L 1 SF 2777/21 DS

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SF 1751/21 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 SF 2777/21 DS
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 9. August 2021 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird endgültig auf € 1.250,00 festgesetzt.

 

Gründe

 

I.

Die Antragstellerin (Ast.) begehrt mit ihrer Beschwerde Eilrechtsschutz gegen den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit.

Sie begehrt seit mindestens Juli 2020 von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund eine höhere Rente bzw. die Feststellung weiterer rentenrelevanter Zeiten, insbesondere im Zusammenhang mit einem anscheinend vor Jahrzehnten durchgeführten Versorgungsausgleich. Insoweit sind vor dem Sozialgericht Ulm (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Streitverfahren anhängig. Zuletzt hat der 13. Senat des LSG mit Beschluss vom 25. August 2021 einen Antrag der Ast. gegen die DRV Bund auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt (L 13 R 2734/21 ER).

Im September 2020 wandte sich die Ast. außerdem an den hiesigen Antragsgegner (Ag.), den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Sie begehrte von ihm ein Einschreiten gegen die DRV Bund. Sie trug sinngemäß vor, in ihrem Rentenkonto seien Zeiten gelöscht bzw. verschoben worden. Der Ag. holte eine Stellungnahme der DRV Bund ein. Mit Bescheid vom 15. April 2021 wies er die Beschwerde der Ast. nach Art. 77 DSGVO zurück. Ein Verstoß der DRV Bund gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen könne nicht festgestellt werden. Nach der DSGVO bestehe kein Anspruch auf bestimmte Maßnahmen des Ag.

Hiergegen hat die Ast. am 19. Mai 2021 Klage zum SG erhoben, die dort noch anhängig ist.

Mit Schreiben vom 27. Juli 2021 hat sie bei dem SG außerdem einstweiligen Rechtsschutz begehrt. Die Sache sei dringlich, da sich ihr Gesundheitszustand verschlechtere.

Das SG hat den Antrag dahin ausgelegt, dass die Ast. begehrt, den Ag. durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, gegen die DRV Bund ein Ordnungsgeld zu verhängen bzw. die DRV Bund zur Auskunft über Veränderungen im Rentenkonto zu verpflichten. Dieser Einordnung ihres Antrags ist die Ast. im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht entgegengetreten.

Mit Beschluss vom 9. August 2021 hat das SG den Antrag abgelehnt, die Kosten des Antragsverfahrens der Ast. auferlegt und den Streitwert endgültig auf € 1.250,- festgesetzt. Der Antrag sei statthaft (§§ 81a Abs. 2 SGB X i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG) und auch sonst zulässig, aber nicht begründet. Es fehle an Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch. Eine besondere Eilbedürftigkeit, die ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache ausschließe, sei nicht erkennbar. In der Sache könne nach Art. 77 Abs. 1 DSGVO nur verlangt werden, dass der Ag. einer Beschwerde wegen eines Datenschutzverstoßes nachgehe und den Beschwerdeführer darüber unterrichte. Ein Anspruch auf ein Einschreiten bestehe nicht. Die Kostenentscheidung hat das SG auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO gestützt. Die Ast. gehöre in diesem Verfahren nicht zu den in § 183 Satz 1 SGG genannten Personen. Als Streitwert sei in einem Eilverfahren ein Viertel des Streitwerts der Hauptsache anzusetzen. Dort greife der Auffangstreitwert von € 5.000,- ein.

Gegen diesen Beschluss hat die Ast. am 26. August 2021 Beschwerde zum LSG erhoben. Sie wendet sich gegen die Abweisung des Eilantrags sowie gegen die Kostenentscheidung bzw. die Streitwertfestsetzung. Sie macht umfangreiche Ausführungen zu ihren Rentenansprüchen.

Die Antragstellerin beantragt demnach sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 9. August 2021 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig zu verpflichten, gegen die Deutschen Rentenversicherung Bund wegen der Löschung der Daten im Rentenkonto der Antragstellerin ein Ordnungsgeld festzusetzen und die Deutsche Rentenversicherung Bund zur Auskunft über Veränderungen im Rentenkonto zu verpflichten.

