Der Beklagte habe für die vier Versicherten Behandlungsscheine für den Zeitraum 01.07.2019 bzw. 03.07.2019 bis 30.09.2019 ausgestellt. Entsprechend den Bestimmungen der Rahmenvereinbarung habe sie die Leistungen aus dem genannten Abrechnungszeitraum der Beklagten nach vorheriger sachlich-rechnerischer Prüfung mit Schreiben vom 10.02.2020 in Rechnung gestellt, woran sie mit Schreiben vom 12.03.2020 erinnert habe. Die Beklagte habe die Kostenübernahme abgelehnt, weil die Versicherten zum Behandlungszeitpunkt nicht mehr dort versichert gewesen seien. Durch Wechsel der Zuständigkeit zu einem anderen Sozialleistungsträger bestehe direkt gegen den neuen Sozialleistungsträger ein Anspruch der Leistungsberechtigten auf Übernahme der Behandlungskosten. Das Vorgehen des Beklagten stelle sich als einseitiges, partielles Abweichen von der bestehenden Rahmenvereinbarung dar. Die zahnärztlichen Leistungen seien jeweils in dem Gültigkeitszeitraum des vom Beklagten ausgestellten Behandlungsscheines erbracht worden. Auf Grund der Rahmenvereinbarung sei die Beklagte damit unabhängig davon, ob der Versicherte zwischenzeitlich zu einem anderen Sozialleistungsträger gewechselt sei, zur Zahlung verpflichtet. In diesem Zusammenhang komme es nur darauf an, ob die Behandlung in den Zeitraum des Behandlungsscheins fällt. Für Behandlungen in diesem Zeitraum sei alleine die Beklagte als Kostenträger für die Zahlung zuständig. Aus den Angaben der Beklagten habe sie nicht auf die zuständige Krankenkasse schließen können. Dies sei im Übrigen auch nicht ihre Aufgabe. Während der Gültigkeitsdauer brauche sie den endgültigen Kostenträger nicht zu ermitteln. Es sei Aufgabe der Beklagten während dieses Zeitraumes den neuen (endgültigen) Kostenträger zu ermitteln und ggf. einen internen Ausgleich mit diesem zu suchen. Die Regelungen der Rahmenvereinbarung zeigten eindeutig, dass als zuständiger Kostenträger nur die den Zahnbehandlungsschein ausstellende Behörde gemeint sein könne. 

