L 6 SB 3793/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SB 366/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3793/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 20. Mai 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind von der Beklagten auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellungen einer Degeneration des Innenmeniskus rechts mit einer Bakerzyste, einer Harninkontinenz und von Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule als Folgen des Arbeitsunfalls vom 29. Januar 2015 sowie wegen sämtlicher Unfallfolgen Leistungen der Heilbehandlung über Juli 2015 hinaus und eine Verletztenrente.

Sie wurde 1980 geboren, ist türkische Staatsangehörige, ausgebildete Dipl.-Dolmetscherin für Türkisch und Spanisch und arbeitete seit Juli 2010 in Vollzeit bei der G. GmbH in K., einer Anbieterin von Onlinespielen. 2015 trennte sie sich von ihrem ersten Ehemann, von dem sie im Frühjahr 2016 geschieden wurde. Im November 2018 heiratete sie erneut. Von Dr. N. Fachärztin für Innere Medizin, ließ sich die Klägerin im Juli 2013 wegen einer psychischen Dekompensation (ICD-10 F43.9) behandeln.

Nachdem sie am 29. Januar 2015 zwischen 18 und 18:30 Uhr ihre berufliche Tätigkeit beendet hatte, verließ sie zu Fuß das Betriebsgelände und überquerte eine Anliegerfahrbahn vom nordwestlichen Fahrbahnrand kommend schräg in Richtung der Straßenbahnhaltestelle „S. Straße“ in K. Hierbei wurde sie vom rechten Kühlergrill des auf der Hauptverkehrsstraße, auf der eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h geregelt ist, in nordöstliche Richtung von R. gelenkten Audi A3, einem Personenkraftwagen (Pkw), erfasst. An diesem wurde polizeilich eine Wischspur am rechten Kühlergrill und eine leichte Textilspur an seiner Einfassung, aber kein Schaden festgestellt. Die vorhandene Straßenbeleuchtung strahlte die Fahrbahn und den Bereich der Haltestelle gut aus. Zum Unfallzeitpunkt war die Fahrbahn regennass, es nieselte. Bauliche oder witterungsbedingte Sichtbehinderungen bestanden nicht. Brems- oder Blockierspuren wurden nicht festgestellt. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe verfügte im März 2015, von der Erhebung einer öffentlichen Klage gemäß § 153a Abs. 1 Strafprozessordnung <StPO> abzusehen, wenn R. als Auflage 300 € an einen Förderverein zahle. Als dies erfolgte, wurde das Verfahren im April 2015 endgültig eingestellt.

Die Klägerin war unmittelbar nach dem Unfall mit dem Rettungswagen in die K.-Klinik K. verbracht worden, wo Dr. B., Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie, eine Knieprellung beidseits (ICD-10 S80.0) diagnostizierte. Sie sei wach und orientiert gewesen. Eine etwa 3 bis 4 cm große Schürfwunde präpatellar rechts sei erkannt worden. Ansonsten seien beide Knie unauffällig und frei beweglich gewesen. Insoweit sei keine Prellmarke gesehen worden. Die röntgenologische Untersuchung habe keine Zeichen einer frischen Knochenverletzung erbracht. Die Sonographie des Abdomens habe keinen Hinweis auf eine innere Organverletzung ergeben. Am Folgetag suchte die Klägerin Prof. Dr. S. Sektionsleiter der Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des U.-Klinikums H., auf, der eine Distorsion der Halswirbelsäule sowie Prellungen der Knie beidseits und des Thoraxes diagnostizierte. Am rechten Knie hätten sich eine oberflächliche Hautschürfwunde und eine leichte Schwellung gezeigt. Zudem habe sich ein Hämatom gebildet. Die röntgenologische Untersuchung der Halswirbelsäule habe keinen Hinweis auf eine Fraktur ergeben.

Dr. L., Chirurgische Klinik des U.-Klinikums H., erwähnte über die ambulante Untersuchung der Klägerin am 30. Januar 2015, sie habe sich an den Unfallhergang erinnern können. Eine retrograde Amnesie habe nicht bestanden. Sie habe aktuell Kopfschmerzen gehabt und einmal erbrochen. Schmerzen bestünden in beiden Schultern, welche am Vortag noch nicht aufgetreten seien. Zudem habe sie eine leichte Dyspnoe angeführt. Schmerzen hätten auch in beiden Knien bestanden. Bei der klinischen Untersuchung sei die Halswirbelsäule frei beweglich gewesen, lediglich Klopfschmerzen seien angeführt worden. Die Schultern seien ebenfalls frei beweglich gewesen. Am rechten Knie hätten sich eine oberflächliche Hautschürfwunde und eine leichte Schwellung gezeigt. Ein Hämatom habe sich gebildet.

Dr. W., Facharzt für Diagnostische Radiologie, führte nach der Magnetresonanztomographie des linken Kniegelenkes am 12. Februar 2015 aus, passend zu einem direkten Anpralltrauma an das gebeugte Gelenk von medial her habe eine subchondrale Frakturlinie anteromedial am medialen Femurkondylus mit einem Knochenmarködem und einem begleitenden Gelenkerguss sowie einem darüber liegenden flauen und subkutanen Hämatom imponiert. In der Gelenkfläche sei keine Stufe erkannt worden. Sonstige Kniebinnenverletzungen hätten nicht vorgelegen. Dr. B., Fachärztin für Radiologie, berichtete nach der Computertomographie des linken Kniegelenkes am 26. Februar 2015, entsprechend dem kernspintomographischen Befund habe sich in der ventralen Belastungszone des medialen Femurkondylus und parallel zur Gelenkoberfläche verlaufend eine umschriebene bogige Sklerosierungslinie gezeigt, entsprechend der beschriebenen Fissur mit einer beginnenden knöchernen Durchbauung. Ansonsten seien die knöchernen Strukturen unauffällig gewesen. Eine Stufenbildung oder Dislokation im Gelenk seien nicht erkannt worden.

