Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 11.10.2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.
Die 1976 in P geborene Klägerin war nach Übersiedlung in die Bundesrepublik 1996 als Reinigungskraft und sodann als Altenpflegehelferin beschäftig. Mit Bescheid des Landratsamtes L vom 21.06.2012 wurde ein GdB von 50 wegen seelischer Störung, funktionellen Organbeschwerden, chronischem Schmerzsyndrom, Fibromyalgiesyndrom sowie Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule festgestellt.
Die Beklagte führte vom 26.02. bis 16.04.2013 im PPRZ S eine ganztägig ambulante psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme für die bei ihr rentenversicherte Klägerin durch. In dem Entlassungsbericht wurden eine mittelgradige depressive Episode mit somatoformem Schwindel, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Zwangsstörung, vorwiegend mit Zwangshandlung (Putzen) festgestellt. Die letzte Tätigkeit als Altenpflegerin sei nicht mehr leidensgerecht. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten könnten hingegen 6 Stunden und mehr ausgeübt werden.
Die Klägerin war in der Folge ab 2014 als Alltagsbegleiterin bzw. Betreuungsassistentin in einem Pflegeheim in Teilzeit beschäftigt. Ab Oktober 2016 war sie arbeitsunfähig und bezog in der Folge ab Dezember 2016 Krankengeld. Nach Aussteuerung bezog sie ab April 2018 Arbeitslosengeld.
Die Klägerin beantragte am 28.12.2016 auf Aufforderung ihrer Krankenkasse medizinische Rehabilitationsmaßnahmen bei der Beklagten.
Vom 01.03. bis 29.03.2017 befand sich die Klägerin daher zur stationären Rehabilitation in den R-Kliniken (A-Kliniken) in P1. In dem Entlassungsbericht vom 06.04.2017 diagnostizierte der N als Chefarzt Psychosomatik eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig mittelgradiger Episode, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie ein chronisches HWS-/LWS-Syndrom, daneben eine Refluxösophagitis sowie Asthma bronchiale. Eine sofortige Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit sei ohne Rückfallgefährdung nicht möglich. Es bestünden noch Einschränkungen hinsichtlich Selbstüberforderungsneigung und Selbsteinschätzungsvermögen, emotionaler Stabilität und Belastbarkeit, Konzentrationsfähigkeit und Durchhaltevermögen durch die persistierende depressive Symptomatik. Die Klägerin werde daher arbeitsunfähig entlassen. Eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit über den Zeitraum von 2 Monaten hinaus sei aktuell aber nicht zu erwarten. Die Aufnahme einer ambulanten Psychotherapie und eine weitere psychotherapeutische Behandlung in einer Tagesklinik würden empfohlen. Bei einer weiteren positiven Entwicklung werde sie für ihre letzte Tätigkeit für 6 Stunden und mehr pro Tag belastbar sein. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei sie für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten für 6 Stunden und mehr pro Tag belastbar.
Die Klägerin wurde vom 21.08. – 13.10.2017 in der psychosomatischen Tagesklinik des Klinikums L behandelt. In dem Entlassungsbericht vom 07.11.2017 und einem Befundbericht vom 12.10.2017 für die Beklagte wurden eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig mittelgradiger Episode, eine Fibromyalgie, eine Migräne, Schlafapnoe sowie Asthma bronchiale diagnostiziert. Der Klägerin sei zu einem Rentenantrag geraten worden, da sie in absehbarer Zeit nicht arbeitsfähig sein werde. Die Klägerin sei im teilstationären Setting deutlich weniger belastbar gewesen. Der Aufenthalt habe nur deshalb bis zum Ende durchgeführt werden können, weil die Klägerin mit einem Taxi befördert worden sei. Ein Transfer der Fortschritte, die in der Reha gemacht worden sein, sei nicht gelungen. Eine Besserung der Leistungsfähigkeit sei nicht möglich.
Die Klägerin beantragte daher am 16.10.2017 Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten, da sie seit Oktober 2016 keine Arbeiten mehr verrichten könne.
Nach einer Stellungnahme der W vom MDK Baden-Württemberg vom 14.11.2017 lag weiterhin Arbeitsunfähigkeit vor. Eine Umdeutung des Reha-Antrages werde empfohlen. Nach einem Befundbericht des M vom 10.12.2017 bestand Arbeitsunfähigkeit. Die Leistungsfähigkeit könne nicht mehr gebessert werden. Nach einem Befundbericht des hausärztlich behandelnden W1 vom 31.01.2018 für den Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit bestand derzeit Arbeitsunfähigkeit. Er gehe aber nicht davon aus, dass diese länger als 6 Monate andauern werde.