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 273,53 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf den übersandten Abrechnungsvorgang und ihre beiden Leistungsakten und bestätigt den Beitritt zur Rahmenvereinbarung. Sie trägt vor, dass die Klägerin keinen Vergütungsanspruch gegen sie habe, wenn sie nicht der sachlich und zeitlich für die jeweils behandelten Personen zuständige Träger der Leistungen nach dem AsylbLG sei. Sie habe nicht bloß die eigene Leistungspflicht bestritten, sondern der Klägerin Hinweise zu den richtigen Kostenträgern gegeben. Das Rechtsschutzbedürfnis der Leistungsklage werde gerügt, weil der Klägerin mit der Geltendmachung bei den jeweiligen gesetzlichen Krankenversicherungen der vier Patienten ein einfacherer und leichterer Weg zur Erreichung ihres Erstattungsbegehrens möglich sei. Die Patienten hätten zur Zeit der Behandlungen nicht mehr bei ihr im Bezug von AsylbLG-Leistungen gestanden, sondern längst Grundsicherungsleistungen beim Jobcenter erhalten. Für ehemalige Hilfeempfänger, deren Leistungsbescheide mit Gewährung vorrangiger SGB II-Leistungen unwirksam (§ 39 Abs. 2 SGB X) geworden seien und bei denen sogar mit Wirkung zum sog. Rechtskreiswechsel der AsylbLG-Leistungsbezug bestandskräftig eingestellt worden sei, hafte sie nicht nach. Die Rahmenvereinbarung regele in § 8 Abs. 5 zwar die Pflicht eines Kostenträgers, den im Abrechnungsverfahren festgestellten Gesamtbetrag des Quartals an die Klägerin zu zahlen, definiere den zahlungspflichtigen Kostenträger aber weder dort noch in § 1 Abs. 2 genauer. Vielmehr könne der zuständige Kostenträger nur über § 1 Abs. 1 und den Begriff „Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG“ so verstanden werden, dass Kostenträger stets der jeweils sachgewährleistungspflichtige Träger sei. Die mehrfache Begriffsverwendung „Leistungsberechtigte“ und „zuständige Behörde“ in den §§ 2, 3, 5 RV sowie v. a. der Begriff „zuständiger Kostenträger“ in § 8 Abs. 4 unterstrichen das. Demgemäß sehe auch § 8 Abs. 6 RV das Recht der Kostenträger vor, neben rechnerischen und gebührenordnungsmäßigen eben auch sachliche Korrekturen zu verlangen, was nichts anderes bedeute, als Einwände zur Erstattungspflicht dem Grunde nach, also v. a. betreffend das Sachgewährleistungsverhältnis zwischen Hilfeempfänger und Behörde (§ 4 AsylbLG). Hätte von der aktuellen Zuständigkeit abgesehen werden sollen, hätte es einer ausdrücklichen Regelung bedurft. Daran fehle es, weil dies gegen höherrangiges Recht verstoßen würde. Die Behandlungsscheine lösten auch keinen schützenswerten Rechtsschein aus, weil sie bereits den Hinweis „Der Leistungsumfang richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen …“ enthielten und sie für die anspruchsauslösende Behandlung nicht konstitutiv seien (vgl. § 3 Abs. 2 und 4 RV), der mögliche Rechtsschein zulasten des ausstellenden Träger jedenfalls durch die sachlichen Einwände nach § 8 Abs. 5 RV noch vor Fälligkeit des Erstattungsanspruchs zerstört sei und die Klägerin normativ auch nicht schutzwürdig sei, weil sie sich unproblematisch an den richtigen Kostenträger, nämlich den bekannten Selbstzahler oder die zum Zeitpunkt der Behandlung schon zuständige Krankenkasse, halten könne. Eine „vorläufige“ Zahlungsverpflichtung ergebe sich nicht aus der Rahmenvereinbarung. Nach §§ 69 Abs. 1 Satz 3 und 4, 75 Abs. 6 SGB V bzw. § 61 Satz 2 SGB X sei auf § 259 BGB zurückzugreifen. „Zuständiger Kostenträger“ in § 8 Abs. 4 RV meine den tatsächlich zuständigen Kostenträger, nicht den Aussteller des Behandlungsscheins. Erstattungsansprüche ihrerseits sehe sie nicht. 

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 25.11.2020 angehört. Ein Einverständnis der Beteiligten wird vom Gesetz nicht verlangt. Eine grundsätzliche Bedeutung liegt nicht vor. Es handelt sich um den einzigen Fall. Vergleichbare Fälle bzw. Fälle anderer Kommunen sind bei der für das gesamte Land zuständigen Kammer bisher nicht anhängig geworden. 

Die zulässige Leistungsklage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 273,53 € gegen die Beklagte. Der Klage war stattzugeben.

Der Anspruch der Klägerin beruht auf öffentlichem Vertrag. 

Das Verhältnis zwischen den Beteiligten wird maßgeblich durch die am 08.03.2016 von der Klägerin mit dem Hessischen Städtetag und dem Hessischen Landkreistag abgeschlossenen Rahmenvereinbarung über die über die zahnärztliche Versorgung der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) (im Folgenden: RV) geregelt, dem die Beklagte beigetreten ist. Eine solche Vereinbarung ist grundsätzlich zulässig, da Asylbewerber, die nicht Mitglieder einer Krankenkasse sind, was jedenfalls in den ersten 15 bzw. jetzt 18 Monaten der Fall ist, nicht in die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung einbezogen sind. 

Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG haben in den ersten 15 - seit Änderung des § 2 Abs. 1 AsybLG durch Art. 5 Nr. 3 Zweites Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 15.08.2019, BGBl. I S. 1294 mit Geltung ab 21.08.2019 in den ersten 18 - Monaten ihres Aufenthalts nur einen eingeschränkten Krankenversicherungsschutz für die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände (§ 4 Abs. 1 AsylbLG) (zur Vergütung vgl. SG Düsseldorf, Urt. v. 11.11.2015 - S 2 KA 445/13 - juris Rdnr. 25). Den Sicherstellungsauftrag hierfür hat die - nach Landesrecht (§ 10 AsylbLG) - zuständige Behörde (§ 4 Abs. 3 AsylbLG) (vgl. OVG Niedersachsen, Urt. v. 17.10.2001 - 4 LB 1109/01 - juris Rdnr. 44 ff.). Die Krankenkasse kann gegen Aufwendungsersatz die Krankenbehandlung übernehmen (§ 264 Abs. 1 Satz 1 SGB V) bzw. ist hierzu verpflichtet, wenn sie durch die Landesregierung dazu aufgefordert wird und mit ihr eine entsprechende Vereinbarung mindestens auf Ebene der Landkreise oder kreisfreien Städte geschlossen wird (§ 264 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Auch dann unterliegt die Aufgabenerfüllung nicht dem SGB V, sondern dem AsylbLG (vgl. SG Hamburg, Beschl. v. 12.12.2014 - S 21 KR 1399/14 ER - juris Rdnr. 4). 

