S 6 P 114/18

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 6 P 114/18
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 P 2/22
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Für das Vorliegen eines Ausschlussgrunds nach § 38a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB XI reicht es bereits aus, wenn nach der "Ambulantisierung" eines stationären Pflegeheims für die Versorgung von Pflegebedürftigen die gleichen Leistungen angeboten werden wie zuvor im vollstationären Rahmen. 

1.    Die Klage wird abgewiesen. 

2.    Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. 


Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung eines Wohngruppenzuschlags. 

Die 1941 geborene Klägerin hat seit 1.8.2017 den Pflegegrad 2 und lebt seit 5.9.2018 mit mindestens 2 weiteren pflegebedürftigen Mitbewohnern, die Leistungen nach §§ 36,37,38,45a oder 45b SGB XI beziehen, in einer ambulanten Wohngruppe in einer Einrichtung der „D. mobile Pflege gemeinnützige GmbH, F-Straße, F-Stadt“ („Seniorenhaus H.“) mit vier Wohngemeinschaften mit insgesamt 48 Plätzen. 

Das Seniorenhaus H. wurde ursprünglich als stationäres Pflegeheim mit 4 Wohngemeinschaften errichtet. Es wurde mehrere Jahre mit stationärem Versorgungsvertrag betrieben. Dieser Vertrag endete am 31.12.2016. Ab 1.1.2017 wurde die Versorgung der Bewohner in den 4 Wohngruppen durch 4 einzelne Verträge geregelt. Der Mietvertrag wurde zwischen den Bewohnern der Wohngruppen und dem Christlichen Sozialwerk G-Stadt e.V. geschlossen. Vertragspartner des Pflegevertrags, des Betreuungs- und Dienstleistungsvertrags und des Koordinationsvertrags war jeweils die D. mobile Pflege gGmbH („Beigeladene“), die zum Christlichen Sozialwerk G-Stadt gehört. Viele der Senioren, die vorher in diesem Heim stationär untergebracht waren, sind im Zuge der „Ambulantisierung“ in der Einrichtung verblieben (vgl. S 6 P 67/17, S 6 P 48/17, 6 P 78/18, S 6 P 24/18). U.a. die Akten S 6 P 67/17 und 6 P 76/17 sowie die vorliegende Akte, Bl. 103 Gerichtsakte, enthalten nach Wohngruppen geordnete Listen der Bewohner. In allen Wohngemeinschaften gibt es Bewohnergremien, die über bestimmte Aspekte des Lebens in der Wohngemeinschaft mitentscheiden wie u.a. über die Gestaltung von Festen (vgl. S 6 P 9/18). Die Mitglieder der Wohngemeinschaft entscheiden nicht über die Aufnahme neuer Bewohner, sondern haben vor dessen Aufnahme die Gelegenheit, diese kennenzulernen (Ziffer 7 der Vereinbarung ambulante Wohngemeinschaft, S 6 P 74/17). Auf die Protokolle der Gremiensitzungen u.a. in Akte S 6 P 74/17 wird verwiesen. 

Dem Mietvertrag zufolge vermietet das Christliche Sozialwerk G-Stadt e.V. der Klägerin einzelne Räumlichkeiten zur ausschließlichen Benutzung sowie Gemeinschaftsflächen zur gemeinschaftlichen Nutzung durch alle Mitglieder der Wohngemeinschaft. Konkret wurde an die Klägerin das Zimmer Nr. 306 inklusive Duschbad und WC mit Klingel, teilmöbliert mit Einbauschrank und Funktionsregal zur alleinigen Verfügung vermietet. Daneben war die Klägerin berechtigt, die Gemeinschaftsküche in der Wohngemeinschaft, den Wohnbereich (Wohnzimmer in der Wohngemeinschaft), die Terrasse/Balkon sowie das Badezimmer sowie u.a. einen Gymnastikraum im Untergeschoß und 3 Büroräume im Untergeschoss zu benutzen. Der monatliche Mietzins beträgt 425,73 Euro plus Betriebskostenpauschale. In der Betriebskostenverordnung, Anlage 2, heißt es unter „Ausschluss von Leistungen für Pflegedürftigkeit“, dass der Ausschluss erfolgen muss, weil nach der Konzeption der Wohngemeinschaft Pflege und Betreuung nicht vom Personal des Vermieters erbracht wird, sondern von frei wählbaren, externen ambulanten Pflege- und Betreuungsdiensten. Der Vermieter biete im Rahmen dieses Mietvertrags keine pflegerischen und betreuenden Leitungen an. Soweit pflegerische und betreuerische Leistungen erforderlich seien, könne der Mieter in der WG verbleiben, wenn er diese Leistungen durch einen frei wählbaren ambulanten Pflege- oder Betreuungsdienst erbringen lasse und kein weiteres der im folgenden genannten Ausschlusskriterien vorliege. Auch nicht mobilisierbare Mieter sind ausgeschlossen, weil die Konzeption der WG eine Teilnahme und Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in der WG voraussetze. Auf ständig im Bett liegende Mieter könne auch eine von den Mietern beauftragte Präsenzkraft nicht in der gebotenen Intensität eingehen, auch sei in diesen Fällen regelmäßig die pflegerische Betreuung durch einen ambulanten Pflegedienst nicht mehr ausreichend. 

Zwischen den Pflegebedürftigen und der D. mobile Pflege gGmbH wurde weiter ein Pflegevertrag abgeschlossen, in dem die individuell erforderlichen Pflegeleistungen geregelt werden (vgl. hierzu den Vortrag vom 29.11.2021 im Verfahren S 6 P 24/18). Die von der Beigeladenen erbrachten pflegerischen Leistungen richten sich ausschließlich nach den in der Anlage 1 des Pflegevertrages vereinbarten Leistungen, wobei die Beigeladene wie andere zugelassene ambulante Pflegedienste im Sinne des § 71 Abs. 1 SGB XI alle Leistungen der häuslichen Pflegehilfe im Sinne des § 36 SGB XI anzubieten hat, also körperbezogene Pflegemaßnahmen, pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung. 