Die Beklagte ließ die Klägerin am 30.01.2018 in ihrer ärztlichen Untersuchungsstelle durch die K begutachten. In ihrem Gutachten vom 31.01.2018 diagnostizierte diese eine Dysthymia, eine chronische Schmerzstörung mit chronischem HWS- und LWS-Syndrom sowie eine unter Medikation zur Zeit remittierte rezidivierende depressive Störung. Daneben stellte sie ein allergisch bedingtes Asthma bronchiale sowie Adipositas fest. Die Klägerin sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in Tagesschicht über 6 Stunden leistungsfähig. Aufgrund chronischen HWS- und LWS-Syndroms und Zustand nach beiderseitiger Carpaltunneloperation sollte auf das Heben schwerer Gewichte und auf Zwangshaltungen der Wirbelsäule verzichtet werden.
Nach einer fachdienstlichen Stellungnahme des A1 vom Integrationsfachdienst L vom 08.02.2018 erfolgte dort seit Oktober 2017 eine Beratung und Betreuung. Nach dem Beratungsprozess und den Ausführungen der Klägerin zu ihren Einschränkungen im Alltag sowie den Entlassungsberichten werde die Erwerbsfähigkeit als gemindert eingeschätzt. Eine Erwerbsminderungsrente sei zur Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben notwendig.
In einem nach Aktenlage erstellten Gutachten von M1 vom Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit vom 12.02.2018 wurde der Rentenantrag im Hinblick auf den Entlassungsbericht der Tagesklinik des Klinikums L unterstützt, da die Klägerin voraussichtlich über 6 Monate, aber nicht auf Dauer weniger als 3 Stunden täglich leistungsfähig sein werde.
Mit Bescheid vom 15.02.2018 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die Klägerin nach medizinischer Beurteilung noch mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne. Dabei sei nicht zu berücksichtigen, ob sie ihre letzte Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben könne.
Die Klägerin legte hiergegen, vertreten durch ihre Bevollmächtigte, am 12.03.2018 Widerspruch ein. Die Klägerin traue sich keinerlei Tätigkeit mehr zu. Sie sei aufgrund der Depression, einer chronischen Schmerzstörung und orthopädischer Leiden ständig sehr müde und erschöpft und leide unter Schmerzen. Sie sei kaum der Lage, ihren alltäglichen Aufgaben nachzugehen und leide sehr oft unter Kraftlosigkeit und Schwindel. Ohne häufige ausgedehnte Ruhepausen könne sie überhaupt nichts erledigen. Dies werde durch den Bericht der Tagesklinik L gestützt, in dem nicht nur von einer Dysthymia ausgegangen worden sei, sondern von einer rezidivierenden depressiven Störung mit gegenwärtig mittelgradiger Episode. In dem Bericht sei ihr ausdrücklich zu einem Rentenantrag geraten worden. Der MDK sei in seinem Gutachten vom 14.11.2017 von einem unter 3-stündigen Leistungsvermögen ausgegangen und habe eine Umdeutung des Reha-Antrages empfohlen. Auch der behandelnde Nervenarzt habe in seinem Befundbericht vom 10.12.2017 eine massive Leistungsminderung angegeben. Der Integrationsfachdienst habe in seiner Stellungnahme vom 08.02.2018 bei seit Oktober 2016 fehlender Belastbarkeit ebenfalls eine Erwerbsminderung unterstützt.
Nach Stellungnahmen von K und E vom sozialmedizinischen Dienst der Beklagten vom 22.05. bzw. 25.05.2018 sowie 02.07. bzw. 05.07.2018 verblieb es bei der Leistungseinschätzung, da keine ambulante Psychotherapie erfolge, der Medikamentenspiegel niedrig gewesen sei und keine Medikation zur Schmerzstörung notwendig sei. Das Gutachten der Agentur für Arbeit beruhe auf dem Entlassungsbericht der Tagesklinik, der in dem Gutachten vom 31.01.2018 bereits berücksichtigt worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.08.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen ergäben sich als Gesundheitsstörungen eine Dysthymie, eine chronische Schmerzstörung mit chronischem Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulensyndrom sowie eine rezidivierende depressive Störung. Nach Auffassung des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten sei das Leistungsvermögen der Klägerin für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich nicht eingeschränkt. Ihr seien daher noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Heben und Tragen von schweren Lasten und ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule 6 Stunden und mehr täglich zumutbar. Der Widerspruchsausschuss schließe sich dieser Beurteilung an.
Die Klägerin hat, vertreten durch ihre Bevollmächtigte, am 27.09.2018 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Die Bevollmächtigte hat zur Begründung ihr Vorbringen aus dem Widerspruch wiederholt und vertieft. Auch die Agentur für Arbeit gehe in ihrem Gutachten von Nahtlosigkeit aus. Der W1 habe in seinem Bericht vom 31.01.2018 zudem Zwangshandlungen und einen Schwindel beschrieben.
Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte sowie die behandelnde Psychotherapeutin schriftlich als sachverständige Zeugen befragt.
Der Arzt M2 hat in seiner Aussage vom 02.01.2019 eine erstmalige Behandlung im Februar 2018 mit 2 Behandlungen im Quartal angegeben. Es liege eine chronische Schmerzkrankheit mit psychischen und somatischen Faktoren und anhaltenden bio-psycho-sozialen Konsequenzen sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, ein chronisches multilokulären Schmerzsyndrom im Sinne eines Fibromyalgiesyndroms vor. Daneben bestehe eine Angst und depressive Erkrankung, gemischt. Eine 6-stündige Tätigkeit halte er nicht für machbar. Leichte körperliche und nur leicht mental belastende Tätigkeiten halte er für bis 3 Stunden pro Tag für möglich. Eine solche Tätigkeit fördere soziale Integration und Kooperation und damit die Schmerzbewältigung. Der Schwerpunkt der Leistungsbeeinträchtigung liege besonders auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet.
Der M hat unter dem 08.01.2019 von einer Behandlung zuletzt im November 2017 und September 2018 berichtet. Es bestünden eine somatoforme Schmerzstörung sowie somatoforme Störungen in verschiedener Ausprägung. Symptome einer mittelgradigen depressiven Episode, ein somatoformer Schwindel sowie Zwangshandlungen bestünden nach wie vor. Die Klägerin könne seit der Entlassung aus der tagesklinischen Behandlung am 13.10.2017 leichte körperliche Tätigkeiten allgemeinen Arbeitsmarkt unter 3 Stunden täglich durchführen. Der Schwerpunkt liege auf psychiatrisch-psychosomatischen Gebiet.
Die K1 hat in ihrer am 14.01.2019 eingegangenen Aussage von einer Behandlung seit 16.10.2018 berichtet. Die Therapie sei am 19.11.2018 begonnen worden und erfolge wegen rezidivierender depressiver Störung, gegenwärtig mittelgradiger Episode. Die Klägerin sei in diesem Zustand nicht arbeitsfähig. Sie könne aber nicht abschätzen, ob die Leistungsminderung vorübergehend oder dauerhaft bestehe.
Das SG hat daraufhin den Chefarzt der Kliniken für Neurologie und Geriatrie der S1-Kliniken R1 mit der Untersuchung und Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dieser hat sein neurologisch-psychiatrisch-schmerzmedizinisches Gutachten aufgrund Untersuchung der Klägerin am 17.04.2019 mit Datum vom 10.07.2019 erstattet. Der Sachverständige hat eine leichtgradig ausgeprägte anhaltende somatoforme Schmerzstörung festgestellt. Hierfür spreche der jetzt erhobene nur geringfügig gestörte psychische Befund sowie die Analyse der Alltagsaktivitäten, wonach ein geregelter Tagesablauf noch möglich sei. Die von M genannte Fibromyalgie sei eine Unterform dieser Störung und könne in diese integriert werden. Daneben bestehe eine Dysthymia, also eine chronisch-depressive Verstimmung, die nach Schweregrad und Dauer nicht die Kriterien für eine rezidivierende depressive Störung erfülle. Die von der K1 berichtete rezidivierende depressive Störung mit mittelgradiger Episode sei inzwischen abgeklungen. Es sei nicht auszuschließen, dass eine duale Depression vorhanden sei, dass also neben der Dysthymia auch eine rezidivierende depressive Störung bestehe. Hinweise auf eine Zwangsstörung fänden sich nicht mehr. Die Klägerin könne noch eine leichte körperliche Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Dabei seien qualitative Leistungseinschränkungen zu beachten. In Betracht komme etwa eine Tätigkeit in der Qualitätskontrolle oder in der Fertigung von Kleinteilen.
Die Bevollmächtigte der Klägerin hat noch ausgeführt, dass der Gutachter keine Zeit für die Klägerin gehabt habe und ihr keine Zeit für die Beantwortung der Fragen gegeben habe. Die testpsychologischen Fragebögen habe sie erst nach der Untersuchung ausgefüllt. Sie habe dort auch Vieles nicht verstanden. Die Bevollmächtigte hat sodann noch eine schriftliche Stellungnahme der Klägerin zu dem Gutachten mit einer Liste der Klägerin über ihre Arzttermine ab 2015 vorgelegt (Bl. 105/125 bzw. 126/131 der SG-Akte).