Am 24. März 2015 stellte sich die Klägerin bei Dr. K., Chefarzt des Rehazentrums der Berufsgenossenschaftlichen (BG)-Unfallklinik L., zu einer psychologischen Untersuchung sowie der Durchführung einer Magnetresonanztomographie der Halswirbelsäule und der linken Schulter vor. Im Bereich der Halswirbelsäule habe ein ausgeprägter Bandscheibenvorfall im Segment C6/7 mit einer beginnenden Myelopathie vorgelegen. Der Verdacht auf eine Irritation des Myelon sei geäußert worden. Die Befunde seien unfallunabhängig. In der linken Schulter sei eine narbig verheilte Teilruptur des Subscapularissehne zu sehen gewesen. Bei derzeit freier Beweglichkeit habe keine Indikation für eine operative Therapie bestanden. Die Vorstellung bei dem Urologen Dr. H. habe keinen Zusammenhang der angegebenen Miktionsstörung mit dem Unfallereignis ergeben. Die Gesundheitsstörung sei vielmehr als psychosomatisch eingestuft worden.

Dr. K. führte am 16. April 2015 erneut eine Magnetresonanztomographie des linken Kniegelenks durch. Zum Vergleich hätten auswärtige Voraufnahmen vom 12. Februar 2015 vorgelegen. Das damals nachgewiesene Knochenmarködem im Bereich des medialen Femurkondylus habe sich fast vollständig zurückgebildet.

Dr. S., Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie, sah nach seiner im Auftrag der Beklagten erstellten beratungsärztlichen Stellungnahme von März 2015 keine Indikation für eine komplexe stationäre Rehabilitation. Die Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule mit einem Bandscheibenvorfall seien nicht unfallbedingt. An der linken Schulter seien keine substantiellen Traumafolgen im Magnetresonanztomogramm beschrieben worden.

Dr. M., Leitender Arzt der Abteilung für Schmerzmedizin der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie der BG-Unfallklinik L., berichtete die Klägerin bei der ambulanten Untersuchung am 10. März 2015, sie sei bei dem Unfall auf die linke Körperseite geschleudert worden.

Dr. von L., Facharzt für Chirurgie, berichtete nach der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 2. Februar 2015, er habe eine Kniedistorsion mit einem Bone bruise und medialen Knochenödem festgestellt. Nach der Magnetresonanztomographie habe der Verdacht auf eine Fissur ohne eine Impression der Gelenkflächen bestanden.

Dr. K. stellte nach dem stationären Aufenthalt der Klägerin in der BG-Unfallklinik L. vom 30. April bis 11. Juni 2015 den Zustand nach dem Verkehrsunfall am 29. Januar 2015 mit einer beidseitigen Knieprellung mit rückläufigem Bone bruise im Bereich des medialen Femurkondylus im linken Kniegelenk, differentialdiagnostisch eine Impressionsfraktur, fest. Zudem habe eine Prellung der linken Schulter mit dem Verdacht auf eine Teilruptur der Subscapularissehne vorgelegen. Ferner sei eine Anpassungsstörung mit einer spezifischen Phobie in Bezug auf die Straße mit einer subsyndromalen posttraumatischen Belastungsstörung erhoben worden. Bei der klinischen Untersuchung habe sich ein deutlich linkshinkendes, jedoch freies Gangbild gezeigt. Die Kniegelenke seien beidseits frei beweglich gewesen. Ein Erguss, ein Meniskuszeichen oder eine Instabilität seien nicht objektiviert worden.

Dr. F., Arzt für Neurologie, berichtete über die zwischenzeitliche ambulante Untersuchung der Klägerin am 13. Mai 2015, er habe als vorläufige Diagnose eine Anpassungsstörung mit einer mittelschweren depressiven Reaktion gestellt. Differentialdiagnostisch habe eine subsyndromale posttraumatische Belastungsstörung vorgelegen. Ein Anhalt für eine zervikal-radikuläre Läsion oder eine solche langer Bahnen habe sich nicht ergeben. Die Klägerin habe erwähnt, von einem Pkw angefahren und hierbei weggeschleudert worden zu sein. Bewusstlos sei sie nicht gewesen, könne sich aber an die unmittelbare Zeit nach dem Unfall nicht erinnern. Sie habe erst wieder Gedanken, als sie am Boden gelegen sei und starke Knieschmerzen gehabt habe. Seit dem Ereignis leide sie unter Durchschlafstörungen mit Albträumen. Sie stelle sich vor, auf einem Felsen zu stehen und habe Angst abzustürzen. Sie bewältige aufgrund ihrer Schmerzen den Alltag nicht mehr, was auch die Partnerschaft belaste, obwohl sie erst frisch verheiratet sei. Wenn ein Auto auf sie zukomme, bemerke sie Herzrasen und eine Angst. Eigentliche Flashbacks an den Unfall habe sie nicht.

Prof. Dr. G. berichtete über die ambulante Untersuchung der Klägerin am 2. Juni 2015, sie sei heute im Rahmen einer berufsgenossenschaftlichen stationären Weiterbehandlung im Fitnessraum auf das linke Knie gestürzt. Daraufhin sei es ihr kurz schwindelig geworden. Sie habe freigehend den Untersuchungsraum betreten. Im Bereich des linken Kniegelenkes habe sich weder ein Hämatom noch eine Schwellung oder Rötung ergeben. Es sei wie auf der Gegenseite regelrecht und mit 5-0-120° beweglich gewesen.

