Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. November 2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten werden auch im Berufungsverfahren nicht erstattet.
Der Antrag des Klägers vom 28. Oktober 2019, die Kosten des auf seinen Antrag erhobenen Gutachtens von K vom 30. September 2021 auf die Staatskasse zu übernehmen, wird abgelehnt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt - nach der Verbindung mehrerer Verfahren und der Teil-Rücknahme einiger Anträge - noch die Anerkennung zweier Berufskrankheiten (BK), und zwar einer Erkrankung der Ellenbogengelenke als BK Nr. 2101 („Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes [damals noch mit Unterlassungszwang]“) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sowie einer Arthrose der Schultereckgelenke als „Wie-BK“ bzw. „Quasi-BK“ nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Der Kläger ist 1959 geboren und wohnt im Inland. Er war seit 1978 als Maschinenführer und Staplerfahrer in einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten beschäftigt.
Spätestens ab dem Jahre 2008 entwickelten sich bei dem Kläger Erkrankungen der Schultern und der Wirbelsäule. Er absolvierte stationäre Rehabilitationsmaßnahmen in den A-Kliniken W (Februar und März 2008) und den Fachkliniken H (April und Mai 2011). Bei einer ärztlichen Untersuchung bei dem K1 im Frühjahr 2012 gab der Kläger Schulterschmerzen und Probleme am Arbeitsplatz an. Festgestellt wurden ein endgradiger Bewegungsschmerz und eine PHS (Periarthritis humeroscapularis, eine unpräzise Sammelbezeichnung für meist schmerzhafte degenerative Veränderungen mit Bewegungseinschränkung im Bereich des Schultergürtels) mit initialer Omarthrose der linken Schulter. Der V beschrieb eine knöcherne Enge unter dem atypisch weit gelegenen Schulterdach bei relativ deutlichem Humeruskopfhochstand ohne relevante Omarthrose mit initialer AC-Gelenksarthrose bei intakten Sehnen der Rotatorenmanschette (Arztbrief vom 6. Februar 2012). Vom 18. Februar bis zum 10. März 2016 absolvierte der Kläger eine weitere Reha-Maßnahme in der Fklinik B. Der dortige Entlassungsbericht nannte als Diagnosen Schulterschmerzen beidseits mit Omarthrose, ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom sowie eine längere depressive Reaktion bei psychosozialer Belastung. Als Gabelstaplerfahrer bestehe nur noch ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden arbeitstäglich, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei der Kläger für leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung vollschichtig erwerbsfähig. Nach Aktenlage absolvierte der Kläger noch eine betriebliche Wiedereingliederung, die aber scheiterte. Seit dem Jahre 2017 war er arbeitslos, später nebenbei geringfügig beschäftigt.
Am 14. Juli 2016 zeigte der Kläger der Beklagten den Verdacht auf verschiedene BKen an. Er sei seit 2015 arbeitsunfähig. Er legte das Attest der P vom 29. Juni 2016 vor. Danach bestand der Verdacht, die Erkrankungen der Schultern und der Wirbelsäule könnten auf die Tätigkeit als Gabelstaplerfahrer zurückzuführen sein.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers, der AOK Baden-Württemberg, vom 12. September 2016 ein. Danach hatten längere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Impingementsyndrom der linken Schulter im Frühjahr 2011 und wegen diverser orthopädischer Erkrankungen von Juni 2015 bis September 2016 bestanden.
Mit Bescheid vom 8. März 2017 lehnte die Beklagte die Anerkennung der BK Nr. 2108 („Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung [damals noch mit Unterlassungszwang]“) ab. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger detaillierte Angaben zu seiner beruflichen Belastung als Maschinenführer und Gabelstaplerfahrer. Die Beklagte erließ jedoch den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2018. Hiergegen erhob der Kläger am 12. März 2018 Klage zum Sozialgericht (SG) Reutlingen (S 6 U 631/18). Jenes Verfahren ist später nicht zu den anderen Klagen hinzuverbunden worden und nicht Gegenstand dieses Berufungsverfahrens.
