L 7 AS 78/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 23 AS 2868/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 78/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Kläger wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28. November 2017 abgeändert. Der Bescheid des Beklagten vom 2. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2017 wird aufgehoben, soweit der Bewilligungsbescheid vom 8. Juli 2016 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 26. November 2016 und vom 9. Februar 2017 für den Monat Dezember 2016 in Höhe von mehr als 752,84 EUR bezüglich der Klägerin Ziff. 1 und mehr als 39,59 EUR bezüglich des Klägers Ziff. 2 sowie für den Monat Januar 2017 in Höhe von mehr als 748,08 EUR bezüglich der Klägerin Ziff. 1 und mehr als 39,43 EUR bezüglich des Klägers Ziff. 2 zurückgenommen und ein Betrag von insgesamt mehr als 1579,94 EUR von den Klägern erstattet verlangt wird. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat ein Zehntel der außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Instanzen zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist eine Aufhebung und Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Monate Dezember 2016 und Januar 2017 streitig.

Die 1987 geborene, alleinerziehende Klägerin Ziff. 1 und ihr 2012 geborener Sohn, der Kläger Ziff. 2 standen beim Beklagten seit dem Jahr 2007 im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Für die von den Klägern bewohnte Wohnung fielen im streitigen Zeitraum Kosten der Unterkunft und Heizung von insgesamt 510 EUR (440 EUR Kaltmiete zuzüglich 70 EUR Betriebskostenvorauszahlung einschließlich Heizkosten). Die Klägerin Ziff. 1 bezog für den Kläger Ziff. 2 Kindergeld in Höhe von monatlich 190 EUR (im Jahr 2016) bzw. 192 EUR (ab Januar 2017). Der Kläger Ziff. 2 erhielt Unterhaltszahlungen in Höhe von 253 EUR monatlich.

Am 7. Januar 2016 beantragte die Klägerin Ziff.1 für sich und den Kläger Ziff. 2 die Weiterbewilligung der Leistungen unter Angabe des Bezugs von Kindergeld für den Kläger Ziff. 2 in Höhe von 188 EUR monatlich sowie Unterhaltszahlungen in Höhe von 253 EUR monatlich durch den Kläger Ziff. 2 und im Übrigen unveränderten Verhältnissen.

Mit Bescheid vom 13. Januar 2016 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Februar 2016 bis Juli 2016 in Höhe von monatlich 805,13 EUR (für die Klägerin Ziff. 1: 404 EUR Regelbedarf, 154,73 EUR Mehrbedarf, 227,25 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung, insgesamt 785,98 EUR; für den Kläger Ziff. 2: 19,15 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung). Der Beklagte berücksichtigte für die Klägerin Ziff. 1 einen Regelbedarf in Höhe von 404 EUR, einen Mehrbedarf für alleinerziehende Leistungsberechtigte in Höhe von 145,44 EUR sowie einen Mehrbedarf bei dezentraler Warmwassererzeugung in Höhe von 9,29 EUR und für den Kläger Ziff. 2 einen Regelbedarf in Höhe von 237 EUR sowie einen Mehrbedarf bei dezentraler Warmwassererzeugung in Höhe von 1,90 EUR. Als Bedarf für Unterkunft und Heizung erkannte der Beklagte bei den Klägern jeweils die Hälfte von 407 EUR für die Grundmiete, von 12,50 EUR für Heizkosten sowie von 35 EUR für Nebenkosten an. Als Einkommen rechnete der Beklagte beim Kläger Ziff. 2 Kindesunterhalt in Höhe von 257 EUR sowie Kindergeld in Höhe von 190 EUR an. Im Hinblick auf die ab 1. Januar 2016 gültige Düsseldorfer Tabelle werde ab 1. Februar 2016 ein anzurechnender Kindesunterhalt für den Kläger Ziff. 2 in Höhe von monatlich 257 EUR angerechnet.