Dr. T., Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, berichtete der Beklagten im Juli 2015, insgesamt habe sich weder klinisch noch elektrophysiologisch ein Hinweis auf eine periphere Nervenaffektion als Ursache der angegebenen Beschwerden gefunden.

Dr. F., Oberarzt, Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der BG-Unfallklinik L., führte am 21. Juli 2015 unter anderem eine Magnetresonanztomographie des rechten Kniegelenkes durch. Eindeutige Unfallfolgen seien nicht mehr feststellbar gewesen. Es habe eine mäßige degenerative Veränderung im Bereich des Innenmeniskus mit einer Bakerzyste bestanden. Nach der klinischen Untersuchung handele es sich jedoch eher um ein Patellaspitzensyndrom. Die übermäßige Schmerzwahrnehmung sei gegebenenfalls auch auf die psychische Begleitreaktion zurückzuführen.

Mit Bescheid vom 5. August 2015 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des „Versicherungsfalls vom 29. Januar 2015“ ab. Ein Anspruch auf Leistungen der Heilbehandlung und eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bestehe bis 31. Juli 2015. Die da-rüber hinausgehenden Beschwerden gingen nicht mehr zu ihren Lasten. Als Folgen des Versicherungsfalls wurden eine ausgeheilte Knieprellung beidseits mit einem rückläufigen Bone bruise, also einer Knochenprellung, und einer ausgeheilten Fissur links, eine folgenlos ausgeheilte Prellung der linken Schulter sowie eine vorübergegangene Anpassungsstörung anerkannt. Zudem wurde festgestellt, dass die Folgen des Bandscheibenvorfalls im Segment C6/7, die Degeneration des Innenmeniskus rechts mit einer Bakerzyste und ein subjektiv empfundener vermehrter Harndrang keine Unfallfolgen sind. Am 29. Januar 2015 sei die Klägerin auf dem Weg von der Arbeit als Fußgängerin von einem Pkw erfasst worden und gestürzt. Die Untersuchung am Unfalltag habe keine strukturellen Schäden ergeben. Die kernspintomographischen Untersuchungen der Halswirbelsäule und der linken Schulter hätten neben unfallunabhängigen Veränderungen keine traumatisch bedingten Schäden erbracht. Eine Computer- und Kernspintomographie des linken Kniegelenkes habe eine in Durchbauung begriffene Fissur, einen so genannten „Haarriss“, belegt. Bei der Magnetresonanztomographie des rechten Kniegelenkes im Juli 2015 sei noch der Restbefund eines Bone bruise bei unfallunabhängigen Veränderungen des Innenmeniskus festgestellt worden. Aufgrund dieses Befundes könne keine unmittelbare Aussage zur Beschwerdestärke getroffen werden. Bei einem rückläufigen radiologischen Restbefund erklärten sich keine anhaltenden Knieschmerzen. Für die erst Monate nach dem Unfallereignis geäußerten Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule bestehe wegen des unfallunabhängigen Bandscheibenvorfalls kein unfallbedingtes Korrelat. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.

Die Dipl.-Psychologin R. Abteilung für Psychologie der BG-Unfallklinik L., berichtete über die ambulanten Behandlungen zwischen 16. Juni und 12. August 2015, auf psychologischem Gebiet sei schließlich keine Diagnose mehr zu stellen gewesen. Die Anpassungsstörung mit Angst und depressiven Symptomen sei genauso abgeklungen wie die spezifische Phobie (ICD-10 F43.2 und F40.2). Nach der Wiedereingliederung im Juli 2015 sei die Klägerin bereits wieder arbeitsfähig. Sie habe lediglich noch die Fahrten zur Arbeitsstelle als anstrengend geschildert.

Dr. K., Funktionsoberärztin, Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der BG-Unfallklinik L., erwähnte die Anamnese am 28. August 2015, wonach die Beschwerden am linken Kniegelenk fast vollständig weg seien. Lediglich das rechte Kniegelenk bereite noch erhebliche Schmerzen.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2015 zurück, der den Bevollmächtigten der Klägerin am 14. Dezember 2015 zugestellt wurde.

Hiergegen hat die Klägerin, als sie noch in Brühl im Rhein-Neckar-Kreis gewohnt hat, am 14. Januar 2016 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Aus dem Verfahren 6 O 303/15 beim Landgericht Karlsruhe, in dem sie Schadensersatz und Schmerzensgeld von R. begehrt hat, sind die Gutachten von Prof. Dr. F., Direktor der Urologischen Klinik des K.-Klinikums, und Dr. J., Oberarzt, Orthopädische Klinik der V.-Klinik in K., vorgelegt worden.

Prof. Dr. F. hat nach den stationären Untersuchungen am 5. und 6. Oktober 2016 sowie 20. Januar 2017 ausgeführt, eine Harninkontinenz habe nicht objektiviert werden können. Ein Östrogenmangel könne die Ursache der subjektiv empfundenen Drangsymptomatik sein. Eine objektivierbare, gar neurogen begründete Blasenfunktionsstörung sei nicht nachzuweisen gewesen. Die aktuelle kernspintomographische Untersuchung der kompletten Wirbelsäule habe zwar Bandscheibenvorwölbungen gezeigt, allerdings ohne Beeinträchtigung der Nervenstrukturen. Somit bestehe aus urologischer Sicht keine organische Ursache der geschilderten Miktionssymptomatik. Erhoben worden sei eine funktionell kleinkapazitäre Harnblase. Die urologische Vorstellung bei Dr. H. Mitte März 2015 habe ebenfalls keinen urologischen Zusammenhang mit der von der Klägerin angegeben Miktionsstörung ergeben. Einen Monat später sei von den Dres. R. und K. eine urologische körperliche Untersuchung, eine Sonographie und eine Laborkontrolle vorgenommen worden, ebenfalls mit einem unauffälligen urologischen Befund. Zur Behandlung der Miktionsbeschwerden sei bei der Klägerin eine Therapie mit Spasmex eingeleitet worden. Nach der Einnahme eines Packungsinhaltes sei es nach ihren Angaben zu keiner Besserung der Beschwerden gekommen. Während einer Reise ins Ausland sei ihr von ausländischen Ärzten Detrusitol verschrieben worden. Die Therapie habe wegen Nebenwirkungen abgebrochen werden müssen. Die Harninkontinenz mit gelegentlichem Urinverlust sei nach den Angaben der Klägerin nie besser geworden. Seit etwa August 2015 werde keine Behandlungsform mehr angesetzt.

