S 9 AY 4/18 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Asylbewerberleistungsgesetz
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 9 AY 4/18 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 AY 7/19 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Der Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz wird abgelehnt. 

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Rechtmäßigkeit einer Leistungskürzung nach § 1a Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für den Zeitraum vom 01.11.2018 bis 30.04.2019. 

Die 1974 geborene und verheiratete Antragstellerin ist somalische Staatsangehörige und hat insgesamt 6 Kinder. Sie reiste zusammen mit einem ihrer Kinder, ihrem minderjährigen behinderten Sohn, am 29.12.2013 nach Schweden ein. Ihr dort gestellter Asylantrag vom 29.12.2013 wurde abgelehnt. Sodann reiste sie zusammen mit ihrem Sohn in Deutschland ein und wurde erstmals am 25.02.2018 in der Landeserstaufnahmeeinrichtung Nordrhein Westfalen in C-Stadt registriert. Sodann wurde sie dem Bundesland Hessen zugewiesen und befand sich seit dem 19.03.2018 in der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung. Mit Bescheid vom 19.03.2018 wurden der Antragstellerin und ihrem Sohn Leistungen nach § 3 AsylbLG gewährt.

Ihr am 21.03.2018 gestellter Asylantrag wurde nach Anhörung am 22.03.2018 mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 04.04.2018 als unzulässig abgelehnt. Zugleich wurden die Abschiebung sowie die Überstellung nach Schweden angeordnet. Bezüglich des Bescheids des BAMF vom 04.04.2018 ist ein Gerichtsverfahren am VG Gießen anhängig. Nach Erlöschen der Aufenthaltsgestattung der Antragstellerin am 04.05.2018 erfolgte am 21.08.2018 die Überstellung der Antragstellerin sowie ihres Sohnes nach Schweden. Infolge eines Wiedereinreiseverbots wurde der Antragstellerin die Einreise nach Deutschland bis zum 20.11.2018 untersagt. In Schweden erfolgte keine neue Asylantragstellung. 

Am 07.09.2018 reiste die die Antragstellerin mit ihrem Sohn wieder in Deutschland ein. Mit Bescheid vom 04.09.2018 wurden ihr und ihrem Sohn Leistungen nach § 3 AsylbLG unbefristet gewährt. Ebenfalls am 04.09.2018 stellte die Antragstellerin einen erneuten Antrag zu Durchführung eines Asylverfahrens gemäß § 71 Asylgesetz (AsylG). Mit Bescheid vom 04.09.2018 teilte das BAMF der Antragstellerin mit, der Folgeantrag könne nicht bearbeitet werden, da zu ihrem ersten Antrag noch ein Gerichtsverfahren anhängig sei. 

Mit Bescheid vom 01.11.2018 kürzte der Antragsgegner sodann unter Aufhebung des Bescheids vom 04.09.2018 die bisher gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG für die Antragstellerin auf die den Umständen nach unabweisbar gebotenen Leistungen nach § 1a Abs. 1 AsylbLG für zunächst sechs Monate, konkret um den Barbetrag in Höhe von 135,00 €. Dieser wurde zuvor in Höhe von 112,00 € an die Antragstellerin ausgezahlt, 23,00 € wurden durch ein ÖPNV-Ticket als Sachleistung erbracht. Die Kürzung wurde damit begründet, dass die Antragstellerin zum Zwecke der Inanspruchnahme von Sozialleistungen erneut nach Deutschland eingereist sei, was sich aus gewissen Indizien ergebe. Hiergegen legte die Antragstellerin über ihre Prozessbevollmächtigte Widerspruch ein. Aufgrund der Asylantragstellung sei schon der Anwendungsbereich des § 1a Abs. 1 AsylbLG nicht eröffnet. Zudem sei die Wiedereinreise zur Durchführung eines Asylverfahrens erfolgt, weiterhin sei die Antragstellerin in Schweden mehrfach aufgefordert worden, eine freiwillige Ausreiseerklärung nach Somalia zu unterschreiben. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2018 wies der Antragsgegner den Widerspruch als unbegründet zurück.

