L 11 KR 1820/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 4078/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1820/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21.04.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

 

I.

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem das Ruhen des Leistungsanspruchs nach § 16 Abs 3a Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ab 05.04.2017 festgestellt wurde.

Der 1940 geborene Kläger ist bei der beklagten Krankenkasse freiwillig krankenversichert. Er bezieht eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nebst Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung, Versorgungsbezüge sowie Kapitalerträge. Die Beklagte setzte jeweils die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung fest. Mit Schreiben vom 07.12.2016 informierte die Beklagte den Kläger über Beitragsrückstände für die Zeit vom 01.11.2011 bis 30.11.2014 sowie Februar 2016 nebst Säumniszuschläge iHv insgesamt 26.708,33 €, forderte ihn zur Zahlung bis zum 24.12.2016 auf und wies darauf hin, dass bei nicht rechtzeitiger Zahlung ‑ abgesehen von Ausnahmefällen - der Anspruch auf Leistungen ruhe.

Mit Bescheid vom 29.03.2017 stellte die Beklagte fest, dass ab 05.04.2017 der Krankenversicherungsschutz des Klägers ruht. Der Kläger habe nur in Ausnahmefällen Anspruch auf Leistungen und zwar für die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände, bei Schwangerschaft und Mutterschutz. Weiter führte die Beklagte in diesem Schreiben aus:

Wie geht es nun weiter? Bitte geben Sie Ihre Krankenversicherungskarte im nächsten AOK-Kundencenter ab. Sollte bei Ihnen einer der Ausnahmefälle eintreffen, erhalten Sie ebenfalls dort einen Berechtigungsschein. Damit können Sie dann zum Arzt gehen. Trotz des Ruhens sind weiterhin Beiträge fällig, sodass Ihr Rückstand mit der Zeit immer größer wird - auch die Säumniszuschläge summieren sich. Außerdem tritt Ihr Leistungsanspruch erst wieder in Kraft, wenn der gesamte Rückstand beglichen ist. Die Tabelle zeigt Ihnen, wie sich dieser zurzeit zusammensetzt; hierbei haben wir alle Zahlungen bis 29.03.2017 berücksichtigt.“ Die Beklagte bezifferte die Gesamtforderung auf 27.062,35 €.

Dagegen legte der Kläger am 28.04.2017 Widerspruch ein. Nachdem der Kläger die rückständigen Beiträge iHv 18.481,08 € ausgeglichen hatte, erließ die Beklagte entsprechend der Absprache mit dem Kläger die Säumniszuschläge (Aktennotiz vom 24.07.2017; Verfügung zur Absetzung von Forderungen bei Selbstzahlern). Mit Schreiben vom 27.07.2017 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass das Ruhen der Leistungen ende und vom 18.07.2017 der Kläger einen uneingeschränkten Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung habe. Die Beklagte ging davon aus, dass sich aufgrund der Vereinbarung zwischen Kläger und Beklagter die Angelegenheit erledigt habe (Schreiben vom 24.07.2017).

Mit Schreiben vom 21.03.2018 teilte der Kläger mit, dass für ihn die Angelegenheit „Beitragsdifferenz“ nicht abgeschlossen sei und die durch ihn unter Vollstreckungsdruck bezahlte Forderung von ca 18.000,00 € völlig aus der Luft gegriffen sei. Mit Schriftsatz vom 08.05.2018 schaltete sich der jetzige Bevollmächtigte des Klägers ein und erkundigte sich nach dem Sachstand des in der Vergangenheit eingeleiteten Widerspruchsverfahrens. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 07.06.2018 mit, dass das Widerspruchsverfahren durch einen Vergleich mit dem Kläger abgeschlossen worden sei. Außer den monatlich laufenden Beiträgen bestünden keine Beitragsforderungen mehr. Der Kläger vertrat mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 16.08.2018 die Auffassung, dass durch den Vergleich lediglich Zahlungsmodalitäten geregelt worden seien und das Widerspruchsverfahren nicht abgeschlossen worden sei.

Mit Schreiben vom 27.09.2018 bot die Beklagte eine rückwirkende Überprüfung der Festsetzung von Beiträgen ab 2009 an und bat um Übersendung verschiedener Unterlagen. Mit Schreiben vom 03.07.2019 stellte die Beklagte den Verfahrensablauf betreffend den Bescheid vom 29.03.2017 dar.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2019 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.03.2017 zurück. Die Beitragshöhe freiwilliger Mitglieder ergebe sich aus § 240 SGB V iVm den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler. Nach mehrmaliger Prüfung sei festgestellt worden, dass die Beiträge korrekt aus dem vom Kläger nachgewiesenen Einkommen berechnet worden seien.