Mit Gerichtsbescheid vom 11.10.2019 hat das SG die Klage nach vorheriger Anhörung der Beteiligten abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Sie sei noch in der Lage, eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Auf psychiatrischem und neurologischem Fachgebiet bestünden nach dem Gutachten von R1 keine Erkrankungen, die einer Erwerbstätigkeit entgegenstehen würden. Dies stimme mit dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von K und den Entlassungsberichten über die 2013 und 2017 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahmen überein. Der in dem Gutachten von R1 dargestellte Tagesablauf der Klägerin spreche dafür, dass die Klägerin bei genügender Willensanstrengung noch zu einer Erwerbstätigkeit in der Lage sei. Hierfür spreche auch der von dem Gutachter erhobene Befund, da es bei der mehrstündigen Begutachtung nicht zu einem Nachlassen von Konzentration oder Aufmerksamkeit gekommen sei. Die Klägerin leide unter einer leichtgradig ausgeprägten somatoformen Schmerzstörung und einer Dysthymia. Gegen eine besondere Schwere der Schmerzerkrankung spreche die Medikation der Klägerin, die keine Morphine oder morphinähnliche Medikamente einnehme. M2 und M hätten ihre abweichende Leistungseinschätzung nicht schlüssig begründet und hätten die Angaben der Klägerin nicht kritisch hinterfragt. Die Selbsteinschätzung der Klägerin genüge nicht, um eine quantitative Erwerbsminderung zu belegen. Auf anderen Fachgebieten seien keine Erkrankungen ersichtlich, die eine solche Erwerbsminderung nach sich ziehen würden. Auch sei die Wegefähigkeit gegeben, da die Klägerin über den Führerschein und ein Auto verfüge. Der Gerichtsbescheid ist den Bevollmächtigten der Klägerin am 21.10.2019 zugestellt worden.
Die Klägerin hat hiergegen, vertreten durch ihre Bevollmächtigte, am 19.11.2019 bei dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Der Klägerin stehe auf den Rentenantrag vom 16.10.2017 hin die begehrte Rente zu. Sie verweise hierzu auf die Widerspruchsbegründung, die Klagebegründung und ihre Schriftsätze im Klageverfahren. Entgegen den Gutachten von K und R1 bestehe neben der somatoformen Schmerzstörung die depressive Erkrankung immer noch in mittelgradiger Ausprägung. Diese Erkrankung habe sich durch stationäre, teilstationäre und ambulante Behandlungsmaßnahmen nicht gebessert. Daher komme eine zeitliche Leistungsminderung in Betracht. Die Befunde hinsichtlich Affekt, Grundstimmung, formalem Denken und Antrieb wichen in dem Gutachten von K gegenüber dem Entlassungsbericht der Tagesklinik L vom 07.11.2017 ab, ohne dass dies von der Gutachterin gewürdigt werde. Auch der von M im Arztbrief vom 14.09.2018 und der von der -K1 in der Auskunft von Januar 2019 mitgeteilte Befund weiche hinsichtlich Affekt, depressivem Gedankengang und Grundstimmung, Nachgrübeln, eingeschränkter Schwingungsfähigkeit, inhaltlich auf gesundheitliche Beeinträchtigungen fixiertem Denken, Konzentrationsschwierigkeiten und Schlafstörungen ab. Dies sei auch von R1 nicht aufgeklärt worden. Die gutachterlichen Einschätzungen könnten daher nicht überzeugen. Zudem habe sich die Migräne im letzten Jahr verschlimmert. Insoweit sei sie bei M in Behandlung. Sie könne wegen Nervosität und Ängsten kaum noch aus dem Haus gehen und sei wegen Rückenschmerzen und Blockierungen bei dem H in Behandlung. Ihre neue P2 habe eine Fettleber diagnostiziert. Auch habe sie an den Händen ständig Schmerzen. P2 suche einen Platz für eine stationäre Schmerztherapie. Der Bevollmächtigte hat noch einen Befundbericht des P3 vom 19.05.2020 über ein MRT der HWS vorgelegt.
Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 11.10.2019 sowie den Bescheid vom 15.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab dem 01.10.2017 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihren bisherigen Vortrag sowie auf den Gerichtsbescheid.
Der Senat hat zunächst durch schriftliche Vernehmung des H, des M und der P2 Beweis erhoben.
Der H hat in seiner Aussage vom 02.06.2020 von einer Behandlung seit 2013 bei degenerativen Veränderungen der WS, Blockaden im Bereich der HWS und Skoliose im Bereich der BWS sowie Wirbelsäulensyndromen in allen drei WS-Abschnitten berichtet. Er hat ferner ein Fibromyalgiesyndrom, migräniode Spannungskopfschmerzen und ein vertebragenes Schmerzsyndrom sowie eine Gonarthrose und Chondropathie des linken Knies und ein Impingementsyndrom des rechten oberen Sprunggelenks angegeben. Die Klägerin könne leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bis zu maximal 6 Stunden verrichten.