Der Ag. tritt der Beschwerde der Ast. entgegen (Schriftsatz vom 13. September 2021). Er beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der mit der Beschwerde erhobene Antrag der Ast. auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) hat der Senat mit Beschluss vom 15. Oktober 2021 abgelehnt. Zugleich hat er der Ast. mitgeteilt, dass auch das Beschwerdeverfahren kostenpflichtig sei und der der Senat auch dafür einen Streitwert von € 1.250,00 zu Grunde legen werde. In der ihr gesetzten Frist zur abschließenden Stellungnahme bis zum 4. November 2021 hat die Ast. (Schriftsatz vom 27. Oktober 2021, eingegangen am 2. November 2021) erneut umfangreich zu ihren Rentenangelegenheiten vorgetragen.

 

II.

Die Beschwerde der Ast. war abzulehnen.

Soweit sich die Ast. gegen die Ablehnung ihres Eilantrags wendet, ist ihre Beschwerde zwar statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 172 Abs. 1, § 173 Satz 1 SGG). Insbesondere war sie nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen. In der Hauptsache, die diesem Eilverfahren zu Grunde liegt, wäre eine Berufung der Ast. gegen ein Urteil oder einen Gerichtsbescheid des SG nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG zulassungsbedürftig, weil die Ast. vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz keine Geld-, Sach- oder Dienstleistungen begehrt, sondern ein behördliches Einschreiten durch Verwaltungsakt. Insoweit ist die Beschwerde jedoch unbegründet.

Das SG hat zutreffend entschieden, dass das Begehren der Ast. als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 86b Abs. 2 SGG) auszulegen ist, und zwar einer Regelungsanordnung. Der Antrag ist auch im statthaften Rechtsweg gestellt. Für Klagen - und damit korrespondierend Eilanträge - gegen den Ag. und die anderen Aufsichtsbehörden für den Datenschutz sind nach § 81a Abs. 1 SGB X die Sozialgerichte berufen, wenn - wie hier - das Verfahren eine Angelegenheit nach § 51 Abs. 1 und 2 SGG betrifft.

Jedoch hat das SG die Beschwerde zu Recht abgelehnt.

Der Senat hat bereits Zweifel daran, dass der Eilantrag zulässig ist. Zum einen würde durch das Begehren der Ast. die Hauptsache - ein „Einschreiten“ des Ag. gegen die DRV Bund - vollständig vorweggenommen. Zum anderen ist nicht ohne Weiteres ein Rechtsschutzbedürfnis der Ast. zu erkennen. In der Sache geht es ihr allein um ihre Rente bzw. ihr Rentenkonto bei der DRV Bund. Dies zeigt sich erneut in ihren umfangreichen Ausführungen im Beschwerdeverfahren. Es ist aber nicht ersichtlich, wie sich ihre Rechtsposition verbessern würde, wenn der Ag. mit einem Ordnungsgeld oder datenschutzrechtlichen Beanstandungen gegen die DRV Bund vorginge. Wegen der Einzelheiten zu diesen Erwägungen verweist der Senat auf seine Ausführungen in dem PKH-Beschluss vom 15. Oktober 2021.

