L 10 R 3156/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 716/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3156/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 16.08.2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung im Streit.

Der 1968 geborene Kläger erlernte den Beruf des Maschinenschlossers, in dem er bis 1991 und von 1998 bis Frühjahr 2006 tätig war. Von 1991 bis 1998 arbeitete er als Handelsvertreter bei der Firma V (s. Bl. 25 SG-Akte). Von Oktober 2006 bis Oktober 2008 absolvierte er eine Umschulung zum Kaufmann für Versicherungen und Finanzen, die er nicht abschloss. Anschließend war er arbeitsunfähig bzw. arbeitslos. Von Oktober bis Dezember 2015 arbeitete er in einer Werkstatt für behinderte Menschen (s. Bl. 35 f. SG-Akte). Eine Tätigkeit nahm er seither nicht mehr auf. Er entrichtete bis Dezember 2010 und letztmals von Oktober 2015 bis Dezember 2015 Pflichtbeiträge. Vom 21.12.2010 bis 15.04.2012 legte er Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug, vom 16.04.2012 bis 30.09.2015 Zeiten wegen Krankheit oder Gesundheitsmaßnahme ohne Beitragszahlung und ab Januar 2016 keinerlei rentenrechtliche Zeiten zurück. Zu den Einzelheiten der Versicherungszeiten wird auf den Versicherungsverlauf vom 18.08.2020 (Bl. 60 Senatsakte) Bezug genommen.

Der Kläger führte bereits in der Vergangenheit ein gerichtliches Verfahren gegen die Beklagte mit dem Ziel der Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung beim Sozialgericht Heilbronn - SG - (S 11 R 4289/09). Die Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 11.06.2012 abgewiesen (Bl. 394 ff. Verfahrensakte S 11 R 4289/09) und die hiergegen beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung (L 11 R 2898/12) am 15.01.2014 zurückgenommen (Bl. 406 Verfahrensakte S 11 R 4289/09). Vom 20.02.2012 bis 30.03.2012 befand er sich in stationärer Behandlung im Klinikum W - zfp - (Bl. 63 ff. SG-Akte). Dort wurde u.a. eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome und eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren diagnostiziert.

Am 25.11.2016 stellte der Kläger bei der Beklagten erneut einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, den er u.a. mit einer Arthrose am ganzen Körper, degenerativen Wirbelsäulenveränderungen zervikal, thorakal und lumbal, Bandscheibenproblemen, schweren Depressionen, den Folgen eines Schlaganfalls im Dezember 2005, Tinnitus, Hörminderung, Taubheit an verschiedenen Körperstellen und einer Prostataerkrankung begründete. Die Beklagte ließ den Kläger daraufhin durch den S (Untersuchungstag: 13.02.2017) und den H (Untersuchungstag: 04.04.2017) begutachten.

S diagnostizierte auf seinem Fachgebiet ein chronisches Halswirbelsäulen(HWS)-Schmerzsyndrom ohne radikuläre Ausfallsymptomatik mit Funktionseinschränkungen, ein chronisches Lendenwirbelsäulen(LWS)-Syndrom mit endgradiger Funktionseinschränkung ohne radikuläre Ausfallsymptomatik, eine beginnende Coxarthrose bds. mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung, Knieschmerzen bds. mit beginnender Retropatellararthrose, eine Rhizarthrose links mehr als rechts und Schulterschmerzen bds. mit geringer Funktionseinschränkung und beginnender Verschleißerkrankung und schätzte die quantitative Leistungsfähigkeit des Klägers für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (Wechsel zwischen Sitzen, Gehen, Stehen, keine Wirbelsäulenzwangshaltungen, keine Überkopfarbeiten, kein Heben und Tragen von Lasten mehr als 10 kg, keine Arbeiten im Knien oder Hocken, keine Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, auf Grund der Marcumarisierung keine Arbeiten mit erhöhter Unfallgefahr oder Arbeiten an laufenden Maschinen) auf mindestens sechs Stunden täglich ein.

