Die Klagen werden abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger streitet um die Anerkennung seines Harnblasenkarzinoms als Folge einer Berufskrankheit (BK) nach Ziffer 1301 bzw. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) oder einer Quasi-BK. Der 1942 geborene Kläger war Pilot.
Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 4.1.2010 an die Beklagte. Er teilte mit, seit dem 13.2.1966 bis zum Eintritt in den Ruhestand am 31.3.2002 als Flugingenieur und Flugkapitän bei der C. AG bzw. der D. Flugdienst GmbH beschäftigt gewesen zu sein. Im Juni 2010 wurde bei ihm ein Blasenkarzinom festgestellt. Eine Nachkontrolle im Oktober 2010 habe ergeben, dass wiederum ein Blasenkarzinom aufgetreten sei mit anschließender operativer Entfernung. Nach Aussage seines Urologen sei die Ursache dieser Karzinome im beruflichen Umfeld zu sehen, weil er in den über 36 Jahren seiner Tätigkeit der Einwirkung von Aerosolen durch die Kabinenluft und Strahlung durch kosmische Höhenstrahlung ausgesetzt gesehen sei. Er sei von 1978 bis 1990 und von 1994 bis 2002 auf Langstrecken eingesetzt gewesen.
Die Beklagte leitete daraufhin ihre Ermittlungen ein. Sie holte ein Vorerkrankungsverzeichnis der gesetzlichen Krankenkasse des Klägers vom 16.2.2010 ein. Daraus ergab sich, dass der Kläger vom 11.7.2006 bis 14.7.2006 in stationärer Behandlung im St. Vincenz Krankenhaus in Limburg wegen einer bösartigen Neubildung der Prostata war. Vom 7.7.2009 bis 14.7.2009 befand er sich in stationärer Behandlung im St. Vincenz Krankenhaus wegen einer bösartigen Neubildung der Harnblase. Wegen derselben Erkrankungen befand er sich vom 27.10.2009 bis 31.10.2009 erneut in stationärer Behandlung, ebenso vom 20.1.2010 bis 28.1.2010 stationär im Krankenhaus Nordwest Frankfurt. Das CX. Center der C. AG teilte am 16.2.2010 mit, die letzte Untersuchung des Klägers habe im September 2002 stattgefunden. Daraus ließen sich keine Erkenntnisse über Vorerkrankungen ziehen.
Der Internist E. gab am 12.2.2010 einen Befundbericht ab. Am 30.6.2009 habe eine Abdomensonographie stattgefunden. Dabei sei ein Blasenpolyp unklarer Dignität diagnostiziert worden. Das Krankenhaus Nordwest, Klinik für Urologie und Kinderurologie, erstattete Bericht über den Aufenthalt vom 26.1.2010 bis 28.1.2010 und über den Aufenthalt vom 20.1.2010 bis 23.1.2010. Der Urologe F. berichtete am 11.3.2010 über den Kläger. Er teilte ohne Begründung mit, eine berufliche Verursachung des Harnblasentumors zu sehen. Ein weiterer Arztbrief des Urologen F. vom 24.7.2009 berichtete über die stationäre Behandlung vom 7.7.2009 bis 14.7.2009 mit der Entfernung des Blasentumors. Der histologische Bericht vom 9.7.2009 bestätigte ein nicht-invasives papilläres Urothelkarzinom. Der Urologe F. berichtete am 8.8.2006 über den stationären Aufenthalt vom 11.7.2006 bis 14.7.2006. Der histologische Bericht datierte vom 13.7.2006. Das deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg und der Radiologe Dr. G. berichteten am 15.1.2010 bzw. am 24.11.2009 über den Kläger.