Dagegen hat der Kläger am 14.10.2019 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und eine niedrige Beitragsfestsetzung sowie eine Beitragserstattung vermeintlich überzahlter Beiträge begehrt. Bislang fehle eine genaue Aufschlüsselung der Höhe der Beiträge und die genaue Berechnung der Beiträge. Die Beklagte werde um entsprechende Übersendung gebeten. Hiernach könne dann zu der geltend gemachten Beitragshöhe Stellung genommen werden. Nach Hinweis des SG auf § 102 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 10.08.2020 moniert, dass aus den Verwaltungsakten nicht ersichtlich sei, dass die Beklagte die dem Kläger in Aussicht gestellte Überprüfung der Beitragsberechnung für die Vergangenheit durchgeführt habe.

Mit Schreiben vom 19.01.2021 informierte die Beklagte den Kläger, dass eine rückwirkende Beitragskorrektur für die Jahre 2009 bis 2014 nicht mehr erfolgen könne.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 21.04.2021 abgewiesen. Die Klage sei unbegründet, da der Bescheid vom 29.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.09.2019 rechtmäßig sei. Die Beklagte habe darin die Höhe der rückständigen Beiträge des Klägers zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung zutreffend festgesetzt.

Gegen das seinen Bevollmächtigten am 10.05.2021 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 26.05.2021 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Eine genaue Aufschlüsselung der einzelnen Berechnungen der Beiträge liege bislang nicht vor. Der Kläger habe im Rahmen des Verfahrens mehrfach seine Aufschlüsselung der Beiträge für 2011 bis 2014 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21.04.2021 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 29.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.09.2019 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, Beiträge in gesetzlichem Umfange gegenüber dem Kläger geltend zu machen und den vom Kläger überzahlten Betrag an ihn zurückzuerstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Bei dem angefochtenen Bescheid handele es sich um eine Entscheidung zum Ruhen des Leistungsanspruchs nach § 16 Abs 3a SGB V, der keine Beitragseinstufung beinhalte.

Der Berichterstatter hat mit Verfügung vom 09.08.2021 darauf hingewiesen, dass Gegenstand des mit der Klage angefochtenen Bescheids vom 29.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.09.2019 die Feststellung des Ruhens der Leistungsansprüche nach § 16 Abs 3a Satz 2 SGB V ab 05.04.2017 gewesen sei. Die Beklagte habe bereits mit Schreiben vom 24.07.2017 das Ruhen beendet, sodass zweifelhaft sei, ob der Kläger durch den Bescheid vom 29.03.2017 überhaupt noch beschwert sei. Eine anfechtbare Regelung betreffend die vom Kläger aufgeworfenen Fragen der Beitragsfestsetzung enthalte der Bescheid vom 29.03.2017 gerade nicht, sondern informiere lediglich über die aus Sicht der Beklagten seinerzeit bestehenden Rückstände.

Der Kläger hat erwidert, dass in dem streitbefangenen Bescheid vom 29.03.2017 über das Ruhen des Krankenversicherungsschutzes ab 05.04.2017 hinaus mitgeteilt worden sei, dass weiterhin Beiträge fällig seien. Zuvor habe die Beklagte die Beitragsrückstände nur angemahnt und den Kläger darauf hingewiesen, dass gegen eine Mahnung ein Widerspruch nicht möglich sei. Im Hinblick auf den Widerspruch des Klägers habe die Beklagte mit Schreiben vom 05.05.2017 ua mitgeteilt, dass ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung bei Beitragsforderungen habe. Dies zeige, dass auch die Beklagte die Beitragsforderung in dem Bescheid vom 29.03.2017 habe regeln wollen. Nichts Anderes ergebe sich aus dem Widerspruchsbescheid vom 13.09.2019. Davon sei auch das SG ausgegangen.

Mit Verfügung vom 15.09.2021, dem Bevollmächtigten des Klägers am 15.09.2021 zugestellt, hat der Berichterstatter darauf hingewiesen, dass das LSG gemäß § 153 Abs 4 SGG, außer in den Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1 SGG, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückweisen kann, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Derzeit sei beabsichtigt, entsprechend zu verfahren.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

 

II.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat war berechtigt, über die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs 4 SGG). Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden. Der Kläger hatte hinreichend Gelegenheit, seinen Standpunkt darzulegen, insbesondere auch in der vom SG durchgeführten mündlichen Verhandlung. Gründe, die die Durchführung einer erneuten mündlichen Verhandlung erforderlich machen, sind nicht ersichtlich.