Weiterhin schloss die Auftraggebergemeinschaft bestehend aus den Mitgliedern der Wohngemeinschaft Nr. 3 mit der D. mobile Pflege GmbH gemeinnützige Sozialstation, vertreten durch den Geschäftsführer K. D. („Anbieter“) einen Vertrag über Koordinationsleistungen in der Wohngemeinschaft, dem die Klägerin mit Beitrittserklärung vom 21.8.2018 beigetreten ist. Mit Vertrag datiert auf den 12.12.2019, nicht unterschrieben, Datum unter den Unterschriften vom 22.11.2018 wurde der Koordinationsvertrag durch Vertrag zwischen der Klägerin und der D. mobile Pflege gGmbH gemäß § 4 Abs. 3 einvernehmlich zum „kommenden Monatsende“ zum Besuch einer Tagespflegeeinrichtung aufgelöst. Gegenstand des Koordinationsvertrags, der vollständig u.a. in der Akte S 6 P 78/18, auf die verwiesen wird, vorliegt, ist die Beauftragung des Anbieters mit der Stellung eines Koordinators. Als Koordinatorin wurde J. bestellt (§ 2 des Vertrags). Der beim Anbieter beschäftigte Koordinator verrichtet für die Auftraggeber allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten. Es sei die wesentliche Aufgabe der Koordinatorin, die Mitglieder der Wohngemeinschaft zu unterstützen, zu beaufsichtigen, einzubeziehen und ihren Ressourcen entsprechend zu fördern. Dies beinhalte auch die Koordination und Einbindung von Angehörigen und dem sozialen Umfeld der Bewohner. Der Koordinator hat nach § 1 Abs. 3 des Koordinationsvertrags folgende Aufgaben: Planung externer Termine ggf. unter Organisation einer adäquaten Begleitperson, welche die Mitglieder der Auftraggebergemeinschaft zu diesen Terminen begleitet und betreut, wenn Angehörige oder ehrenamtliche Helfer nicht zur Verfügung stehen, Verwaltung der gemeinsamen Haushaltskasse und Berichterstattung hierüber gegenüber der Mieterversammlung, Planung des Einkaufs von Lebensmitteln, Reinigungsmitteln und anderem Bedarf der Wohngemeinschaft, wenn Angehörige oder ehrenamtliche Helfer nicht zur Verfügung stehen, Planung und Vermittlung von kleineren Reparaturen, wenn Angehörige oder ehrenamtliche Helfer nicht zur Verfügung stehen, Planung und Organisation von Gemeinschaftsveranstaltungen, wenn Angehörige oder ehrenamtliche Helfer nicht zur Verfügung stehen, Koordination der Angehörigen, ehrenamtlichen Helfer, Pflege- und Betreuungsdienste für einen reibungslosen gemeinsamen Ablauf. Für seine Leistungen nach § 1 Abs. 1 des Vertrags (Anmerkung: in § 1 Abs. 1 des Vertrags sind keine Leistungen aufgeführt, gemeint ist möglicherweise § 1 Abs. 2 und § 1 Abs. 3, soweit nicht die Durchführung externer Dienstleistungen betroffen ist) erhält der Anbieter pro Auftraggeber monatlich pauschal 180 Euro. Die Durchführung der in § 1 Abs. 3 genannten externen Leistungen wie Begleitungen der Mitglieder der Wohngemeinschaft zu Terminen, von Einkäufen, Reparaturen und Gemeinschaftsveranstaltungen ist keine im Rahmen dieses Vertrags geschuldete Leistung des Anbieters und nicht mit der in § 3 für die Koordinationsleistungen festgelegten pauschalen Vergütung abgegolten. In § 4 Abs. 3 des Vertrags heißt es zur Vertragsdauer: „Eine ordentliche Kündigung durch ein einzelnes Mitglied der Auftraggebergemeinschaft ist jedoch nur zum Ziel des Auszugs aus der Wohngemeinschaft oder einvernehmlich aus anderen Gründen zulässig. Den Auftraggebern ist bekannt, dass die beteiligten Mitglieder der Wohngemeinschaft eine Auftraggebergemeinschaft bilden und daher eine gemeinschaftliche Entscheidung bei der Auswahl der Anbieter von Koordinations-, Betreuungs-, Hauswirtschafts- und Pflegeleistungen sowie sonstigen Dienstleistungen treffen. Dies bedingt auch einen Verzicht des einzelnen Mitglieds der Auftraggebergemeinschaft auf das individuelle Recht zur ordentlichen Kündigung dieses Vertrags, soweit sie nicht dem Ziel des Auszugs aus der Wohngemeinschaft dient. Ein Wechsel des Anbieters kann durch Entscheidung der Mitglieder der Wohngemeinschaft getroffen werden, ihre Voraussetzungen richten sich nach der internen Vereinbarung der Mitglieder der Auftraggebergemeinschaft“. 