Mit Bescheid vom 30. August 2017 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankung der Schultern beidseits bei Omarthrose und initialer AC-Gelenksarthrose, Impingementsyndrom und Rotatorenmanschettenläsion als BK ab. Es handle sich weder um eine anerkannte „Listen-BK“ noch eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII. Der Kläger erhob Widerspruch und legte unter anderem den radiologischen Arztbericht von V vom 1. März 2018 über eine knochenszintigrafische Untersuchung am 28. Februar 2018 vor. Darin waren schwere degenerative Veränderungen über den Schultergelenken, den Sternoclavikulargelenken beidseits, den Hüftgelenken beidseits und gering über den Kniegelenken, hier links betont, angegeben. Daneben wurden eine aktivierte Rhizarthrose links und „deutliche Mehrspeicherungen über den Ellenbogengelenken beidseits wie bei Epicondylitis“ genannt. Die Beklagte erließ jedoch den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2018. Hiergegen hat der Kläger am 14. Juni 2018 Klage zum Sozialgericht (SG) Reutlingen erhoben (S 6 U 1451/18). Er hat dabei zunächst vor allem die Anerkennung seiner Beschwerden als BK Nr. 2103 („Erkrankungen durch Erschütterung bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen oder gleichartig wirkenden Werkzeugen oder Maschinen“) begehrt und auf die Erschütterungen verwiesen, denen er als Gabelstaplerfahrer ausgesetzt gewesen sei.
Mit Bescheid vom 4. Juni 2018 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Hüftgelenkserkrankung sowie der Erkrankungen der Daumensattel- und Großzehengrundgelenke als BK ab. Den Widerspruch hiergegen wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2018 zurück. Hiergegen hatte der Kläger am 29. November 2018 Klage erhoben (S 6 U 3193/18).
In dem weiter anhängigen Verwaltungsverfahren wegen der Erkrankungen der Ellenbogen, die der Kläger in Bezug auf den Bescheid vom 30. August 2017 geltend gemacht hatte, erhob die Beklagte noch die beratungsärztliche Stellungnahme des W1 vom 17. Juli 2018. Dieser führte aus, eine solche Erkrankung sei nicht gesichert, denn es fänden sich keine Behandlungsnachweise. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 7. August 2018 die Anerkennung einer Ellenbogenerkrankung als BK Nr. 2101 ab. Das dort geforderte Krankheitsbild liege nicht vor. Ferner besteh kein Hinweis, dass der Kläger seine Berufstätigkeit wegen seiner Ellenbogenbeschwerden habe unterlassen müssen. Der Kläger erhob auch hiergegen Widerspruch und machte sowohl die BK Nr. 2101 als auch erneut die BK Nr. 2103 geltend. Es erging der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2018. Hiergegen hat der Kläger am 9. Januar 2019 Klage zum SG erhoben (S 6 U 114/19).
Weiterhin hatte die Beklagte wegen des Arztbriefs von V vom 1. März 2018 ein Verwaltungsverfahren zur Überprüfung der Beschwerden an den Kniegelenken des Klägers eingeleitet. Insoweit lehnte sie mit Bescheid vom 13. November 2018 die Anerkennung einer BK Nr. 2101 (Meniskopathie) oder einer BK Nr. 2112 (Gonarthrose) ab. Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, wobei er eine Verursachung seiner Kniebeschwerden vor allem durch Vibrationen und Ganzkörperschwingungen im Sinne der BK Nr. 2103 annahm. Die Beklagte wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2019 zurück. Sie verwies unter anderem darauf, dass während der letzten Rehabilitation des Klägers keine Beschwerden an den Knien festgestellt worden seien, sondern nur Beeinträchtigungen im Bereich Wirbelsäule. Hiergegen hat der Kläger am 29. April 2019 Klage erhoben (S 6 U 1046/19).
Letztlich lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20. September 2018 die Anerkennung einer BK Nr. 2103 ab. Es liege kein Krankheitsbild im Sinne dieser BK vor, insbesondere keine Arthrose der Hand- und Ellenbogengelenke, keine Mondbeinnekrose und kein Bruch des Kahnbeins. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger ebenfalls Widerspruch, über den bislang nicht entschieden ist.
