Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 1. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit.
Der 1972 geborene Kläger, der 1986 aus der T nach Deutschland zugezogen ist, hat keinen Beruf erlernt. Er war zuletzt als Reinigungskraft in Teilzeit versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 27.06.2016 ist er arbeitsunfähig erkrankt bzw. arbeitslos.
Vom 10.07.2016 bis 18.07.2016 befand sich der Kläger zur stationären Behandlung in der O Klinik des Uklinikums T1. Wegen chronischer, therapieresistenter Lumboischialgie beidseits erfolgte eine dorsale Spondylodese L4/5 mit TLIF von links (Bericht vom 18.07.2016). Es zeigte sich ein etwas verzögerter Heilungsverlauf (Bericht vom 15.11.2016). Nach Einholung eines Befundberichts der Hausärztin des Klägers, der S, gewährte die Beklagte dem Kläger eine ambulante orthopädische Rehabilitation im ZAR T1, die vom 03.03.2017 bis 23.03.2017 durchgeführt wurde. Der Kläger wurde als arbeitsunfähig entlassen, aber sein Leistungsvermögen im Hinblick auf leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auf mehr als sechs Stunden eingeschätzt (Entlassungsbericht vom 24.03.2017).
Am 15.01.2018 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er sei eingeschränkt durch die Bandscheibenoperation mit Versteifung der Wirbelsäule, aktuelle Bandscheibenvorfälle, Schulterschmerzen und Migräne.
Die Beklagte zog die Unterlagen aus der Rehabilitationsakte des Klägers bei, und der Kläger reichte weitere medizinische Unterlagen ein. Unter Berücksichtigung dieser Unterlagen gelangte Frau V vom sozialmedizinischen Dienst der Beklagten in einer Stellungnahme vom 28.03.2018 zu der Einschätzung, dass das Leistungsvermögen des Klägers für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bei Vermeidung von längeren Wirbelsäulen-Zwangshaltungen und von häufigen Überkopfarbeiten nicht eingeschränkt sei. Dem folgend lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 17.04.2018 ab, da der Kläger die medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfülle.
Seinen Widerspruch hiergegen begründete der Kläger damit, dass er auf Hinweis seiner Krankenkasse den Rentenantrag gestellt habe. Er leide an schweren Beeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule. Entgegen der Leistungseinschätzung im Reha-Entlassungsbericht und des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten sei er nicht mehr leistungsfähig. Die Beeinträchtigungen seien äußerst stark, hätten auch zu einer psychischen Belastung geführt. Weitere therapeutische Maßnahmen hätten nichts erbracht.
Hierauf veranlasste die Beklagte eine Begutachtung des Klägers durch die S1, welche im Gutachten vom 09.01.2019 folgende Diagnosen stellte: Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule nach Versteifungsoperation im Segment L 4/5 (Juli 2016) bei Bandscheibenvorfall mit sekundärer Spinalkanalstenose, leichte Bewegungseinschränkungen, kein sensomotorisches Defizit, keine Nervenwurzelreizzeichen; geringer Verschleiß der HWS, freie Beweglichkeit, kein sensomotorisches Defizit, keine Nervenwurzelreizzeichen; wiederkehrende Reizerscheinungen des Muskel-Sehnen-Mantels des rechten Schultergelenks, zum Untersuchungszeitpunkt keine wesentlichen Bewegungseinschränkungen. Weiter stellte sie folgende Nebendiagnosen: Nierensteine beidseits mit 12/2017 Einlage von Harnleiterschienen und Steineentfernung links, 02/2018 Steinentfernung rechts mit Entfernung der Harnleiterschienen, seither Beschwerdefreiheit, 2016 Krampfader-Operation beidseits, keine erneute Krampfaderbildung. Der Kläger sei in der Lage, mehr als sechs Stunden täglich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen auszuüben. Als Reinigungskraft sei der Kläger nur noch unter drei Stunden täglich einsatzfähig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2019 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers dem Gutachten der S1 folgend zurück.