Vertragspartner des Betreuungs- und Dienstleistungsvertrags (Fassung 2018, intern ARM 4.1.1.07) ist allein die Klägerin einerseits („Kunde“), die D. mobile Pflege gGmbH andererseits („Dienst“). Nach § 1 Abs. 1 bietet die D. mobile Pflege gGmbH dem Kunden kollektive hauswirtschaftliche Leistungen und Betreuung an. Ziel des Vertrags ist es, dem Kunden in seiner Wohngemeinschaft unter Wahrung seiner Menschenwürde zur Erhaltung und Aktivierung der eigenständigen Lebensführung sowie zur Erhaltung und Wiederherstellung individueller Fähigkeiten Hilfe zu gewähren (§ 1 Abs. 2). Die D. mobile Pflege gGmbH wird hierbei vom Kunden soweit wie möglich unterstützt (§ 1 Abs. 4 S. 2). Behandlungspflegemaßnahmen nach dem SGB V, körperbezogene Pflegemaßnahmen, individuell gewünschte Hilfen bei der Haushaltsführung und individuelle pflegerische Behandlungsmaßnahmen nach dem SGB XI sind nicht Gegenstand des Vertrags (§ 1 Abs. 5). Der Dienst erbringt für die ambulant betreute Wohngemeinschaft nach § 2 Abs. 1 des Vertrags die von allen Mitbewohnern gemeinschaftlich beauftragten kollektiven Hilfen bei der Haushaltsführung, insbesondere Reinigung der gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten, Waschen und Bügeln der gemeinschaftlich genutzten Wäsche (keine chemische Reinigung), gemeinschaftliches Kochen und Einkaufen für die Gemeinschaft. Der Leistungsumfang enthält die Dienstleistungen exklusive der hierzu erforderlichen Materialien (Lebensmittel, Putzmittel, Waschmittel etc.). Diese werden von den Bewohnern der Wohngemeinschaft auf eigene Kosten erworben und dem Dienst bereitgestellt. Nicht Gegenstand der Vereinbarung sind die vom Kunden individuell gewünschten Hilfen bei der Haushaltsführung, insbesondere Reinigung der ausschließlich von ihm genutzten Räumlichkeiten, Waschen der persönlichen Wäsche, Bügeln der persönlichen Oberbekleidung. Diese Leistungen könnten vom Kunden individuell beauftragt und im Pflegevertrag vereinbart werden (vgl. § 2 Abs. 1 2. Absatz). Die pflegerischen Betreuungsmaßnahmen umfassen nach § 2 Abs. 2 die von allen Mitbewohnern gemeinschaftlich beauftragten kollektiven Unterstützungsleistungen der Alltagsgestaltung der ambulant betreuten Wohngemeinschaft. Hierunter fallen insbesondere gewohnte, routinemäßige Abläufe im Tages- und Wochenzyklus einer WG, wie z.B. Haushaltsführung, Gruppenbeaufsichtigung, gemeinschaftliche Freizeitbeschäftigung etc. Es werde keine Vollversorgung angeboten. Bestimmte Bereiche oblägen dem sozialen Umfeld oder dem Kunden, z.B. die Organisation der Arztbesuche und die Medikamentenbesorgung, die Gestaltung der Wohnung, kleine Reparaturen, Behördenangelegenheiten, Einkauf der Lebensmittel/Getränkeversorgung. Die von den Kunden über die gemeinschaftlich in Anspruch genommenen pflegerischen Betreuungsmaßnahmen hinaus gewünschten individuellen pflegerischen Betreuungsmaßnahmen, insbesondere Einzelbeaufsichtigung und -beschäftigung seien nicht Gegenstand dieses Vertrags. Diese Leistungen könnten vom Kunden individuell beauftragt und gesondert vereinbart werden. Der Dienst stelle bedarfsgerecht rund um die Uhr mindestens einen Mitarbeiter für alle 4 Wohngemeinschaften ab. Zwischen 7 und 21 h stelle der Dienst mindestens je 1 Mitarbeiter für jede der 4 WGs des Wohngemeinschaftskonzepts Seniorenhaus H. ab. Die Vergütung beträgt monatlich pauschal 944 Euro. Unter 1) der Anlage des Vertrags heißt es, der Dienst sei nicht verpflichtet, Kunden mit Pflegebedürftigkeit zu versorgen. Nach der Konzeption der WG werde Pflege nicht vom Personal des Dienstes erbracht, sondern von frei wählbaren, externen ambulanten Pflegediensten. Soweit pflegerische Leistungen erforderlich seien, könne der Kunde in der WG verbleiben, wenn er diese Leistungen durch einen frei wählbaren ambulanten Pflegedienst erbringen lasse. 

Nach dem „Konzept ambulant betreute Wohngemeinschaften im SHB“ (vgl. u.a. Bl. 32 ff. VA S 6 P 24/18) können die Mieter den Pflegedienst frei wählen. Der Pflegedienst biete den Mietern alle individuell notwendigen Pflege- und Betreuungsleistungen an. Auch individuelle hauswirtschaftliche Versorgung werde der Pflegedienst übernehmen. Kollektive Hilfe im Alltag biete z.B. die D. mobile Pflege gGmbH im Rahmen eines Betreuungs- und Dienstleistungsvertrags an. Mit diesem Vertrag stelle die WG sicher, dass rund um die Uhr Präsenzkräfte für alle Mieter erreichbar und tätig seien und die Gemeinschaft in ihrer gemeinsamen Haushaltsführung Unterstützung erhalte. Dort heißt es “Die Angehörigen unterstützen das Einleben in die WG und gestalten das Leben in der WG und im Haus aktiv mit“. …“Jeder Mieter ist gefordert, sich seinen Fähigkeiten und Wünschen gemäß in die Gemeinschaft einzubringen. Angehörige, Bekannte und Freunde sollten sich in vielfältiger Form am Leben der Mieter und der Gruppe beteiligen. Die Mieter einer WG bilden ein Gremium, das wesentliche Entscheidungen des Zusammenlebens bespricht. Jeder Mieter hat im Gremium eine Stimme“. 

Laut Schriftsatz des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales vom 22.3.2017 hat die D. mobile Pflege gGmbH angezeigt, dass sie ab 1.1.2017 eine Einrichtung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1d HGBP betreibe. Die durchgeführte Prüfung habe ergeben, dass die Einrichtung den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 d HGBP genüge. 

Die 1941 geborene Klägerin beantragte den Wohngruppenzuschlag am 24.8.2018. Die WG sei zum 11.10.2016 gegründet worden. Betreuende Kraft der WG 3 im Sinne von § 38 a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB XI sei J.  

Mit Bescheid der Beklagten vom 24.9.2018 wurde der Antrag abgelehnt. Es handele sich nicht um eine anerkannte Wohngruppe. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 7.12.2018 unter Vertiefung der Begründung des Ausgangsbescheids zurückgewiesen wurde. Die in Hessen für die Prüfung zuständige Heimaufsicht sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung des Wohngruppenzuschlags nicht vorliegen. Auch habe die WG keine gemeinsame Wohnung im Sinne von § 38 a Abs. 1 SGB XI, da die Privaträume der Bewohner über vollausgestattete Sanitärbereiche verfügen. 
Am 21.12.2018 hat die Klägerin vor dem SG Darmstadt Klage erhoben. 

Das Gericht hat die D. Mobile Pflege gGmbH beigeladen. 

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich, 
den Bescheid der Beklagten vom 24.9.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.12.2018 aufzuheben und die Beklagte zur Leistung des Wohngruppenzuschlags nach § 38a SGB XI zu verpflichten. 

Die Beklagte beantragt, 
die Klage abzuweisen. 

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte dieses Verfahrens sowie die Gerichts- und Verwaltungsakte der beigezogenen Verfahren S 6 P 46/17, S 6 P 48/17, S 6 P 67/17, S 6 P 73/17, S 6 P 74/17, S 6 P 76/17, S 6 P 9/18, S 6 P 16/18, S 6 P 24/18, S 6 P 78/18, S 6 P 7/19, die Gegenstand der Entscheidung waren, verwiesen. 


Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben, § 124 Abs. 2 SGG

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 24.9.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.12.2018 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Bewilligung des Wohngruppenzuschlags. 