Mit Bescheid vom 06.11.2018 erhielt die Antragstellerin eine bis zum 05.12.2018 befristete Duldung nach § 60a Abs. 2 S. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), verlängert am 18.12.2018 bis zum 18.01.2019. Am 13.12.2018 wurde sie zur Zulässigkeit ihres erneut gestellten Asylantrags angehört. Mit Bescheid vom 19.12.2018 wurde der Antrag abgelehnt. Hiergegen hat die Antragstellerin einen Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht Gießen erhoben, über welchen noch nicht entschieden ist. 

Am 21.12.2018 hat die Antragstellerin sodann vor dem Sozialgericht Marburg über ihre Prozessbevollmächtigte hinsichtlich der Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG Klage im Hauptsachverfahren sowie einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz erhoben. Die Antragstellerin sei nicht mit Leistungserlangungsabsicht nach Deutschland eingereist, sondern zu Durchführung des Asylverfahrens. Der Asylantrag in Schweden sei negativ beschieden worden, bei ihrem Aufenthalt in Schweden im August 2018 habe die Antragstellerin keinen erneuten Asylantrag stellen können. Vielmehr sei sie mehrfach aufgefordert worden, eine Erklärung zu unterschreiben, dass sie freiwillig nach Somalia zurückkehren werde. Ihr gehe es ausschließlich darum, einen sicheren Aufenthaltsstatus zu erreichen und nicht nach Somalia zurückkehren müssen. Zudem dürfte der Antragstellerin aufgrund des neuen Asylgesuchs der Aufenthalt im Sinne von § 55 AsylG gestattet sein und damit § 1a Abs. 1 AsylbLG auf sie nicht anwendbar sein.

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 01.11.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November anzuordnen, hilfsweise den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin ab Antragstellung bis 30.04.2019 Leistungen nach § 3 AsylbLG in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt, 

den Antrag abzulehnen.

Im Falle der Antragstellerin lägen umfangreiche Gründe vor, die eine sozialleistungsmotivierte Einreise belegen würden. So habe die Antragstellerin bereits am Tag ihrer Wiedereinreise nach Deutschland ein Antrag auf Gewährung von Leistungen gestellt, was auf Leistungsmissbrauchsabsicht hindeuten könne. Weiterhin habe sie bereits in ihrem ersten Antrag auf Leistungen angegeben, mittellos zu sein, so dass sie damit rechnen musste, auf staatliche Hilfe angewiesen zu sein. Zudem sei die Antragstellerin auf dem Landweg über sichere Drittstaaten eingereist, so dass kein Anhaltspunkt für das Aufbrauchen des gesamten Vermögens für die Einreise vorliege. Zudem würden auch die fehlenden Sprachkenntnisse sowie die nicht vorhandene Schul- oder Ausbildung den Schluss zulassen, da ihr von vornherein die Aussicht auf eine soziale und berufliche Integration erschwert sei. Zudem stehe sie dem Arbeitsmarkt vorerst nicht zur Verfügung, da sie ihren zehnjährigen im Rollstuhl sitzenden, geistig und körperlich behinderten Sohn zu betreuen habe. Weiterhin erfordere die gesundheitliche Verfassung des Sohnes eine kostenintensive Behandlung und Medikation. 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung sind.

II.

Dem Antrag bleibt der Erfolg verwehrt. Der zulässige Antrag ist unbegründet.