Am 10.05.2019 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung hat er auf die Begründung seines Widerspruchs Bezug genommen und vorgetragen, sein Gesundheitszustand habe sich noch weiter verschlechtert. Er leide unter starken Schmerzen und einer extremen psychischen Belastung. Er hat neben schon bekannten Unterlagen den Bericht des B über eine MRT der LWS vom 13.06.2019 vorgelegt und auf die Aufnahme einer fachpsychiatrischen Behandlung und die Zuerkennung des Pflegegrades 2 hingewiesen. Er leide unter umfassenden orthopädischen Beeinträchtigungen, erheblichen Schmerzen und könne damit nicht klarkommen. Er könne keine Arbeit mehr ausüben.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen.
Der M hat mit Schreiben vom 17.06.2019 unter Vorlage weiterer medizinischer Berichte über die Behandlung des Klägers von April bis November 2017 wegen Schmerzen im Bereich der LWS mit Schmerzausstrahlung in die Schulter berichtet. Kernspintomographisch habe sich eine Bandscheibenprotrusion L 3/4 und ein kleiner flacher Bandscheibenvorfall L5/S1 linksbetont gezeigt.
S2 hat mit Schreiben vom 08.07.2019 unter Vorlage der ihr vorliegenden Facharztberichte über die hausärztliche Betreuung des Klägers seit März 2015 berichtet. Sie habe ihn nur begleitend behandelt, dies habe sich auf die Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen - zuletzt bis Februar 2018 -, Überweisungen und die Behandlung harmloser Infekte beschränkt.
Die A hat unter dem 24.07.2020 über die Behandlung des Klägers im Februar, März und Juni 2020 berichtet und ihre Arztbriefe vom 19.02.2020, 23.03.2020 und 08.06.2020 sowie Laborwerte vom 20.02.2020 und Medikationspläne vom 23.03.2020 und 08.06.2020 vorgelegt. Sie habe eine mittelgradige bis leichte depressive Episode als Reaktion auf das orthopädische Grundleiden festgehalten. Auf psychiatrischem Fachgebiet sei eine regelmäßige Tätigkeit von sechs Stunden täglich zumutbar, Nachtschicht, Akkordarbeit oder sonstige Arbeit unter starkem Zeitdruck sollte vermieden werden. Das maßgebliche Leiden liege auf orthopädischem Fachgebiet.
Mit Gerichtsbescheid vom 01.10.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) liege nicht vor. Hierzu verweise das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 16.04.2019. Im Klageverfahren hätten sich die von der Beklagten zugrunde gelegten Tatsachen hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Klägers bestätigt. Die als sachverständige Zeugen befragten behandelnden Fachärzte hätten keine Befunde mitgeteilt, die auf eine Erwerbsminderung des Klägers schließen lassen würden. Vielmehr hätten auch die behandelnden Ärzte die Einschätzung der Beklagten bestätigt. Sowohl dem Entlassungsbericht über die medizinische Rehabilitation vom 24.03.2017, dem sozialmedizinischen Gutachten von S1 als auch den Auskünften der behandelnden Ärzte lasse sich übereinstimmend die Einschätzung entnehmen, dass der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten ausüben könne. Weitere Ermittlungen von Amts wegen seien demnach nicht veranlasst, ein Antrag gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei nicht gestellt.
Gegen den dem Kläger am 06.10.2020 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 05.11.2020 beim SG eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung trägt der Kläger vor, er leide an einer depressiven Episode und einer chronischen Schmerzerkrankung. Er könne die Auskunft seiner Psychiaterin nicht nachvollziehen. Er habe sie extra aufgesucht, damit er sich verständlich mitteilen könne und keine Sprachprobleme auftauchten. Er sei aber anderer Meinung als sie hinsichtlich seiner Leistungsfähigkeit. Weiter leide er unter starken Bandscheibenschäden der HWS mit radiologisch seit Jahren bestätigten fortgeschrittenen Degenerationen mit schweren Osteochondrosen, Osteodestruktion und stärksten Ausstrahlungsschmerzen. Die LWS sei im Bereich L 4/5 mit einem Cage versorgt. Letztlich habe ihm eine Vielzahl von Behandlern und Behandlungsmethoden nicht helfen können. Er leide weiterhin unter umfassenden und schmerzhaften Bewegungs- und Funktionseinschränkungen mit chronifiziertem Schmerz und erheblicher psychischer Belastung. Er habe daher die Motivation für weitere intensive Behandlungen verloren. Aufgrund des schlechten psychischen Zustands sei es ihm deutlich erschwert, seinen Alltag adäquat zu führen. Daher sei ihm auch Pflegegrad 2 zuerkannt worden. Die eingeholten sachverständigen Zeugenauskünfte seien keine ausreichende Grundlage, um seine Leistungsfähigkeit zu beurteilen. Er rege die Einholung eines orthopädischen und eines psychiatrischen Fachgutachtens an. Zumindest eine Teilrente sei ihm zeitlich befristet zu gewähren.