Nach § 38a Abs. 1 SGB XI haben Pflegebedürftige Anspruch auf einen pauschalen Zuschlag in Höhe von 214 Euro monatlich, wenn 
1.sie mit mindestens zwei und höchstens elf weiteren Personen in einer ambulant betreuten Wohngruppe in einer gemeinsamen Wohnung zum Zweck der gemeinschaftlich organisierten pflegerischen Versorgung leben und davon mindestens zwei weitere Personen pflegebedürftig im Sinne der §§ 14, 15 sind,
2.sie Leistungen nach den §§ 36, 37, 38, 45a oder § 45b beziehen,
3.eine Person durch die Mitglieder der Wohngruppe gemeinschaftlich beauftragt ist, unabhängig von der individuellen pflegerischen Versorgung allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten oder die Wohngruppenmitglieder bei der Haushaltsführung zu unterstützen, und
4.keine Versorgungsform einschließlich teilstationärer Pflege vorliegt, in der ein Anbieter der Wohngruppe oder ein Dritter den Pflegebedürftigen Leistungen anbietet oder gewährleistet, die dem im jeweiligen Rahmenvertrag nach § 75 Absatz 1 für vollstationäre Pflege vereinbarten Leistungsumfang weitgehend entsprechen; der Anbieter einer ambulant betreuten Wohngruppe hat die Pflegebedürftigen vor deren Einzug in die Wohngruppe in geeigneter Weise darauf hinzuweisen, dass dieser Leistungsumfang von ihm oder einem Dritten nicht erbracht wird, sondern die Versorgung in der Wohngruppe auch durch die aktive Einbindung ihrer eigenen Ressourcen und ihres sozialen Umfelds sichergestellt werden kann. 

Die Voraussetzungen von § 38a Abs. 1 S. 1 Nr. 1,2 SGB XI liegen vor. 

Es handelt sich um eine ambulant betreute Wohngemeinschaft, denn die Einbringung der Pflegebedürftigen oder ihrer Angehörigen mit eigenen Beiträgen in die Gestaltung der Wohngemeinschaft ist möglich. So kann z.B. die Organisation von Arztbesuchen, die Medikamentenbesorgung, die Gestaltung der Wohnung, kleinere Reparaturen, Behördenangelegenheiten und der Einkauf von Lebensmitteln und die Getränkeversorgung dem sozialen Umfeld des Pflegebedürftigen oder dem Pflegebedürftigen selbst obliegen. 

Die Klägerin lebt mit mindestens zwei weiteren pflegebedürftigen Personen, die Leistungen nach §§ 36, 37, 38, 45a oder § 45b SGB XI beziehen, zusammen. 

Die Klägerin lebt mit diesen Personen auch im Sinne von § 38a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XI in einer gemeinsamen Wohnung. Zwar verfügt der von der Klägerin zur individuellen Nutzung angemietete Wohnraum u.a. auch über einen eigenen Sanitärbereich. Der Begriff der „gemeinsamen Wohnung“ im Sinne von § 38a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XI ist aber nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts weit auszulegen. Es spricht insbesondere nicht gegen die Annahme einer "gemeinsamen Wohnung", wenn schon die Ausstattung eines Apartments geeignet ist, die elementaren Bedürfnisse im Tagesablauf auch ohne Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen zu befriedigen (BSG, Urteil vom 10. September 2020 – B 3 P 1/20 R –, SozR 4-3300 § 38a Nr 3, Rn. 19). 

Es ist vorliegend auch im Sinne von § 38a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB XI eine Person von den Mitgliedern der Wohngemeinschaft gemeinschaftlich beauftragt worden, unabhängig von der pflegerischen Versorgung allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten. Hierbei handelt es sich vorliegend um Frau J. (§ 2 Koordinationsvertrag), die für die Wohngemeinschaft allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten übernimmt, z.B. externe Termine plant, die gemeinsame Haushaltskasse verwaltet und den Einkauf von Lebensmitteln plant. Ein Anspruch der Klägerin auf den Wohngruppenzuschlag käme zeitlich vorliegend lediglich für den Zeitraum bis zur Auflösung des Koordinationsvertrags in Betracht, da der Wohngruppenzuschlag nach § 38a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 die gemeinschaftliche Beauftragung einer Präsenzkraft erfordert. Zwar ist insofern nach der Rechtsprechung des BSG für eine gemeinschaftliche Beauftragung nicht erforderlich, dass alle Mitglieder der Wohngemeinschaft an der gemeinschaftlichen Beauftragung mitwirken. Mitglieder der Wohngemeinschaft, die jedoch ausdrücklich die Beauftragung nicht unterstützen – wie die Klägerin, die hierfür ab dem Zeitpunkt der Auflösung des Koordinationsvertrags nicht mehr gezahlt hat – haben schon von daher keinen Anspruch auf die Zahlung des Wohngruppenzuschlags mehr, denn die Voraussetzungen des § 38a SGB XI sind kumulativ (vgl. Hauck, Noftz, 5/21, § 38a SGB XI Rz. 7). Als unproblematisch erachtet die Kammer es dagegen, dass der Dienstleistungs- und Betreuungsvertrag nur zwischen der Klägerin und der Beigeladenen abgeschlossen worden ist, denn die Voraussetzungen des § 38a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB XI sind bereits durch die durch den Koordinationsvertrag, der unstreitig durch alle WG-Mitglieder abgeschlossen wurde, auf Frau J. übertragenen Aufgaben erfüllt (BSG, Urteil vom 10.9.2020, B 3 P 2/19 R, Juris Rz. 26).

Der Anspruch der Klägerin scheitert jedoch daran, dass die Voraussetzungen von § 38a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB XI vorliegen, denn jedenfalls quasi-stationäre Leistungen werden von der D. mobile Pflege gGmbH auch nach der „Ambulantisierung“ der Versorgung weiterhin angeboten. Der Anspruch auf den Wohngruppenzuschlag besteht nach § 38a Abs. 1 Nr. 4 SGB XI nur, wenn keine Versorgungsform einschließlich teilstationärer Pflege vorliegt, in der ein Anbieter der Wohngruppe oder ein Dritter den Pflegebedürftigen Leistungen anbietet oder gewährleistet, die dem im jeweiligen Rahmenvertrag nach § 75 Absatz 1 für vollstationäre Pflege vereinbarten Leistungsumfang weitgehend entsprechen. 