Mit Bescheid vom 13. Juni 2016 bewilligte der Beklagte für den Kläger Ziff. 2 Leistungen der Erstausstattung der Wohnung in Höhe von 187 EUR. In einer sozialmedizinischen gutachterlichen Stellungnahme vom 18. Mai 2016 schätzte Dr. F. die Leistungsfähigkeit der Klägerin Ziff. 1 bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt auf täglich weniger als drei Stunden ein. Mit Bescheid vom 20. Juni 2016 forderte der Beklagte die Klägerin Ziff. 1 daraufhin auf, einen Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung zu stellen. Gleichzeitig meldete er bei der Deutschen Rentenversicherung sowie beim Kreissozialamt einen Erstattungsanspruch an.

Am 23. Juni 2016 beantragte die Klägerin Ziff. 1 Rente wegen Erwerbsminderung.

Am 28. Juni 2016 beantragten die Kläger die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Angabe von Unterhaltszahlungen in Höhe von 253 EUR und Kindergeld in Höhe von 190 EUR und im Übrigen unveränderten Verhältnissen.

Mit Änderungsbescheid vom 8. Juli 2016 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für Februar 2016 bis Juli 2016 auf insgesamt 854,75 EUR unter Anerkennung einer Bruttokaltmiete in Höhe von 491,62 EUR ab und setzte die Leistungen für August 2016 bis Januar 2017 mit Bescheid vom 8. Juli 2016 in identischer Höhe fest (für die Klägerin Ziff. 1: 404 EUR Regelbedarf, 154,73 EUR Mehrbedarf, 252,06 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung, insgesamt 810,79 EUR; für den Kläger Ziff. 2: 43,96 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung).

Durch die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg wurde der Beklagte am 18. August 2016 über die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. Dezember 2016 bis 31. Mai 2019 mit einem monatlichen Zahlbetrag von 854,81 EUR ausgehend von einem Leistungsfall am 12. Mai 2016 unterrichtet.

Beim Kreissozialamt machte der Beklagte Erstattungsansprüche in Höhe von 997,79 EUR für den Monat Mai 2016 und monatlich 810,79 EUR für die Monate Juni bis Oktober 2016 geltend.

Wegen der Erhöhung der Regelbedarf setzte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 26. November 2016 die Leistungen für den Monat Januar 2017 auf insgesamt 859,67 EUR neu fest.

Mit Änderungsbescheiden vom 9. Februar 2017 setzte der Beklagte die Leistungen für die Monate Februar 2016 bis Dezember 2016 auf monatlich 883,13 EUR (für die Klägerin Ziff. 1: 404 EUR Regelbedarf, 154,73 EUR Mehrbedarfe, 266,25 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung, insgesamt 824,98 EUR; für den Kläger Ziff. 2: 58,15 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung) und für Januar 2017 auf 888,05 EUR (für die Klägerin Ziff. 1: 409 EUR Regelbedarf, 156,65 EUR Mehrbedarfe, 266,25 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung, insgesamt 831,90 EUR; für den Kläger Ziff. 2: 56,15 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung) fest, wobei er eine Bruttokaltmiete in Höhe von 520 EUR anerkannte und beim Kläger Ziff. 2 Unterhalt in Höhe von 257 EUR sowie Kindergeld in Höhe von 190 EUR bzw. 192 EUR für Januar 2017 anrechnete.

Den Erstattungsanspruch gegenüber dem Kreissozialamt bezifferte der Beklagte unter dem 9. Februar 2017 auf 323,81 EUR für die Zeit vom 20. Juni bis 30. Juni 2016, jeweils 883,13 EUR für die Monate Juli 2016 bis Dezember 2016 und auf 888,05 EUR für den Monat Januar 2017.

Das Kreissozialamt bestätigte die geltend gemachten Erstattungsbeträge für die Monate Juni bis November 2016 und lehnte eine Erstattung für die Zeit ab Dezember 2016 ab, weil die Klägerin mit der Rente und Wohngeld keinen Leistungsanspruch habe.

Unter dem 12. April 2017 meldete der Beklagte bei der Wohngeldstelle einen Erstattungsanspruch für die Zeit vom 1. Dezember 2016 bis 31. Januar 2017 an.

