S 2 AL 47/19

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 2 AL 47/19
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 31/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zustatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zahlung von Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch – SGB III.

Der Kläger beantragte nach Aussteuerung aus dem Krankengeldbezug zum 03.04.2018 Arbeitslosengeld ab dem 03.04.2018 bei der Beklagten. Im Antrag vom 06.04.2018 war angegeben, der Kläger sei weiterhin arbeitsunfähig krank geschrieben. Die Beklagte übersandte sodann mit Schreiben vom 06.04.2018 ein Merkblatt über das Verfahren nach § 145 SGB III sowie einem vom Kläger auszufüllenden Gesundheitsfragebogen. 

Mit Bescheid vom 11.07.2018 bewilligte die Beklagte sodann aufgrund des noch fehlenden ärztlichen Gutachtens zunächst vorläufig Arbeitslosengeld ab dem 03.04.2018 für 450 Kalendertage in Höhe von 50,34 € täglich. Mit sozialmedizinischer gutachterlicher Stellungnahme vom 10.08.2018 wurde mitgeteilt, das Ende der Arbeitsunfähigkeit könne nicht ausreichend trennscharf innerhalb der 6-Monats-Frist fest gutachterlich terminier werden, so dass aus agenturärztlicher Sicht die medizinischen Voraussetzungen nach § 145 SGB III zu bejahen seien.  Hierauf bewilligte die Beklagte abschließend mit Bescheid vom 13.08.2018 Arbeitslosengeld mit vorgenannter Dauer und Höhe und forderte den Antragsteller mit Schreiben gleichen Datums auf, innerhalb der Frist von einem Monat einen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation zu stellen; dieser Antrag gelten als Rentenantrag, sollten Rehabilitationsleistungen nicht in Betracht kommen.  

Mit Schreiben vom 06.09.2018 beantragte der Kläger sodann über die Beklagte Leistungen der Rehabilitation bei der Deutschen Rentenversicherung. Den Antrag leitete die Beklagte zusammen mit dem ärztlichen Gutachten vom 10.08.2018 an den Rentenversicherungsträger weiter mit der Bitte zur Prüfung der Erwerbsfähigkeit des Klägers. Dieser stellte nach ärztlicher Stellungnahme vom 29.09.2018 mit am 20.12.2018 unterschriebenen Formular das Vorliegen einer zeitlich befristeten vollen Erwerbsminderung fest. Mit Bescheid vom 02.01.2019 lehnte der Rentenversicherungsträger den Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ab, weil die Erwerbsfähigkeit durch solche Leistungen nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden könne. Mit weiterem Schreiben vom 02.01.2019 teilte er dem Kläger zudem mit, der Antrag auf Leistungen zur Teilhabe gelte als Antrag auf Rente. Um das Rentenverfahren durchführen zu können, werde er gebeten, bei einer zuständen Stelle ein Rentenantragsformular auszufüllen. Mit Schreiben vom 29.01.2019 legte der Kläger sodann beim Rentenversicherungsträger “gegen den Bescheid vom 02.01.2019“ Widerspruch ein.
Mit Schreiben vom 14.02.2019 forderte die Beklagte den Kläger auf, einen formularmäßigen Rentenantrag bei der Beigeladenen zu stellen und dies bis zum 15.03.2019 nachzuweisen. Mit weiterem Schreiben vom gleichen Datum belehrte die Beklagte den Kläger über seine Mitwirkungspflichten hinsichtlich der Feststellung, ob eine Erwerbsminderung vorliege durch den zuständigen Rentenversicherungsträger. Mit Schreiben vom 25.02.2019, überschrieben mit „Widerspruch, Ihr Schreiben vom 14.02.2019“ teilte der Kläger mit, er wolle mitwirken, habe aber gegen die Umwandlung des Antrags auf Leistungen zur Rehabilitation in einen Rentenantrag bei der Rentenversicherung Widerspruch eingelegt. Dieses Schreiben wertete die Beklagte als Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.02.2019, mit welchem dem Antragsgegner mitgeteilt worden sei, dass im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung eine Mitwirkung erforderlich sei und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.04.2019 als unbegründet zurück. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. 

