Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. April 2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Rahmen des Bezugs von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) die Übernahme von Kosten für eine Partnerschaftsvermittlung sowie die Bewilligung einer Bekleidungspauschale.
Der 1974 geborene Kläger steht im laufenden Bezug von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII bei dem Beklagten und bezieht daneben eine Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg.
Für den Kläger bestand durch Beschluss des Amtsgerichts Nürtingen vom 6. November 2018 (Az. 64 XVII 1933/18) eine Betreuung, deren Aufgabenkreis die Entgegennahme, das Öffnen und Anhalten der Post, die Vermögensfürsorge sowie Wohnungsangelegenheiten und für die Zeit ab dem 18. März 2019 auch die Gesundheitsfürsorge sowie die Aufenthaltsbestimmung einschließlich Unterbringung umfasste. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2018 zeigte die Betreuerin unter Vorlage des Betreuerausweises die Betreuung für den Kläger bei dem Beklagten an und bat, zukünftige Korrespondenz mit ihr zu führen (Bl. 30 ff. d. Senatsakte).
Am 30. Juli 2020 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Übernahme der Kosten für eine Partnervermittlung sowie die Gewährung einer Bekleidungspauschale (Bl. 360 d. Verwaltungsakte). Mit Bescheid vom 3. August 2020 (Bl. 361 d. Verwaltungsakte) lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab und führte zur Begründung an, Kosten für Bekleidung, Schuhe sowie eine Partnervermittlung seien bereits im Regelbedarf enthalten.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch (Bl. 369 ff. d. Verwaltungsakte) wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 2020 (Bl. 373 d. Verwaltungsakte) zurück und stellte ihn der Betreuerin des Klägers am 15. August 2020 mittels Postzustellungsurkunde zu (Bl. 17 d. SG-Akte).
Mit Beschluss des Amtsgerichts Nürtingen vom 5. Oktober 2020 wurde die Betreuung aufgehoben.
Am 14. Januar 2021 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 12. August 2020 erhoben. Er habe erst auf Nachfrage durch die E-Mail des Beklagten vom 11. Januar 2021 von dem Widerspruchsbescheid vom 12. August 2020 erfahren. Die Ablehnung verstoße gegen das Sozialstaatsprinzip. Sie habe nicht seine schweren Lebensumstände berücksichtigt. Die Kosten für die Inanspruchnahme einer Partnervermittlung überstiegen seine finanziellen Möglichkeiten. Auf Nachfrage hat der Kläger mitgeteilt, er beabsichtigte, die Partnervermittlung P.zu beauftragen. Der Beklagte hat mitgeteilt, er halte die Klage für unzulässig, hilfsweise für unbegründet.
Mit Gerichtsbescheid vom 9. April 2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei bereits verfristet und daher unzulässig. Der Widerspruchsbescheid sei der Betreuerin des Klägers mittels Postzustellungsurkunde am 15. August 2020 zugestellt worden. Die Zustellung sei ordnungsgemäß erfolgt. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) sei bei Geschäftsunfähigen oder beschränkt Geschäftsfähigen an ihre gesetzlichen Vertreter zuzustellen. Nach Satz 2 gelte dies ebenfalls bei Personen, für die ein Betreuer bestellt sei, soweit der Aufgabenkreis des Betreuers reiche. Die Betreuung sei erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgehoben worden. Die einmonatige Klagefrist habe daher mit der Zustellung an die Betreuerin zu laufen begonnen. Die Klage sei im Übrigen auch unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine einmalige Bekleidungspauschale sowie die Kostenübernahme für eine Partnervermittlung.