Die Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition datierte vom 20.4.2010. Darin wurde unter anderem ausgeführt, eine Gefährdung im Sinne der BK 1301 scheide aus, weil kein Kontakt zu aromatischen Aminen bestanden habe. Am 26.3.2010 teilte der Kläger seine geleisteten Flugstunden mit. Der Landesgewerbearzt teilte am 17.5.2010 mit, aufgrund der vom technischen Aufsichtsdienst verneinten relevanten Strahlenexposition könne eine BK 2402 nicht begründet werden.
Mit Bescheid vom 10.6.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 1301 und 2402 in Bezug auf das Harnblasenkarzinom ab. Des Weiteren sei die Erkrankung auch nicht als Wie-BK anzuerkennen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 25.6.2010 Widerspruch ein. Diesen begründete er mit Schreiben vom 20.7.2010. Die Begründung des Klägers wurde der Präventionsabteilung erneut vorgelegt, die am 20.9.2010 dazu Stellung nahm. Am 25.2.2011 wurde durch diese erneut Stellung genommen, nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 15.2.2011 seinen Widerspruch ergänzend begründete und darin beantragte, auch die Prostataerkrankung als BK anzuerkennen. Der Präventionsdienst nahm dazu am 24.5.2011 ebenfalls erneut Stellung. Zudem nahm die Präventionsabteilung für Strahlenschutz am 16.5.2011 Stellung. Der Klägerbevollmächtigte ergänzte seinen Vortrag im Widerspruchsverfahren in den Schriftsätzen vom 8.6.2011, 1.9.2011, 19.9.2011, 20.9.2011 und vom 10.10.2011 unter Vorlage von (Zeitungs-)artikeln und anderer Literatur zur Gesundheitsbelastung fliegender Personen.
Sodann verfasste auf Veranlassung der Beklagten Prof. Dr. rer. nat. H. vom Institut für Medizinische Strahlenbiologie der Universitätsklinik Essen ein strahlenbiologisches Gutachten zur Zusammenhangsfrage am 9.1.2012. Auf den Inhalt des Gutachtens (Bl. 187 ff. BG-Akte) wird verwiesen. Prof. Dr. J. erstattete am 8.2.2012 eine fachpathologische Stellungnahme, auf deren Inhalt ebenfalls verwiesen wird (Bl. 220 ff. BG-Akte). Im Widerspruchsbescheid vom 16.3.2012 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.6.2010 zurückgewiesen. Die Harnblasenkrebserkrankung könne nicht als BK anerkannt werden.
Der Landesgewerbearzt nahm am 19.3.2012 zum Prostatakarzinom Stellung. Mit Bescheid vom 20.4.2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Prostatakarzinoms als BK 1301 bzw. BK 2402 sowie eine Wie-BK ab.
Am 10.4.2012 hat der Kläger Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16.3.2012 erhoben. Zunächst wurden die Klagen getrennt geführt (S 19 U 49/12 bezüglich der BK 2402, S 19 U 48/12 bezüglich der BK 1301 und der Wie-BK). Die Verfahren wurden durch Beschluss vom 27.3.2013 verbunden. Durch Beschluss vom 18.11.2013 wurde das Verfahren zum Ruhen gebracht und nach Wiederaufrufen am 1.4.2015 unter obigem Aktenzeichen fortgeführt.
Der Kläger ist unter Vorlage weiterer zahlreicher Fachaufsätze sowie Zeitungsartikel und der vorgelegten Stellungnahme des Dipl.-Psych. K. vom 14.2.2015 sowie der eingeholten Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Ansicht, sein Harnblasenkarzinom sei beruflich verursacht. Er sei sowohl gegenüber aromatischen Aminen als auch gegenüber ionisierenden Strahlen in erheblichem Maße exponiert gewesen.