Mit Bescheid vom 2. Mai 2017 erklärte der Beklagte gegenüber der Klägerin Ziff. 1 die Aufhebung der Entscheidungen vom 8. Juli 2016, 26. November 2016 und 9. Februar 2017 über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Dezember 2016 bis 31. Januar 2017 für die Kläger und verlangte eine Erstattung von der Klägerin Ziff. 1 in Höhe von 1656,88 EUR und für den Kläger Ziff. 2 in Höhe von 114,30 EUR. Die Klägerin Ziff. 1 habe seit 1. Juni 2016 einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente und ab Dezember 2016 einen Anspruch auf Wohngeld, womit sie ihre Hilfebedürftigkeit ab Dezember 2016 beendet habe. Zudem habe sie gemäß § 7 in Verbindung mit § 8 SGB II keinen Anspruch mehr auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sei die wesentliche Änderung des anzurechnenden Einkommens und der nicht vorliegenden Erwerbsfähigkeit ab dem 1. Dezember 2016 zu berücksichtigen. 

Gegen den Bescheid legten die Kläger am 11. Mai 2017 Widerspruch ein. Zur Begründung verwiesen sie auf eine unterlassene Anhörung und machten im Übrigen das Bestehen von Vertrauensschutz im Sinne von § 45 Abs. 2 SGB X und ein Unterlassen einer im Rahmen des § 48 SGB X erforderlichen Ermessensausübung geltend.

Den Erstattungsanspruch bezifferte der Beklagte gegenüber der Wohngeldstelle unter dem 2. Juni 2017 auf 58,32 EUR für Dezember 2016 und 63,24 EUR für Januar 2017. Die Wohngeldbehörde leistete daraufhin eine entsprechende Erstattung und bewilligte der Klägerin Ziff. 1 Wohngeld vom 1. März 2017 bis 28. Februar 2018 in Höhe von 134 EUR (Bescheid vom 7. Juni 2017).

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2017 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Mit dem Einkommen aus der Erwerbsminderungsrente und dem Wohngeldanspruch habe ein übersteigendes Einkommen gegenüber dem Bedarf vorgelegen. Da die Klägerin Ziff. 1 nicht erwerbsfähig gewesen sei, sei sie im Dezember 2016 und Januar 2017 auch nicht leistungsberechtigt gewesen. Der Bescheid sei daher gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3 SGB II auch rückwirkend aufzuheben gewesen. Der vorgebrachte Vertrauensschutz und Verbrauch der Leistungen komme nicht zum Tragen, weil eine entsprechende Regelung in § 48 SGB X nicht vorgesehen sei. Auch Ermessen komme nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) nicht in Betracht. Die mangelnde Anhörung sei im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Von den zurückgeforderten Leistungen in Höhe von 1771,18 EUR seien 121,56 EUR durch die Wohngeldstelle erstattet worden. Der Restbetrag in Höhe von 1649,62 EUR sei von den Klägern zu erstatten.

Am 31. Juli 2017 hat die Klägerin Ziff. 1 und am 4. August 2017 der Kläger Ziff. 2 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Der Beklagte sei über die wirtschaftlichen Verhältnisse aufs Genaueste informiert gewesen. Er habe bereits im August 2016 gewusst, dass die Klägerin Ziff. 1 Rente beziehen würde. Der Beklagte habe die Leistungen dennoch weitergezahlt. Die Kläger haben sich weiterhin auf Vertrauensschutz bzw. eine fehlende Ermessensausübung berufen.