Gegen den ihm am 17. April 2021 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner am 20. April 2021 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegten Berufung. Der Beklagte habe nicht in ausreichender Form nachgefragt, weshalb er neue Kleidung benötige. Es bestehe daher ein Ermittlungsdefizit. Über finanzielle Mittel, aus denen er Ansparungen tätigen könne, verfüge er nicht. Es sei zu überprüfen, ob ein Darlehen nach § 37 SGB XII gewährt werden könne. Dies gelte auch für die Übernahme der Partnervermittlungskosten. Ihm sei eine Kontaktaufnahme durch seine Einschränkungen deutlich erschwert, weshalb er hierzu Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen wolle.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. April 2021 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 3. August 2020 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 12. August 2020 zu verurteilen, die Kosten für eine Partnervermittlung in Höhe von 4.498 Euro sowie die Kosten für ein T-Shirt und eine Hose zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf den Gerichtsbescheid des SG.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligte ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Die Berufung ist aber nicht begründet, denn die Klage ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der gesetzlichen Klagefrist erhoben wurde.
Gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe (§ 37 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) des Widerspruchsbescheids zu erheben. Hat die Behörde – wie hier – den Weg der (förmlichen) Zustellung gewählt, sind nach § 85 Abs. 3 Satz 2 SGG die §§ 2 bis 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) anzuwenden (vgl. hierzu Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 9. Dezember 2008 – B 8/9b SO 13/07 R – juris Rdnr. 11). An die Stelle der Bekanntgabe tritt für den Beginn der Klagefrist die Zustellung des Widerspruchsbescheids nach dem VwZG. Dem VwZG entsprechende landesrechtliche Regelungen sind nicht anwendbar.
Der Beklagte hat den Widerspruchsbescheid nach § 3 VwZG am 15. August 2020 (einem Samstag) mit Zustellungsurkunde durch Einlegen in den Briefkasten (vgl. § 3 Abs. 2 VwZG iVm. § 180 Satz 1, 2 Zivilprozessordnung [ZPO]) an die Betreuerin des Klägers zugestellt. Dass die Voraussetzungen für eine solche Ersatzzustellung vorgelegen haben, ist durch die Zustellungsurkunde gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2, § 418 Abs. 1 ZPO bewiesen.
Die Zustellung erfolgte auch zutreffend an die Betreuerin des Klägers und nicht an den Kläger selbst. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 VwZG hat die Zustellung bei Personen, für die ein Betreuer bestellt ist, soweit der Aufgabenkreis des Betreuers reicht, an den Betreuer zu erfolgen. Der Aufgabenkreis der Betreuerin erfasste zum Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheides ausweislich des Betreuerausweises vom 6. November 2018 die Vermögenssorge, wozu auch die Regelung von Behördenangelegenheiten im Bereich der Sozialhilfe gehört (Heitmann/Fürchtenkorn in Kaiser/Schnitzler/Schilling/Sanders, BGB Familienrecht, 4. Auflage 2021, § 1896 Rdnr. 26; Meier in Jurgeleit, Betreuungsrecht, 4. Auflage 2018, § 1833 Rdnr. 6). Zudem hat die Betreuerin mit Schreiben vom 5. Dezember 2018 unter Vorlage des Betreuerausweises die Betreuung für den Kläger bei dem Beklagten angezeigt und gebeten, zukünftige Korrespondenz mit ihr zu führen. Durch das Eintreten der Betreuerin in das Verwaltungsverfahren wird der geschäftsfähige Betreute einer nicht geschäftsfähigen Person gleichgestellt (vgl. Mutschler in KassKom, SGB X, § 11 Rdnr. 8). Diese Rechtsfolge ergibt sich aus § 53 ZPO, der über § 11 Abs. 3 SGB X sinngemäß anzuwenden ist. Der Betreute kann danach nicht mehr wirksam Bescheide entgegennehmen.
Gilt der Widerspruchsbescheid damit als am 15. August 2020 bekannt gegeben, so endete die Klagefrist nach § 87 Abs. 1 Satz 1, § 64 Abs. 2 Satz 1 SGG am Dienstag, dem 15. September 2020. Fristverlängernde Tatbestände iSd. § 64 Abs. 3 SGG sind nicht ersichtlich. Auch war die Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides ordnungsgemäß – insbesondere wurde auf die Zustellung abgestellt –, sodass nicht etwa die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG zum Tragen kommt. Der Eingang der Klage beim SG am 20. April 2021 war damit verfristet. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 SGG kommt nicht in Betracht. Auf die Ausführungen des SG wird insoweit Bezug genommen (vgl. § 153 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.