Das SG hat das SG die vier anhängigen Verfahren (außer jenem wegen der BK Nr. 2108) mit Beschluss vom 8. Juli 2019 unter dem Aktenzeichen S 6 U 4371/19 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Im weiteren Verfahren hat der Kläger seine Anträge wegen Berufskrankheiten der Daumensattel- und Großzehengelenke sowie der Kniegelenke für erledigt erklärt. Ferner hat er klargestellt, dass er in diesem Verfahren die Anerkennung der Schultereckgelenksarthrose lediglich als „Wie-BK“ begehre, weil die Anerkennung als BK Nr. 2103 Gegenstand des noch bei der Beklagten anhängigen Widerspruchsverfahrens sei.
In dem hiervon unberührten Parallelverfahren S 6 U 631/18 hat das SG von Amts wegen das Gutachten vom 31. Juli 2019 bei B1 erhoben.
In dem hiesigen Verfahren hat das SG die verbliebenen Klagen mit Urteil vom 14. November 2019 abgewiesen. Eine Schultererkrankung könne nach den aktuellen Erkenntnissen der Wissenschaft nicht als „Wie-BK“ anerkannt werden, weil es keine Nachweise dafür gebe, dass bestimmte Personengruppen wegen ihrer Berufstätigkeit ein erhöhtes Risiko für solche Erkrankungen entwickelten. Ferner können bei dem Kläger keine Ellenbogenerkrankung als BK Nr. 2101 anerkannt werden. Zum einen fehle der Nachweis, dass eine solche Erkrankung vorliege. Der einmalige knochenszintigrafische Befund bei Beschwerdefreiheit reiche dafür nicht aus. Ferner erfüllte die Einwirkungen, die der Kläger anschuldige, nicht die Anforderungen dieser BK in Bezug auf Sehnen und Sehnenansätze. Letztlich habe insoweit kein Unterlassungszwang bestanden.
Gegen dieses Urteil, das seiner Prozessbevollmächtigten am 2. Dezember 2019 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 27. Dezember 2019 Klage zum Landessozialgericht erhoben. Er trägt vor, er habe multiple Gelenkschäden am ganzen Körper, vor allem an den Schultergelenken. Diese Schäden seien nicht altersentsprechend und auf die mehr als 38-jährige Tätigkeit als Gabelstaplerfahrer zurückzuführen. Insbesondere sei bislang sein Vortrag über die Auswirkungen der Erschütterungen bzw. Ganzkörperschwingungen während dieser Tätigkeit nicht berücksichtigt worden.
Er beantragt in der Hauptsache,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. November 2019 aufzuheben und die Beklagte
a) unter Aufhebung des Bescheids vom 30. August 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Mai 2018 zu verpflichten, eine Schultergelenksarthrose beidseits mit initialer AC-Gelenksarthrose „wie eine Berufskrankheit“ nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen,
b) unter Aufhebung des Bescheids vom 7. August 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Dezember 2018 zu verpflichten, eine Erkrankung beider Ellenbogengelenke als Berufskrankheit nach Nr. 2101 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass sie in dem Parallelverfahren wegen der Anerkennung einer BK Nr. 2108 auch die Ganzkörperschwingungen im Sitzen ermittelt habe, denen der Kläger als Gabelstaplerfahrer ausgesetzt gewesen sei. Es sei auszuschließen, dass diese Einwirkungen Bandscheibenschäden verursacht hätten. Gleiches gelte für die hier geltend gemachten Erkrankungen. Hierzu legt die Beklagte die Stellungnahme Arbeitsplatzexposition vom 14. September 2016 vor.
Der Senat hat die amtliche Auskunft des Sachverständigenbeirats „Berufskrankheiten“ bei dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 9. April 2020 eingeholt. Danach hat sich der Beirat bislang nur mit der Frage befasst, ob Rotatorenmanschettenrupturen der Schultern als BK anzuerkennen seien. Insoweit würden als potentiell schädigende Tätigkeiten manuelle Lastenhandhabungen, repetitive Bewegungen und/oder Arbeitstätigkeiten mit „Über-Schulter-Stellung“ des Arms geprüft. Die Beratungen seien noch nicht abgeschlossen.
Ferner haben beide Beteiligten mitgeteilt, dass der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 20. September 2018 (Anerkennung der Wirbelsäulenschäden als BK Nr. 2108) mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2020 zurückgewiesen worden ist.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 14. Mai 2020 seinen Vortrag konkretisiert und sich dabei unter anderem auf drei aktuelle ärztliche Studien zur Frage des Zusammenhangs zwischen Schulterschäden und der Berufstätigkeit als Gabelstaplerfahrer berufen. Ferner hat er dort seine Behauptung, er leide an einer Erkrankung im Bereich der Ellenbogen, unter Beweis gestellt.