Dem klägerischen Anspruch steht es dabei nicht entgegen, dass es sich beim Seniorenhaus H. bzw. der einzelnen Wohngruppe, in der die Klägerin wohnt, um einen Einrichtungsbetrieb i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1d HGBP handelt. Ein solcher liegt vor, wenn entgeltlich Wohnraum überlassen und Betreuungs- und Pflegeleistungen am Tag, zur Nacht, für kürzere Zeit oder auf Dauer in Einrichtungen zur Verfügung gestellt oder vorbehalten werden, die in ihrem Bestand von dem Wechsel und der Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner unabhängig sind. Hieraus kann kein Schluss dahingehend gezogen werden, dass es sich bei einem solchen Einrichtungsbetrieb stets um eine Versorgungsform stationärer oder teilstationärer Pflege i.S.d. § 38a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB XI handelt. Die Anwendung des landesrechtlichen Heimrechtes ist seit 01.01.2015 kein Unterscheidungskriterium mehr. Als zentrales Abgrenzungsmerkmal zur ambulanten Versorgung kommt es gemäß § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr 4 i.V.m. Nr. 1 SGB XI nicht (mehr) auf heimrechtliche, sondern auf leistungsrechtliche Kriterien an (BSG, Urteil vom 10. September 2020 – B 3 P 3/19 R –, SozR 4-3300 § 38a Nr 5, Rn. 25).

Dem klägerischen Anspruch steht es weiterhin nicht entgegen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Wohngruppe um eine betreibergesteuerte ambulante Wohngruppe handelt (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 18.02.2016 – B 3 P 5/14 R –, juris Rn. 18, BSG, Urteil vom 10.9.2020, B 3 P 2/19 R, Juris Rz. 21).

Gerade bei betreibergesteuerten ambulanten Wohngemeinschaften wie vorliegend sind die Voraussetzungen des § 38a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB XI aber kritisch zu prüfen.

Um den Regelungsgehalt der Norm zu erfassen, ist  zunächst zu prüfen, welche Leistungen im Rahmenvertrag nach § 75 Abs. 1 SGB XI für die vollstationäre pflegerische Versorgung für das Land Hessen (https://www.vdek.com/LVen/HES/Vertragspartner/Pflege/stationaere-pflege/_jcr_content/par/download/file.res/Rahmenvertrag_2018_07.pdf, zuletzt aufgerufen am 30.11.2021) vorgesehen sind. Den Inhalt der Leistungen enthält Abschnitt I dieses Vertrags. 

Die allgemeinen Pflegeleistungen orientieren sich am Begriff der Pflegebedürftigkeit nach § 14 SGB XI und umfassen Leistungen im Bereich 
a) der Mobilität (mit dem Ziel, die Bewegungsfähigkeit der pflegebedürftigen Menschen im innerhäuslichen Bereich zu erhalten oder zu verbessern)
b) der kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten (mit dem Ziel der Schaffung einer Tagesstruktur, deren Angebote handlungsorientiert sind)
c) von Verhaltensweisen und psychischen Problemlagen (wie Beobachtung, Motivierung, positiver Ansprache, Umgebungs- und Milieugestaltung)
d) Selbstversorgung (in den Bereichen Körperpflege, An- und Auskleiden, Ernährung und Ausscheiden) sowie
e) Bewältigung von krankheits- und therapiebedingten Anforderungen (so motiviert das Pflegeheim zur selbständigen Durchführung des Eigenübungsprogramms in Zusammenhang mit laufenden Heilmittelverordnungen und unterstützt z.B. das Organisieren und Planen von Arztbesuchen) 
f) medizinische Behandlungspflege (Maßnahmen der ärztlichen Behandlung, die üblicherweise an Pflegefachkräfte und Pflegekräfte delegiert werden können und nicht vom behandelnden Arzt selbst erbracht werden)
g) Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte. 

Weiterhin haben pflegedürftige Menschen Anspruch auf zusätzliche Aktivierung und Betreuung, die über die nach Art und Schwere der Pflegebedürftigkeit notwendige Versorgung hinausgeht. Schließlich sind vom Rahmenvertrag über die vollstationäre Versorgung Unterkunft und Verpflegung umfasst einschließlich Wäscheversorgung und Gemeinschaftsveranstaltungen (Sachaufwand für Veranstaltungen zur Förderung des Gemeinschaftslebens).

In § 2 Abs. 1 des Pflegevertrages ist aufgeführt, dass Art, Inhalt und Umfang der Leistungen entsprechend dem jeweils gültigen Rahmenvertrag gem. § 75 SGB XI für die ambulante Pflege und dem Vertrag gem. §§ 132, 132a SGB V und den Leistungsvereinbarungen der Anlagen 1 und 2 erbracht werden. Insofern ist der Leistungsumfang vorliegend begrenzt auf denjenigen der ambulanten Pflege und entspricht nicht demjenigen einer vollstationären Pflege. Konkretisierend hat die Beigeladene dazu im Verfahren S 6 P 24/18 am 29.11.2021 vorgetragen, den „Rahmenvertrag für die ambulante Pflege“ gebe es bis heute nicht. Die von der Beigeladenen erbrachten Leistungen richteten sich allein nach den in Anlage 1 des Pflegevertrags vereinbarten Leistungen. 

Aus Sicht des Gerichts reicht es bei trägergesteuerten ambulanten Wohngemeinschaften zum Ausschluss des Ausschlusstatbestands in § 38 a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB XI nicht aus, die Verträge formal von „stationär“ auf „ambulant“ umzustellen. 

Eine stationäre Leistungserbringung zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass der Leistungsträger die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Leistungsberechtigten übernimmt und eine Versorgungsgarantie bzw. Vollversorgung besteht, wenn also in einem Pflegevertrag die vollständige Übernahme sämtlicher körperbezogener Pflegemaßnahmen, pflegerischer Betreuungsmaßnahmen und Hilfen bei der Haushaltsführung vereinbart wird, mithin der Gesamtkanon der nach § 36 SGB XI möglichen ambulanten Leistungen. Eine Einbringung des Bewohners in den Alltag ist hier nicht möglich (Gemeinsames Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes und der Verbände der Pflegekassen auf Bundesebene zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB XI vom 19.12.2019, 184 f.). 

Demgegenüber soll der Betroffene im Rahmen einer ambulanten Leistungserbringung so weit wie möglich befähigt werden, alle wichtigen Alltagsverrichtungen in seinem Wohnbereich selbstständig vornehmen zu können, sich im Wohnumfeld zu orientieren oder zumindest dies alles mit selbst gewählter Unterstützung Dritter erreichen zu können. Beiträge der Bewohnerinnen und Bewohner selbst, ihres persönlichen sozialen Umfeldes oder von bürgerschaftlich Tätigen zur Versorgung bleiben regelgerecht notwendig und sind auch so vorgesehen (Richter/Klie in Kramer/Plantholz, Sozialgesetzbuch XI, 5. Auflage 2018, § 38a Rn. 55; Gemeinsames Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes und der Verbände der Pflegekassen auf Bundesebene zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB XI vom 19.12.2019, S. 184 f.). 

