Eine Beitragszahlung in Höhe von insgesamt 7.500,00 Euro für den Zeitraum von zehn Quartalen bedeutet, jedenfalls soweit es an einem entsprechenden Vortrag fehlt, für einen Arzt keine unbillige Härte, die entgegen des gesetzlich vorgegebenen Regel-Ausnahmeverhältnisses die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Widersprüche rechtfertigt.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin vom 15.10.2019, 23.03.2020 und 25.10.2021 gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 18.09.2019, 09.03.2020 und 06.10.2021 wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 1.875,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche vom 15.10.2019, vom 23.03.2020 und vom 25.10.2021 gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 18.09.2019, vom 09.03.2020 und vom 06.10.2021.
Die Antragstellerin ist als niedergelassene Privatärztin in A-Stadt tätig.
Mit Schreiben vom 20.03.2019 und vom 15.05.2019 versandte die Antragsgegnerin an alle Privatärzte gerichtete Rundschreiben über die Einbeziehung der Privatärzte in den Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (kurz: ÄBD). In den Schreiben teilte die Antragsgegnerin mit, dass eine Einbeziehung der Privatärzte in den ÄBD ab dem 01.07.2019 geplant sei. Sie informierte über das Procedere zur Teilnahme und machte Ausführungen zu den bestehenden Teilnahmevoraussetzungen und die beizubringenden Nachweise und informierte über Befreiungsgründe. Weiter stellte sie die finanziellen Rahmenbedingungen dar und verwies auf zukünftig jährlich ergehende Beitragsbescheide. Das Schreiben schloss mit der Bitte, sich bei Bedarf rechtzeitig zu einem Seminar anzumelden und die erforderlichen Unterlagen einzureichen, damit ein reibungsloser Beginn der Mitwirkung im ÄBD gewährleistet werden könne.
Mit Bescheiden vom 18.09.2019 (Quartale III/19 und IV/19, Bl. 8 f. d. Verwaltungsakte), vom 09.03.2020 (I/20 bis IV/20, Bl. 16 f. d. Verwaltungsakte) und vom 06.10.2021 (I/21 bis IV/21, Bl. 4 f. d. Gerichtsakte) setzte die Antragsgegnerin die Höhe des zur Finanzierung des ÄBD von der Antragstellerin zu leistenden Beitrages auf 750,00 Euro pro Quartal fest.
Mit Schreiben des ehemaligen Prozessbevollmächtigten vom 15.10.2019 (Bl. 10 f. d. Verwaltungsakte), vom 23.03.2020 (Bl. 18 f. d. Verwaltungsakte) und mit Schreiben der Antragstellerin selbst vom 25.10.2021 (Bl. 6 ff. d. Gerichtsakte) legte die Antragstellerin jeweils Widerspruch gegen die Beitragsbescheide ein und beantragte für 2019 und 2020 die Aussetzung der Vollziehung.
Die Widersprüche wurden aufgrund anhängiger Gerichtsverfahren zurückgestellt, wobei die Antragsgegnerin in einem Rundschreiben vom 01.09.2020 mitteilte, dass von einer Vollstreckung der Beitragsbescheide für die Jahre 2019 und 2020 bis zum 31.12.2020 abgesehen werde (Bl. 22 ff., 26 ff. d. Verwaltungsakte, Bl. 41 ff. d. Gerichtsakte).
Mit Schreiben vom 24.06.2020 und vom 25.10.2021 erinnerte die Antragsgegnerin an die Zahlung für die Quartale III/19 bis IV/20 und wies darauf hin, dass keine aufschiebende Wirkung bestehe (Bl. 21/41 d. Verwaltungsakte).
Mit Schreiben vom 04.12.2020 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin eine individuelle Beitragsreduzierung für die Jahre 2019 und 2020 (Bl. 32 d. Verwaltungsakte). Mit Bescheiden der Antragsgegnerin vom 11.08.2021 wurde der Antrag für die Beitragsjahre 2019 und 2020 abgelehnt, weil die Antragstellerin keinen Nachweis über ihr Jahresbruttoeinkommen vorgelegt habe (Bl. 34 ff. d. Verwaltungsakte).
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 05.11.2021 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin auf, die sofortige Vollziehung der Bescheide ganz auszusetzen. Die Widersprüche hätten aufschiebende Wirkung. Daneben bestünden ernstliche Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes (Bl. 43 ff. d. Verwaltungsakte).