Nach 15 bzw. jetzt 18 Monaten besteht für die nach § 2 Abs. 1 AsylbLG Analog-Leistungsberechtigten Krankenversicherungsschutz nach den §§ 27 bis 43c SGB V (§ 48 Satz 1 SGB XII). Nach § 264 Abs. 4 Satz 1 SGB V gelten § 11 Abs. 1 sowie die §§ 61 und 62 SGB V entsprechend, woraus die Geltung auch der §§ 20 bis 26 SGB V gefolgert wird (vgl. die Kommentierungen zu § 264 SGB V). Die Krankenbehandlung wird von der Krankenkasse übernommen (§ 264 Abs. 2 SGB V). Es handelt sich um eine Auftragsverwaltung der Krankenkasse i. S. d. § 93 SGB X (vgl. BSG, Urt. v. 17.06.2008 - B 1 KR 30/07 R - BSGE 101, 42 = SozR 4-2500 § 264 Nr. 1, juris Rdnr. 11 ff. ; BSG, Urt. v. 28.09.2010 - B 1 KR 4/10 R - SozR 4-2500 § 264 Nr. 3, juris Rdnr. 11 ff.; BSG, Urt. v. 18.11.2014 - B 1 KR 12/14 R - SozR 4-2500 § 264 Nr. 6, juris Rdnr. 11 f.; BSG, Urt. v. 08.03.2016 - B 1 KR 26/15 R - SozR 4-2500 § 264 Nr. 7, juris Rdnr. 15 ff.; Baierl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020, § 264 SGB V Rn. 83 ff. und 125; z. T. anders - auftragsähnliches Verhältnis - BSG, Urt. v. 27.05.2014 - B 8 SO 26/12 R - BSGE 116, 71 = SozR 4-2500 § 264 Nr. 5, juris Rdnr. 20 ff.; BSG, Urt. v. 27.05.2014 - B 8 SO 26/12 R - BSGE 116, 71 = SozR 4-2500 § 264 Nr. 5, juris Rdnr. 17 ff.; Söhngen in jurisPK SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 48 SGB XII Rn. 26 ff.), die die Betroffenen wählen (§ 264 Abs. 3 SGB V). Die Betroffenen werden zwar mit unmittelbaren Ansprüchen an die Krankenkasse leistungsrechtlich gleichgestellt, sind aber weiterhin nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund eines eigenen versicherungsrechtlichen Status versichert (vgl. BSG, Urt. v. 17.06.2008 - B 1 KR 30/07 R - BSGE 101, 42 = SozR 4-2500 § 264 Nr. 1, juris Rdnr. 14 ff.; Baierl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020, § 264 SGB V Rn. 83). § 264 Abs. 2 Satz 1 SGB V setzt ausdrücklich voraus, dass eine Krankenversicherung nicht besteht. 