Der Kläger beantragt ausdrücklich in den beiden Schriftsätzen vom 21.8.2012:
1. Der Ablehnungsbescheid der BG Verkehr vom 10.6.2010 in der Fassung des ergangenen Widerspruchsbescheides der BG Verkehr vom 16.3.2012, Az: xxx1, ist rechtswidrig und wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass die Harnblasenerkrankung des Klägers eine entschädigungspflichtige Berufskrankheit nach Nr. 2402 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung ist bzw. es wird gerichtlich festgestellt, dass bei dem Kläger eine beruflich bedingte Harnblasenkrebserkrankung nach Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV bzw. nach § 9 Abs. 2 SGB VII vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist unter Vorlage weiterer Stellungnahmen des TAD vom 1.8.2012, vom 31.10.2012, vom 21.10.2013, vom 12.12.2014, vom 7.4.2015, vom 23.11.2015, vom 15.5.2017, vom 7.2.2018 und unter Einreichung von Stellungnahmen des Dr. L. (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) vom 27.11.2014 und 11.11.2015 sowie der Prof. Dr. rer. nat. M. vom 4.5.2017 sowie des Dr. N. vom 18.12.2017 und des Prof. O. vom 13.2.2018 der Ansicht, eine hinreichende Einwirkung durch aromatische Amine oder ionisierende Strahlen sei nicht belegt.
Das Gericht hat eine gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage bei dem Dipl.-Chem. P. eingeholt. Bezüglich des Ergebnisses dieser Stellungnahme vom 20.2.2013 wird auf deren Inhalt (Bl. 131 ff. Gerichtsakte) inhaltlich verwiesen und Bezug genommen.
Mit Verfügung vom 4.3.2013 hat das Gericht bereits auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Klage hingewiesen und um Prüfung gebeten, ob sie zurückgenommen wird.
Auf Antrag des Klägers vom 21.8.2012 und vom 25.3.2013 nach § 109 SGG hat das Gericht sodann Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens bei dem Internisten Prof. Dr. Q. hinsichtlich der BK 1301 und bei Frau Dr. R. ein medizinisch-toxikologisches Zusatzgutachten. Auf Anregung des Prozessbevollmächtigten des Klägers wurde das Verfahren im Hinblick auf die angekündigte erhebliche Bearbeitungszeit durch Prof. Dr. Q. ruhend gestellt. Die Beweisanordnung und der Ruhensbeschluss datierten vom 18.11.2013. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Prof. Dr. Q. vom 6.3.2015 (Bl. 313 ff. Gerichtsakte) inhaltlich verwiesen und Bezug genommen. Das Verfahren wurde am 7.4.2015 nach Wiederaufruf fortgeführt.
Auf weiteren Antrag des Klägers vom 20.4.2015 nach § 109 SGG hat das Gericht sodann Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens bei Prof. Dr. S. nebst Zusatzgutachten bei Prof. Dr. T. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf deren Gutachten vom 27.3.2016 (Bl. 506 ff. Gerichtsakte) bzw. vom 1.3.2016 (Bl. 484 ff. Gerichtsakte) inhaltlich verwiesen und Bezug genommen.
Das Gericht hat im Hinblick auf die Einwendungen der Beklagten gegenüber den beiden letztgenannten Gutachten diese um eine ergänzende Stellungnahme nach § 106 SGG gebeten, die am 30.9.2017 (Bl. 679 ff. Gerichtakte) bzw. am 19.9.2017 (Bl. 689 ff. Gerichtakte) erfolgten und auf deren Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird.
Sodann hat das Gericht mit Verfügung vom 3.5.2018 erneut auf die fehlende Erfolgsaussicht der Klage hingewiesen. Die Beteiligten haben beide ihr Einverständnis zum Urteil ohne mündliche Verhandlung erteilt. Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakten inhaltlich verwiesen und Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis dazu erklärt haben, § 124 Abs. 2 SGG.
