S 29 SO 58/19 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 29 SO 58/19 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 107/19 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe

I.    

Die Antragstellerin begehrt die Fortzahlung der laufenden Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Sozialgesetzbuches (SGB XII) ab Juni 2019. 

Die Antragstellerin bezieht laufende Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII in Höhe von zuletzt 1.232,28 Euro monatlich (Bescheid vom 10.12.2018). Mit Schreiben vom 26.03.2019 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass beabsichtigt sei, die Bewilligung der Hilfe zum Lebensunterhalt zum 31.05.2019 aufzuheben. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, der Antragstellerin stehe gegen die Landesjustizkasse Rheinland-Pfalz ein Anspruch auf Auszahlung eines Betrages i. H. v. 8.670,80 Euro zu. Hintergrund dieses Anspruchs ist die Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 18.03.2019, durch den der gepfändete Betrag von insgesamt 8.670,80 Euro, der sich aus Übererlösen im Rahmen von Zwangsversteigerungen des Amtsgerichts Westerburg für die Antragstellerin ergab und an die Landesjustizkasse Rheinland-Pfalz ausgezahlt wurde. Die Auszahlung dieser Summe an die Antragstellerin hänge lediglich von der bisher fehlenden Mitteilung der Bankverbindung der Antragstellerin ab. Nachdem die Antragstellerin auf das Schreiben nicht reagierte, teilte der Antragsgegner mit Schreiben vom 23.04.2019 erneut die Absicht der Aufhebung der laufenden Leistungen nach dem SGB XII mit der Bitte um Äußerung zum 20.05.2019. Auch dieses Schreiben blieb unbeantwortet. 

Am 29.04.2019 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Sie ist der Ansicht, die ihr zustehende Summe sei vorrangig für den Kindesunterhalt ihres Sohnes zu verwenden, dessen Ansprüche sie auf Nachfrage des Gerichts aber nicht näher konkretisiert. 

Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),
den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII über den 31.05.2019 hinaus weiter zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

Er ist der Ansicht, für den Monat Mai 2019, für den laufende Leistungen gewährt wurden, läge keine Eilbedürftigkeit vor; ab Juni 2019 könne die Antragstellerin ihre Bedürftigkeit zudem durch Auszahlung des ihr zustehenden Betrages durch Angabe ihrer Kontodaten an die Landesjustizkasse Rheinland-Pfalz abwenden.   

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.    

Es kann dahinstehen, ob der Antrag bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist, denn er ist jedenfalls unbegründet.

Nach § 86 b Abs. 2 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach Satz 2 dieser Bestimmung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Bildet ein Leistungsbegehren des Antragstellers den Hintergrund für den begehrten einstweiligen Rechtsschutz, ist dieser grundsätzlich im Wege der Regelungsanordnung gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG zu gewähren. Danach muss die einstweilige Anordnung erforderlich sein, um einen wesentlichen Nachteil für den Antragsteller abzuwenden. Ein solcher Nachteil ist nur anzunehmen, wenn einerseits dem Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner ein materiell-rechtlicher Leistungsanspruch in der Hauptsache zusteht (Anordnungsanspruch) und es ihm andererseits nicht zuzumuten ist, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache darf nicht mit wesentlichen Nachteilen verbunden sein. Es muss daher eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (HessLSG, Beschluss vom 18.06.2008, Az.: L 6 AS 41/08 B ER m.w.N.). Eine solche Notlage ist vor allem bei einer Gefährdung der Existenz oder erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen zu bejahen (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, § 86 b, Rn. 28). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen dabei in einer Wechselbeziehung zueinander, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (HessLSG, a. a. O.). Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann (HessLSG, a. a. O.). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Soweit existenzsichernde Leistungen im Streit stehen und schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht beseitigt werden können, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern muss abschließend geprüft werden. Ist dem Gericht in derartigen Fällen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist ebenfalls anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, wobei allerdings die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen sind (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, NVwZ 2005, 927-929).

Gemessen an diesen Anforderungen konnte der vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg haben, da die Sache ersichtlich nicht eilbedürftig ist. Es fehlt an einem Anordnungsgrund. 

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin, ausweislich des vorgelegten Ausdruckes aus dem Computerprogramm PROSOZ des Sozialamtes vom 06.05.2019, Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII für den Monat Mai 2019 in Höhe von 1.232,28 Euro ausgezahlt. Eine Notlage für den Monat Mai 2019 ergibt sich daher nicht. Durch die beiden Anhörungsschreiben vom 26.03.2019 und vom 23.04.2019 sind die laufenden Leistungen vom Antragsgegner auch nicht aufgehoben worden. Durch die bloße Absicht der Aufhebung der Leistungen durch den Antragsgegner ergibt sich noch kein Nachteil für die Antragstellerin. Darüber hinaus hängt es alleine von der Antragstellerin ab, ihre möglicherweise ab Juni 2019 vorliegende Notlage durch Angabe ihrer Kontodaten an die Landesjustizkasse Rheinland-Pfalz und Veranlassung einer Auszahlung in Höhe von 8.670,80 Euro abzuwenden. Das Gericht sieht daher keine dringliche Notlage mehr gegeben, so dass es der Antragstellerin nunmehr möglich sein sollte, ein mögliches Hauptsacheverfahren abzuwarten.

Nach alledem war der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Rechtskraft
Aus
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