Der Gesetzgeber geht wie selbstverständlich davon aus, dass mit der Übernahme der Krankenbehandlung durch die Krankenkassen der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung erweitert wird, ohne dies ausdrücklich zu thematisieren (vgl. die Gesetzesbegründung zu den durch das GMG in § 264 SGB V eingefügten Abs. 2 bis 7, BT-Drs. 15/1525, S. 140 f.; zur Erweiterung auf § 2 AsylbLG vgl. BT-Drs. 15/1600, S. 14). So regelt § 264 Abs. 6 SGB V die entsprechende Berücksichtigung bei der vertragsärztlichen Gesamtvergütung. Demgegenüber gilt der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung (§ 75 Abs. 1 SGB V) nur für die Versicherten (§§ 2 Abs. 1, 72 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Eine Erweiterung des Sicherstellungsauftrags, wie z. B. für die im Standardtarif privat Versicherten geschehen (§ 75 Abs. 3a Satz 1 SGB V), ist nicht erfolgt. Ansonsten kann der Sicherstellungsauftrag mit Zustimmung der Aufsichtsbehörden auf Aufgaben der ärztlichen Versorgung insb. für andere Träger der Sozialversicherung erweitert werden (§ 75 Abs. 6 SGB V) (vgl. SG Marburg, Urt. v. 29.03.2006 - S 12 KA 638/05 - juris Rdnr. 23 ff.). Es bedarf aber einer Erweiterung des Sicherstellungsauftrags oder aber einer ausdrücklichen rechtlichen Verpflichtung, um die Vertragsärzte zur Behandlung des betroffenen Personenkreises zu verpflichten. Eine solche Verpflichtung kann auch über die Einbeziehung der auftragsweise versorgten Personen durch den Gesamtvertrag (§ 84 Abs. 1 SGB V) erfolgen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.05.2011 - L 7 KA 164/07 - juris Rdnr. 26). Ihre durch Vertragsärzte erfolgende Behandlung wird damit nicht Teil der vertragsärztlichen Versorgung. Auch wenn andere als Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung in den Sicherstellungsauftrag einbezogen werden, werden sie nicht vollständig in das System der vertragsärztlichen Versorgung einbezogen, so dass z. B. die Regelungen zur Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht gelten (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 02.06.2010 - L 7 KA 12/06 - juris Rdnr. 28 ff.; SG Marburg, Urt. v. 29.03.2006   S 12 KA 638/05 - juris Rdnr. 28; anders für sachlich-rechnerische Richtigstellungen nach § 106a SGB V a. F. SG Marburg, Urt. v. 08.12.2010 - S 12 KA 229/09 - juris Rdnr. 38). 

Von daher bedarf es der Rahmenvereinbarung, um den Sicherstellungsauftrag der Beklagten entsprechend zu erweitern.

Nach der Rahmenvereinbarung erstellt die Klägerin entsprechend der Abrechnungseinreichung der Zahnärzte nach deren Prüfung (§ 8 Abs. 3) vierteljährlich bzw. monatlich Rechnungen und sendet diese mit den Abrechnungsunterlagen an den zuständigen Kostenträger (§ 8 Abs. 4 RV). Die Kostenträger sind verpflichtet, den Gesamtbetrag der Abrechnung innerhalb eines Monats nach Eingang der Abrechnungen an die Klägerin zu zahlen (§ 8 Abs. 5 RV). 

Der Zahlungsanspruch der Klägerin setzt damit nur die Rechnungstellung voraus. Hieraus folgt die Zahlungsverpflichtung der Beklagten. Die Beklagte hat kein vorheriges Prüfungsrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht. Sie kann nur eine Berichtigung bei der Klägerin nach § 8 Abs. 6 RV beantragen. Kommt die Klägerin dem nicht nach, steht der Beklagten der Klageweg offen. Insofern besteht die Zahlungsverpflichtung nur vorläufig. Bereits hieraus folgt der Klageanspruch der Klägerin. 

Der Klageanspruch der Klägerin besteht auch nicht nur vorläufig. Ein Rückerstattungsanspruch besteht auch dann nicht, wenn sich die Unzuständigkeit der Beklagten nachträglich herausstellt. 

Soweit eine Zahlungsverpflichtung besteht, kommt es für diesen Rechtsstreit nicht darauf an, ob die Beklagte sich auf ihre fehlende Zuständigkeit berufen kann. 

Allerdings folgt aus der Ausstellung des Zahnbehandlungsscheins, dessen Vorlagepflicht und dessen begrenzte Gültigkeit für ein Kalendervierteljahr nach § 3 RV, dass der Behandlungsanspruch nur bei Vorlage des Zahnbehandlungsscheins besteht. Der Vergütungsanspruch entsteht dann mit der Behandlung. Die Prüfpflicht des Behandlers beschränkt sich auf die Kontrolle des Zahnbehandlungsscheins. Anderes ist ihm auch faktisch verwehrt, da er den eigentlichen ausländerrechtlichen Status des Patienten nicht prüfen darf und kann. Gleiches gilt für die Beklagte als Abrechnungsstelle. Nach der Rahmenvereinbarung bleibt das Risiko der Richtigkeit des Zahnbehandlungsscheins bei der ausstellenden Behörde. Sie kann die Gültigkeitsdauer auch verkürzen. Andernfalls hätte es einer ausdrücklichen Regelung bedurft. Einer ausdrücklichen Definition des zahlungspflichtigen Kostenträgers bedurfte es nicht, da dies die den Zahnbehandlungsschein ausstellende Behörde bzw. deren Rechtsträger ist. Das Abstellen auf den jeweils sachgewährleistungspflichtigen Träger würde eine weitergehende Prüfpflicht des Vertragszahnarztes oder der Beklagten bedeuten, die nicht vereinbart wurde. 