H diagnostizierte eine „angegebene Somatisierung“ und eine Dysthymie. Fokalneurologische Defizite fand er nicht. Er schätzte die Leistungsfähigkeit des Klägers für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in wechselnder Arbeitshaltung auf sechs Stunden und mehr ein und wies auf nicht authentische Verhaltensweisen und Aggravation des Klägers hin.

Mit Bescheid vom 13.04.2017 lehnte die Beklagte den Antrag mangels Vorliegens der medizinischen Voraussetzungen ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2018 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 02.03.2018 Klage beim SG erhoben. Das SG hat (schriftlich) sachverständige Zeugenauskünfte bei den behandelnden Ärzten des Klägers eingeholt. Der S1 hat mitgeteilt (Bl. 44 SG-Akte), dass sich der Kläger bislang lediglich einmal bei ihm vorgestellt habe. Zuvor sei er bei seinem Kollegen in Behandlung gewesen. Er hat eine schwere Osteochondrose mit Bandscheibenprolaps L4/L5, eine beginnende zervikale Spinalstenose C5/C6, Osteochondrosen der HWS, einen Spreizfuß bds., eine leichte Rhizarthrose links, eine Gonarthrose ersten Grades bds., eine Coxarthrose dritten Grades bds. und eine chronische Schmerzstörung diagnostiziert. Dennoch halte er den Kläger für in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich sechs Stunden durchzuführen. Der S2 hat mitgeteilt, dass sich der Kläger lediglich einmal in seiner Behandlung befunden habe. Eigene Diagnosen hat S2 nicht mitgeteilt und auch keine Einschätzung der Leistungsfähigkeit des Klägers abzugeben vermocht (Bl. 60 SG-Akte). Der R hat mitgeteilt (Bl. 61 f. SG-Akte), dass die Gesundheitsstörungen des Klägers schwierig zu beurteilen seien und anfänglich eine Depression angenommen worden sei. Die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers sei seit 2009 „gleich Null“.

Nach Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme der H1 (Bl. 71 f. SG-Akte) durch die Beklagte hat das SG von Amts wegen ein Sachverständigengutachten bei dem B eingeholt (Bl. 81 ff. SG-Akte, Untersuchungstag: 29.01.2019). Der Sachverständige hat u.a. eine Anpassungsstörung, eine ausgeprägte Persönlichkeitsakzentuierung mit simulativen Tendenzen ohne Anhalt für überdauernde, neurologische oder hirnorganisch-psychopathologische Funktionsstörungen nach einem anamnestisch berichteten Schlaganfall im Dezember 2005, einen Nikotinabusus und einen kompensierten Tinnitus diagnostiziert und die quantitative Leistungsfähigkeit des Klägers für leichte bis zum Teil mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (keine Tätigkeiten auf Leitern, Gerüsten, unmittelbar an gefährdenden Maschinen, mit Anforderungen an die Konfliktfähigkeit, mit fordernden sozialen Interaktionen, unter regelmäßigem Zeitdruck oder Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht) auf arbeitstäglich mindestens sechs Stunden eingeschätzt. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit hat er nicht gesehen. An seiner Leistungsbeurteilung hat der Sachverständige auch in seiner ergänzenden Stellungnahme, in die er auch ein seitens des Klägers vorgelegtes Schreiben des R, in dem dieser nach wie vor von einem seit 2009 aufgehobenen Leistungsvermögen ausgegangen ist (Bl. 141 SG-Akte), einbezogen hat, festgehalten (Bl. 142 ff. SG-Akte).