Bei trägerinitiierten ambulanten Wohngruppen wie hier hat daher eine genaue Prüfung zu erfolgen, um dem Wortlaut wie dem Gesetzeszweck des § 38a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB XI zu genügen. Besonderes Augenmerk ist dabei auch deshalb auf den von der D. mobile Pflege gGmbH übernommenen Leistungsumfang zu richten, da sie in Personalunion die Verpflichtete durch Pflege-, Koordinations- und Betreuungs- und Dienstleistungsvertrag ist und damit die wesentlichen Aufgaben, die im Rahmen der ambulanten Wohngemeinschaft anfallen, aus einer Hand erbracht werden. Dabei fällt auf, dass der von allen Bewohnern zu unterzeichnende Betreuungs- und Dienstleistungsvertrag in § 2 Abs. 3 eine Regelung enthält, die alle vier Wohngemeinschaften bindet und damit die Gestaltungsmöglichkeit der einzelnen Wohngemeinschaft beschränkt, indem dort geregelt ist, dass der Dienst rund um die Uhr mindestens einen Mitarbeiter für alle der vier Wohngruppen des Wohngruppenkonzepts Seniorenhaus H. abstellt. Daraus wird deutlich, dass seitens der D. mobile Pflege gGmbH vorausgesetzt wird, dass alle Bewohner der Wohngruppen diesen Vertrag unterzeichnen und er somit gerade nicht frei verhandelbar ist. Dies allein dürfte allerdings keinen Ausschlussgrund für den Wohngruppenzuschlag darstellen (vgl. zum insofern wohl ähnlichen Sachverhalt BSG, Urteil vom 10.9.2020, B 3 P 2/19 R, Juris Rz. 4). 

Nach dem Wortlaut von § 38a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB XI scheidet der Wohngruppenzuschlag aus, wenn eine Versorgungsform einschließlich teilstationärer Pflege vorliegt, in der ein Anbieter der Wohngruppe oder ein Dritter den Pflegebedürftigen Leistungen anbietet oder gewährleistet, die dem im jeweiligen Rahmenvertrag nach § 75 Absatz 1 für vollstationäre Pflege vereinbarten Leistungsumfang weitgehend entsprechen. Der Wortlaut stellt damit allein auf das Angebot von Pflegeleistungen, hauswirtschaftlichen Leistungen und Betreuungsleistungen durch den Anbieter, hier die D. mobile Pflege gGmbH, ab. Bereits das Angebot entsprechender Leistungen durch die D. mobile Pflege gGmbH führt zum Ausschluss des Wohngruppenzuschlags. Jedenfalls quasi-stationäre Leistungen im Bereich Pflege, Hauswirtschaft und Betreuung werden vorliegend von der D. mobile Pflege gGmbH auch nach der „Ambulantisierung“ der Versorgung weiterhin angeboten. Dies schließt das Gericht zum einen daraus, dass zahlreiche Bewohner des stationären Pflegeheimes auch nach der „Ambulantisierung“ im Wohnheim verblieben sind und kein Vortrag dazu erfolgt ist, dass sich danach an dem von ihnen tatsächlich in Anspruch genommenen Pflegeumfang etwas geändert hätte. Dies ist auch nach der Lebenserfahrung nicht anzunehmen. Des Weiteren eröffnet die Vertragsgestaltung durch die 4 von den Pflegebedürftigen abgeschlossenen Verträge eine große Bandbreite von Gestaltungsmöglichkeiten von der Übernahme von Aufgaben durch Pflegebedürftige selbst und ihrer Angehörigen hin bis zu einer umfassenden Versorgung ohne Einbezug der Pflegebedürftigen und Angehörigen. Letztgenannter Punkt führt nach dem Wortlaut der Norm zum Ausschluss des Anspruchs auf den Wohngruppenzuschlag, denn insofern kommt es allein auf das Angebot dieser Leistungen an. Ausweislich § 2 des Dienstleistungsvertrages erbringt die D. mobile Pflege gGmbH für die Wohngruppe die von allen Mitbewohnern gemeinschaftlich beauftragten kollektiven Hilfen bei der Haushaltsführung, insbesondere Reinigung der gemeinschaftlich genutzten Wäsche, gemeinschaftliches Kochen und Einkaufen für die Gemeinschaft, Haushaltsführung, gemeinschaftliche Freizeitbeschäftigung. In § 2 Abs. 2 des Dienstleistungsvertrages ist aufgeführt, dass keine Vollversorgung geboten wird und bestimmte Bereiche wie Organisation der Arztbesuche, Medikamentenbesorgung, Gestaltung der Wohnung, kleine Reparaturen, Behördenangelegenheiten, Einkauf der Lebensmittel/Getränkeversorgung dem sozialen Umfeld oder dem Kunden obliegen. Die Planung dieser Aufgaben ist indes in § 1 Abs. 3 des Koordinationsvertrages als Aufgabe der Koordinatorin/des Koordinators festgelegt für den Fall, dass Angehörige oder ehrenamtliche Helfer nicht zur Verfügung stehen. Dieser Vertrag wurde ebenfalls mit der D. mobile Pflege gGmbH abgeschlossen, sodass der Ausschluss im Dienstleistungsvertrag im Ergebnis durch die Regelung im Koordinationsvertrag aufgefangen wird, wenn dort auch die Vergütung des Koordinators für die Durchführung der externen Leistungen, die sonst von Angehörigen erbracht werden könnten, nicht aufgeführt ist. Auch die von den Kunden individuell gewünschten Hilfen bei der Haushaltsführung, insbesondere Reinigung der ausschließlich von ihnen genutzten Räumlichkeiten, Waschen der persönlichen Wäsche, Bügeln der persönlichen Oberbekleidung können vom Kunden individuell beauftragt und im Pflegevertrag vereinbart werden (§ 2 Abs. 1 des Betreuungs- und Dienstleistungsvertrags). Trotz des Hinweises also, dass eine Vollversorgung nicht erfolgt, entsprechen die von der D. mobile Pflege gGmbH und des Christlichen Sozialwerks G-Stadt e.V. durch alle vier Vertrage angebotenen (nicht unbedingt in jedem Einzelfall auch erbrachten) Leistungen einer solchen Vollversorgung. Geändert hat sich durch die Schaffung von ambulanten Wohngruppen insbesondere, dass – ggf. anders als vor dem 1.1.2017 - bestimmte Leistungen seit der „Ambulantisierung“ durch Angehörige erbracht werden können wie die Organisation von regelmäßigen und außergewöhnlichen Arztterminen, die Terminsvereinbarung von Physiotherapie, die Neuversorgung mit Hilfsmitteln, die Erledigung von für die Pflegebedürftigen notwendigen Einkäufen. Gleichzeitig kann aber auch weiterhin eine Vollversorgung erfolgen, was aus Sicht der Kammer zum Ausschluss des Wohngruppenzuschlags führt.