Mit Schreiben vom 19.03.2019 fragte die Beklagte sodann beim Rentenversicherungsträger an, ob der Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation in einen Rentenantrag umgewandelt und die formelle Rentenantragstellung erfolgt sei und bat, das Leistungsvermögen des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mitzuteilen. Mit handschriftlichem Eintrag auf dem Schreiben der Beklagten vom 25.03.2018, eingegangen bei der Beklagten am 02.04.2019, teilte der Rentenversicherungsträger mit, es liege ein unter dreistündiges Leistungsvermögen vor; die Umwandlung des Rehabilitationsantrages sei wegen des Widerspruchs des Antragstellers noch nicht vollzogen worden, eine Entscheidung über den Widerspruch gegen die Umdeutung stehe von Seiten der Rehabilitationsabteilung noch aus.

Mit Aufhebungsbescheid vom 24.04.2019 hob die Beklagte daraufhin die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 24.04.2019 auf. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 23.05.2019 Widerspruch ein. Er habe gegen die Umwandlung des Antrags auf Leistungen zur Rehabilitation in einen Rentenantrag bei der Beigeladenen Widerspruch eingelegt und Akteneinsicht beantragt; diese Akteneinsicht sei bis heute noch nicht erfolgt. Dennoch sei die Bewilligung von Arbeitslosengeld aufgehoben worden. Er habe kein Geld mehr und sei nicht versichert. Es sei unverständlich, warum die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegenüber dem Rentenversicherungsträger nicht berücksichtigt werde. Er verstehe auch nicht, warum ab dem 24.04.2019 kein Arbeitslosengeld mehr gezahlt werde, obwohl er das Recht zum Widerspruch binnen eines Monats habe. Mit Schreiben vom 24.05.2019 sowie vom 26.05.2019 vertiefte er diese Begründung. Er habe immer mitgewirkt, dennoch habe er eine Aufforderung zur Mitwirkung erhalten. Er bitte um eine verständliche Begründung, warum die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 24.04.2019 aufgehoben worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.05.2019 hob die Beklagte in Abänderung des Bescheids vom 24.04.2019 die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 28.04.2019 auf und wies den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Dem Kläger sei Arbeitslosengeld unter den Bedingungen des § 145 SGB III zuerkannt worden. Hiernach könne das Arbeitslosengeld jedoch nur solange gewährt werden, bis der Rentenversicherungsträger eine Entscheidung über die Erwerbsminderung getroffen habe. Dieser habe verminderte Erwerbsfähigkeit festgestellt und dies der Beklagten am 02.04.2019 mitgeteilt. Aufgrund der vorliegenden Entscheidung des Rentenversicherungsträgers habe der Kläger keinen Anspruch darauf, dass ihm trotz seines eingeschränkten Leistungsvermögens Leistungen nach § 145 SGB III gezahlt würden. Denn auch wenn er der Umdeutung des Rehabilitationsantrags widersprochen habe, liege doch eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers vor. Da der Bescheid vom 24.04.2019, welche am gleichen Tag zur Post aufgegeben wurde, nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X als am 27.04.2019 als zugestellt gelte, sei die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld abweichend vom streitgegenständlichen Bescheid ab dem 28.04.2019 aufzuheben gewesen.

Den sodann vom Kläger am 27.05.2019 erhobenen Eilantrag am hiesige Gericht wies die Kammer mit Beschluss vom 22.08.2019, AZ S 2 AL 39/19 ER zurück. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Klägers wies das LSG Hessen mit Beschluss vom 30.10.2019, AZ L 7 AL 91/19 B ER zurück. 
Mit der am 02.07.2019 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter. Er habe einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 145 SGB III bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rentenversicherungsträgers. Er verweist auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 09.09.1999 – B 11 AL 13/99 R

Der Antragsteller beantragt zuletzt wörtlich,

den Bescheid vom 24.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.05.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dass ihm die ihm zustehenden Leistungen Nahtlosigkeitsregelung § 145 weiter vom 28.04.2019 bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung gezahlt werden. 