Mit Urteil vom 16.08.2019 hat das SG die Klage - gestützt auf das Sachverständigengutachten des B, die sachverständige Zeugenauskunft des S1 und die im Wege des Urkundsbeweises verwerteten Gutachten der H und S - abgewiesen. Die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers werde durch ein chronisches HWS-Schmerzsyndrom, ein chronisches LWS-Syndrom mit endgradiger Funktionseinschränkung, eine beginnende Coxarthrose, Knieschmerzen bds., eine Rhizarthrose links sowie eine Anpassungsstörung, eine Persönlichkeitsakzentuierung und einem Tinnitus tangiert. Allerdings schränkten diese Gesundheitsstörungen die berufliche Leistungsfähigkeit lediglich in qualitativer, nicht aber in quantitativer Hinsicht ein. Ihm seien noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten in verschiedenen Arbeitshaltungen ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule, ohne Heben und Tragen von Lasten mehr als 10 kg, ohne Knien oder Hocken und ohne Überkopfarbeiten möglich. Ausgeschlossen seien auch insbesondere Tätigkeiten auf Leitern, Gerüsten sowie Tätigkeiten an unmittelbar gefährdenden Maschinen. Tätigkeiten mit Anforderungen an die Konfliktfähigkeit oder mit fordernden sozialen Interaktionen sollten ebenso wie Tätigkeiten mit regelmäßigem Zeitdruck und Stressfaktoren sowie Nacht- oder Wechselschicht vermieden werden. Der anderweitigen Auffassung des R, wonach beim Kläger bereits seit dem Jahr 2009 eine quantitative Leistungseinschränkung vorliege, könne schon deshalb nicht gefolgt werden, da das vormals geführte gerichtliche Rentenverfahren durch einen klageabweisenden Gerichtsbescheid (S 11 R 4289/09) und eine Klagerücknahme im Rahmen des dortigen Berufungsverfahrens (L 11 R 2898/09) geendet habe und auch nicht aus der Behandlungsdauer auf das Vorliegen einer quantitativen Leistungseinschränkung geschlossen werden könne. Vielmehr lasse der vom Sachverständigen ausführlich erhobene neurologische und psychische Befund gerade keinen Rückschluss auf eine quantitative Leistungseinschränkung zu. Soweit der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung über Beeinträchtigungen im Bereich der Hände geklagt habe - er könne keine Wasserflasche mehr
öffnen -, sei nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um überdauernde Leistungseinschränkungen handele, da der Sachverständige B im Rahmen seiner wenige Monate zuvor stattgefundenen Untersuchung eine ungestörte Feinmotorik der Hände mit sogar geschicktem und völlig ungestörtem Bewegungsablauf beschrieben habe. Zudem lägen keine Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Wegefähigkeit des Klägers vor.

Gegen das - seinen Prozessbevollmächtigten am 21.08.2019 zugestellte - Urteil hat der Kläger am 18.09.2019 Berufung beim LSG eingelegt. Er halte unter Hinweis auf die Einschätzung seines behandelnden Nervenarztes und Psychotherapeuten R an seinem Begehren fest. Dieser gehe von einer dauerhaft vollständigen Leistungseinschränkung aus. Der Schwerpunkt seiner Leiden liege auf psychiatrischem Fachgebiet. Körperliche Probleme kämen hinzu.

Der Kläger beantragt (teilweise sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 16.08.2019 und den Bescheid der Beklagten vom 13.04.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 01.11.2016 eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Senat ein Sachverständigengutachten bei dem K eingeholt (Bl. 28 ff. Senatsakte, Untersuchungstag: 24.06.2020). Der Sachverständige hat auf psychiatrischem Fachgebiet eine chronifizierte agitierte wahnhafte Depression, ein chronisches Schmerzsyndrom mit psychischen und somatischen Faktoren und eine generalisierte Angststörung diagnostiziert und die quantitative Leistungsfähigkeit des Klägers für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter drei Stunden täglich eingeschätzt.  

Die Beklagte hat daraufhin eine sozialmedizinische Stellungnahme des N vorgelegt (Bl. 54 f. Senatsakte), in der dieser an der bisherigen Leistungseinschätzung festgehalten hat. Der Kläger hat Berichte über ein MRT der Brustwirbelsäule (BWS) von Juli 2020 (Bl. 66 Senatsakte), ein MRT der BWS von September 2020 (Bl. 68 Senatsakte) sowie Befundberichte des S1 von Juni 2020 (Bl. 71 Senatsakte) und der R1 von August 2020 (Bl. 72 Senatsakte) vorgelegt.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 13.04.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Ihm steht daher weder eine Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zu.

Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) zutreffend dargelegt und gestützt auf das Sachverständigengutachten des B, die - urkundsbeweislich verwertbaren - Verwaltungsgutachten der H und S sowie der sachverständigen Zeugenauskunft des S1 mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil er trotz der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten bei Berücksichtigung der aufgeführten qualitativen Einschränkungen zumindest sechs Stunden täglich zu verrichten und mit diesem Leistungsvermögen weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Ebenso zutreffend hat es dargelegt, dass und warum der entgegenstehenden Einschätzung namentlich des R nicht gefolgt werden kann. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Zudem führt auch die auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG im Berufungsverfahren durch Einholung des Sachverständigengutachtens bei K durchgeführte weitere medizinische Sachaufklärung zu keiner anderen Einschätzung. Denn auch das Sachverständigengutachten des K vermag den Senat nicht davon zu überzeugen, dass beim Kläger eine quantitative Leistungseinschränkung auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorliegt. Zwar hat K einen auffälligen psychischen Befund erhoben (u.a. deutlich niedergeschlagen, agitiert, sehr klagsam, kognitiv verlangsamt, psychomotorisch sehr unruhig, getrieben, Bl. 35 Senatsakte). Gleichzeitig hat er indes an mehreren Stellen des Gutachtens auf Verdeutlichungstendenzen des Klägers hingewiesen, die ihn vor „erhebliche Probleme“ gestellt hätten und ausgeführt, dass die Angaben des Klägers „mit großer Vorsicht zu werten“ seien (Bl. 37 f., 43, 45 f. Senatsakte). Trotz dieser erheblichen Verdeutlichungstendenzen hat K - worauf N in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme zu Recht hingewiesen hat (Bl. 54 f. Senatsakte) - keine Konsistenzprüfung vorgenommen, sondern lediglich behauptet, dass die „Faktenlage“ darauf hinweise, dass jenseits dieser Aggravationsversuche seit mehr als zehn Jahren - nämlich seit seiner Behandlung im zfp im Februar/März 2012 - Symptome einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung festzustellen seien. Er hat sich auch nicht mit der Tatsache auseinandergesetzt, dass der Kläger weder eine Psychotherapie, noch eine Psychopharmakotherapie durchführt und auch zur Bekämpfung der geklagten Schmerzen lediglich eine Bedarfsmedikation einnimmt (Bl. 33 Senatsakte). Dies spricht nicht für einen besonders hohen Leidensdruck und somit für eine die quantitative Leistungsfähigkeit einschränkende psychische Erkrankung des Klägers, worauf N ebenfalls zutreffend hingewiesen hat. Auch ist nicht nachvollziehbar, auf Grund welcher medizinischer Grundlagen K davon ausgegangen ist, dass die von ihm beschriebene Befundlage und das Beschwerdebild bereits seit mehr als zehn Jahren - folglich also bereits vor Juni 2010 - durchgehend nachweisbar seien. Das SG hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass in dem vorangegangenen Rentenverfahren (S 11 R 4289/09), das schließlich durch Berufungsrücknahme (L 11 R 2898/12) im Januar 2014 endete, keine Erwerbsminderung festgestellt wurde. Im vorliegenden Verfahren haben schließlich weder der Gutachter H noch der erstinstanzliche Sachverständige B die zeitliche Leistungsfähigkeit des Klägers beeinträchtigende Befunde auf nervenärztlichem Fachgebiet erhoben (psychischer Befund B u.a.: bewusstseinsklar; sicher in allen Qualitäten orientiert; im Denken formal geordnet; Auffassung, insbesondere auch Konzentration, Merkfähigkeit und Aufmerksamkeit im mehrstündigen, dichten Untersuchungsgang bis zuletzt ungestört; keinerlei Hinweise für eine hirnorganische Leistungsstörung; kein Anhalt für anders begründete, sozialmedizinisch richtungsweisende kognitive Störungen; Bl. 123 SG-Akte). Die Behauptung des K, dass die Befundlage und das Beschwerdebild beim Kläger seit mehr als zehn Jahren weitgehend unverändert schlecht seien, ist damit widerlegt. Auch aus den Auskünften des R lassen sich keine entsprechenden Schlüsse ziehen. Allein aus den von R mitgeteilten Symptomen „kein Antrieb, kein Schwung“ (Bl. 61 SG-Akte) lässt sich nicht auf eine quantitative Leistungseinschränkung beim Kläger schließen. Denn B hat im Rahmen seiner ausführlichen Untersuchung gerade keine die zeitliche Leistungsfähigkeit einschränkenden Befunde (s.o.) beschrieben. Gleiches gilt für die fremdanamnestischen Äußerungen und das Verhalten der Ehefrau des Klägers, worauf K Bezug genommen hat (Bl. 45 Senatsakte).