Streitgegenstand ist allein die Anerkennung des Harnblasenkarzinoms als BK, nicht des Prostatakarzinoms. Der Bescheid vom 20.4.2012 wurde bestandskräftig und nicht Gegenstand des Verfahrens. Die Klage allein auf Feststellung der Harnblasenkrebserkrankung als BK ist zulässig. Die Klage ist aber unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen demzufolge den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat weder einen Anspruch auf Anerkennung seiner Blasenkrebserkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 1301 noch Nr. 2402 der Anlage zur BKV noch als Wie-BK. Er kann die bei ihm festgestellte Gesundheitsstörung – unabhängig von deren Vorliegen – nicht als Folgen einer Berufskrankheit festgestellt bekommen, da nach Auffassung der Kammer bereits die dafür erforderlichen arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht vorliegen.
Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden, § 9 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII). Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, § 9 Abs. 1 S. 2 SGB VII. Für die Feststellung einer solchen Listenberufskrankheit ist erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität) (BSG vom 2.4.2009, B 2 U 7/08 R, Rn. 15; BSG vom 15.9.2011, B 2 U 15/10 R, Rn. 14; BSG vom 15.9.2011, B 2 U 22/10 R, Rn. 14). Die Tatbestandsmerkmale „versicherte Tätigkeit“, „Verrichtung“, „Einwirkungen“ und „Krankheit“ müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (BSG vom 2.4.2009, B 2 U 30/07 R, Rn. 16). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (ebda.).
Zwar ist der Kläger Versicherter i. S. d. § 2 Abs. 1 Ziffer 1 SGB VII. Seine Harnblasenerkrankung ist jedoch nicht als Berufskrankheit nach Nr. 1301 BKV anzuerkennen. Die erforderlichen Einwirkungen liegen nicht im Vollbeweis vor. Die Anerkennung seiner Erkrankung als BK scheitert am Nachweis einer (ausreichenden) Exposition gegenüber aromatischen Aminen. Nach § 1 BKV i.V.m. Nr. 1301 der Anlage zur BKV sind Berufskrankheiten Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Krankheit liegt vor, denn der Kläger ist an Harnblasenkrebs erkrankt. Jedoch ist nicht nachzuweisen, dass der Kläger wegen beruflichen Kontaktes zu aromatischen Aminen an dieser Krankheit erkrankt ist. Eine absolute Sicherheit ist bei der Feststellung des Sachverhalts nicht zu erzielen. Erforderlich ist jedoch eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, wonach kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen vorgenannter Tatbestandsmerkmale zweifelt (Hessisches LSG vom 7.8.2012, L 3 U 93/09, Rn. 23 m. w. N. auf BSGE 6, 144; Meyer-Ladewig/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 128 Rn. 3b). Es muss ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (ebda.; BSGE 45, 285, 287; 61, 127, 128). Diesen Nachweis kann der Kläger nicht führen. Nach den Ausführungen des gerichtlich beauftragten Sachverständigen Dipl.-Chem. P. zur Überprüfung der Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes ergibt sich keine Exposition gegenüber aromatischen Aminen. Herr P. erläutert für die Kammer nachvollziehbar in seiner Stellungnahme vom 20.2.2013, dass zum einen nur krebserzeugende aromatische Amine für die BK 1301 relevant sein können. Unter Bezugnahme auf das bereits durch die Beklagte eingeholte Gutachten im Rahmen des Verwaltungsverfahrens sowie der Stellungnahmen des TAD durch Herrn U. ist für ihn aufgrund der Aktenlage festzustellen, dass eine extrem geringe Exposition gegenüber gefährdenden aromatischen Aminen überhaupt nur anzunehmen sei. Es ergebe sich aus der Akte kein Hinweis dafür, dass für die BK 1301 relevante cancerogene aromatische Amine vorgelegen hätten und der Kläger insofern gegenüber diesen exponiert gewesen sei. Die Stellungnahme durch Herrn U. vom 20.9.2010 sei ausführlich und nachvollziehbar. Auch von Herrn V. werde zu Recht als Strahlenphysiker darauf hingewiesen, dass es sich bei den in das Cockpit gelangten Noxen nicht um cancerogene Gefahrstoffe handele. Die Ermittlungen der Beklagten entsprächen dem Stand der Technik. Insofern ist für die Kammer aufgrund der durchgeführten Ermittlungen die erforderliche Exposition gegenüber aromatischen Aminen nicht im Vollbeweis gesichert.