Der Kläger hat den Bericht der BG Unfallklinik T1 über die stationäre Behandlung dort vom 03. bis 04.12.2020 (Offene Reposition und plattenosteosynthetische Versorgung des distalen Radius rechts bei distaler Radiusfraktur rechts mit Abriss des Processus styloideus ulnae) und den Bericht des Chirurgen Calgéer vom Orthopädisch-Chirurgischen Centrum T1 vom 16.02.2021 (Vorstellung zur Kontrolle der rechten Schulter) sowie den Karteiauszug des Orthopädisch-Chirurgischen Centrums T1 über die dortigen Vorstellungen vom 21.06.2016 bis 08.01.2021 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 1. Oktober 2020 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17. April 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2019 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat eine sozialmedizinische Stellungnahme der J vom 09.04.2021 vorgelegt und verweist hierauf. Darin beschreibt Frau J, dass sich zusammenfassend unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten medizinischen Unterlagen keine neuen relevanten Aspekte ergeben würden. Es sei weiterhin von einem über sechsstündigen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen.
Mit Schreiben vom 01.07.2021 und vom 02.08.2021 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 01.10.2020 ist nicht zu beanstanden, der Bescheid der Beklagten vom 17.04.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI. Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in KassKomm, Stand 114. EL Mai 2021, SGB VI, § 43 Rn. 58 und 30 ff.).
Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten.
Eine Erwerbsminderung des Klägers, das heißt ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Vielmehr ist der Kläger unter Berücksichtigung aller vorliegenden medizinischen Unterlagen auch weiterhin in der Lage, zumindest leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts bei Beachtung qualitativer Einschränkung mehr als sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Dies folgt für den Senat insbesondere aus dem im Widerspruchsverfahren von der Beklagten veranlassten Gutachten der S1, das im Wege des Urkundsbeweises verwertet wird, und den im Klageverfahren vom SG eingeholten Auskünften der sachverständigen Zeugen.
Im Vordergrund stehen bei dem Kläger die Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet. Hier besteht bei dem Kläger eine Minderbelastbarkeit der LWS nach der Versteifungsoperation im Segment L 4/5 im Juli 2016 bei Bandscheibenvorfall mit sekundärer Spinalkanalstenose, ein Verschleiß der HWS und wiederkehrende Reizerscheinungen des Muskel-Sehnen-Mantels des rechten Schultergelenks. Daher sind dem Kläger schwere und dauerhaft mittelschwere körperliche Arbeiten nicht mehr zumutbar. Häufige Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufiges Bücken, Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg sowie häufige Überkopfarbeiten und häufige Arbeiten in Armvorhalte sollten vermieden werden. Leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten zeitweise stehend, überwiegend gehend oder überwiegend sitzend sind ihm aber noch sechs Stunden und mehr zumutbar. Dies folgt für den Senat aus dem Gutachten der S1, die ihre Einschätzung anhand des erhobenen Befundes und der Anamnese widerspruchsfrei begründet hat. So hat der Kläger gegenüber S1 Schmerzen unten im Rücken und in der rechten Schulter beklagt. Die Operation der LWS habe Besserung gebracht, aber nach wie vor würden Schmerzen auftreten, wenn er sich bücke. Auch könne er nicht mehr schwer heben, höchstens ein paar kg. Durch Gehen werde der Schmerz besser. Beim Treppensteigen bekomme er leichte Schmerzen im Kreuz, auch beim Sitzen länger als eine Stunde. Besserung