Auch eine am Gesetzeszweck orientierte Auslegung führt vorliegend dazu, dass der Wohngruppenzuschlag nicht zu zahlen ist. Der Gesetzgeber hat den Wohngruppenzuschlag nicht zu dem Zweck geschaffen, dass stationäre Pflegeheime sich rechtlich umstrukturieren, um dessen Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen. Ziel des Wohngruppenzuschlags war es vielmehr, gemeinschaftliche Pflegewohnformen außerhalb der stationären Pflegeeinrichtungen besonders zu unterstützen. 

 „Ziel des Wohngruppenzuschlags ist es, gemeinschaftliche Pflegewohnformen außerhalb der stationären Pflegeeinrichtungen und außerhalb des klassischen betreuten Wohnens leistungsrechtlich besonders zu unterstützen. Besonders in den Blick zu nehmen sind hier anbieterverantwortete ambulant betreute Wohngruppen – also Wohngruppen, die nicht von den Bewohnerinnen und Bewohnern und ihren Angehörigen selbst organisiert werden, sondern bei denen ein bestimmter Anbieter oder ein Dritter den in der Wohngruppe lebenden Pflegebedürftigen Leistungen anbietet oder gewährleistet. Auch bei diesen Wohngruppen muss sich aus der Gesamtschau ergeben, dass es sich weiterhin um eine ambulante Versorgungsform handelt, die sich in Anbetracht der insgesamt von dem Anbieter oder Dritten für die Wohngruppenmitglieder angebotenen oder gewährleisteten Leistungen von einer vollstationären Versorgung unterscheiden läßt. Durch die Anpassungen im Wortlaut wird noch deutlicher als bisher zum Ausdruck gebracht, dass Wohngruppen nicht als solche im Sinne von § 38a SGB XI anerkannt werden können, in denen nach dem zugrundeliegenden Gesamtkonzept der Leistungserbringung vom Anbieter der Wohngruppe oder einem Dritten zugleich Leistungen angeboten werden, die insgesamt weitestgehend dem Umfang vollstationärer Pflege entsprechen“ (Zitat aus BT-DS 18/5926, S. 125, vgl. auch ähnlich BT- DS 18/3449, S. 13). 

Wenn das Bundessozialgericht formuliert: 
„Das LSG ist entsprechend den Materialien zum 5. SGB XI-ÄndG insoweit zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Abgrenzung von einem der vollstationären Pflege weitgehend entsprechenden Leistungsumfang darauf ankommt, ob nach der Konstruktion der Wohngemeinschaft die Möglichkeit besteht, dass die Bewohner oder ihr soziales Umfeld sich mit eigenen Beiträgen in die Versorgung einbringen können (vgl. die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zum später in PSG I umbenannten Gesetz, BT-Drucks 18/2909 S 42 zu Nr 8). Eine ambulante Versorgungsform liegt folglich vor, wenn keine vollständige Übertragung der Verantwortung ohne freie Wählbarkeit der Pflege- und Betreuungsleistungen erfolgt, sondern wenn die Versorgung auf die Übernahme von Aufgaben durch Dritte angelegt ist, unabhängig davon, ob auch tatsächlich davon in bestimmter Weise Gebrauch gemacht wird. Die vom LSG festgestellten zahlreichen Aufgaben, die durch Bewohner und deren Angehörige in der Wohngruppe wahrgenommen werden, widerlegen eine einer vollstationären Pflege weitgehend entsprechende Situation“ (BSG, Urteil vom 10. September 2020 – B 3 P 2/19 R –, SozR 4-3300 § 38a Nr 4, Rn. 29), 
so vermischt das BSG aus Sicht des Gerichts die Kriterien des Vorliegens einer ambulanten Versorgungsform mit denen des Vorliegens einer Versorgung, die einer stationären weitgehend entspricht. So lassen Wortlaut und Struktur der Norm des § 38a SGB XI es grundsätzlich zu, dass eine ambulante Versorgungsform vorliegt (wie hier, wo Beiträge von Pflegebedürftigen und Angehörigen unstreitig möglich sind), wobei der Wohngruppenzuschlag nicht zu zahlen ist, wenn die Voraussetzungen von § 38a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB XI vorliegen, nämlich Leistungen angeboten werden, die dem vollstationären Leistungsumfang weitgehend entsprechen. 

Die vorliegend von den Pflegebedürftigen abgeschlossenen Verträge ermöglichen unstreitig auch die Einbringung von Angehörigen oder der Pflegebedürftigen selbst, etwa bei Einkäufen, dem Besorgen von Reinigungsmitteln oder der Organisation und Wahrnehmung von Arztterminen außerhalb der Wohngruppe. Das ist jedoch ein Element des Vorliegens einer „ambulanten“ Wohngruppe und damit bereits Tatbestandsmerkmal von § 38a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XI. Würde dasselbe Kriterium erneut bei Ziffer 4 entscheidungsrelevant sein, hätte § 38 a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB XI neben Nr. 1 SGB XI keine eigenständige Bedeutung. Der Gesetzgeber hat § 38 a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB XI jedoch gerade eingeführt, um die lediglich formale Umstrukturierung vormaliger Pflegeheime in ambulante Wohngruppen gerade nicht finanziell zu fördern (BT-DS 18/2909, S. 40). Auch in BT-DS 18/3449, S. 13 wird hervorgehoben, dass mit Nr. 4 auf bundesgesetzlicher Ebene ausgeschlossen wird, dass der Anspruch aus § 38a SGB XI für stationäre oder quasi-stationäre Formen geöffnet wird. Denn mit dem Wohngruppenzuschlag solle nicht vorrangig auf die Umwidmung stationärer Einrichtungen in Wohngruppen hingewirkt werden, sondern es sollten gemeinschaftliche Pflegewohnformen außerhalb der stationären Pflegeeinrichtungen und außerhalb des klassischen betreuten Wohnens besonders unterstützt werden.  