Auf die zu anderen Ergebnissen gelangenden Gutachten nach § 109 SGG kann eine Entscheidung nach Auffassung der Kammer nicht gestützt werden. Prof. Q. behauptet eine Belastung mit 2-Naphtylamin. Es hätten Belastungen mit Giftstoffen in der Kabinenluft vorgelegen, die auf das Ansaugen der Luft direkt am Triebwerk zurückzuführen seien. Dabei würden Öldämpfe aus dem Triebwerk angesaugt. Es bestehe eine Exposition gegenüber Pyrolyseprodukten und Desinfektionsmitteln. Es werde in den Pyrolyseprodukten von Turbinenölen das karzinogene aromatische Amin 1-Naphtylamin nachgewiesen. Dabei bezieht sich Prof. Q. auf Bl. 80 bis 86 der BG-Akte. Dort findet sich ein Fachaufsatz, der jedoch sich abstrakt zu einer Gefährdung äußert. Damit sind aber die Exposition des Klägers gegenüber aromatischen Aminen und damit die Einwirkung nicht bewiesen. Prof. Q. schließt von der Erkrankung auf eine dann wohl stattgefundene Einwirkung. Ein solcher Rückschluss ist unzulässig. Damit ist dieser Nachweis nach den Ermittlungen gerade nicht geführt. Zum anderen wird von der Beklagten auch nachvollziehbar angezweifelt, dass Turbinenöle diesen Stoff enthalten und der Kläger als Pilot damit überhaupt in Kontakt kam. Allenfalls könnte in früheren Jahren durch Verunreinigungen 2-Naphtylamin in Turbinenölen enthalten gewesen sei. Auch für den Fall bleibt die Exposition aber zweifelhaft, zumal die erforderliche Konzentration nach den Berechnungen der Beklagten nicht erreicht würde. Die Ausführungen des Prof. Q. genügen nicht, um die erforderliche Exposition gegenüber aromatischen Aminen als im Vollbeweis gesichert anzunehmen. Derjenige, der ein Recht geltend machen will, muss die Voraussetzungen dafür nachweisen (s. o.). Die bloße Behauptung, wie sie Prof. Q. vornimmt, kann dem nicht zugrundegelegt werden.
Auch Prof. S. behauptet lediglich in seinem Gutachten vom 27.3.2016 einen Zusammenhang zwischen einer beruflichen Exposition gegenüber aromatischen Aminen und der Erkrankung des Klägers. Die Ausführungen zur Prostata sind insofern hinfällig, als dass vorliegend Streitgegenstand allein die Harnblasenkrebserkrankung ist. Er bezieht sich im Wesentlichen aber auf statistische Erkenntnisse, ohne die tatsächliche Exposition des Klägers gegenüber aromatischen Aminen zugrundezulegen. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30.9.2017 wird zwar auch die Kritik an der Beklagtenseite deutlich. Zudem wird aber deutlich, dass er die Beweislast verkennt, indem er vorbringt, es gäbe zu wenig Hinweise, um die Erkrankungen und deren Kausalfaktoren begründet ablehnen zu können. Es ist aber genau umgekehrt. Der Kläger muss überwiegend wahrscheinlich machen, dass seine Erkrankung auf der beruflichen Tätigkeit basiert.