könne er durch Herumgehen erreichen. Ruheschmerzen hat der Kläger nicht angegeben. Im Bereich der HWS habe er Schmerzen bei schneller Drehbewegung. Im Bereich der Schulter leide er bereits seit etwa 15 Jahren an Schmerzen nach einem Sturz auf den rechten Arm, vor allem wenn er nachts auf der rechten Seite liege oder etwas über Kopfhöhe anhebe. Bei der Untersuchung durch S1 war die Anteklination leicht eingeschränkt, wobei der Kläger sich auch aus Angst vor Schmerzen nicht weit nach vorne beugte. Die Paralumbalmuskulatur war nur mäßiggradig verspannt, sämtliche Transferbewegungen einschließlich das Einnehmen von Rücken- und Bauchlage sowie das Aufrichten aus der Rückenlage in den Langsitz erfolgten zügig und ohne Schmerzangaben. Auch Aus- und Anziehen war dem Kläger problemlos möglich. Ein sensomotorisches Defizit oder Nervenwurzelreizzeichen fanden sich nicht. Im Bereich der Wirbelsäule war die Beweglichkeit in allen Ebenen frei, die Rotation beidseits nur endgradig schmerzhaft. Die Nacken- und Schultermuskulatur war nur mäßiggradig verspannt. Sensomotorische Ausfälle oder Nervenwurzelreizzeichen im Bereich der Arme fanden sich ebenfalls nicht. Im Bereich des rechten Schultergelenks gab der Kläger einen Druckschmerz an. Abduktion und Außenrotation bei dem 90 Grad abduzierten Arm waren endgradig schmerzhaft, aktiv war die Abduktion bis 130 Grad, passiv bis 160 Grad möglich. Insgesamt zeigte sich daher ein Befund, der auch unter Berücksichtigung der angegebenen Schmerzen die genannten qualitativen Einschränkungen bedingt, nicht aber eine auch zeitliche Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens.
Eine solche Einschränkung ergibt sich auch weder aus den vom SG eingeholten Auskünften der sachverständigen Zeugen, wie vom SG bereits zutreffend im angefochtenen Gerichtsbescheid dargestellt, noch aus dem Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren und den von ihm hier weiter vorgelegten medizinischen Unterlagen. Daraus wird ersichtlich, dass der Kläger jeweils einmal in den Jahren 2017, 2018 und 2019 im Orthopädisch-Chirurgischen Centrum T1 vorstellig wurde. Die dabei erhobenen Befunde belegen keine schwerwiegenden Funktionseinschränkungen, so dass auch weiterhin den vorliegenden orthopädischen Erkrankungen durch die genannten qualitativen Einschränkungen ausreichend Rechnung getragen werden kann. Dies hat Frau J in der für die Beklagte abgegebenen Stellungnahme vom 09.04.2021 zutreffend ausgeführt. Gleiches gilt für die stationäre Behandlung in der BG-Klinik mit operativer Therapie eines handgelenknahen Knochenbruchs der rechten Speiche. Nachvollziehbar bestand hier eine Behandlungsbedürftigkeit und auch Arbeitsunfähigkeit, es liegen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich hieraus eine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers auf nicht absehbare Zeit ergeben würde.
Weiter leidet der Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet an einer leichten bis mittelgradigen depressiven Episode als Reaktion auf das orthopädische Grundleiden. Diese Erkrankung und vom Kläger angegebene Schlafstörungen bedingen eine Einschränkung für Tätigkeiten in Nachtschicht, Akkordarbeit und sonstige Arbeiten mit starkem Zeitdruck, aber keine zeitliche Leistungseinschränkung für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dies ergibt sich aus der sachverständigen Zeugenauskunft der A, wie auch schon vom SG dargestellt. Auch wenn der Kläger diese Einschätzung für nicht nachvollziehbar bzw. für nicht zutreffend erachtet, sind Anhaltspunkte für eine schwerwiegendere Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet weder konkret vorgetragen noch ersichtlich.