Rechtsgrundlage für den einstweiligen Rechtsschutz ist vorliegend § 86b Abs. 1 SGG. Ziel des Antrags der Antragstellerin ist die vorläufige Erbringung von höheren, nicht gemäß § 1a Abs. 1 AsylbLG eingeschränkten Leistungen durch den Antragsgegner; diese sind ihr für den hier streitigen Zeitraum ab Antragseingang beim SG zunächst mit Bescheid vom 04.09.2018 unbefristet bewilligt worden. Diese Bewilligung wurde mit Bescheid vom 01.11.2018 aufgehoben und der Antragstellerin nur noch gekürzte Leistungen gewährt. Dementsprechend kann eine höhere Leistungsgewährung durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage in der Hauptsache erreicht werden (vgl. LSG Bayern, Beschluss vom 17.09.2018 - L 8 AY 13/18 B). 

Nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Der von der Antragstellerin eingelegte Rechtsbehelf gegen den angegriffenen Aufhebungsverwaltungsakt hat nach § 11 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG keine aufschiebende Wirkung. Der gestellte Hauptantrag ist daher statthaft.

Der Antrag ist indes unbegründet.

Der Antrag nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist begründet, wenn nach summarischer Prüfung des Sachverhaltes das Interesse des Antragstellers an der Herstellung der aufschiebenden Wirkung (Suspensivinteresse) das Vollziehungsinteresse des Antragsgegners überwiegt. 

Dabei kommt es wesentlich auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache an. Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das Suspensivinteresse, ohne dass es noch auf eine besondere Eilbedürftigkeit ankäme. Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig, überwiegt das Vollzugsinteresse. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei der Grad der Erfolgsaussichten der Hauptsache und die Folgen der Verwaltungsentscheidung zu berücksichtigen sind. Es gilt der Grundsatz: Je größer die Erfolgsaussichten sind, umso geringer sind die Anforderungen an das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Umgekehrt sind die Anforderungen an die Erfolgsaussichten umso geringer, je schwerer die Verwaltungsmaßnahme wirkt. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung nicht erginge, die Klage aber später Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung erlassen würde, der Klage aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b, Rn. 12f). 

Um eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers zu treffen, ist zumindest erforderlich, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides bestehen. Ist in diesem Sinne eine Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens zu bejahen, ist weiterhin Voraussetzung, dass dem Betroffenen das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann, also ein gewisses Maß an Eilbedürftigkeit besteht (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.06.2007- L 28 B 753/07 AS ER).

Nach diesen Maßstäben ist hier die aufschiebende Wirkung nicht anzuordnen. Das Aussetzungsinteresse der Antragsteller überwiegt hier nicht das Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts bestehen keine ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides. Die Leistungskürzung der Antragsgegnerin ist nach bisherigen Sach- und Streitstand rechtmäßig.

Die Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 AsylbLG liegen im Falle der Antragsteller vor. Nach dieser Regelung erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 und Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 6, soweit es sich um Familienangehörige der in § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 genannten Personen handelt, die sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen, Leistungen nach diesem Gesetz nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist.

Die Antragstellerin gehört dem genannten Personenkreis an, weil sie ausweislich der Gesamtauskunft des Bundesverwaltungsamtes, Auszug aus dem Ausländerzentralregister vom 10.01.2019, über eine Duldung nach § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG verfügt, befristet bis 18.01.2019. Über eine Aufenthaltsgestattung verfügt die Antragstellerin nicht. Die Aufenthaltsgestattung aufgrund des ersten Asylantrages gemäß § 55 AsylG erlosch am 04.05.2018. Nunmehr, nach ihrer erneuten Einreise, hat die Antragstellerin einen Folgeantrag nach § 71 AsylG gestellt. Ob sich ein Folgeantragsteller auch auf das gesetzliche Bleiberecht der Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylG berufen kann, lässt sich aus dem Gesetz nicht eindeutig entnehmen. Für den Zeitraum bis zur Einleitung eines weiteren Asylverfahrens ist sie nicht mehr vorgesehen. Nach überwiegender Auffassung entsteht die Aufenthaltsgestattung demnach auch erst mit der Entscheidung über die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (vgl. Neundorf in: BeckOK AuslR, Stand: 1.8.2018, AsylG, § 55, Rn. 15). Dies ist noch nicht geschehen.