Dr. J. hat nach der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 12. Juni 2017 kundgetan, unfallbedingt habe sie sich eine Kontusion des linken Kniegelenkes zugezogen. Hierdurch sei es zu einer Knochenstauchung, also einem Bone bruise, beziehungsweise einem Knochenmarködem gekommen. Solche bildeten sich erfahrungsgemäß langsam, aber innerhalb eines Zeitraumes von sechs bis acht Wochen kontinuierlich zurück. Am 16. April 2015 sei dieser Zustand fast vollständig eingetreten gewesen. Parallel zur kontinuierlichen Rückbildung des Knochenmarködems hätten auch die Beschwerden nachgelassen. Im Rahmen der verzögert durchgeführten kernspintomographischen Untersuchungen hätten sich schließlich keine Unfallfolgen mehr nachweisen lassen. Die Degeneration des Innenmeniskushinterhornes rechts und die Kniekehlenzyste seien zweifelsfrei unfallunabhängig.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Dr. K., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, ein Gutachten erstattet. Nach ihrer ambulanten Untersuchung am 20. März 2018 hat er festgehalten, sie habe das Untersuchungszimmer mit Konfektionsschuhe und ohne Gehhilfen sowie in einem flüssigen Gangbild betreten. Ein Hinken sei nicht aufgefallen. An beiden Kniegelenken zeigten sich unauffällige Kniegelenkskonturen sowie weder eine Überwärmung noch eine Rötung, eine Weichteilschwellung oder ein intraartikulärer Erguss. Die Streckung und Beugung der Kniegelenke sei beidseits bis 0-0-150° gelungen. Hinweise auf eine Bandinstabilität hätten sich nicht ergeben. Es sei überwiegend wahrscheinlich, dass es durch den Unfall am 29. Januar 2015 zu einer Verletzung der Subscapularissehne im Bereich der linken Schulter gekommen sei. Wegen des Unfallmechanismus sei denkbar, dass es beim Aufprall zu einer Außendrehung gekommen und hierdurch die Verletzung entstanden sei. Hierfür spreche auch das Ergebnis der von ihm aktuell durchgeführten Kernspintomographie. Weiter sei es zu einer Prellung des Brustkorbes links gekommen. Der Unfallmechanismus verdeutliche diesen Zusammenhang. Nicht wahrscheinlich sei demgegenüber, dass es durch das Ereignis zu dem Bandscheibenvorfall im Segment C6/7 gekommen sei. Es hätten bereits vor dem Unfall Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule bestanden. Der Bandscheibenvorfall sei bei der Kernspintomographie am 24. März 2015 erkannt worden. Hinweise auf eine Bandverletzung, eine traumatische Schädigung einer Bandscheibe oder eine frische Fraktur hätten sich nicht ergeben. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 0 v. H. seit 1. August 2015. Eine Behandlungsbedürftigkeit der Unfallfolgen habe über den 31. Juli 2015 hinaus nicht bestanden.

Das SG hat von Amts wegen Dr. G. Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 13. Februar 2019 hat er eine leichtgradige ängstlich-depressive Verarbeitungsstörung (ICD-10 F43.8) diagnostiziert. Unmittelbar nach dem Unfallereignis habe eine spezifische Phobie im Hinblick auf die Teilnahme am Straßenverkehr vorgelegen (ICD-10 F40.2). Mittels der durchgeführten, niedrig frequentierten psychotherapeutischen Behandlung sei diese Krankheit vollständig remittiert worden. Das noch vorliegende leichtgradige psychische Störungsbild sei nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen. Die MdE betrage 0 v. H. seit 1. August 2015. Eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit habe über Juli 2015 hinaus nicht bestanden.

Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20. Mai 2019 abgewiesen. Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen, die Bewilligung von Leistungen der Heilbehandlung über Juli 2015 hinaus oder die Gewährung einer Verletztenrente. Sämtliche unfallbedingten Gesundheitsstörungen seien Mitte 2015 ausgeheilt gewesen.