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.    

Sie hält ihren Bescheid für rechtmäßig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.08.2019 hat der Rentenversicherungsträger den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Mit Verfügung vom 22.08.2019 und 12.09.2019 hat das Gericht die Beteiligten zu einer Entscheidung mittels Gerichtsbescheid angehört. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren. 
 
Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden. Die Sache weist keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, der Sachverhalt ist geklärt. Die Beteiligten haben keine Einwände erhoben. 

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 24.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids C-Stadt vom 29.05.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat keinen Anspruch auf die Zahlung von Arbeitslosengeld ab dem 29.04.2019. 

Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 24.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.05.2019, mit welchem die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 28.04.2019 aufgehoben hatte. Streitig ist nach dem vorgebrachten Begehren des Klägers die weitere Zahlung von Arbeitslosengeld ab dem 29.04.2019 zu einer rechtskräftigen Entscheidung der Rentenversicherung. Die Klage ist daher als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auszulegen und als solche statthaft. 

Die Klage ist aber unbegründet. 

Rechtsgrundlage des Anspruchs ist §§ 136 ff. SGB III. Nach § 136 Abs. 1 Nr. 1 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit. Nach § 137 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, wer Nr. 1 arbeitslos ist, sich Nr. 2 bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet hat und Nr. 3 die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Nach § 138 Abs. 1 SGB III ist arbeitslos, wer 1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, 2. sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden und 3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Nach § 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III steht den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung, wer insbesondere eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf. Damit ist zu unterscheiden zwischen der objektiven, also willensunabhängigen Gegebenheiten, und der subjektiven Verfügbarkeit, der Arbeitsbereitschaft des Leistungsempfängers (vgl. Baldschun in: Gagel, Stand: September 2019, SGB III, § 138, Rn. 148).

Der Kläger hatte im Antrag auf Arbeitslosengeld angegeben, weiterhin arbeitsunfähig erkrankt zu sein. Zu prüfen waren daher im Hinblick auf die Frage, ob der Kläger den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht, die Voraussetzungen des § 145 SGB III, der so genannten Nahtlosigkeitsregelung). Nach § 145 Abs. 1 S. 1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld auch eine Person, die allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil sie wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung ihrer Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn eine verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist. Durch diese Regelung wird die objektive Verfügbarkeit des Leistungsempfängers fingiert. Die Feststellung, ob eine verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt, trifft der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, § 145 Abs. 1 S. 2 SGB III

Nach der sozialmedizinischen gutachterlichen Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 10.08.2018 sind beim Kläger die Voraussetzungen des § 145 SGB III, namentlich eine Leistungsfähigkeit unter drei Stunden für mehr als sechs Monate, erfüllt. Damit bestand zunächst ein Anspruch des Antragstellers auf Zahlung des Arbeitslosengeldes nach §§ 136 ff. iVm § 145 Abs. 1 SGB III

Dieser Anspruch auf Arbeitslosengeld ist aber zumindest ab dem 28.04.2019 weggefallen.

Dies beruht zunächst nicht auf einer Verletzung der Mitwirkungspflichten des Klägers. Denn der nach § 145 Abs. 2 S. 1 SGB III erfolgten Aufforderung, einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu stellen, kam dieser mit Beantragung der Leistungen am 06.09.2018 nach. Eine weitere Mitwirkungsverpflichtung in dem Sinne, außerdem einen Antrag auf Rente zu stellen, wozu der Kläger mit Schreiben der Beklagten vom 14.02.2019 aufgefordert wurde, besteht nicht. Denn ausweislich des Wortlautes von § 145 Abs. 2 S. 1 SGB III besteht eine Mitwirkungsverpflichtung des Leistungsempfängers nur hinsichtlich der Beantragung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben. Dies bedeutet, dass der Leistungsempfänger durch Beantragung einer dieser beiden Leistungsarten seiner Mitwirkungsverpflichtung nachkommt. Ein weiterer Antrag auf Rente muss nicht gestellt werden, da der Antrag auf Leistungen der Rehabilitation nach § 116 Abs. 2 SGB VI in einen Antrag auf Rente umgedeutet wird (vgl. auch Müller in: BeckOK SozR, Stand: 1.12.2019, SGB III, § 145, Rn. 26).