Aus Sicht des Gerichts ist das BSG auf dem Weg, seine Rechtsprechung zum Vorliegen einer quasi-stationären Versorgung aus den Entscheidungen vom 10.9.2020 hin zu einer stärkeren Betonung der angebotenen Leistungen zu korrigieren, wenn es in einer neueren Entscheidung im Zusammenhang mit der Frage, ob eine vollstationäre Versorgung von Pflegebedürftigen vorliegt im Sinne von § 38 a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB XI formuliert: 
„Die Grenze zwischen ambulanter und stationärer Pflegeversorgung i.S. des SGB XI verläuft für ambulant betreute Wohngruppen nach § 38a Abs. 1 Satz 1 Nr 4 Halbsatz 1 SGB XI dort, wo ein Anbieter der Wohngruppe oder ein Dritter den Pflegebedürftigen "Leistungen anbietet oder gewährleistet, die dem im jeweiligen Rahmenvertrag nach § 75 Abs. 1 SGB XI für vollstationäre Pflege vereinbarten Leistungsumfang weitgehend entsprechen". Abgrenzungsrelevant ist danach weniger die rechtliche und/oder personelle Gestaltung auf der Anbieterseite als der Umfang der den Pflegebedürftigen zu gewährleistenden Leistungen. Diese dürfen einem vollstationären Leistungsumfang entsprechen, aber nicht weitgehend entsprechen. Den Pflegebedürftigen müssen für ihre Ausgestaltung Wahlmöglichkeiten verblieben sein (vgl. dazu BSG vom 10.9.2020 - B 3 P 2/19 R - SozR 4-3300 § 38a Nr 4 RdNr 29; BSG vom 10.9.2020 - B 3 P 3/19 R - SozR 4-3300 § 38a Nr 5 RdNr 25)“ (BSG, Urteil vom 26. März 2021 – B 3 KR 14/19 R – , Rn. 37).
Danach stellt das BSG nunmehr den Umfang der den Pflegedürftigen zu gewährenden Leistungen zutreffend in den Vordergrund. Inwiefern Wahlmöglichkeiten der Pflegebedürftigen am angebotenen Leistungsumfang etwas ändern würden, erschließt sich der Kammer nicht. Zudem war Ziel des Gesetzgebers bei der Neufassung von § 38a SGB XI, das vorherige Kriterium der „freien Wahlmöglichkeiten“ in § 38a Abs. 2 SGB XI a. F. abzuschaffen, da es zu viele Fragen aufwerfe (vgl. BT-DS 18/2909, S. 40: „Auch die freie Wählbarkeit“ ist künftig kein maßgebliches leistungsrechtliches Merkmal einer ambulant betreuten Wohngruppe mehr). Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Gericht fragwürdig, dieses Kriterium nun offenbar bei der Definition von § 38a Abs. 1 Nr. 4 SGB XI in der Rechtsprechung wieder aufzugreifen. Auch erschließt sich dem Gericht nicht, dass das BSG „weitgehend entsprechen“ offenbar als Steigerung von „entsprechen“ ansieht. Nach dem Sprachverständnis der Kammer bedeutet „entsprechen“ eine Übereinstimmung zu 100, während ein „weitgehendes Entsprechen“ eine Übereinstimmung zu mehr als 50 und weniger als 100 % darstellt. Entscheidungsrelevant ist dies im vorliegenden Fall aber nicht, so dass es letztlich dahinstehen kann. 

Als weiteres Indiz für das Vorliegen einer quasi-stationären Versorgung wertet das Gericht, dass die ambulante Wohngemeinschaft nicht über die Aufnahme neuer Mitglieder entscheiden kann. Die Entscheidung hierüber trifft die D. mobile Pflege gGmbH (vgl. Rückschluss aus Ziffer 4 des Ziel- und Ergebnisprotokolls der WG 2 vom 19.4.2017, S P 74/17). Der Gesetzgeber hatte aber u.a. die Entscheidung über die Mitglieder der Wohngemeinschaft als typischerweise von einer ambulanten WG selbst zu regelnde Frage angesehen (vgl. BT-DS 18/2909, S. 41). Das Gericht erachtet die Frage, mit welchen Personen man zusammenlebt, als zentrales Moment der Selbstbestimmung und als ein zentraler Punkt, der bei einer ambulanten Wohngemeinschaft von den Mitgliedern selbst zu regeln ist (Abweichung vom Sachverhalt bei Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 06. Juni 2019 – L 5 P 63/18 –, Rn. 103 - 105, juris). 

Ebenfalls als weiteren Anhaltspunkt für das Vorliegen einer quasi-stationären Versorgung sieht die Kammer den Umstand an, dass die Aufhebung des Koordinationsvertrages offenbar - wie der vorliegende Fall zeigt - zwischen einzelnen Bewohnern der Wohngemeinschaft und dem Anbieter erfolgen kann, sobald dieser eine Tagespflegeeinrichtung besucht. In § 1 Abs. 3 der Beitrittserklärung sind Gründe genannt, bei deren Vorliegen ein Bewohner der Wohngemeinschaft den Koordinationsvertrag einzeln mit Wirkung für sich kündigen kann. Danach ist eine ordentliche Kündigung nur zum Ziel des Auszugs aus der Wohngemeinschaft oder einvernehmlich aus anderen Gründen zulässig. Aus der Auslegung des Koordinations- und des Beitrittsvertrages ergibt sich, dass mit dem Begriff „einvernehmlich“ das Einvernehmen mit der gesamten Gruppe gemeint ist. Mit dem Auszug aus der Wohngemeinschaft ist der Besuch einer Tagespflegeeinrichtung nicht vergleichbar. Für die Kammer ist auch nicht ersichtlich, inwiefern der Besuch einer Tagespflegeeinrichtung die Notwendigkeit einer Koordination verschiedener Aufgaben im gemeinschaftlichen häuslichen Bereich entbehrlich machen würde. Des Weiteren ergibt sich aus den der Kammer vorliegenden Unterlagen nicht, dass die übrigen Bewohner der Wohngemeinschaft der Aufhebung durch ein einzelnes Mitglied zugestimmt hätten. Die Vertragsgestaltung macht deutlich, dass die Struktur des Zusammenlebens eben vorliegend doch so ist, dass maßgebliche Entscheidungen über Grundlagen der Wohngemeinschaft allein durch die D. mobile Pflege gGmbH und gerade nicht durch alle Mitglieder der Wohngemeinschaft geschlossen werden. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Zulässigkeit der Berufung auf §§ 143, 144 SGG
 

Rechtskraft
Aus
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