Gegen die den Bevollmächtigten der Klägerin am 23. Mai 2019 zugestellte Entscheidung hat diese am Montag, 24. Juni 2019 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, das SG sei seiner Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nicht nachgekommen. Nicht beachtet worden sei, dass bei ihr eine Arthrose vierten Grades festgestellt worden sei. Zum Zeitpunkt des Unfallereignisses habe sie in beiden Knien keinerlei Schmerzen gehabt. Nicht ausreichend sei zudem, dass zeitnah zum Unfall lediglich Röntgenaufnahmen gefertigt worden seien. Dr. G. habe dargelegt, dass die Schwelle für Negativempfindungen individuell und etwa von der Vorgeschichte eines Individuums geprägt sei. Daher lasse sich nicht ausschließen, dass der Verkehrsunfall ein massives Eingangstrauma dargestellt habe. Dieser Sachverständige habe zudem nicht hinreichend beachtet, dass das kniende Beten im Hinblick auf die Religionsfreiheit als wesentliches Grund- und Menschenrecht äußerst beachtlich und bei einer Diagnose verstärkt zu berücksichtigen sei. Der orthopädische Sachverständige habe geäußert, ein Knochenmarködem heile erfahrungsgemäß innerhalb von sechs bis acht Wochen aus. Bei ihr sei es jedoch am 16. April 2015 und damit zehn Wochen später immer noch zu sehen gewesen. Sie habe weiterhin erhebliche Probleme und Einschränkungen durch die Harninkontinenz. Demgegenüber habe sie exzellente Östrogen- und Hormonwerte, was Prof. Dr. F. in Abrede gestellt habe. Sämtliche Krankheitsbilder seien bis aktuell nicht ausgeheilt, insbesondere die streitgegenständliche Fissur. Ein radiologisches Sachverständigengutachten sei insoweit nicht eingeholt worden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 20. Mai 2019 aufzuheben, den Bescheid vom 5. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2015 teilweise aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, die Degeneration des Innenmeniskus rechts mit einer Bakerzyste, die Harninkontinenz und die Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule als Folgen des Arbeitsunfalls vom 29. Januar 2015 festzustellen und ihr Leistungen der Heilbehandlung über den 31. Juli 2015 hinaus zu bewilligen sowie sie zu verurteilen, ihr wegen sämtlicher Unfallfolgen eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 vom Hundert zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor, ihre Begehren seien nicht begründet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakte der Beklagten (4 Bände) verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist am Montag, 24. Juni 2019, form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 i. V. m. § 64 Abs. 3 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.

Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 5. April 2019, mit dem die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs. 1 Satz 1, § 56 SGG) sowie kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, § 56 SGG) erhobene Klage, mit welcher die Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 5. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2015 (§ 95 SGG), die Verpflichtung der Beklagten zu den behördlichen Feststellungen einer Degeneration des Innenmeniskus rechts mit einer Bakerzyste, einer Harninkontinenz und von Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule als Folgen des Arbeitsunfalls vom 29. Januar 2015 und zur Bewilligung von Leistungen der Heilbehandlung über Juli 2015 hinaus sowie ihre Verurteilung zur Gewährung einer Verletztenrente verfolgte, abgewiesen wurde. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bezogen auf die Klagearten der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 32), welche am 24. Oktober 2019 stattfand.

Der Rechtsstreit war entscheidungsreif. Die vorliegenden Gutachten der Sachverständigen Dr. K. und Dr. G. einerseits sowie Prof. Dr. F. und Dr. J. gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 411a Zivilprozessordnung <ZPO> andererseits bildeten eine hinreichende Grundlage für den Senat, den Streitstoff rechtlich zu beurteilen. Weitere Ermittlungen von Amts wegen (§ 103 Satz 1 SGG) waren nicht geboten, insbesondere musste wegen der von Dr. W. bereits Mitte Februar 2015 erkannten Fissur mit einer bereits beginnenden knöchernen Durchbauung kein radiologisches Sachverständigengutachten eingeholt werden. Als Fachärzte für Orthopädie konnten sowohl Dr. J. als auch Dr. K. eine fachkundige Einschätzung zu diesem Gesundheitsschaden und den damit zusammenhängenden Funktionsstörungen abgeben. Darüber hinaus sind neben den röntgenologischen Untersuchungen des rechten Kniegelenkes und der Halswirbelsäule am Abend des Unfalls und am Tag danach bereits im Folgemonat eine kernspin- und computertomographische Untersuchung des linken Kniegelenkes erfolgt. Bei den Magnetresonanztomographien zwischen März und Juli 2015 wurden Aufnahmeserien der Halswirbelsäule sowie des linken Schultergelenkes und beider Kniegelenke erstellt.

Die Berufung ist mangels Begründetheit der zulässigen Klage nicht begründet. Die Klägerin hat weder Anspruch auf die begehrten behördlichen Feststellungen noch die Bewilligung von Leistungen der Heilbehandlung über Juli 2015 hinaus oder die Gewährung einer Rente. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Das SG war örtlich zuständig (§ 57 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 SGG i. V. m. § 1 AGSGG), da die Klägerin zur Zeit der Klageerhebung im Rhein-Neckar-Kreis wohnte. Die Beurteilung dieser Sachurteilsvoraussetzung ist aber ohnehin der Prüfungskompetenz des Senats entzogen (§ 98 Satz 1 SGG i. V. m. § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG), was der Verfahrensbeschleunigung dient (vgl. Zimmermann, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2017 § 17a GVG, Rz. 1).

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellungen einer Degeneration des Innenmeniskus rechts mit einer Bakerzyste, einer Harninkontinenz und von Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule als Folgen des streitgegenständlichen Versicherungsfalls.

Rechtsgrundlage für diesen geltend gemachten Verpflichtungsanspruch und Ermächtigungsgrundlage zum Erlass des jeweils entsprechenden feststellenden Verwaltungsaktes für die Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung ist § 102 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII; vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, BSGE 108, 274 <277>). Der Anspruch besteht, wenn ein Gesundheitsschaden durch das Unfallereignis oder einen Gesundheitserstschaden dieses Versicherungsfalls (unmittelbare Unfallfolge) oder infolge der Erfüllung eines Tatbestandes des § 11 SGB VII als mittelbare Unfallfolge rechtlich wesentlich verursacht worden ist.