Weiterhin reiste die Antragstellerin zur ausreichenden Überzeugung des Gerichts erneut in die Bundesrepublik ein, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen. Dies ist der Fall, wenn im Zeitpunkt der Einreise oder Wiedereinreise das prägende Motiv des Hilfesuchenden gewesen sein, Leistungen nach dem AsylbLG in Anspruch zu nehmen. Demzufolge muss der Zweck der Inanspruchnahme von Leistungen neben anderen Gründen der bestimmende oder von prägender Bedeutung gewesen sein. Reisen Ausländer zu verschiedene Zwecken ein kommt es darauf an, welcher Zweck für die Einreiseabsicht von prägender Natur war. Diese Notwendigkeit folgt aus der Zweck-Mittel-Relation der Vorschrift (um zu). Prägende Bedeutung kommt dem Umstand, Leistungen zu beziehen, dann zu, wenn er für den Ausländer neben anderen Gründen so wesentlich war, dass er ansonsten nicht eingereist wäre. Der Bezug von Sozialleistungen aus anderen Motiven von untergeordneter Bedeutung, als beiläufiger Effekt wie auch als billigende Inkaufnahme des Zweckes reicht hingegen nicht aus (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Januar 2009 – L 20 B 58/08 AY; Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, 6. Aufl. 2018, AsylbLG, § 1a, Rn. 28; Oppermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, AsylbLG 2. Überarbeitung, § 1a, Rn. 27 ff.). 

Nach Aktenlage ergibt sich eindeutig ein wirtschaftlich geprägtes Interesse der Antragstellerin, erneut in Deutschland einzureisen. 

Die Antragstellerin führte in der ersten Anhörung zur Zulässigkeit ihres Asylantrages am 22.03.2018 aus, warum ihr Asylantrag in Schweden abgelehnt wurde, wisse sie nicht. Sie sei gegen die Ablehnung mithilfe eines Anwalts vorgegangen, der habe ihr aber nicht gesagt, warum sie abgelehnt wurde. Unterlagen aus Schweden könne sie nicht vorlegen, auch ihren Anwalt erreiche sie nicht mehr. Dieser gehe nicht mehr ans Telefon, sie habe auch keine Kontaktdaten mehr. Die ersten zwei Jahre in Schweden seien gut gewesen, die letzten zwei Jahre nicht; sie sei von einer Wohnung in die andere geschickt worden und habe sich verstecken müssen. Sie habe Schweden verlassen, weil sie dort ein schweres Leben und Angst hatte, nach Somalia zurückgeschickt zu werden. Würde sie dorthin zurückgeschickt, würde sie nicht mehr leben. In Schweden habe sie nicht gearbeitet oder eine Ausbildung gemacht, dass es sich um ihren Sohn kümmern müsse. Sie habe staatliche Hilfe erhalten, am Ende sei diese aber gekürzt worden. Sie möchte gerne in Deutschland bleiben, um hier frei zu leben. Die Tante ihres Sohnes lebe Deutschland, aber wo wisse sie nicht.