Mit Gerichtsbescheid vom 28. November 2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Ermächtigungsgrundlage zur Rücknahme der Bescheide vom 11. Juli 2016, 26. November 2016 und 9. Februar 2017 seien § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X, § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, § 330 Abs. 2 SGB III. Die Rücknahmeentscheidung sei danach rechtmäßig. Ein durchgreifender formeller Fehler liege nicht vor. Der Mangel der Anhörung sei geheilt worden. Die angegriffene Entscheidung genüge dem Erfordernis der Bestimmtheit. Soweit sich der Beklagte zu Unrecht auf § 48 SGB X gestützt habe, sei ein Auswechseln der Rechtsgrundlage zulässig. Da ein Fall des § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB X vorliege, sei gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, § 330 Abs. 2 SGB III kein Ermessen auszuüben gewesen. Die Klägerin Ziff. 1 habe jedenfalls infolge grober Fahrlässigkeit die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsentscheidungen vom 26. November 2016 bzw. 9. Februar 2017 bezüglich des Leistungszeitraums vom 1. Dezember 2016 bis 31. Januar 2017 nicht gekannt. Die Rechtswidrigkeit der Entscheidungen ergebe sich aus der fehlenden Bedürftigkeit der Kläger. Die für die Zeit vom 1. Dezember 2016 bis 31. Januar 2017 erbrachten Leistungen seien zu erstatten. Ein Fall der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X liege nicht vor, weil der Beklagte keine Erstattung vom Rentenversicherungsträger begehren könne.

Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 30. November 2017 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 22. Dezember 2017 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Die Klägerin Ziff. 1 sei gehalten gewesen, bei verschiedenen Behörden Anträge zu stellen. Sie sei den behördlicherseits an sie gestellten Anforderungen regelmäßig nachgekommen. Sie habe sowohl den Beklagten wie auch die übrigen Behörden über den jeweiligen Stand der Bescheide informiert. Die Kläger hätten ihre Bedarfe durch ihre Einkünfte gerade nicht selbst decken können, jedenfalls nicht bis zur Entscheidung der Wohngeldstelle über die Anträge. Die diesbezüglichen Bewilligungen seien dem Beklagten auch regelmäßig übermittelt worden. Der Beklagte habe es versäumt, entsprechende Anmeldungen (von Erstattungsansprüchen) bei der Stadt zu machen. Den Klägern seien die Leistungen des Beklagten ohne Hinweis auf eventuelle Rückforderung erbracht worden. Die Klägerin Ziff. 1 habe seit Dezember 2016 eine Erwerbsminderungsrente erhalten. Den Bezug habe sie dem Beklagten bereits vor der ersten Rentenzahlung mitgeteilt. Wenn der Beklagte dann dennoch geleistet habe und die Beträge erst im Nachhinein zurücknehme, könne der Klägerin keine schuldhafte Verletzung vorgeworfen werden.

Die Kläger beantragen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28. November 2017 sowie den Bescheid des Beklagten vom 2. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2017 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Den Klägern seien im Dezember 2016 und Januar 2017 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 1771,18 EUR ausbezahlt worden. Mit der festgestellten vollen Erwerbsminderung und der damit verbundenen Rente sowie dem Anspruch auf Wohngeld habe ab Dezember 2016 kein weiterer Anspruch bestanden. Von der Wohngeldstelle seien 121,56 EUR erstattet worden, so dass noch ein offener Betrag von 1649,62 EUR verbleibe. Da die Rente in beiden Monaten neben den durch den Beklagten bewilligten Leistungen ausbezahlt worden sei, könne auch kein Vertrauen der Kläger angenommen werden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Kläger ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung ist statthaft und zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 2. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2017 (§ 95 SGG), mit dem der Beklagte gegenüber den Klägern die zuletzt mit Änderungsbescheid vom 9. Februar 2017 erfolgte Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Monate Dezember 2016 und Januar 2017 ganz aufgehoben und diese in Höhe von insgesamt 1779,18 EUR erstattet verlangt hat. Dagegen wenden sich die Kläger statthaft mit einer isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, soweit mit ihm der Bewilligungsbescheid vom 8. Juli 2016 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 26. November 2016 und vom 9. Februar 2017 für den Monat Dezember 2016 in Höhe von mehr als 752,84 EUR für die Klägerin Ziff. 1 und mehr als 39,59 EUR für den Kläger Ziff. 2 sowie für den Monat Januar 2017 in Höhe von mehr als 748,08 EUR für die Klägerin Ziff. 1 und mehr als 39,43 EUR für den Kläger Ziff. 2 zurückgenommen und ein Betrag von insgesamt mehr als 1579,94 EUR erstattet verlangt wird.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung bzw. Zurücknahme der Leistungsbewilligung ist - was bereits das SG zutreffend ausgeführt hat - nicht § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 48 SGB X, sondern § 45 SGB X.