Jedoch lässt der Senat diese Bedenken dahinstehen. Der Antrag auf Eilrechtsschutz ist jedenfalls unbegründet. Der Senat tritt den Erwägungen des SG in der angegriffenen Entscheidung bei (vgl. § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Bei der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung fehlen dem Antrag sowohl Anordnungsgrund als auch Anordnungsanspruch. Warum ein Einschreiten des Ag. gegen die DRV Bund eilig sei, hat die Ast. nicht nachvollziehbar dargelegt. Ebenso geht der Senat davon aus, dass Art. 77 Abs. 1 DSGVO - und damit korrespondierend die Ansprüche auf gerichtliche Überprüfung der Entscheidung einer Aufsichtsbehörde aus Art. 78 ff. DSGVO - keinen Anspruch auf eine bestimmte Maßnahme der Aufsichtsbehörde nach der DSGVO umfasst (so auch Mundil, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 30. Ed., DSGVO, Art. 77 Rn. 13 f.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Januar 2020 - 1 S 3001/19 -, Juris Rn. 51 m.w.N.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. Oktober 2020 - 10 A 10613/20 -, Juris Rn. 37 f.; VG Ansbach, Urteil vom 7. Dezember 2020 - An 14 K 18.02503 -, Juris Rn. 38).

Die Beschwerde der Ast. gegen die Festsetzung des Streitwerts durch das SG ist sogar bereits unzulässig. Nach § 68 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 2 GKG ist eine solche Beschwerde nur zulässig, wenn der Beschwerdegegenstand mehr als € 200,- umfasst. Dabei handelt es sich nicht um den Streitwert selbst, sondern die daraus folgende Gebührenlast des Schuldners. Für ein erstinstanzliches Eilverfahren vor dem SG fallen nach Nr. 7210 KV 1,5 Gebühren an. Bei einem Streitwert von € 1.250,00 - wie hier - beträgt eine Gebühr (vgl. Anlage 2 zu § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG [Gebührenverzeichnis - GV]) € 78,-. Die Ast. ist aus der Streitwertfestsetzung des SG daher nur um € 117,- beschwert.

Die Kostenentscheidung hat das SG zutreffend auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO gestützt. Die Ast. ist in diesem Eilverfahren nicht kostenprivilegiert. Es wird zwar vertreten, dass die Kostenprivilegierung aus § 183 Satz 1 SGG dann eingreift, wenn ein Versicherter - nach § 81b SGB X - datenschutzrechtliche Ansprüche gegen einen Sozialleistungsträger geltend macht (Sächsisches LSG, Beschluss vom 12. Dezember 2019 - L 2 SV 5/19 B -, Rn. 16, juris). Die gleiche Ansicht hat bereits das Bundessozialgericht vertreten, allerdings noch vor der Einfügung der §§ 81a und 81b in das SGB X (BSG, Urteil vom 2. November 2010 - B 1 KR 12/10 R -, Rn. 12, juris). In einem Verfahren nach § 81a SGB X gegen einen Datenschutzbeauftragten tritt jedoch der Kläger oder Antragsteller nicht als Versicherter, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger oder behinderter Mensch im Sinne des § 183 Satz 1 SGG auf. Auch in der Sache macht er gegen einen Datenschutzbeauftragten keine Ansprüche aus seinem Sozialleistungsverhältnis geltend, sondern allein Ansprüche aus der DSGVO auf ein hoheitliches Einschreiten. Dass ein solches Verfahren gegen einen Datenschutzbeauftragten nach § 81a Abs. 2 SGB X dem SGG unterstellt wird, führt nicht zwangsläufig zu der Kostenprivilegierung in § 183 Satz 1 SGG. Auch nach dem SGG sind die kostenpflichten Verfahren der rechtliche Normalfall (§ 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 154 ff. VwGO).

Aus diesem Grunde trägt die Ast. auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Den Streitwert für das Beschwerdeverfahren setzt der Senat ebenfalls auf € 1.250,00 fest. Diese Entscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Den Erwägungen des SG in dem angegriffenen Beschluss, von dem Regelstreitwert von 5.000 € (§ 52 Abs. 2 GKG) auszugehen und für ein Eilverfahren ein Viertel davon festzusetzen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Juli 2015 - L 11 R 2693/15 ER-B -, Rn. 21, juris), kann beigetreten werden. Für einen weiteren Abschlag vom Regelstreitwert in der zweiten Instanz besteht kein Grund, weil auch eine Beschwerde zu einer vollständigen Überprüfung des Anspruchs auf einstweiligen Rechtsschutz führt.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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