In der Anhörung zur Zulässigkeit des zweiten Asylantrags am 13.12.2018 führte die Antragstellerin erneut aus, warum der Asylantrag in Schweden abgelehnt worden sei wisse sie nicht, sie glaube aber es habe daran gelegen, dass sie ihr Hochzeitsdatum verwechselt habe. Sie habe einen kranken Sohn und viele Probleme, daher habe sie nicht auf das geachtet, was der Dolmetscher übersetzt habe. Als sie im August 2018 nach Schweden überstellt wurde, habe sie gedacht, die schwedischen Behörden würden etwas für sie tun. Dem war nicht so, man habe ihr mitgeteilt, sie wären nicht mehr zuständig, sie hätte kein Anrecht auf ein Schlafplatz oder Leistungen, sie sei auf sich allein gestellt. Sowohl das Sozialamt als auch die Polizei hätte nur geholfen, wenn sie die Einwilligung zur Rückreise nach Somalia unterschreibe. Sie habe nur ein paar Nächte im Hotel verbringen können, hiernach ohne etwas zu essen bzw. Windeln für ihren Sohn auf der Polizeistation bzw. der Straße gestanden. Fremde Leute hätten sie dann kurze Zeit bei sich zu Hause wohnen lassen. Sie habe niemand gehabt und wusste nicht wohin, nach Somalia zurück konnte sie nicht. Sie habe den Fremden gesagt, dass sie wieder zurück nach Deutschland und dort wieder einen Asylantrag stellen wolle. Diese hätten dann Geld für sie gesammelt, damit sie nach Deutschland reisen könne. Sie wolle nicht zurück nach Schweden, dass sie befürchte dass sie dann entweder wieder auf der Straße leben zu müssen oder unterschreibe und zurück nach Somalia gehen müsse, wo sie sterben werde.

Auch mit eidesstattlicher Versicherung vom 01.10.2018, abgegeben bei der Anhörung zur Leistungsgewährung für ihren Sohn nach § 3 AsylbLG, stellte die Antragstellerin die Ereignisse in Schweden wie oben geschildert dar. 

Die Schilderung dieser Vorgänge hält die Kammer für glaubhaft. Die Schilderungen sind widerspruchsfrei; über die Situation der Antragstellerin in Schweden hat die Antragstellerin einen im Internet abrufbaren Artikel vorgelegt, welcher die Angaben bestätigt. Zum anderen lässt sich der ebenfalls von der Antragstellerin vorgelegten Begründung des Eilantrages vor dem Verwaltungsgericht Gießen entnehmen, dass im Juni 2016 das schwedische Asylbewerberaufnahmegesetz geändert wurde. Die Änderung bewirke, dass erwachsene Asylbewerber ohne Kinder, deren Asylantrag abgelehnt wurde, kein Anspruch mehr auf Unterkunft, Unterhaltsgeld und Sonderhilfe haben. Mit der Änderung solle unter anderem der Anreiz für eine freiwillige Rückreise erhöht werden. Zwar hätten Kinder und Erwachsene, die mit Kindern leben, grundsätzlich weiterhin Anspruch auf Unterstützung. Allerdings sei die Ausschlussnorm, kein Recht auf Unterstützung habe, wer sich der Abschiebung oder Ausweisung entziehe, auch auf sie anwendbar, so dass auch Familien mit Kindern vom Ausschluss jeglicher staatlicher Unterstützung betroffen sein könnten. Weiterhin verliere ein abgelehnter Asylbewerber seinen Anspruch auf Unterstützung auch dann, wenn er aus Schweden ausgereist und später zurückkehrt sei (vgl. hierzu auch den Artikel unter https://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/5031777/Asylpolitik _Schweden-schafft-es-nicht-mehr). 

Hieraus ergibt sich in ausreichendem Maß, dass die Antragstellerin wieder nach Deutschland einreisen wollte, da sie in Schweden keine staatliche Unterstützung mehr erfahren hat. Sie führt aus, sie habe bei ihrer Rückkehr nach Schweden gedacht, solche zu erhalten, aber niemand habe sich gekümmert. Die Beziehung von Sozialleistungen war daher nicht lediglich ein beiläufiger Effekt der Einreise. Vielmehr ist der Antragstellerin bewusst, dass sie hätte auch in Schweden bleiben können, dann aber wegen fehlender finanziellen Mittel sowie der aufgrund der Versorgung ihres Sohnes nicht bestehenden Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit „auf der Straße gestanden hätte“. Es kam der Antragstellerin daher gerade darauf an, hier wieder versorgt zu sein und Medikamente für ihren kranken Sohn zu bekommen. Wäre es ihr lediglich um den Asylantrag gegangen, so hätte sie auch in Schweden auf den Ausgang des anhängigen Gerichtsverfahrens vor dem VG Gießen warten können. Ihr war zudem bewusst, dass sie aufgrund ihrer völligen Mittellosigkeit und der Krankheit ihres Sohnes hier auf staatliche Unterstützung angewiesen war. 