Allein die Tatsache, dass der Beklagte den Bescheid vom 2. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2017 vorliegend auf § 48 SGB X gestützt hat, begründet nicht dessen Rechtswidrigkeit. Das Stützen der Entscheidung auf eine andere Rechtsgrundlage ist zulässig, soweit der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen in unzulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert wird. Dies ist vorliegend nicht der Fall, denn die §§ 45, 48 SGB X haben dasselbe Ziel, nämlich die Änderung bzw. Aufhebung eines Verwaltungsakts. Aus diesem Grunde ist das Auswechseln der genannten Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig (BSG, Urteil vom 24. Februar 2011 – B 14 AS 45/09 R – juris Rdnr. 17; BSG, Urteil vom 29. November 2012 – B 14 AS 6/12 R – juris Rdnr. 23).

Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 8. Juli 2016 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 26. November 2016 und vom 9. Februar 2017 liegen nicht vor. Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nach § 48 SGB X setzt nach Abs. 1 Satz 1 voraus, dass in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Vorliegend hat der Beklagte zuletzt mit Bescheid vom 9. Februar 2017 über den Leistungsanspruch der Kläger entschieden. Der Beklagte stützt die Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Monate Dezember 2016 und Januar 2017 jedoch nicht auf eine Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nach Erlass des Bescheides vom 9. Februar 2017, sondern auf das im Dezember 2016 und Januar 2017, also vor Erlass des Bescheides vom 9. Februar 2017 erzielte Einkommen aufgrund der Erwerbsminderungsrente der Klägerin Ziff. 1 und ein Fehlen derer Erwerbsfähigkeit in diesem Zeitraum.

Die Voraussetzungen von § 45 SGB X für eine Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 8. Juli 2016 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 26. November 2016 und vom 9. Februar 2017 liegen nur insoweit vor, als der Klägerin Ziff. 1 für den Monat Dezember 2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt von mehr als 57,95 EUR und für den Monat Januar 2017 von mehr als 62,71 EUR und dem Kläger Ziff. 1 für den Monat Dezember 2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt von mehr als 4,37 EUR und für den Monat Januar 2017 von mehr als 4,53 EUR bewilligt worden sind.

Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit (1.) er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, (2.) der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder (3.) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II ordnet für die Aufhebung von Verwaltungsakten zudem die entsprechende Anwendung von § 330 Abs. 2, 3 Satz 1 und 4 SGB III an. In Bezug auf § 45 SGB X ist nach § 330 Abs. 2 SGB III bei Vorliegen der in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, so dass in diesem Fall eine gebundene und keine Ermessensentscheidung zu treffen ist.

Der Bescheid vom 9. Februar 2017 war rechtswidrig, soweit höhere Leistungen als 57,95 EUR für die Klägerin Ziff. 1 und 4,37 EUR für den Kläger Ziff. 2 für den Monat Dezember 2016 und höhere Leistungen als 62,71 EUR für die Klägerin Ziff. 1 und 4,53 EUR für den Kläger Ziff. 2 für den Monat Januar 2017 festgesetzt worden sind. Nur in dieser Höhe haben die Kläger Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 und § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II, wenn sie (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, (2.) erwerbsfähig sind, (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches haben (§ 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II u.a., wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II sind bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Nach § 9 Abs. 2 Satz 4 SGB II gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, wenn in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt ist. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 4 SGB II gehören zur Bedarfsgemeinschaft die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, soweit sie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