P2 hat in ihrer Aussage vom 21.07.2020 wegen einer hausärztlichen Behandlung erst seit Januar 2020 und dort angegebenen diffusen Schmerzen auf den bisherigen Hausarzt und die behandelnden Fachärzte verwiesen.
Der M hat in seiner Aussage vom 08.10.2020 eine Behandlung zuletzt im Juni 2020 angegeben. Es sei von einer somatoformen Schmerzstörung, rezidivierenden depressiven Störungen und Migräne auszugehen. Es bestehe eine Kraft- und Antriebslosigkeit, gedrückte Stimmung, starke Passivität und Resignation. Wegen des sehr langen chronischen Verlaufs und weil verschiedene medikamentöse Therapieversuche, mehrere stationäre Therapieversuche und ambulante Psychotherapie keine wesentliche Besserung erbracht hätten, halte er die Klägerin nur für unter 3 Stunden leistungsfähig.
Der sozialmedizinische Dienst der Beklagten hat hierzu durch E mit Datum vom 30.10.2020 Stellung genommen. M behandele die Klägerin nur in größeren zeitlichen Abständen, was gegen die Schwere der Symptomatik spreche. Die Ausprägung der depressiven Störung gehe aus der Aussage nicht hervor, ebenso wenig ein erhobener psychopathologischer Befund. Aus der Aussage ergäben sich allenfalls qualitative Leistungseinschränkungen.
Der Senat hat sodann den Chefarzt der Klinik Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik I des Psychiatrischen Zentrums N1 S2 mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dieser hat sein Gutachten nach Untersuchung der Klägerin am 16.07.2021 mit Datum vom 22.07.2021 schriftlich erstattet. Der Sachverständige hat eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und einen Kombinationskopfschmerz mit migränoider, spannungs- und arzneimittelinduzierter Komponente diagnostiziert. Er hat daneben eine Dysthymia i.S. einer minderschweren depressiven Verstimmung mit maximal leichtgradiger Ausprägung festgestellt. Daneben seien nach der Aktenlage vorübergehende, auch durch psychosoziale Belastungen ausgelöste Phasen von gravierenden depressiven Verstimmungen i.S. einer gegenwärtig remittierten rezidivierenden depressiven Störung und damit einer „Doppeldepression“ rückblickend festzustellen. Der Sachverständige hat ferner ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom mit Behandlung durch CPAP-Gerät bis vor etwa einem Jahr festgestellt. Daneben bestehe ein schädlicher Gebrauch von Cannabinoiden ohne medizinische Indikation sowie in Bezug auf Zwangshandlungen bzw. Verhaltensstörungen eine Dermatotillomanie in Form des zwanghaften Kratzens. Die Erkrankungen führten zu – in dem Gutachten näher dargelegten – qualitativen Leistungseinschränkungen. Die Klägerin sei aber weiter in der Lage, entsprechende berufliche Tätigkeiten auch 6 Stunden und mehr an 5 Tagen die Woche auszuüben. Die Wegefähigkeit zu Fuß sei nicht relevant beeinträchtigt. Bislang sei keine strukturierte psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung erfolgt. Zu empfehlen sei eine leitliniengerechte Behandlung, was aber eine auf Veränderung abzielende Eigenmotivation der Klägerin voraussetze.
Der Senat hat zudem noch den W1 schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat von einer hausärztlichen Behandlung ab 2012 bis Januar 2020 berichtet. Die Leistungsfähigkeit sei durch auffällige muskuläre Verspannungen eingeschränkt. Die Klägerin könne körperlich leichte, überwiegend sitzende Tätigkeiten mit der Möglichkeit zur ausreichenden Bewegung 6 Stunden und mehr ausführen.
Der Bevollmächtigte hat zuletzt noch mitgeteilt, dass er zur Rücknahme der Berufung nicht ermächtigt sei, so dass um eine gerichtliche Entscheidung gebeten werde. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie des erstinstanzlichen Verfahrens und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 15.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.08.2018 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da sie keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung hat. Der Gerichtsbescheid vom 11.10.2019 ist daher nicht zu beanstanden.
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens 3 bis unter 6 Stunden erwerbstätig sein kann und er damit nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ohne Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage an sich nur teilweise erwerbsgemindert ist (sog. abstrakte Betrachtungsweise), ihm aber der Teilzeitarbeitsmarkt tatsächlich verschlossen ist (sog. konkrete Betrachtungsweise). Der Eintritt einer rentenberechtigenden Leistungsminderung muss im Wege des Vollbeweises festgestellt sein; vernünftige Zweifel am Bestehen der Einschränkungen dürfen nicht bestehen.