Nach dem Wortlaut des Gesetzes besteht aber ein Anspruch auf Arbeitslosengeld über die Sondervorschrift des § 145 SGB III, mit welchem die objektive Verfügbarkeit fingiert wird, nur solange die Feststellung des zuständigen Rentenversicherungsträgers über das Vorliegen einer verminderten Erwerbsfähigkeit noch nicht vorliegt. Nur bis zum Vorliegen einer solchen Feststellung entfaltetet die Nahtlosigkeitsregelung ihre Sperrwirkung in dem Sinne, dass der für die Leistungen nach dem SGB III zuständige Leistungsträger die Gewährung von Arbeitslosengeld wegen der objektiven Einschränkungen des gesundheitlichen Leistungsvermögens des Leistungsempfängers nicht ablehnen darf. Erreicht wird auf diese Weise ein Schutz des Leistungsempfängers vor negativen Kompetenzkonflikten infolge einer unterschiedlichen Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit durch den Träger der Rentenversicherung sowie Träger des Arbeitslosengelds nach dem SGB III (vgl. Müller in: BeckOK SozR, Stand: 1.12.2019, SGB III, § 145, Rn. 17).

Der zuständige Rentenversicherungsträger hatte schon mit am 20.12.2018 unterschriebenen Formular eine Entscheidung über das Vorliegen der Erwerbsminderung beim Kläger getroffen und eine volle Erwerbsminderung festgestellt. Somit liegt eine Feststellung des Rentenversicherungsträgers über die verminderte Erwerbsfähigkeit vor. Unmittelbare Folge einer positiven Feststellung über das Vorliegen einer Erwerbsminderung ist das Entfallen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gemäß § 145 SGB III im Zeitpunkt des Zugangs der Mitteilung bei dem Antragsgegner (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.1995 - 11 RAr 19/95; Müller in: BeckOK SozR, Stand: 1.12.2019, SGB III, § 145, Rn. 17). Abzustellen ist daher auf den Eingang der Mitteilung der Beigeladenen hinsichtlich des Leistungsvermögens des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei der Beklagten am 02.04.2019, wohingegen die Beklagte hinsichtlich des Zeitpunkts der Aufhebung wohl von einem Zugang des Aufhebungsbescheids beim Kläger ausgeht. 

Ein Bestehenbleiben der Sperrwirkung ergibt sich nach Auffassung der Kammer auch nicht aus dem Widerspruch des Klägers (sowie einer Klage hiernach) gegen die Ablehnung seines Antrages auf Rehabilitation und der hierdurch gemäß § 116 Abs. 2 SGB VI erfolgten Umdeutung in einen Rentenantrag. Denn durch den Widerspruch entfällt nicht die Feststellung der Erwerbsminderung durch den ärztlichen Dienst des Rentenversicherungsträgers; diese ist vielmehr immer noch vorhanden – unabhängig von der Frage, ob diese zutreffend ist. Überdies ist die Feststellung der Erwerbsminderung eine interne Entscheidung der Beigeladenen und kein angreifbarer Verwaltungsakt (vgl. Brand in: Brand, SGB, 8. Aufl. 2018, SGB III, § 145 Rn. 7). Der Widerspruch gegenüber dem Rentenversicherungsträger bezieht sich damit allein auf die Ablehnung der Rehabilitation und die Umdeutung in einen Rentenantrag und konnte daher auch hinsichtlich der Feststellung der Erwerbsminderung keinen Suspensiveffekt entfalten. 