Die Antragsgegnerin lehnte mit Schreiben vom 16.11.2021 den Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Bescheide über die Höhe des zur Finanzierung des ÄBD zu leistenden Beitrages für die Quartale III/19 bis IV/21 ab (Bl. 48 ff. d. Verwaltungsakte). Die Beiträge der Privatärzte seien eine Beitragspflicht im Sinne des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG. Eine Aussetzung der Vollziehung könne nur erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestünden oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentlichen Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt. Für die ernstlichen Zweifel würden bloße Bedenken nicht genügen. Anhaltspunkte für eine unbillige Härte seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Grundsätzlich könne ein Antrag auf Beitragsreduzierung gestellt werden. Im Einzelfall sei auch eine Ratenzahlungsvereinbarung möglich. Es sei auch genügend Zeit eingeräumt worden, um etwa Ansparungen vorzunehmen. Des Weiteren würde das Interesse der Antragsgegnerin an der Sicherstellung und Gewährleistung des Versorgungsangebotes des ÄBD und die Deckung der hierfür entstehenden laufenden Kosten sowie das Interesse der Vertragsärzte an einer finanziellen Beteiligung der Privatärzte das Interesse der Antragstellerin, keine Beiträge an die Antragsgegnerin zu leisten, überwiegen.
Am 29.11.2021 hat die Antragstellerin durch ihren Prozessbevollmächtigten einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche beim Sozialgericht gestellt. Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die im Rahmen von rechtlichen Hinweisen in den Musterverfahren von unabhängigen Kammern des Gerichts geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die streitgegenständlichen Bescheide ausreichen würden, um ernstliche Zweifel im Sinne von § 86a Abs. 3 S. 2 SGG anzunehmen. Es komme nicht darauf an, dass die Kammern noch keine Entscheidung in der Sache getroffen hätten. Dadurch, dass die ernstlichen Zweifel vorliegen würden, bedürfe es auch nicht mehr einer unbilligen, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen Härte. Eine solche läge aber bereits dadurch vor, dass Beiträge aus rechtswidrigen Bescheiden gezahlt werden sollen und gleichzeitig eine Rückforderungsklage erforderlich werde. Vor dem Hintergrund verfassungswidriger Bescheide erschließe es sich nicht, warum überhaupt noch eine Interessenabwägung durchgeführt werden müsse. Im Rahmen einer solchen sei aber die bereits aktenkundige Grundrechtsverletzung und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin die Verwaltungsakte seit einem bzw. zwei Jahren nicht vollzogen habe.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Widersprüche vom 15.10.2019, 23.03.2020 und 25.10.2021 gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 18.09.2019, 09.03.2020 und 06.10.2021 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 86b SGG anzuordnen, zumindest bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Auffassung, die Widersprüche hätten nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung, da es sich um Entscheidungen über Beitragspflichten und mithin Festsetzungen einer Zahlungspflicht gegenüber der Antragsgegnerin handele. Der Antrag sei unbegründet, da das Vollzugsinteresse überwiege. Die angegriffenen Bescheide seien nach summarischer Prüfung nicht offensichtlich rechtswidrig. Die Beitragsbescheide seien rechtmäßig. Wirksame Rechtsgrundlage sei § 23 Nr. 2 HessHeilberG i. V. m. § 8 Abs. 3 BDO. Auch das Gericht würde von der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit der Teilnahme- und Kostenbeteiligungspflicht der Privatärzte am ÄBD ausgehen. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Beitragsbemessung fehle es bislang an einer Entscheidung des Sozialgerichts bzw. einer höherinstanzlichen Entscheidung, weshalb keine offensichtliche Rechtswidrigkeit zu erkennen sei. Im Übrigen könne aufgrund der ungeklärten Rechtslage nicht von einer Interessenabwägung abgesehen werden. Eine Unzumutbarkeit der Vollstreckung sei weder vorgetragen, noch ersichtlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).
1. Der Antrag ist zulässig. Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Bescheide der Antragsgegnerin gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –.
Dafür ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Wegen des akzessorischen Charakters des Eilverfahrens bestimmt das Hauptsacheverfahren den Rechtsweg zu den Sozialgerichten nach § 51 SGG. Zuständig ist das Gericht, das mit der Hauptsache befasst ist oder befasst wäre (Wahrendorf in: Roos u.a., Beck OGK SGG, Stand: 01.11.2021, § 86b Rn. 30). Vorliegend geht es um die Erhebung von Beiträgen zur Finanzierung des ÄBD durch die Antragsgegnerin. Hierfür wären in der Hauptsache die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig. Die Kammer schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. nur BSG, Beschluss vom 05.05.2021, Az. B 6 SF 1/20 R) an. Danach ist für Streitigkeiten über die Teilnahme am ÄBD der Antragsgegnerin einschließlich der Verpflichtung zur Kostenbeteiligung der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Eine Verweisung des Rechtsstreits ist nur dann geboten und zulässig, wenn der beschrittene Rechtsweg schlechthin, d. h. für den Klageanspruch mit allen in Betracht kommenden Klagegründen, nicht eröffnet ist. Ist das – wie hier – nicht der Fall, entscheidet das angegangene Gericht des zulässigen Rechtsweges nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten.
Nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Der Antrag ist schon vor Klageerhebung zulässig (§ 86b Abs. 3 SGG).
Nach § 86a Abs. 1 S. 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt aber nach den in § 86a Abs. 2 SGG genannten Fällen. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG ordnet das Entfallen der aufschiebenden Wirkung zum Beispiel bei der Entscheidung über Beitragspflichten an. Darunter ist jedenfalls die Festsetzung einer Zahlungspflicht zu verstehen (Keller in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Aufl. 2020, § 86a Rn. 13).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Die zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemachten Widersprüche der Antragstellerin vom 15.10.2019, vom 23.03.2020 und vom 25.10.2021 richten sich gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 18.09.2019, vom 09.03.2020 und vom 06.10.2021. In diesen Bescheiden setzte die Antragsgegnerin Beiträge zur Finanzierung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes fest. Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche entfällt in diesen Fällen gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Ein allgemeines Rechtsschutzinteresse besteht, weil die Antragsgegnerin durch ihre Zahlungserinnerungen zu erkennen gegeben hat, die Beiträge vor Abschluss der anhängigen Widerspruchs- oder Klageverfahren beizutreiben.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Bei der Entscheidung über einen Antrag nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Gericht eine Abwägung des Suspensivinteresses der Antragstellerin, also des Interesses, die Wirkung des angefochtenen Bescheides (zunächst) zu unterbinden, mit dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin vorzunehmen (vgl. Harks in: Hauck/Behrend, SGG, Stand: Dezember 2020, § 86b Rn. 60).
Bei der Abwägung der gegenteiligen Interessen sind die Erfolgsaussichten in einem Hauptsacheverfahren von entscheidender Bedeutung. Die summarische Prüfung erfolgt nicht aufgrund eines starren Prüfungsschemas. Vielmehr gilt: Je größer die Erfolgsaussichten sind, umso geringere Anforderungen sind an das Aussetzungsinteresse zu stellen. Leitlinie ist, dass bei einem offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakt, wenn der Betroffene in seinen subjektiven Rechten verletzt ist, das Gericht die aufschiebende Wirkung anordnet. Denn am Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein öffentliches Interesse. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, ist von einem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug auszugehen. Sind die Erfolgsaussichten nicht endgültig abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei der Grad der Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen ist (Bay. LSG, Beschl. v. 30.07.2009, Az. L 12 B 1074/08 KA ER, Juris Rn. 16; Keller in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Aufl. 2020, § 86b Rn. 12e ff.).
Bei der Interessenabwägung ist auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in der vorliegenden Konstellation ein Regel-/Ausnahmeverhältnis angeordnet hat: Aus der Wertung des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG ergibt sich, dass der Gesetzgeber aufgrund einer typisierenden Abwägung der Individualinteressen und der öffentlichen Interessen dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug prinzipiell Vorrang gegenüber entgegenstehenden privaten Interessen einräumt. In der Regel überwiegt daher in solchen Fällen das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin (vgl. BSG, Beschl. v. 29.08.2011, Az. B 6 KA 18/11 R, Juris Rn. 12). Eine Abweichung von diesem Regel-/Ausnahmeverhältnis durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs kommt in Betracht, wenn eine besondere Sachlage im Einzelfall ausnahmsweise zu einem Überwiegen des privaten Interesses der durch den Bescheid belasteten Person führt.
Diese Wertung folgt auch aus § 86a Abs. 3 S. 2 SGG, nach dem eine Aussetzung der sofortigen Vollziehung durch die Behörde in den Fällen erfolgen soll, in denen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides bestehen, wenn auf der Basis einer summarischen Prüfung der Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (Hess. LSG, Beschl. v. 26.03.2009, Az. L 1 KR 331/08 B ER, Juris, Rn. 25; Keller in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Aufl. 2020, § 86a Rn. 27a m. w. N.). Insbesondere dann, wenn die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines belastenden Verwaltungsaktes in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren besonders schwierig oder ohne weitere Ermittlungen nicht möglich ist, weil sie von der Klärung komplizierter Rechtsprobleme, etwa von einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm abhängt, die Entscheidung nur auf der Grundlage einer weiteren Sachaufklärung möglich ist, insbesondere die Anhörung der Beteiligten, von Zeugen oder die Beiziehung von Akten oder weiterer Unterlagen erfordert oder der Erörterung des Falles in der mündlichen Verhandlung unter Beteiligung der sachkundigen ehrenamtlichen ärztlichen Beisitzer bedarf, können die Sozialgerichte auf die summarische Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes verzichten. In einem solchen Fall ist der Erfolg eines Widerspruchs oder einer Klage regelmäßig ebenso wahrscheinlich wie ihr Misserfolg, so dass es für ein Obsiegen in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes darauf ankommt, ob Widerspruch und Klage nach der Entscheidung des Gesetzgebers kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zukommen soll oder nicht. Ist die aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes ausgeschlossen, kann ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Anlehnung an § 86a Abs. 3 S. 2 SGG nur dann Erfolg haben, wenn die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 14.03.2008, Az. L 7 B 10/08 KA ER, Juris Rn. 2).