Die Klägerin Ziff. 1 hatte im streitigen Zeitraum das 29. Lebensjahr vollendet und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Klägerin Ziff. 1 war zwar nach den Feststellungen der Agentur für Arbeit und der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg seit Mai 2016 voll erwerbsgemindert. Sie war jedoch im streitigen Zeitraum noch als erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit  § 8 SGB II anzusehen. Dies ergibt sich aus § 44a Abs. 1 Satz 7 SGB II. Danach erbringen die Agentur für Arbeit und der kommunale Träger bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bis zu einer Entscheidung über den Widerspruch eines nach § 44a Abs. 1 Satz 2 SGB II widerspruchsberechtigten Trägers gegen die Feststellung der Agentur für Arbeit, ob ein Arbeitsuchender erwerbsfähig ist (§ 44a Abs. 1 Satz 1 SGB II). Im Außenverhältnis wird die Aufgabe von der gemeinsamen Einrichtung (und damit vom Beklagten) nach § 44b Abs. 1 Satz 2 SGB II wahrgenommen. Nach der Rechtsprechung des BSG setzt die Leistungspflicht des SGB II-Trägers bzw. Jobcenters nicht erst dann ein, wenn bereits Streit zwischen den Trägern über die Erwerbsfähigkeit eingetreten ist. Vielmehr ist der Antragsteller bereits im Vorfeld so zu stellen, als wäre er erwerbsfähig (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R – juris Rdnr. 20). Folglich hat der SGB II-Träger ab dem Zeitpunkt der negativen Feststellung über die Erwerbsfähigkeit durch die Agentur für Arbeit Nahtlosigkeitsleistungen nach § 44a Abs. 1 Satz 7 SGB II zu erbringen, bis der andere Träger seine Zuständigkeit anerkannt hat, sein Widerspruchsrecht erloschen ist oder die Arbeitsagentur über den Widerspruch entschieden hat (Korte in LPK-SGB II, 7. Aufl., § 44a Rdnrn. 23ff., Knapp in jurisPK-SGB II, § 44a Rdnr. 72; Bender in Gagel, SGB II/SGB III, Stand: September 2020, § 44a Rdnr. 17). Vorliegend hatte der Beklagte den Sozialhilfeträger auf dessen Zuständigkeit hingewiesen und einen Erstattungsanspruch angemeldet. Von diesem wurde zwar kein Widerspruch gegen die Entscheidung der Agentur für Arbeit eingelegt, jedoch eine Leistungsverpflichtung - durch Anerkennung der vom Beklagten angemeldeten Erstattungsansprüche - erst nach Ende des streitigen Zeitraums im Februar 2017 anerkannt bzw. für den streitigen Zeitraum aufgrund eines vorrangigen Wohngeldanspruchs abgelehnt. Somit war in den Monaten Dezember 2016 und Januar 2017 jedenfalls die Zuständigkeit für den bei der Klägerin und ihrem Sohn bestehenden Hilfebedarf noch nicht geklärt, so dass der Beklagte weiterhin für die Leistungserbringung zuständig war.

Zur Bedarfsgemeinschaft der als erwerbsfähig geltenden Klägerin Ziff. 1 gehört im streitigen Zeitraum gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II der Kläger Ziff. 2.

Die Kläger waren auch hilfebedürftig. Ihr Bedarf, der sich jeweils aus dem Regelbedarf (gemäß § 20 Abs. 1a SGB II in Verbindung mit §§ 28a, 40 SGB XII sowie § 2 Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2016 bzw. § 20 Abs. 1a SGB II in Verbindung mit § 28 SGB XII sowie § 8 Regelbedarfsermittlungsgesetz für die Klägerin Ziff. 1 404 EUR für Dezember 2016, 409 EUR für Januar 2017 und für den Kläger Ziff. 2 jeweils 237 EUR), dem Mehrbedarf für die zentrale Warmwasseraufbereitung (gemäß § 21 Abs. 7 SGB II für die Klägerin Ziff. 1 9,29 EUR für Dezember 2016, 9,41 EUR für Januar 2017 und für den Kläger Ziff. 2 jeweils 1,90 EUR), für die Klägerin Ziff. 1 zusätzlich aus dem Mehrbedarf für Alleinerziehende (gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 1 SGB II 145,44 EUR für Dezember 2016, 147,24 EUR für Januar 2017) sowie den angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (gemäß § 22 Abs. 1 SGB II für die Kläger jeweils in Höhe der Hälfte von 532,50 EUR) ergibt, war nicht vollständig durch das zu berücksichtigende Einkommen gedeckt.

Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II ist der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird (§ 11 Abs. 1 Satz 5 SGB II). Laufende Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Gemäß § 11b Abs. 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung - Alg II-V) ist insbesondere als Pauschbetrag vom Einkommen volljähriger Leistungsberechtigte ein Betrag in Höhe von 30 EUR monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen abzusetzen.