Die nach §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG eingelegte Berufung ist form- und fristgerecht sowie im Übrigen statthaft.

Den Gegenstand des Rechtsstreits bildet der Bescheid vom 29.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.09.2019 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte das Ruhen des Anspruchs auf Leistungen wegen Beitragsrückständen ab 05.04.2017 festgestellt hatte. Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) und begehrt die Festsetzung niedrigerer Beiträge sowie die Erstattung vermeintlich überzahlter Beiträge. Die im Bescheid vom 29.03.2017 verfügte Feststellung des Ruhens des Leistungsanspruchs ab 05.04.2017 greift der Kläger zur Recht nicht mehr an, nachdem die Beklagte dieses Ruhen bereits zum 17.07.2017 beendet und sich der Bescheid vom 29.03.2017 damit erledigt hatte (vgl § 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch).

Das SG hat die Klage gegen den Bescheid vom 29.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.09.2019 im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist bereits unzulässig. Der angefochtene Bescheid vom 29.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.09.2019 enthält betreffend die vom Kläger aufgeworfenen Fragen der Beitragsfestsetzung und -erstattung keine anfechtbare Regelung iSd § 31 SGB X. Damit fehlt es an der grundlegenden Voraussetzung für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage. Gegenstand der Anfechtungsklage ist die teilweise oder vollständige Beseitigung eines Verwaltungsaktes. Voraussetzung für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage ist, dass diese sich gegen einen Verwaltungsakt richtet (zB LSG Baden-Württemberg 20.07.2021, L 11 BA 660/21, Rn 29, juris mwN). Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 29.03.2017 zwar einen Verwaltungsakt erlassen, dieser beinhaltet jedoch ausschlich eine Regelung iSd § 31 SGB X zum Ruhen des Leistungsanspruchs nach § 16 Abs 3a Satz 2 SGB V ab 05.04.2017 (vgl Bundessozialgericht <BSG> 08.09.2015, B 1 KR 16/15 R, BSGE 119, 298). Entgegen der Auffassung des Klägers regelt dieser Bescheid nicht die Festsetzung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie deren Erstattung.

Die Auslegung eines Verwaltungsaktes hat ausgehend von seinem Verfügungssatz und der Heranziehung des in § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens zu erfolgen, dass es nicht auf den Buchstaben, sondern den wirklichen Willen der Behörde bzw des Verwaltungsträgers ankommt, soweit er im Bescheid greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Für die Ermittlung des erklärten Willens sind dabei auch die Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts der Verfügung beitragen können und die den Beteiligten bekannt sind, wenn der Verwaltungsakt sich erkennbar auf sie bezieht. Maßstab der Auslegung ist insofern der verständige und Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte (vgl zB BSG 13.12.2008, B 5 RE 1/18 R, BSGE 127, 147; BSG 22.3.2018, B 5 RE 5/16 R, SozR 4-2600 § 6 Nr 16).