Konkrete Gründe für die Flucht sowie für eine nicht mögliche Rückkehr nach Somalia, wo ihr Ehemann und fünf weitere Kinder von ihr leben, hat die Antragstellerin weder in den Anhörungsverfahren zu ihren Asylanträgen noch im hiesigen Gerichtsverfahren benannt. Sie begründet dies lediglich pauschal damit, dass sie dort sterben werde. Andere prägende Gründe für die Wiedereinreise hat die Antragstellerin damit nicht substantiiert dargetan. Sie hat keinen asylrelevanten Tatsachen für die Einreise vorgetragen; die lediglich pauschale Behauptungen einer Gefährdung in ihrem Heimatland vermag die Angaben zur finanziellen Situation nicht widerlegen. Eine Familienzusammenführung als Grund der Einreise scheidet ebenfalls aus; weder hat die Antragstellerin dies vorgetragen, noch sind hierfür Gründe ersichtlich, da die Antragstellerin zwar angegeben hat, eine Tante des Sohnes lebe in Deutschland, aber keinen weiteren Bezug zu dieser angegeben hat. 
Aus alldem sowie der Tatsache, dass die Antragstellerin, die einen kranken Sohn zu versorgen hat, aus einem sicheren Drittstaat, in welchem sie vier Jahre verweilte, nach Ablehnung eines Asylantrages in Deutschland bei völliger Mittellosigkeit erneute wieder in der Bundesrepublik einreiste, gibt sich, dass prägendes Motiv der erneuten Einreise die Erlangung staatlicher Unterstützungsleistungen war. 

Als Rechtsfolge des § 1a Abs. 1 AsylbLG erhält die Antragstellerin Leistungen nach AsylbLG nur, soweit diese im Einzelfall unabweisbar geboten sind. Einwendungen gegen die (Rest-) Leistungshöhe wurden nicht vorgetragen und sind nicht ersichtlich.
Inhalt und Umfang des unabweisbar Gebotenen sind durch den zuständigen Leistungsträger anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls allein bedarfsorientiert festzulegen. Dabei stellt das Tatbestandsmerkmal des unabweisbar Gebotenen einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Eine generalisierende, auf typische Bedarfslagen abstellende Bestimmung eingeschränkter Leistungsansprüche ist von vornherein unzulässig. Die Beschränkung auf das „unabweisbar Gebotene“ verlangt abweichend die Prüfung, welche besonderen persönlichen Lebensumstände es zwingend erforderlich machen, im Einzelfall weitere Leistungen zu gewähren, die nicht die physische Existenzsicherung betreffen. Es verbieten sich im Anwendungsbereich des § 1a AsylLG typisierende Festlegungen auf ein bestimmtes Leistungsniveau (vgl. SG Bayreuth, Beschluss vom 14.12.2017 - S 5 AY 20/17 ER m. w. N.).

Der Antragsgegner hat den Barbetrag der Antragstellerin gekürzt, die Leistungen für Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege sowie Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushaltes werden weiterhin gewährt. Er gewährt damit das physische Existenzminimum. Die befristete vollständige Kürzung des Barbetrags ist zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 12.05.2017 - B 7 AY 1/16 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.04.2017 - L 7 AY 4898/15).
Es bestehen nach summarischer Prüfung keine berechtigten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides. 

Nach alldem war der Antrag abzuweisen. 

Die Kostenentscheidung folgt aus dem entsprechend anwendbaren § 193 SGG

Rechtskraft
Aus
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