Auch der Sinn und Zweck des § 145 SGB III erfordert keine zeitlich unbegrenzte Nahtlosigkeitsregelung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rentenverfahrens (vgl. SG Karlsruhe 22. 4. 2013 - S 11 AL 3545/12). Durch die Nahtlosigkeitsregelung soll verhindert werden, dass ein dauernd leistungsgeminderter Arbeitsloser von der Beklagten als nicht verfügbar und vom Rentenversicherungsträger als nicht erwerbsgemindert mit der Folge angesehen wird, dass beide Träger für denselben Zeitraum Leistungen versagen. Die Vorschrift dient damit dem Schutz des Arbeitslosen vor divergierenden Entscheidungen der beiden Träger. Aufgabe der Nahtlosigkeitsregelung ist es aber nicht, einen nahtlosen Leistungsbezug bis zum Abschluss eines rentenrechtlichen Verfahrens sicherzustellen (vgl. Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 12. Juni 2003 – L 14 AL 2/01; SG Karlsruhe, Urteil vom 22.04.2013 – S 11 AL 3545/12). Seine Funktion und Wirkungsweise besteht nicht darin, dass Arbeitslosengeld nach Erschöpfung des Krankengelds als eine Art Anschlusskrankengeld bedingungslos fortgewährt wird. Allein ein Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente bzw. medizinische Rehabilitation beim Rentenversicherungsträger genügt nicht, um fortan ohne jede Prüfung der objektiven Verfügbarkeit Arbeitslosengeld bis zum endgültigen und rechtskräftigen Abschluss eines rentenrechtlichen Verfahrens zu beziehen (vgl. LSG Bayern, Urteil vom 15.12.2011   L 9 AL 66/09). 

Es ist dem Kläger zuzugeben, dass die Regelung des § 145 SGB III insoweit versagt, als dass dieser nicht seine Rechte gegenüber dem Rentenversicherungsträger verfolgen kann und in dieser Zeit – bis zur rechtskräftigen Entscheidung - weiter seine Verfügbarkeit über § 145 SGB III fingiert wird. Dies ist aber nach Auffassung der Kammer ausweislich des Wortlauts und Sinn und Zweck der Vorschrift gewollt; vermieden werden soll allein eine negative Folge für den Leistungsempfänger durch unterschiedliche Beurteilung der Leistungsfähigkeit durch Rentenversicherungsträger und Arbeitsagentur. Diese Auffassung bestätigt sich auch dadurch, dass die Sperrwirkung auch dann entfällt, wenn keine Rente bewilligt wird. Zwar versagt hier auch das Konzept der Nahtlosigkeit (vgl. Winkler in: Gagel, SGB II/III, Stand: März 2019, § 145 SGB III, Rn. 80); die Funktion ist gleichwohl erfüllt, weil durch die positive Feststellung der Erwerbsminderung die grundsätzliche Zuständigkeit der Rentenversicherung für den Versicherten festgestellt ist und dadurch die Gefahr eines negativen Kompetenzkonflikts zwischen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung wegen gegensätzlicher Beurteilung der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit nicht mehr besteht (vgl. Müller in: BeckOK SozR, Stand: 1.6.2019, SGB III, § 145, Rn. 19). 

Es besteht daher kein Anspruch des Antragstellers auf Weiterbewilligung von Arbeitslosengeld nach § 145 SGB III ab dem 28.04.2019.

Der Antragsteller hat auch einen Anspruch auf die Weiterbewilligung von Arbeitslosengeld gemäß §§ 136 ff. SGB III aufgrund dem Vorliegen der Verfügbarkeit im Sinne von § 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 1 SGB III nicht zur Überzeugung der Kammer dargelegt. Vielmehr führt er selbst aus, es sei ihm aufgrund seiner Krankheit eine Reha zu bewilligen.  

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache. 

Da dem Kläger noch 65 Tage bis zur Ausschöpfung seines Arbeitslosengeldanspruchs verbleiben, ergibt sich bei einem täglichen Arbeitslosengeld in Höhe von 50,34 € eine Beschwer in Höhe von 3.272,10 €. Die Berufung ist damit zulässig, §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG.   

Rechtskraft
Aus
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