Die Beurteilung des Leistungsvermögens bezieht sich dabei auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Dieser umfasst jede nur denkbare Tätigkeit, für die es in nennenswertem Umfang Beschäftigungsverhältnisse gibt (vg. BT-Drucks. 14/4230, S. 25) und damit auch ungelernte Tätigkeiten (vgl. BSG - Großer Senat - Beschluss vom 19.12.1996 - GS 2/95 - BSGE 80, 24 und bei juris). Bezugspunkt ist damit eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, nicht die zuletzt ausgeübte Beschäftigung, die etwa für die Frage der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung maßgeblich sein kann.
Ausgehend hiervon ist die Klägerin zur Überzeugung des Senats in dem hier streitbefangenen Zeitraum seit der Antragstellung im Oktober 2017 weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Das Leistungsvermögen der Klägerin ist dabei im Wesentlichen durch Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet beeinträchtigt.
Die Klägerin leidet insoweit unter einer Dysthymia im Sinne einer chronisch-depressiven Verstimmung, die nach Schweregrad und Dauer nicht die Kriterien für eine rezidivierende depressive Störung erfüllt. Daneben bestanden vorübergehende, auch durch psychosoziale Belastungen ausgelöste Phasen von gravierenden depressiven Verstimmungen im Sinne einer – remittierten – rezidivierenden depressiven Störung und damit einer „Doppeldepression“. Der Senat stützt sich hierfür auf die ausführlichen Gutachten der beiden gerichtlichen Sachverständigen R1 und S2, die die Klägerin jeweils fachärztlich untersucht haben und unter Würdigung der Aktenlage, der anamnestisch geschilderten Beschwerden und der erhobenen Befunde zu diesen im Wesentlichen übereinstimmenden diagnostischen Einordnungen gelangt sind. R1 hat in seinem Gutachten insbesondere kein Nachlassen der Konzentriertheit oder der Aufmerksamkeit im Verlauf der mehrstündigen Begutachtung festgestellt. Die Antriebslage wirkte unauffällig und es bestand eine euthyme Stimmungslage mit uneingeschränkter affektiver Modulationsfähigkeit. Ein subdepressiver Stimmungsumschwung war von ihm lediglich beim Thematisieren der Schmerzen festzustellen. Auffassungsgabe, Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeitsdauer waren ungestört und es bestanden weder Einschränkungen im Kurzzeitgedächtnis noch im Langzeitgedächtnis. Der Vortrag der Klägerin in der Berufungsbegründung, wonach die depressive Erkrankung immer noch in mittelgradiger Ausprägung vorhanden sei, ist durch das von dem Senat eingeholte Gutachten von S2 nicht bestätigt worden. Auch bei seiner Untersuchung waren Aufmerksamkeit und Konzentration unbeeinträchtigt, es bestanden keine Störungen der Gedächtnisfunktion, keine Ausdauerleistungsdefizite während der Untersuchung und keine Hinweise auf kognitive Defizienz. Die Stimmungslage wurde als ausgeglichen und der Antrieb als situationsangemessen beschrieben. Hinweise auf pathologische Ängste bestanden nicht. Der Sachverständige ist daher für den Senat nachvollziehbar von einer remittierten depressiven Störung mit den genannten vorübergehenden Phasen ausgegangen. Dies ist auch im Hinblick auf die Aktenlage gut nachvollziehbar, da eine mittelgradige depressive Episode in dem Reha-Entlassungsbericht der R-Kliniken (A-Kliniken) vom 06.04.2017 und in dem Entlassungsbericht vom 07.11.2017 bzw. dem Befundbericht vom 12.10.2017 der psychosomatischen Tagesklinik des Klinikums L sowie von der K1 in ihrer Aussage von Januar 2019 – aufgrund Behandlungen seit November 2018 und offensichtlich orientiert an dem Entlassungsbericht des Klinikums L – berichtet wurden. Die Diagnose einer Dysthymia und remittierter depressiver Störung wurde hingegen schon in dem Gutachten von K vom 30.01.2018 gestellt. Der gerichtliche Sachverständige R1 hat seinerseits nur eine Dysthymia festgestellt. Die von dem Sachverständigen S2 im zeitlichen Längsschnitt vorgenommene diagnostische Einordnung ist daher überzeugend, zumal er bei seiner Untersuchung ebenso wie die Vorgutachter gerade keine gravierende depressive Kernsymptomatik feststellen konnte. Der Sachverständige hat damit zugleich auch die von der Klägerin in der Berufungsbegründung gesehenen Widersprüche zwischen den von K einerseits und den von M und der K1 erwähnten Befunden überzeugend erklärt.