Dementsprechend hat der Senat die behandelnde P schriftlich als sachverständige Zeugin vernommen. Sie hat unter dem 14. August 2020 bekundet, sie habe den Kläger 2019 wegen eines degenerativen Wirbelsäulensyndroms, einer Arthrose in der Schulterregion und wegen chronischen Schmerzes (R52.2 ICD-10 GM) behandelt. Danach habe es keine Konsultation gegeben. Die chronischen Schmerzen beträfen auch die Ellenbogengelenke. In dem Knochenszintigramm von V vom 1. März 2018 seien arthrotische Veränderungen auch über den Ellenbogengelenken „wie bei Epicondylitis“ beschrieben.
Weitere Hinweise, insbesondere zum Stand der medizinischen Diskussionen zur Anerkennung von Schulterbeschwerden als „Wie-BK“ bei Gabelstaplerfahrern sowie zu den drei von Klägerseite benannten medizinischen Studien bzw. Aufsätzen, hat der Senat am 18. August 2020 gegeben.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 2. November 2020 die K zur Sachverständigen ernannt. Nach mehrfachen Fristverlängerungen und der Verhängung eines Ordnungsgeldes mit Beschluss vom 2. September 2021 ist das Gutachten vom 30. September 2021 Anfang Oktober 2021 bei dem Senat eingegangen. Die Sachverständige führt darin aus, die Symptome des Klägers an den Schultern könnten nicht als „Wie-BK“ anerkannt werden, weil es aktuell keine neuen Erkenntnisse darüber gebe, dass Gabelstaplerfahrer in höherem Maße als die Allgemeinbevölkerung dem Risiko von Schultererkrankungen ausgesetzt seien. Ferner könne bei dem Kläger kein Erkrankungsbild im Sinne der BK Nr. 2101 festgestellt werden. Zwar habe zeitweise eine Tendinitis des M. biceps brachialis rechts diagnostiziert werden können, die auch für die Arbeitsunfähigkeit von Februar bis Juni 2011 mitverantwortlich gewesen sei. Es habe sich jedoch wahrscheinlich um eine akute entzündliche Reaktion gehandelt, die als chronische Erkrankung untergeordnet sei.
Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2021, der Kläger unter dem 28. Oktober 2021 mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter und ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Der Kläger hat dabei zugleich beantragt, die Kosten des Wahlgutachtens der Ärztin Kirn auf die Staatskasse zu übernehmen. Das Gutachten habe wesentlich zur Sachaufklärung beigetragen.
Die parallel anhängige Klage wegen der Anerkennung der BK Nr. 2108 hatte das SG mit Urteil vom 14. November 2019 abgewiesen (S 6 U 631/18). Die dagegen erhobene Berufung zum LSG (L 1 U 74/20) hat der Kläger mit Schriftsatz vom 27. März 2020 für erledigt erklärt.
Wegen der weiteren Feststellungen zum Gesundheitszustand des Klägers wird auf die ärztlichen Unterlagen in den Verwaltungsakten der Beklagten und den Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe
Mit Zustimmung beider Beteiligter entscheidet nach § 155 Abs. 3, Abs. 4 SGG der Berichterstatter als Einzelrichter anstelle des Senats. Daher sind auch die ehrenamtlichen Richter nicht beteiligt (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 155 Rn. 11). Auf die mündliche Verhandlung haben die Beteiligten verzichtet (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung (bzw. die beiden Berufungen) des Klägers ist statthaft (§ 143 SGG), insbesondere nicht zulassungsbedürftig nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG, weil keine Leistungen, sondern behördliche Feststellungen begehrt werden. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie ist aber nicht begründet. Das SG hat die beiden Klagen zu Recht abgewiesen.
Die Anträge sind zwar als Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen statthaft und zulässig. Insbesondere hat die Beklagte in den angegriffenen Bescheiden über die beiden geltend gemachten Erkrankungen und ihre Einordnung als mögliche BK entschieden. Und es besteht eine ausreichende Klagebefugnis nach § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG, weil das Unfallversicherungsrecht mit § 102 SGB VII (i.V.m. § 36a SGB IV) eine Grundlage für die Feststellung einer BK (und eines Arbeitsunfalls) durch den jeweiligen Unfallversicherungsträger bereitstellt. Aus diesem Grunde ist ein Versicherter auch nicht auf eine gerichtliche Feststellung nach § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 1 SGG verwiesen, er kann vielmehr auch eine Verpflichtungsklage auf behördliche Feststellung erheben (Keller, a.a.O., § 55 Rn. 13c).