Auch aus den den weiteren Fachgebieten zuzuordnenden Erkrankungen des Klägers, die sich aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen ergeben, folgt keine quantitative Leistungseinschränkung. So sind bei dem Kläger in der Vergangenheit Nierensteine aufgetreten, weshalb im Dezember 2017 die Einlage von Harnleiterschienen und eine Steineentfernung links erfolgte, im Februar 2018 eine Steinentfernung rechts mit Entfernung der Harnleiterschienen. Seither sind insoweit aber keine weiteren Beschwerden aufgetreten. Im Jahr 2016 erfolgte eine Krampfader-Operation beidseits, seither ist keine erneute Krampfaderbildung eingetreten. Auch sind keine sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirkenden Einschränkungen infolge der vom Kläger angegebenen Migräne feststellbar.
Der Kläger hat weder eine konkrete Verschlechterung seines gesundheitlichen Zustandes vorgetragen, noch sind Anhaltpunkte für weitere Erkrankungen mit relevanten Auswirkungen auf seine berufliche Leistungsfähigkeit ersichtlich. Vor diesem Hintergrund besteht auch kein Anlass für weitere Ermittlungen des Senats von Amts wegen.
Vielmehr ist der Senat der Überzeugung, dass die Erkrankungen des Klägers für sich genommen sowie auch insgesamt betrachtet nicht zu einer mindestens sechs Monate andauernden auch zeitlichen Leistungseinschränkung geführt haben. Die vorliegenden Gesundheitsstörungen mit den beschriebenen Einschränkungen können zwar das Spektrum der für den Kläger in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränken, sie begründen aber keinen Zweifel an seiner weitgehend normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.
Ein Rentenanspruch kann auch nicht auf die Grundsätze einer schweren spezifischen Leistungsbeeinträchtigung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen gestützt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt eine volle Erwerbsminderung ausnahmsweise selbst bei einer mindestens sechsstündigen Erwerbsfähigkeit vor, wenn der Arbeitsmarkt wegen besonderer spezifischer Leistungseinschränkungen als verschlossen anzusehen ist. Dem liegt zugrunde, dass eine Verweisung auf die verbliebene Erwerbsfähigkeit nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten (vgl. BSG, Urteil vom 30.11.1983 - 5a RKn 28/82 - und zuletzt BSG, Urteil vom 11.12.2019 - B 13 R 7/18 R -, Juris). Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist bei Versicherten mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. Eine Verweisungstätigkeit braucht erst dann benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Ausgehend hiervon liegt bei dem Kläger unter Berücksichtigung der von ihm zu beachtenden qualitativen Einschränkungen weder eine besondere spezifische Leistungsbeeinträchtigung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Auch ist der Kläger in der Lage, einen Arbeitsplatz aufzusuchen. Er kann viermal täglich eine Strecke von 500 m in einem Zeitaufwand von unter 20 min zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Gegenüber S1 hat er angegeben, täglich ein bis zwei km am Stück spazieren zu gehen. Im Übrigen führt er auch nach seinen eigenen Angaben gegenüber S1 selbst einen Pkw.
Dass bei dem Kläger ein Pflegegrad 2 anerkannt ist, führt im vorliegenden Verfahren auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Beurteilung nach dem Recht der Pflegeversicherung hat für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit im Rahmen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung keine anspruchsbegründende Bedeutung und die Voraussetzungen für die Beurteilung des Pflegegrades unterscheiden sich maßgeblich von jenen für die Beurteilung einer Erwerbsminderung (vgl. BSG zur Feststellung des Grades der Behinderung, Beschluss vom 10.07.2018 - B 13 R 64/18 B -, Juris). Im Übrigen hat S1 anhand der von ihr getroffenen Feststellungen für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass eine Pflegebedürftigkeit des Klägers nicht vorliegt und dass die Angabe in dem ihr vorgelegten Kontrollbericht der Altenhilfe T1 aus August 2018, seine Pflege sei durch seine Ehefrau sichergestellt, angesichts dessen, dass der Kläger ledig ist und in einer Wohngemeinschaft mit drei weiteren Mitbewohnern zusammenwohnt, nicht nachvollziehbar ist.
Dem Kläger ist somit keine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Damit ist die Berufung insgesamt zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.