Schließlich hat der Senat auch keine Anhaltspunkte für eine im Laufe des Verfahrens nach der Untersuchung durch den Sachverständigen B eingetretene wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers. Weder hat der Kläger Entsprechendes konkret geltend gemacht, noch lässt sich dies dem Sachverständigengutachten des K entnehmen. Dieser geht - wie bereits oben erläutert - gerade davon aus, dass der Gesundheitszustand des Klägers seit mehr als zehn Jahren unverändert (schlecht) sei. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den (weiteren) vom Kläger vorgelegten Befundberichten. Der Verwaltungsgutachter S berücksichtigte in seiner Leistungseinschätzung bereits die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der HWS. Aus dem MRT-Bericht der HWS von Juli 2020 ergeben sich keine weiteren Befunde, die zu einer Änderung der Leistungseinschätzung führen könnten. Vielmehr wird darin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es insgesamt im Verlauf nur zu einer geringen Veränderung des Gesamtstatus gekommen sei (Bl. 66 Senatsakte). Dem Bericht über das MRT der BWS von September 2020 lässt sich zwar entnehmen, dass beim Kläger auch degenerative BWS-Veränderungen vorliegen. Gleichzeitig ist jedoch ein Bandscheibenvorfall, eine Spinalkanalstenose, ein Myelopathiesignal und eine neuroforaminale Enge ausgeschlossen worden, so dass sich auch hieraus keine über die bereits von S und dem Sachverständigen B hinaus beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen ergeben. Gleiches gilt für die im Mai 2020 erstmals diagnostizierte leichte Polyneuropathie (Bl. 71 f. Senatsakte). Während B im Rahmen seiner Begutachtung noch keine entsprechenden Beeinträchtigungen dokumentiert hat (Bl. 115 f. SG-Akte), hat K zwar Sensibilitätsstörungen im Bereich der linken Zehen und sämtlicher Finger beschrieben (Bl. 34 Senatsakte). Indes hat er hieraus gerade keine besonderen Leistungseinschränkungen abgeleitet.

Damit steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch in der Lage ist, jedenfalls leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung der oben genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, sodass er weder voll noch teilweise erwerbsgemindert ist (§ 43 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB VI).

Abschließend merkt der Senat noch an, dass eine zwischenzeitliche wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands mit einer daraus resultierenden quantitativen Leistungseinschränkung dem Kläger ohnehin nicht zu einem Anspruch auf die geltend gemachte Rente verhelfen würde, da er letztmals von Oktober bis Dezember 2015 Pflichtbeiträge entrichtete - anschließend sind überhaupt keine rentenrelevanten Zeiten mehr dokumentiert - und folglich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI (drei Jahre Pflichtbeiträge in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung) nicht mehr vorliegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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