Die Klagen sind aber nicht begründet. Die beiden geltend gemachten BKen können nicht festgestellt werden. Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichts (§ 128 Abs. 1 SGG) fest, dass sie bei dem Kläger vorliegen.
Dies gilt zunächst, soweit der Kläger Beschwerden an seinen Ellenbogen als BK Nr. 2101 geltend macht.
Eine BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII - eine sogenannte „Listen-BK“ - ist eine Erkrankung, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheit bezeichnet hat und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). In Nr. 2101 der Anlage zur BKV sind Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze als BK beschrieben (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. September 2008 – L 1 U 1926/07 –, Rn. 25 f., juris). Bis zu den Änderungen des BK-Rechts durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 12. Juni 2020 (7. SGB IV-ÄndG, BGBl. I Nr. 28 S. 1248) zum 1. Januar 2021 forderte die BKV für die Anerkennung dieser BK - sowie einiger weiterer BKen - außerdem einen „Unterlassungszwang“. Die Krankheit musste „zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können“.
Wie bei jedem Versicherungsfall müssen auch für die Anerkennungen einer BK die anspruchsbegründenden Elemente, vor allem die Erkrankung und die relevanten beruflichen Einwirkungen, im Vollbeweis gesichert sein. Dagegen reicht für etwaige Ursachenzusammenhang die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht jedoch die bloße Möglichkeit.
Vor diesem Hintergrund scheitert die Anerkennung der BK Nr. 2101 bei dem Kläger schon auf medizinischer Ebene. Es kann keine Erkrankung festgestellt werden, die als BK nach dieser Vorschrift in Betracht kommt.
Nach dem Merkblatt zur BK Nr. 2101 (Anl. 1 zur 7. BKV, Bek. des BMA [Bundesministerium für Arbeit] vom 18. Februar 1963, BArbBl. Fachteil Arbeitsschutz 1963, 24, zuletzt geändert durch Bek. des BMAS vom 1. Dezember 2007 - IVa 4-45222 – 2101/3) erfasst die BK Nr. 2101 als geeignete Erkrankungen die Paratenonitis (Tendovaginitis) crepitans, Periostosen an Sehnenansätzen (Epicondylitis und Styloiditis) sowie - in seltenen Fällen - die Tendovaginitis stenosans. Dagegen sind die Dupuytren’sche Kontraktur und die Periarthritis humeroscapularis im Allgemeinen nicht auf berufliche Einflüsse zurückzuführen. Diese medizinischen Hinweise des Sachverständigenbeirats entsprechen weiterhin dem aktuellen Stand der Wissenschaft (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 1238 ff.; ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Juni 2010 – L 10 U 5699/07 –, Rn. 20, juris).