Unter Beachtung dieser Vorgaben ist der Bescheid vom 29.03.2017 dahin zu verstehen, dass er das Ruhen des Leistungsanspruchs nach § 16 Abs 3a Satz 2 SGB V ab 05.04.2017 feststellt. Dagegen ist der Verwaltungsakt keinem Verständnis dahin zugänglich, dass die Beklagte daneben rückständige Beiträge geregelt und Säumniszuschläge festsetzt sowie die Erstattung überzahlter Beiträge abgelehnt hat. Allein der erste Abschnitt des Schreibens vom 29.03.2017 enthält einen Verwaltungsakt und damit einen Verfügungssatz bzw eine Regelung. Die weiteren Erklärungen zur Höhe der Beitragsrückstände sind hingegen lediglich erläuternde Hinweise und Begründungselement. Denn die Beklagte hatte zur Begründung des verfügten Leistungsruhens iSd § 16 Abs 3a Satz 2 SGB V die Tatbestandsvoraussetzungen darzulegen, insbesondere einen Beitragsrückstand iHv Beitragsanteilen für zwei Monate sowie eine Nichtzahlung trotz Mahnung. Auch war eine Information über den Beitragsrückstand deshalb erforderlich, weil das Ruhen endet, wenn alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind. Damit der Versicherte durch die Zahlung der Rückstände selbst das Ruhen unverzüglich beenden kann, benötigt er verlässliche Informationen über den Beitragsrückstand. Diese hat die Beklagte dem Kläger in der Begründung des Ruhensbescheids vom 29.03.2017 gegeben. Weiterhin bestand für die Beklagte auch kein Anlass, über Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu entscheiden. Denn die Beklagte hatte zuvor durch gesonderte Beitragsbescheide, die - soweit ersichtlich - jeweils bestandskräftig geworden sind, die monatlichen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung festgesetzt (zB vom 20.12.2010, 15.12.2011, 17.12.2012, 12.12.2013, 30.06.2014, 01.12.2014, 02.12.2016), sodass keine Notwendigkeit für eine erneute Beitragsfestsetzung bestanden hat. Auch beinhaltet der Bescheid vom 29.03.2017 keinen sog Leistungsbescheid. Dabei handelt es sich um eine Aufstellung rückständiger Sozialversicherungsbeiträge, mit der der Adressat zur Zahlung des Saldos aufgefordert wird (LSG Baden-Württemberg 14.11.2019, L 11 KR 3587/19 ER-B, Rn 24, juris; LSG Baden-Württemberg 17.07.2019, L 11 KR 1393/19 ER-B, juris, Rn 41; Bundesgerichtshof <BGH> 05.10.2017, I ZB 78/16, MDR 2018, 428; BGH 25.02.2016, V ZB 25/15, MDR 2016, 549; BGH 25.10.2007, I ZB 19/07, MDR 2008, 712). Ein solcher Leistungsbescheid ist Voraussetzung für die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und regelt als Verwaltungsakt (§ 31 SGB X) die aktuelle Höhe der Beitragsforderung, die sich nach Verrechnung der bereits festgesetzten Beiträge zuzüglich der (ggf erstmals) festgesetzten Säumniszuschläge, Mahngebühren, Kosten etc mit den ggf bislang geleisteten Zahlungen ergibt. Die Beklagte hat den Kläger schon gar nicht zur Zahlung des Saldos unmissverständlich aufgefordert, sondern lediglich unverbindlich gebeten und zudem für die Zukunft die Einleitung der Zwangsvollstreckung angekündigt.

Etwas Anderes folgt nicht aus der E-Mail der Beklagten vom 15.12.2016. Darin hat sie zutreffend darauf hingewiesen, dass ein Widerspruch gegen das Mahnschreiben vom 07.12.2016 nicht möglich war, weil mangels anfechtbarem Verwaltungsakt (vgl zB BSG 04.03.2021, B 11 AL 5/20 R, SozR 4-1300 § 50 Nr 7, Rn 41, juris) unzulässig. Auch das Schreiben der Beklagten vom 05.05.2017 ua mit dem formularmäßigen Hinweis, dass „ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung bei Beitragsforderungen hat“, rechtfertigt keine über den klaren Regelungsgehalt des Bescheides vom 29.03.2017 hinausgehende Auslegung, die dort keinen Niederschlag gefunden hat. 

Schließlich enthält auch der Widerspruchsbescheid vom 13.09.2019, der dem angefochtenen Bescheid vom 29.03.2017 seine Gestalt gibt (§ 95 SGG), keine zusätzliche selbständige Beschwer. Zwar hat der Widerspruchsausschuss der Beklagten in der Begründung ausgeführt, dass die Beiträge korrekt aus dem vom Kläger nachgewiesenen Einkommen berechnet worden seien. Die Regelung des Widerspruchsbescheids vom 13.09.2019 beschränkt sich jedoch auf die Zurückweisung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 29.03.2017. Eine darüberhinausgehende Regelung enthält er nicht. Insbesondere hat die Beklagte weder über die Beitragshöhe (für welchen Zeitraum?) entschieden noch die Überprüfung bestandskräftiger Beitragsbescheide (welche?) nach Maßgabe des § 44 SGB X abgelehnt. Eine solche Überprüfung hat die Beklagte gesondert vorgenommen und dem Kläger das Ergebnis ihrer Überprüfung mit Schreiben vom 19.01.2021 verlautbar. Soweit dieses, was der Senat offen lässt, einen anfechtbaren Verwaltungsakt beinhalten sollte, wäre ein solcher Bescheid mangels Identität der Regelungsgegenstände nicht gem § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens geworden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da ein Grund hierfür (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) nicht vorliegt.

Rechtskraft
Aus
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