Eine unbillige Härte liegt dann vor, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wiedergutgemacht werden können. Insoweit ist regelmäßig der Vortrag vollständiger, nachvollziehbarer und schlüssiger Tatsachen über die aktuelle wirtschaftliche Situation des Antragstellers durch diesen erforderlich (Keller in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Aufl. 2020, § 86a Rn. 27b).
Nach diesem Maßstab war die aufschiebende Wirkung im vorliegenden Fall nicht anzuordnen, da die Interessenabwägung nicht zu einer Umkehr des gesetzlich vorgeschriebenen Regel-/Ausnahmeverhältnisses führt. Insbesondere liegen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes vor und es ist nicht ersichtlich, dass die Vollziehung für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hat.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen nicht. Daran ändert auch der Verweis der Antragstellerin auf die in den Hauptsacheverfahren geäußerten rechtlichen Bedenken der Kammer an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung nichts. Aus den lediglich vorläufigen Einschätzungen der Kammer lässt sich zwar schlussfolgern, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache nicht aussichtslos ist. Die für die Annahme ernstlicher Zweifel erforderliche Prognose, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als der Misserfolg, kann auf dieser Grundlage nicht getroffen werden. Es handelt sich um die vorläufige Einschätzung in einem laufenden Hauptsacheverfahren zu einer auch verfassungsrechtlich geprägten Fragestellung. Eine rechtskräftige Entscheidung auf Grundlage dieser Einschätzung ist bislang nicht ergangen. Die Aussicht der Klage auf Erfolg ist zum jetzigen Zeitpunkt als ebenso wahrscheinlich wie ihr Misserfolg einzuschätzen. Der Ausgang des Verfahrens ist ungewiss.
Das Vorliegen einer unbilligen Härte durch den Vollzug der Zahlungspflicht ist nicht im Ansatz erkennbar, da die Antragstellerin trotz ausdrücklichen gerichtlichen Hinweises auf die Notwendigkeit der Darlegung einer unbilligen Härte keine Einzelheiten zu den wirtschaftlichen Folgen der Belastung durch die Beitragszahlung vorgebracht hat. Der pauschale Verweis der Antragstellerin, dass sich allein aus der drohenden Vollstreckung der streitgegenständlichen Bescheide die Eilbedürftigkeit des vorliegenden Verfahrens ergibt, verfängt nicht, sondern rekurriert nur auf die übliche Konsequenz einer Zahlungspflicht. Eine über diese reine Zahlungspflicht hinausgehende, besondere wirtschaftliche Belastung kann die Kammer im Fall der Antragstellerin nicht erkennen. Der Vortrag vollständiger, nachvollziehbarer und schlüssiger Tatsachen über die aktuelle wirtschaftliche Situation der Antragstellerin ist weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren erfolgt. Insofern ist es zumutbar, zunächst eigenes Vermögen einzusetzen (so auch überzeugend die 12. Kammer des hiesigen Gerichts: SG Marburg, Beschl. v. 20.12.2021, S 12 KA 305/21 ER, Juris Rn. 48 ff.).
Auch im Rahmen einer allgemeinen Interessenabwägung ergäbe sich kein anderes Ergebnis, da das behördliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin zur Überzeugung der Kammer überwiegt. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist ungewiss. Das Vorliegen besonderer Härten hat die Antragstellerin nicht vorgetragen. An der Erhebung der Beiträge zur Durchführung und Aufrechterhaltung des Bereitschaftsdienstes als Bestandteil der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung besteht indes ein überwiegendes öffentliches Interesse.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 4, § 52 Abs. 1, 3 S. 1, § 1 Abs. 2 Nr. 3 Gerichtskostengesetz – GKG – i. V. m. § 197a Abs. 1 S. 1 SGG. Beim vorliegenden Verfahren nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG ist ein Viertel des Hauptsachestreitwertes anzusetzen, weil mit dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wie bei einer Sicherungsanordnung ein bestehendes Rechtsverhältnis gegen Veränderungen auf Grund der im Hauptsacheverfahren angefochtenen Bescheide gesichert werden soll (vgl. Nr. 10.2 des Streitwertkatalogs für die Sozialgerichtsbarkeit).