Die Klägerin leidet daneben unter einer somatoformen Schmerzstörung und einem Kombinationskopfschmerz mit migränoider, spannungs- und arzneimittelinduzierter Komponente. Der Senat stützt sich auch hierbei auf die beiden Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen und hier insbesondere auf dasjenige von S2, der herausgearbeitet hat, dass die von R1 festgestellte und auch von der Klägerin in der Berufung geltend gemachte Migräne nur teilweise bestätigt werden konnte.
Daneben bestehen bei der Klägerin ein Schlafapnoesyndrom, ein schädlicher Gebrauch von Cannabinoiden und eine Zwangsstörung in Form einer Dermatillomanie. Der Senat stützt sich hierfür ebenfalls auf das auch insoweit überzeugende Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen S2.
Die Klägerin leidet daneben unter degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule (WS), Blockaden im Bereich der HWS und Skoliose im Bereich der BWS sowie Wirbelsäulensyndromen in allen WS-Abschnitten sowie einer Gonarthrose und Chondropathie des linken Knies und ein Impingementsyndrom des rechten oberen Sprunggelenks. Der Senat stützt sich hierfür auf die Aussage des sachverständigen Zeugen H.
Das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin ist durch diese Erkrankungen qualitativ eingeschränkt. So sind Tätigkeiten in Akkordarbeit oder in Wechsel- oder Nachtschicht wegen der damit einhergehenden erhöhten psychovegetativen Stressbelastung im Hinblick auf die psychischen Erkrankungen und das Schlafapnoe-Syndrom nicht mehr zumutbar. Ebenso sind Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortung für Personen- und Sachwerte oder mit anhaltend hohen Anforderungen an die Daueraufmerksamkeit sowie für Tätigkeiten an gefährdenden laufenden Maschinen nicht zumutbar. Der Senat stützt sich hierfür auf die nachvollziehbaren Ausführungen in dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen S2. Dasselbe gilt für die von dem Sachverständigen erwähnte Einschränkung hinsichtlich Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützsystems wie überwiegendem Stehen oder Gehen, häufigem Heben und Tragen von Lasten über etwa 5 kg, häufigem Bücken oder Überkopfarbeit, Arbeit in Zwangshaltungen oder mit häufigem Steigen. Der Sachverständige führt ferner nachvollziehbar aus, dass aufgrund der Dermatillomanie Tätigkeiten mit erhöhter Infektgefahr bei offenen Wunden der Arme – wie etwa pflegerische Tätigkeiten – auszuschließen sind.
Die Klägerin ist mit den dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen beruflich zwar nur noch eingeschränkt einsetzbar. Zu einer konkreten Darlegung der Tätigkeiten, zu denen sie aus gesundheitlichen Gründen noch in der Lage ist, besteht bei einem Leistungsvermögen für zumindest körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auch bei qualitativen Einschränkungen jedoch keine Verpflichtung (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2019 – B 13 R 7/18 R –, in juris). Das dargestellte Restleistungsvermögen erlaubt Verrichtungen oder Tätigkeiten, wie sie in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, wie z.B. das Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken und das Zusammensetzen von Teilen (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2012 – B5 RJ 68/11 R –, in juris, dort Rn. 25 m.w.N.). Dieser Kern an typischen körperlichen Verrichtungen ist nach der Rechtsprechung des BSG nicht überholt. Die Aufzählung der Arbeitsfelder und Verrichtungen ist nicht abschließend; sie kann etwa um einfache Büro- oder Montagetätigkeiten und im Hinblick auf die zunehmende Automatisierung von Prozessen auch z.B. um Verrichtungen wie das Messen, Prüfen, Überwachen und die (Qualitäts-)Kontrolle von Produktionsvorgängen erweitert werden (BSG, Urteil vom 11.12.2019 – a.a.O.). Die Benennung einer Verweisungstätigkeit ist vorliegend auch nicht wegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder des Vorliegens einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder unter dem Gesichtspunkt der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes (vgl. dazu zusammenfassend BSG, Urteil vom 11.12.2019 – a.a.O.) erforderlich.
Zur Überzeugung des Senats ist die Klägerin aber dann, wenn die genannten qualitativen Leistungseinschränkungen beachtet werden, in der Lage, arbeitstäglich mindestens 6 Stunden in einer körperlich leichten Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein. Der Senat stützt sich hierfür auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen S2 wie auch auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen R1. Der Sachverständige S2 hat insoweit für den Senat nachvollziehbar ausgeführt, dass keine Hinweise auf solche krankheitswertigen Störungen der Motivation und des Antriebes bestanden, die auch zu einer zeitlichen Leistungsminderung hätten führen können. Diese Leistungseinschätzung entspricht auch bereits derjenigen in dem Gutachten im Verwaltungsverfahren.