Eine solche Erkrankung der Sehnen oder des Sehnengleitgewebes liegt bei dem Kläger nicht vor. Nach Aktenlage wurde lediglich einmalig - in dem Bericht von V über eine knochenszintigrafische Untersuchung am 28. Februar 2018 - geäußert, es bestehe ein Bild „wie bei einer Epicondylitis“. Diese eher symptombezogene Beschreibung stellt keine gesicherte Diagnose dar. Zu keinem Zeitpunkt hat ein Behandler eine Epicondylitis oder eine vergleichbare Erkrankung der Sehnen oder des Sehnengleitgewebes als gesichert gestellt oder eine Behandlung wegen entsprechender Beschwerden durchgeführt. Das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass bereits der Entlassungsbericht der F-Klinik B keine Feststellungen zu Beschwerden im Bereich der Ellenbogen oder gar eine entsprechende Diagnose enthalten hatte. Dass sich daran nichts geändert hat, ergibt sich auch aus der Zeugenaussage von P vom 14. August 2020. Die Zeugin hat Behandlungen bis Januar 2019 angegeben, allerdings nur wegen anderer Diagnosen. Hinsichtlich einer möglichen Erkrankung des Ellenbogens hat auch sie ausschließlich auf die Szintigrafie aus dem Jahre 2018 verwiesen, die aber - wie ausgeführt - nicht als Vollbeweis ausreicht. Bereits auf dieser Grundlage konnte sich die Beklagte in den angegriffenen Bescheiden zu Recht auf den Standpunkt stellen, eine relevante Erkrankung sei nicht gesichert. Bestätigt wird diese Einschätzung nun durch das Gutachten von K vom 30. September 2021. Die Sachverständige hat ausgeführt, es habe zumindest zeitweise - im Jahre 2011 - die Diagnose einer Tendinitis des Bizepsmuskels bestanden, und hierbei handle es sich durchaus um eine Erkrankung des Sehnengleitgewebes bzw. eines Muskelansatzes. Ob diese Erkrankung tatsächlich in den Anwendungsbereich der BK Nr. 2101 fällt, wie die Sachverständige annimmt, kann dabei offen bleiben. Auch K sieht diese Erkrankung letztlich nicht als BK an, weil sie keine länger andauernde, chronische Veränderung darstellte, sondern eine akute und nach kurzer Zeit ausgeheilte Beeinträchtigung.
Unabhängig davon kann diese Erkrankung, sollte sie doch in den Anwendungsbereich der BK Nr. 2101 fallen, nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die beruflichen Einwirkungen als Staplerfahrer zurückgeführt werden. Auch dieser Einschätzung, auf die K als Sachverständige hingewiesen hat, kann der Senat folgen.
Als berufliche Tätigkeiten, die zu einer BK Nr. 2101 führen können, werden - im Wesentlichen - verschiedene Formen kurzzyklischer, repetitiver feinmotorischer Handtätigkeiten, daneben hochfrequente, gleichförmige feinmotorische Tätigkeiten bei unphysiologischer Auslenkung im Handgelenk, eine Überbeanspruchung durch ungewohnte Arbeiten, die forcierte Dorsalextension der Hand (Tennis, Hämmern) und monoton wiederholte oder plötzliche Aus- und Einwärtsdrehungen der Hand und des Vorderarms (Schraubendreher) beschrieben. Wegen der Einzelheiten sei auf die Aufstellungen bei Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1240 f., verwiesen. Keine dieser Tätigkeiten entspricht der Arbeit eines Gabelstaplerfahrers. Die Ganzkörperschwingungen, die der Kläger vor allem anschuldigt, werden nicht unter den geeigneten Tätigkeiten genannt. Ohnehin werden sie eher von der BK Nr. 2103 erfasst, worauf der Senat im Berufungsverfahren mehrfach hingewiesen hat. Sie sind jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit geeignet, eine Erkrankung im Sinne der BK Nr. 2101 zu verursachen.
Offen bleiben kann und muss an dieser Stelle allerdings, ob bei dem Kläger - wenn er an einer Erkrankung im Sinne der BK Nr. 2101 leiden sollte - ihretwegen seine beruflichen Tätigkeiten unterlassen musste. Das SG hatte seine Entscheidung auch auf diese Erwägung gestützt. Nachdem die Voraussetzung eines Unterlassungszwangs seit Januar 2021 nicht mehr besteht und das 7. SGB-IV-ÄndG keine entsprechenden Übergangsregelungen enthält, käme eine Anerkennung einer BK zumindest ab Januar 2021 auch dann in Betracht, wenn kein Unterlassungszwang bestand oder besteht.
Die Schulterbeschwerden des Klägers können nicht als „Wie-BK“ anerkannt werden.
Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind (sog. „Öffnungsklausel“ für Wie-Berufskrankheiten). Die Feststellung einer Wie-Berufskrankheit nach dieser Vorschrift ist unter anderem vom Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als Berufskrankheit nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen abhängig (vgl. BSG, Urteil vom 13.02.2013 - B 2 U 33/11 R, juris m. w. N.). Diese allgemeinen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn bestimmte Personengruppen infolge einer versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit hervorrufen. Die insoweit in früheren Entscheidungen des Bundessozialgerichts verwendeten Begriffe der Gruppentypik, generellen Geeignetheit und gruppentypischen oder -spezifischen Risikoerhöhung dienten allein der Erläuterung oder Umschreibung der aufgezeigten Voraussetzungen, ohne dass damit andere Anforderungen an die Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit gestellt werden sollten (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 2010 - B 2 U 13/09 R, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Mai 2020 - L 8 U 3944/18 -, Rn. 31, juris).