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts als Tatsacheninstanz bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, welche den Gesundheitserstschaden oder den Gesundheitsfolgenschaden der haftungsausfüllenden Kausalität bei unmittelbaren Unfallfolgen oder die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 11 SGB VII erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 2. April 2009 - B 2 U 29/07 R -, juris, Rz. 16 und vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 43, Rz. 17).

Die Zurechnung als unmittelbare Unfallfolge setzt voraus, dass die versicherte Einwirkung aufgrund eines sicher feststehenden Unfallereignisses den Gesundheitsschaden objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (vgl. dazu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 38 mit 31 ff.).

Voraussetzung für die Zurechnung ist daher zunächst, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit den Schaden, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-) Ursachen, objektiv (mit-)verursacht hat. Für Einbußen der Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine (Wirk-)Ursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und haben die Trägerinnen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht einzustehen. (Wirk-)Ursache sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die in Frage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt der Zurechnung die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele („conditio sine qua non“). Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die im Sinne der „Conditio-Formel“ eine erforderliche Bedingung des Erfolges war, darüber hinaus in seiner besonderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss (Wirk-)Ursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein.

Ob die versicherte Verrichtung eine (Wirk-)Ursache für die festgestellte Einwirkung und die Einwirkung eine (Wirk-)Ursache für den Gesundheitserstschaden (oder den Tod) war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht („ex post“) nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen, gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten, beantwortet werden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 61 ff.).

Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln von Verletzten, das objektiv seiner Art nach von Dritten beobachtbar und subjektiv, also jedenfalls in laienhafter Sicht, zumindest auch auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Als objektives Handeln der Verletzten kann es erste Ursache einer objektiven Verursachungskette sein. Diese kann über die Einwirkung auf den Körper, über Gesundheitserstschäden oder den Tod hinaus bis zu unmittelbaren oder im Sinne von § 11 SGB VII, der für die zweite Prüfungsstufe andere Zurechnungsgründe als die Wesentlichkeit regelt, mittelbaren Unfallfolgen sowie etwa auch zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zu den Bedarfen reichen, derentwegen das SGB VII Leistungsrechte vorsieht (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 31).

Erst wenn die Verrichtung, die möglicherweise dadurch verursachte Einwirkung und der gegebenenfalls dadurch verursachte Gesundheitsschaden festgestellt sind, kann und darf auf der ersten Prüfungsstufe der Zurechnung, also der objektiven Verursachung, über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung zwischen der Verrichtung und der Einwirkung mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und gegebenenfalls mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-)Ursachen, eine (Wirk-)Ursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper von Versicherten war (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 32).

Zweitens muss der letztlich durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 33).

Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage, ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich, also wesentlich, war. Denn die unfallversicherungsrechtliche Wesentlichkeit der (Wirk-)Ursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzweckes der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 34). Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstatbestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 16/11 R -, SozR 4-2700 § 2 Nr. 21, Rz. 21 ff.). Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als wesentliche Ursache (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 37).

Diese Voraussetzungen müssen für jede einzelne Gesundheitsstörung erfüllt sein. Eine solche ist jeder abgrenzbare Gesundheitsschaden, der unmittelbar durch eine versicherte Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht worden ist, die durch ein- und dieselbe versicherte Verrichtung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde. Es handelt sich also um die ersten voneinander medizinisch abgrenzbaren Gesundheitsschäden, die infolge ein- und derselben versicherten Verrichtung eintreten (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 39).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die solche Gesundheitsschäden erfüllen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen der versicherten Einwirkung und einem Gesundheitserstschaden sowie zwischen einem Gesundheitserst- und einem Gesundheitsfolgeschaden der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 2. April 2009 - B 2 U 29/07 R -, juris, Rz. 16 und vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, juris, Rz. 17).

Die Gesundheitsstörung muss darüber hinaus nicht nur sicher feststehen. Sie muss auch durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme (z. B. ICD-10, DSM IV) unter Verwendung der dortigen Schlüssel exakt bezeichnet werden können (vgl. BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R -, juris, Rz. 18).

Nach diesen Voraussetzungen und Maßstäben hat die Klägerin keinen Anspruch auf die behördlichen Feststellungen einer Degeneration des Innenmeniskus rechts mit einer Bakerzyste, einer Inkontinenz und von Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule als Folgen des nach Auslegung mit Bescheid vom 5. August 2015 bindend (§ 77 SGG) anerkannten Arbeitsunfalls vom 29. Januar 2015.

Bei den nicht näher bezeichneten Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäue handelt es sich bereits um keine Gesundheitsstörung, die durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme unter Verwendung der dortigen Schlüssel exakt bezeichnet werden kann (vgl. Urteil des Senats vom 28. Juli 2016 - L 6 U 1013/15 -, juris, Rz. 74). Die Degeneration des Innenmeniskus rechts mit einer Bakerzyste ist nach den schlüssigen Erhebungen von Dr. F. im Juli 2015 unter anderem mittels einer Magnetresonanztomographie des rechten Kniegelenkes nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den streitgegenständlichen Versicherungsfall zurückzuführen. Eindeutige Unfallfolgen waren danach nicht mehr feststellbar. Die mäßige degenerative Veränderung im Bereich des Innenmeniskus mit einer Bakerzyste ordnete er als Zeichen einer anlagebedingten vorzeiten Alterung dieses Körpergewebes. Diese Einschätzung teilte auch Dr. J..