Auch eine BK 2402 ist nicht anzuerkennen. Von Ziffer 2402 der Anlage 1 zur BKV sind Erkrankungen durch ionisierende Strahlen erfasst. Die Anerkennung seiner Harnblasenkrebserkrankung scheitert ebenfalls am Nachweis einer ausreichenden Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen. Der Dipl.-Chem. P. erläutert keine ausreichende Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen. Die auf Antrag des Klägers eingeholten Gutachten bezüglich der BK 2402 sind für das Gericht nicht nachvollziehbar. Die Ausführungen zum Prostatakarzinom sind wiederum unerheblich, da dieses nicht streitgegenständlich ist. Die von der Beklagten ermittelte Strahlendosis durch Herrn V. wurde durch Prof. Dr. H. in dessen Gutachten vom 9.1.2012 überprüft und als zutreffend erachtet. Auf die anderslautenden Gutachten konnte die Kammer ihre Entscheidung nicht stützen. Auf die wiederum bloße Behauptung des Prof. Q. in dessen Gutachten einer Strahlenbelastung genügt nicht, um eine Einwirkung im Vollbeweis gesichert anzunehmen. Prof. Q. geht von einer berufsbedingten Strahlenexposition des Klägers aus, räumt dann aber selbst ein, es handele sich nicht um sein Fachgebiet.
Die von Prof. Dr. T. in deren Gutachten vorgenommene Berechnung wird nicht nachvollziehbar begründet, zumal die Erstberechnung auf den Angaben des Klägers basierte. Die abstrakte Möglichkeit einer Gefährdung durch ionisierende Strahlen ist eben gerade nicht ausreichend. Die Ausführungen von Prof. W. zum Prostatakarzinom sind insofern ebenfalls irrelevant, als dass dieses nicht streitgegenständlich ist. Die Gutachterin beschränkt sich ferner im Wesentlichen auf die Darstellung statistischer Untersuchungen und die Wiedergabe von Beispielen. Im Weiteren führt sie dann selbst aus, die Strahlenbelastung des Klägers sei unbekannt. Sie stellt sodann eine Berechnung an, ohne sich auf die Angaben des Klägers aus dem Verwaltungsverfahren zu stützen. Damit gelingt aber nicht der erforderliche Nachweis von Einwirkungen im Sinne einer Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen bei dem Kläger.
Die Dosisermittlung bezüglich des Klägers entspricht nach den nachvollziehbaren Einwendungen von der Beklagten nicht den Vorgaben. Weder wurden die Altersabhängigkeit der Exposition noch die Inzidenzraten berücksichtigt. Die diesbezüglich vorgetragenen Einwendungen von Prof. X. in ihrer Stellungnahme vom 4.5.2017 erachtet die Kammer als nachvollziehbar. Auch bestehen, selbst wenn man noch den Ausführungen der Gutachterin nach 109 SGG folgen wollte, gravierende Zweifel im Hinblick auf die ebenfalls nachvollziehbaren Ausführungen der Gegenseite. Die von Prof. T. vorgenommene Dosisermittlung ist nach den Ausführungen von Prof. M. sogar falsch. Insofern verbleiben auch hier jedenfalls erhebliche Zweifel.
Die Anerkennung als Wie-BK ist ebenfalls nicht möglich. Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind. Die verlangten übereinstimmenden wissenschaftlichen Erkenntnisse im Sinne einer unmittelbar bevorstehenden Anerkennung der Erkrankung als BK und damit Aufnahme in das Verzeichnis der BKen ist im Hinblick auf die gerade von Wissenschaftlern sehr kontrovers geführte Diskussion, wie sie auch durch Vorlage entsprechender Artikel und Stellungnahmen im vorliegenden Rechtsstreit dokumentiert ist, gerade nicht vorhanden.
Die Einschätzung des Sachverständigen steht auch in Übereinstimmung mit der unfallversicherungsrechtlichen Literatur. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., S. 1181 ff. und Mehrtens/Brandenburg, Die BKV, M 1301 nennen die Stoffe, die geeignet sind, aufgrund ihres kanzerogenen Potentials die BK 1301 zu verursachen. Dazu zählen insbesondere Beta-Naphthylamin, Benzidin und 4 Aminodiphenyl. Der Nachweis einer Exposition gegenüber diesen Stoffen ist jedoch nach dem oben Ausgeführten nicht gelungen. Entsprechendes gilt für die BK 2402 (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., S. 1257 ff.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.