Demgemäß ist beim Kläger Ziff. 2 der von ihm tatsächlich bezogene monatliche Unterhalt in Höhe von 253 EUR sowie das Kindergeld in Höhe von 190 EUR im Dezember 2016 und 192 EUR im Januar 2017 als Einkommen anzurechnen. Danach verbleibt bei ihm ein nicht durch eigenes Einkommen gedeckter Bedarf von 62,15 EUR im Dezember 2016 und in Höhe von 60,15 EUR im Januar 2017. Sein Anteil am Gesamtbedarf beträgt damit im Dezember 2016 7,01 Prozent und im Januar 2017 6,74 Prozent.

Die Klägerin Ziff. 1 hat im Dezember 2016 und Januar 2017 jeweils Rente in Höhe von 854,81 EUR netto bezogen. Abzüglich der Versicherungspauschale ist diese in Höhe von 824,81 EUR als Einkommen zu berücksichtigen und entsprechend der jeweiligen Anteile am Gesamtbedarf im Dezember 2016 zu 92,99 Prozent (767,03 EUR) bei der Klägerin Ziff. 1 und zu 7,01 Prozent (57,78 EUR) beim Kläger Ziff. 2 sowie im Januar 2017 zu 93,26 Prozent (769,19 EUR) bei der Klägerin Ziff. 1 und zu 6,74 Prozent (55,62 EUR) beim Kläger Ziff. 2 auf den Bedarf anzurechnen. Soweit die Kläger einen Anspruch auf Wohngeld gehabt hätten, ist ihnen solches im streitigen Zeitraum tatsächlich nicht zugeflossen und somit nicht als Einkommen anzurechnen. Danach verbleibt bei der Klägerin Ziff. 1 im Dezember 2016 ein Anspruch in Höhe von 57,95 EUR und im Januar 2017 in Höhe von 62,71 EUR sowie beim Kläger Ziff. 2 im Dezember 2016 ein Anspruch in Höhe von 4,37 EUR und im Januar 2017 in Höhe von 4,53 EUR.

Soweit der Beklagte den Klägern darüber hinaus mit Bescheid vom 9. Februar 2017 Leistungen bewilligt hatte, war der Bescheid von Anfang an rechtswidrig.

Die Kläger können sich nicht auf Vertrauen in den Bestand des Bescheides berufen, denn sie mussten die Rechtswidrigkeit des Bescheides kennen (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Dabei ist eine Kenntnis oder ein Kennenmüssen der Klägerin Ziff. 1 dem von ihr gesetzlich vertretenen Kläger Ziff. 2 gemäß § 166 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zuzurechnen. Sofern der Klägerin Ziff. 1 die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 9. Februar 2017 in Höhe der unterbliebenen Anrechnung ihres Renteneinkommens nicht positiv bekannt war, hat sie jedenfalls die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (unter Hinweis auf die st. Rspr. des BSG: Schütze in Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 45 Rdnr. 66 m.w.N.). Zwar folgt daraus keine Rechtspflicht, den erlassenen Verwaltungsakt umfassend auf Richtigkeit zu überprüfen (Schütze a.a.O. Rdnr. 67). Allerdings ist der Adressat des Verwaltungsaktes aufgrund der Verpflichtung der Beteiligten im Sozialrechtsverhältnis, sich gegenseitig vor vermeidbarem, das Versicherungsverhältnis betreffenden Schaden zu bewahren, gehalten, einen ihm günstigen Bewilligungsbescheid auch zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 8. Februar 2001 – B 11 AL 21/00 R – juris Rdnr. 25). Danach ist die Unkenntnis grob fahrlässig im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X, wenn der Adressat, hätte er den Bewilligungsbescheid gelesen und zur Kenntnis genommen, auf Grund einfachster und nahe liegender Überlegungen sicher hätte erkennen können, dass der zuerkannte Anspruch nicht oder jedenfalls so nicht besteht (BSG, Urteil vom 26. August 1987 – 11a RA 30/86 – juris). Dies ist vorliegend der Fall. Die Klägerin Ziff. 1 hat seit Dezember 2016 von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg Rente wegen Erwerbsminderung bewilligt und ausgezahlt bekommen. Schon aus dem Bescheid vom 9. Februar 2017 selbst ist ohne Weiteres erkennbar, dass - obwohl eine Einkommensanrechnung erkennbar vorgesehen ist - die erhaltene Erwerbsminderungsrente nicht als Einkommen aufgeführt ist. Darüber hinaus liegt die Überlegung nahe, dass bei Bezug einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit kein Anspruch auf Weitergewährung der ohne Erhalt der Rente zustehenden Grundsicherungsleistungen bestehen kann. Dafür, dass bei der Klägerin Ziff. 1 der Verständnishorizont oder die Einsichtsfähigkeit derart eingeschränkt waren, dass sie zum Erkennen dieses offenkundigen Fehlers nicht in der Lage war, hat der Senat keinerlei Anhaltspunkte.