Eine Harninkontinenz steht bereits nicht im Vollbeweis fest. Prof. Dr. F. führte überzeugend aus, dass sich diese Gesundheitsstörung bei der Klägerin nicht objektivieren ließ. Erhoben wurde zwar eine funktionell kleinkapazitäre Harnblase. Eine objektivierbare, gar neurogen begründete Blasenfunktionsstörung war indes nicht nachzuweisen. Seine aktuelle kernspintomographische Untersuchung der kompletten Wirbelsäule zeigte zwar Bandscheibenvorwölbungen, allerdings ohne Beeinträchtigung der Nervenstrukturen. Somit besteht aus urologischer Sicht keine organische Ursache der geschilderten Miktionssymptomatik. Die urologische Vorstellung bei Dr. H. Mitte März 2015 hatte ebenfalls keinen urologischen Zusammenhang mit der von der Klägerin angegeben Miktionsstörung ergeben. Einen Monat später wurden von den Dres. R. und K. eine urologische körperliche Untersuchung, eine Sonographie und eine Laborkontrolle vorgenommen, wiederum mit einem unauffälligen urologischen Befund. Für die Entscheidung des Senats unerheblich ist demgegenüber, ob ein Östrogenmangel die Ursache der subjektiv empfundenen Drangsymptomatik ist.

Die Klägerin hat zudem keinen Anspruch auf Leistungen der Heilbehandlung über Juli 2015 hinaus, was die Beklagte mit Bescheid vom 5. August 2015 nach Auslegung regelte.

Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch <SGB IX> Anspruch auf Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, auf ergänzende Leistungen, auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit sowie auf Geldleistungen. Gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII hat die Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig ergänzende Leistungen zur Heilbehandlung und zu den Leistungen zur Teilhabe zu erbringen. Zum Umfang der Heilbehandlung zählt unter anderem nach § 27 Abs. 1 Nr. 2, § 28 SGB VII die ärztliche Behandlung. Leistungen der Heilbehandlung müssen infolge des Eintritts des Versicherungsfalls (§§ 7 ff. SGB VII) erforderlich werden. Dies ergibt sich schon aus der Überschrift des Dritten Kapitels des Siebten Buches Sozialgesetzbuch, in dem § 27 SGB VII enthalten ist. Voraussetzung ist somit, dass die versicherte Einwirkung einen Gesundheitsschaden objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat, weswegen eine Heilbehandlung erforderlich wurde.

Der Klägerin befand sich am 29. Januar 2015 zwischen 18 und 18:30 Uhr, als sie ihre versicherte abhängige Beschäftigung als Dipl.-Übersetzerin (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) beendet hatte, auf dem unmittelbaren Weg zu ihrem Wohnort. Beim Zurücklegen dieses versicherten Weges zu Fuß (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) wurde sie beim Überqueren der Fahrbahn zu einer Straßenbahnhaltestelle von einem Pkw erfasst, der etwa 30 km/h fuhr. Aufgrund des Durchgangsarztberichtes von Dr. B., der eine Knieprellung beidseits (ICD-10-GM-2019 S80.0) diagnostizierte, und der polizeilichen Unfallaufnahme steht für den Senat weiter fest, dass sie in Höhe der Kniegelenke von der Stoßstange des Pkw leicht erfasst wurde und über den rechten Kühlergrill auf den Boden fiel. Denn an diesem wurden eine Wischspur aufgrund des eingesetzten Nieselregens und eine leichte Textilspur an seiner Einfassung festgestellt. Ein Schaden am Pkw entstand nicht. Die Verletzung beider Knie ergibt sich ferner aus der feststellten rechtsseitigen Hautabschürfung und dem erkannten Hämatom.

Damit bestand mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine versicherte Einwirkung auf beide Kniegelenke. Hierdurch kam es zu einer Knochenstauchung und einem -ödem links, welche nach Juli 2015 keiner Heilbehandlung mehr bedurften, wie Dr. J. überzeugend aufzeigte. Diese Gesundheitsstörungen bilden sich indes erfahrungsgemäß zwar langsam, aber innerhalb eines Zeitraumes von sechs bis acht Wochen kontinuierlich zurück. Bei der Klägerin war der Zustand am 16. April 2015, also weniger als elf Wochen und damit nur kurze Zeit später, fast vollständig eingetreten, wie Dr. K. erhob. Parallel zur kontinuierlichen Rückbildung des Knochenmarködems ließen auch die Beschwerden nach. Gegenüber Dr. K. gab die Klägerin Ende August 2015 an, dass sie am linken Kniegelenk sogar fast vollständig weg sind. Im Rahmen der verzögert durchgeführten kernspintomographischen Untersuchungen ließen sich schließlich keine Unfallfolgen mehr nachweisen. Die von der Klägerin zuletzt angeführte Arthrose vierten Grades, also ein Gelenkverschleiß, ist zum einen nicht gesichert, zum anderen ist die Betroffenheit des Gelenkes nicht belegt. Dr. W. erkannte bei der kernspintomographischen Untersuchung zwei Wochen nach dem Versicherungsfall weder in der Gelenkfläche eine Stufe noch sonstige Kniebinnenverletzungen, was mittels der computertomographischen Untersuchung durch Dr. Berger, welche wiederum zwei Wochen später stattfand, bestätigt wurde.

Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 5. August 2015 bindend eine Prellung der linken Schulter als Unfallfolge an, welche Ende Juli dieses Jahres ausgeheilt war. Die Verletzung der Subscapularissehne links ist jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall am 29. Januar 2015 zurückzuführen, wie von Dr. K. angenommen. Hierfür führt er einzig den Unfallmechanismus an, der indes nur die Möglichkeit untermauert. Die am Tag nach dem Versicherungsfall von Prof. Dr. S. erhobene Prellung des Brustkorbes ist unabhängig davon, ob ein Zusammenhang mit dem Unfall besteht, ebenfalls Mitte 2015 ausgeheilt gewesen. Die sonographische Untersuchung durch Dr. B. am Unfalltag ergab keinen Hinweis auf eine innere Organverletzung. Davon abgesehen geht jedoch auch Dr. K. davon aus, dass diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen ab August 2015 nicht mehr behandlungsbedürftig waren. Gleiches gilt für die von Prof. Dr. S. am Tag nach dem Unfall diagnostizierte Distorsion der Halswirbelsäule. Der Sturz auf das linke Knie im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen stationären Weiterbehandlung durch Prof. Dr. G. am 2. Juni 2015 (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) führte zu keiner mittelbaren Unfallfolge. Im Bereich des linken Kniegelenkes ergab sich weder ein Hämatom noch eine Schwellung oder Rötung. Es war wie die Gegenseite regelrecht und mit 5-0-120° beweglich, was sich im Gehvermögen niederschlug. Letztendlich erforderten die Kniegelenke, selbst unter Berücksichtigung der unfallunabhängigen Gesundheitsstörungen, keine Behandlungsbedürftigkeit. Bei der gutachtlichen Erhebung durch Dr. K. im März 2018 betrat sie das Untersuchungszimmer mit Konfektionsschuhe und ohne Gehhilfen sowie in einem flüssigen Gangbild. Ein Hinken fiel nicht auf. Diese Beobachtungen spiegeln sich in dem erhobenen klinischen Befund wider. An beiden Kniegelenken zeigten sich unauffällige Kniegelenkskonturen sowie weder eine Überwärmung noch eine Rötung, eine Weichteilschwellung oder ein intraartikulärer Erguss. Die Streckung und Beugung der Kniegelenke gelang auch bei dessen Untersuchung beidseits bis 0-0-150°, verdeutlichen also eine freie Beweglichkeit. Hinweise auf eine Bandinstabilität ergaben sich nicht.

Leistungen der Heilbehandlung waren nach Juli 2015 auch nicht wegen einer psychiatrischen Erkrankung erforderlich. Unabhängig davon, ob infolge des Unfallereignisses eine spezifische Phobie im Hinblick auf die Teilnahme am Straßenverkehr eintrat (ICD-10-GM-2019 F40.2), welche die Beklagte mit Bescheid vom 5. August 2015 bindend als unfallbedingte Anpassungsstörung anerkannte, wurde diese Krankheit jedenfalls mittels der durchgeführten, niedrig frequentierten psychotherapeutischen Behandlung durch die Dipl.-Psychologin R. vollständig remittiert, weshalb es auf die Einwände der Klägerin zur Diagnosestellung nicht ankommt. Die Dipl.-Psychologin R. stellte heraus, dass sie nach der Wiedereingliederung im Juli 2015 bereits wieder arbeitsfähig war und lediglich noch die Fahrten zur Arbeitsstelle als anstrengend schilderte. Die von Dr. G. im Februar 2019 diagnostizierte leichtgradige ängstlich-depressive Verarbeitungsstörung (ICD-10-GM-2019 F43.8) führte er selbst überzeugend nicht auf das Unfallereignis zurück. Eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit über Juli 2015 hinaus bestand auch nach seiner nachvollziehbaren Einschätzung nicht.

Die Klägerin hat ferner wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 29. Januar 2015 keinen Anspruch auf eine Verletztenrente.

Rechtsgrundlage für die begehrte Rentengewährung ist § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls - hier eines Arbeitsunfalls - über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII). Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren (§ 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII). Renten an Versicherte werden gemäß § 72 Abs. 1 SGB VII von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet (Nr. 1), der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist (Nr. 2).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Um das Vorliegen der MdE beurteilen zu können, ist zunächst zu fragen, ob das aktuelle körperliche oder geistige Leistungsvermögen beeinträchtigt ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang dadurch die Arbeitsmöglichkeiten der versicherten Person auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert werden. Entscheidend ist, in welchem Ausmaß Versicherte durch die Folgen des Versicherungsfalls in ihrer Fähigkeit gehindert sind, zuvor offenstehende Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 123). Die Bemessung des Grades der MdE erfolgt als Tatsachenfeststellung des Gerichts, die dieses gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5/10 R -, juris, Rz. 16 m. w. N.). Die zur Bemessung der MdE in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind dabei zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen ständigem Wandel (BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R -, BSGE 93, 63 <65>).

Die Einschätzung der MdE setzt voraus, dass der Arbeitsunfall beim Kläger eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens hervorgerufen hat, entweder durch einen unfallbedingten Gesundheitserst- oder einen damit im Ursachenzusammenhang stehenden Gesundheitsfolgeschaden.

Das Bestehen einer Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens muss ausgehend von konkreten Funktionseinbußen beurteilt werden. Soweit die MdE sich nicht ausnahmsweise unmittelbar aus den Unfallfolgen erschließt, bilden festgestellte und eindeutig nach gängigen Diagnosesystemen (z. B. ICD-10, DSM-IV) konkret zu bezeichnende Krankheiten (vgl. BSG, Urteile vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196 <203> und vom 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R -, juris, Rz. 18; Urteile des Senats vom 26. November 2015 - L 6 U 50/15 -, juris, Rz. 48 m. w. N. und vom 17. März 2016 - L 6 U 4796/13 -, juris, Rz. 37) die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens auf dem Gebiet des gesamten Erwerbslebens zu beurteilen ist (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5/10 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.).

Bei der Klägerin waren im Juli 2015 sämtliche Unfallfolgen ausgeheilt, sodass ihre Erwerbsfähigkeit infolge des Arbeitsunfalls vom 29. Januar 2015 nicht über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus überhaupt gemindert war, was auch Dr. K. und Dr. G. aus medizinischer Sicht annahmen. Ein Anspruch auf eine Verletztenrente besteht demnach nicht.

Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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