Zwar liegen bei dem Kläger arthrotische Veränderungen der Schultern, insbesondere der Schultereckgelenke, vor, die als Erkrankung im Rechtssinne eingestuft werden können.
Es liegen jedoch keine gesicherten neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, wonach diese Erkrankungen bei Gabelstaplerfahrern mit einer gegenüber der Allgemeinbevölkerung erheblich erhöhten Wahrscheinlichkeit auftreten. Das SG hat in der angegriffenen Entscheidung auf die aktuelle Rechtsprechung verwiesen, die sich mit dieser Frage beschäftigt hat und zu dem genannten Ergebnis gekommen ist (S. 9 UA). Auch der Senat geht von diesem Erkenntnisstand aus.
Zum einen hat die Auskunft des Sachverständigenbeirats vom 9. April 2020 nichts Anderes ergeben. Danach wird dort zwar beraten, ob Schultererkrankungen als BK anzuerkennen sind. Jedoch betreffen diese Beratungen nur Rotatorenmanschettenrupturen, die bei dem Kläger nicht vorliegen. Auch die möglicherweise schädigenden Einwirkungen sind andere: Untersucht werden dort Einwirkungen durch manuelle, insbesondere repetitive Bewegungen des Arms, nicht aber Schwingungseinwirkungen, wie sie der Kläger anschuldigt.
Auch die drei medizinischen Studien, die der Kläger im Berufungsverfahren angeführt hat, ergeben keinen neuen, abweichenden Erkenntnisstand. Der Senat hat diese Studien, soweit sie erreichbar waren, durchgesehen und den Beteiligten die daraus gewonnenen Erkenntnisse mitgeteilt. Es handelte sich um den BIA-Report 9/97 „Ganzkörperschwingungen an Arbeitsplätzen von Gabelstaplerfahrern“ einschließlich einer Pilotstudie (FF-FP0306, Bericht vom 24. November 2017, www.dguv.de/projektdatenbank/0306/ab_fp306.pdf) und die DGUV-Information 240-460 („Information nach dem Berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G 46 ‚Belastungen des Muskel- und Skelettsystems einschließlich Vibrationen‘, Stand Juli 2009, https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/ar-ticle/747). Wegen der Einzelheiten wird auf den Hinweis des Senats vom 18. August 2020 Bezug genommen.
Und letztlich hat auch K als Sachverständige bestätigt, dass es keine aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse für eine erhöhte Belastung von Gabelstaplerfahrern mit Schulterbeschwerden gibt. Ergänzend auch sie auch bei dieser BK angeführt, dass die Einwirkung, die der Kläger anschuldigt, nach ihrer ärztlichen Einschätzung generell nicht geeignet ist, arthrotische Veränderungen der Schultern, vor allem der Schultereckgelenke, zu verursachen, sondern dafür nur Zwangshaltungen wie schweres Heben und Tragen und Über-Kopf-Arbeiten in Frage kommen.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Insoweit gilt in der Hauptsache die Rechtsbehelfsbelehrung, die diesem Urteil beigefügt ist.
Abzulehnen ist der Antrag des Klägers vom 28. Oktober 2021, die Kosten des Wahlgutachtens von K auf die Staatskasse zu übernehmen. Eine solche Übernahme nach § 109 Abs. 1 SGG kommt nur in Betracht, wenn ein Wahlgutachten den Rechtsstreit wesentlich gefördert hat. Dies war hier nicht der Fall. Zum einen hat das Gutachten nicht zu einem Obsiegen des Klägers oder auch nur zu einer einvernehmlichen Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich beigetragen. Vielmehr weist der Senat seine Berufung gegen das Urteil des SG zurück. Auch in der Sache ergeben sich aus dem Gutachten keine neuen Erkenntnisse, die den Fortgang des Verfahrens gefördert hätten. Vielmehr hat K die Einschätzungen der Beklagten und des SG in vollem Umfang bestätigt.
Diese Entscheidung über die Kosten des Wahlgutachtens stellt formal einen Beschluss dar, gegen den die Beschwerde nicht statthaft ist (§ 177 SGG).