Demnach war der Bescheid vom 9. Februar 2017 mit Wirkung für die Vergangenheit (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X) aufzuheben, soweit Leistungen über die dargestellten Ansprüche hinaus bewilligt worden sind, ohne dass der Beklagte Ermessen auszuüben gehabt hätte. Der Bescheid vom 2. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2017 erging auch innerhalb der Jahresfrist nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X.

Gemäß § 50 Absatz ein Satz 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Dies begründet vorliegend eine Pflicht zur Erstattung in Höhe von insgesamt 1.579,94 EUR.

Der angefochtene Bescheid ist auch nicht wegen fehlender Bestimmtheit insgesamt rechtswidrig. Vielmehr erweist sich die Aufhebungsverfügung als inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 33 Abs. 1 SGB X).

Nach § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dieses Erfordernis bezieht sich sowohl auf den Verfügungssatz als auch auf den Adressaten eines Verwaltungsaktes. Insofern verlangt das Bestimmtheitserfordernis, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und - den unzweifelhaft erkennbaren - Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten. Nur der inhaltlich hinreichend bestimmte Verwaltungsakt kann seine Individualisierungs- und Klarstellungsfunktion erfüllen und - soweit erforderlich - als Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung dienen. Sichergestellt muss daher sein, zwischen wem (Adressat, Betroffenem und Behörde) die Rechtsbeziehung geregelt werden soll. Darüber hinaus muss klar sein, welche Rechtsbeziehung geregelt wird und wie die Regelung aussehen soll. Aus dem Verfügungssatz muss für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will und von wem sie es will. Es darf nicht dem Adressaten überlassen bleiben, Gegenstand, Inhalt, Zeitpunkt und Umfang der Aufhebung zu bestimmen, weil der in begünstigende Rechtspositionen eingreifende Leistungsträger verpflichtet ist, diese Entscheidung selbst zu treffen und dem Adressaten bekannt zu geben (BSG, Urteil vom 29. November 2012 – B 14 AS 6/12 R – juris Rdnr. 25 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Dem Bescheid vom 2. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2017 lässt sich hinreichend deutlich entnehmen, für welche Monate, gegenüber welcher Person und in welcher Höhe die Leistungsbewilligung aufgehoben und Leistungen erstattet verlangt werden.

Der angefochtene Bescheid ist nicht wegen formeller Rechtswidrigkeit insgesamt aufzuheben. Zwar hat der Beklagte die Kläger vor Erlass der in ihre Rechtsposition eingreifenden Aufhebungsverfügung nicht angehört. Ausgehend von seiner - unzutreffenden - materiell‑rechtlichen Rechtsansicht, § 48 SGB X sei taugliche Ermächtigungsgrundlage, ist aber bereits während des Widerspruchsverfahrens, in dessen Rahmen sich die Kläger zu den aus Sicht des Beklagten entscheidungserheblichen Tatsachen äußern konnten, die erforderliche Anhörung nachgeholt und damit der Verfahrensmangel gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X geheilt worden (BSG, Urteil vom 29. November 2012 – B 14 AS 6/12 R – juris Rdnr. 21).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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