Damit fällt ein Zuständigkeitswechsel grundsätzlich in die Risikosphäre des Kostenträgers, wenn er die Gültigkeitsdauer nicht begrenzt oder der Zuständigkeitswechsel erst verspätet erkannt wird. Erst mit Ablauf des Quartals bzw. der Gültigkeitsdauer des Behandlungsausweises oder der schriftlichen Mitteilung an den behandelnden Arzt darf dieser den Patienten nicht mehr zu Lasten des bisherigen Kostenträgers, hier der Beklagten, behandeln. 

War die Beklagte ohne ihr Wissen nicht mehr zuständig, wird sie nicht zu einer gesetzlich unzulässigen Leistung verpflichtet. 

Bei Vorliegen eines verspätet bemerkten Zuständigkeitswechsels muss der bisherige Kostenträger lediglich vorleisten, ihm bleibt aber ein Erstattungsanspruch gegenüber dem nachfolgenden Kostenträger (§§ 102 ff. SGB X). 

Die §§ 102 bis 114 SGB X über Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander sind entsprechend anzuwenden (§ 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 AsylbLG). Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 vorliegen, ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Nach § 102 Abs. 1 SGB X ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass nach einem Zuständigkeitswechsel keine gesetzliche Verpflichtung mehr besteht. Im Verhältnis zur Klägerin besteht dann die Verpflichtung allein auf vertraglicher Grundlage. Von daher liegen die Voraussetzungen nach § 102 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 AsylbLG nicht vor. Die Beklagte hat dann als unzuständiger Leistungsträger Leistungen nach dem AsylbLG erbracht, so dass ein Erstattungsanspruch gegenüber der Krankenkasse besteht (vgl. z. B. im Verhältnis zur Arbeitslosengeld II-Behörde LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 09.02.2012 - L 9 AS 36/09 - juris Rdnr. 32 ff.; zur Kostenerstattung zwischen Leistungsträgern des AsylbLG untereinander vgl. LSG Hessen, Urt. v. 06.10.2011 - L 9 AY 8/08 - juris Rdnr. 24 ff.). 

Die fehlerhafte Kostenlast ist daher nicht im Verhältnis zu den Zahnärzten oder der klagenden KZV, sondern zwischen den Kostenträgern auszugleichen. Von daher wird nicht grundsätzlich eine andere Tragung der Kostenlast verteilt, sondern handelt es sich um Abrechnungsregeln. Nach Aktenlage bestehen daher bzgl. der Gültigkeit der Verträge keine Bedenken (vgl. in Bezug auf die Vergütung im ärztlichen Bereich SG Marburg, Urt. v. 29.03.2006 - S 12 KA 638/05 - juris Rdnr. 27 ff.).

Nach allem war die Klage daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. 

Gründe zur Zulassung der Berufung liegen nicht vor (§ 144 Abs. 2 SGG). Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung.

Die Streitwertfestsetzung erging durch Beschluss der Kammer. 

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, was vorliegend der Fall ist, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). 

Der Streitwert folgte aus der Klageforderung. 

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Berichtigungsbeschluss

Der Gerichtsbescheid vom 16.12.2020 wird dahingehend geändert, dass auf Seite 2, 4. Absatz im Satz 1 Halbsatz 2 das Wort „Beklagte“ durch das Wort „Klägerin“ und 
auf Seite 10, 2. Absatz, der Satz „Nach allem war die Klage daher abzuweisen“ durch den Satz „Nach allem war der Klage daher stattzugeben“ ersetzt wird. 

Gründe

Offensichtliche Unrichtigkeiten sind jederzeit von Amts wegen zu berichtigen (§ 138 SGG). 

Die offensichtliche Unrichtigkeit auf Seite 2, 4. Absatz im Satz 1 Halbsatz 2 beruht auf einer Vertauschung der Wörter „Beklagte“ und „Klägerin“. Dies folgt bereits aus der Darstellung der Abrechnungskette Vertragszahnarzt – Klägerin – Beklagte, die eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen Vertragszahnarzt und Beklagte ausschließt.
Die offensichtliche Unrichtigkeit auf Seite 10, 2. Absatz folgt aus dem Tenor und dem Einleitungsabsatz zur Begründetheit der Klage in den Entscheidungsgründen (Seite 5, letzter Absatz). Die Beklagte wurde zur Zahlung verurteilt. Deshalb heißt es auf Seite 5: „Der Klage war stattzugeben“.

Rechtskraft
Aus
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