Der Senat vermochte sich demgegenüber nicht der Leistungseinschätzung in dem Bericht der Tagesklinik L anzuschließen. Denn die dort geäußerten Zweifel an einer Einsetzbarkeit der Klägerin auf dem Arbeitsmarkt beruhen offenbar wesentlich auf den eigenen Schilderungen der Klägerin und sind durch das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten sowie die beiden Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen widerlegt. Der Senat vermochte sich aus diesem Grunde auch nicht der Auffassung des sachverständigen Zeugen M anzuschließen, der im Hinblick auf den Bericht der Tagesklinik ein Leistungsvermögen von weniger als 3 Stunden täglich angenommen hatte. Denn der Aussage von M lässt sich kein ausführlicher psychischer Befund und keine Analyse der noch möglichen Alltagsaktivitäten entnehmen, worauf der gerichtliche Sachverständige R1 bereits hingewiesen hat. Zudem spricht die von M mitgeteilte geringe Behandlungsfrequenz gegen die Schwere der Erkrankung, worauf der sozialmedizinische Dienst der Beklagten hingewiesen hat. Der in der Aussage von M vor dem Senat erfolgte Hinweis auf den chronischen Verlauf und erfolglose Therapieversuche vermag das angenommene Leistungsvermögen nicht zu begründen. Zudem hat M2 bereits in seinen Befundberichten vom 02.03.2018 und 06.12.2019 darauf hingewiesen, dass gerade die Auseinandersetzung um den (auf Empfehlung der Tagesklinik hin gestellten) Rentenantrag ein schweres Hindernis für eine hilfreiche Schmerzbehandlung sei und dass jede Therapie den Interessen einer Berentung zuwiderlaufe, was die Behandlungsaussichten reduziere (Bl. 209, 201 der Senatsakte). Der Sachverständige S2 hat daher eine leitliniengerechte Behandlung empfohlen, was aber eine auf Veränderung abzielende Eigenmotivation der Klägerin voraussetzen würde. Daneben haben M wie auch M2 ihre abweichende Leistungseinschätzung nicht schlüssig begründet und haben die Angaben der Klägerin anders als die Gutachter auch nicht kritisch hinterfragt, worauf das SG zu Recht hingewiesen hat. Die Selbsteinschätzung der Klägerin genügt nicht, um eine quantitative Erwerbsminderung zu belegen. Die nach Aktenlage aufgrund des Entlassungsberichtes erstellte gutachterliche Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit vermag daher ebenso wie das auf die Frage der Arbeitsunfähigkeit abzielende Gutachten des MDK keine Überzeugung von einer Erwerbsminderung zu begründen. Die Stellungnahme des Integrationsfachdienstes vom 08.02.2018 stützt sich auf die Ausführungen der Klägerin zu ihren Einschränkungen im Alltag sowie auf den Entlassungsbericht und vermag schon daher keine Erwerbsminderung zu begründen. Die K1 und die P4 haben jeweils keine Leistungseinschätzung abgeben können, so dass sich hierauf keine Überzeugung des Senates von einer Erwerbsminderung stützen lässt. Den Aussagen des behandelnden H und des bis Januar 2020 langjährig hausärztlich behandelnden W1 lässt sich demgegenüber in Übereinstimmung mit den drei Gutachten ein zeitliches Leistungsvermögen für mindestens 6 Stunden bei Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen entnehmen. Dr. Wagner hat zudem bereits in seinem Befundbericht vom 31.01.2018 für die Agentur für Arbeit zwar eine Arbeitsunfähigkeit angenommen, die aber voraussichtlich nicht länger als 6 Monate andauern werde. Die Aussagen bestätigen damit zusätzlich die Leistungseinschätzung der gerichtlichen Sachverständigen.
Mit dem dargestellten Leistungsvermögen ist die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, so dass weder ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB VI noch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI besteht. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach §§ 43 Abs. 1, 240 SGB VI scheidet schon deshalb aus, weil die Klägerin nicht vor dem 02.01.1961 geboren ist.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen und insbesondere die beiden eingeholten Gutachten und die Aussagen der sachverständigen Zeugen haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Der zuletzt gehörte Sachverständige hat auch keine weiteren Ermittlungen mehr für erforderlich gehalten. Die rechtskundig vertretene Klägerin hat ihrerseits auch keine weitere Beweiserhebung beantragt bzw. angeregt, so dass sich der Senat auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zu weiteren medizinischen Ermittlungen gedrängt sieht (vgl. BSG, Beschluss vom 28.09.2020 – B 13 R 45/19 B –, in juris Rn. 11).
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.