L 11 EG 1082/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 EG 2787/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 1082/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11.02.2021 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in den Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

 

I.

Streitig ist die Rückforderung von Elterngeld für vier Partnerschaftsbonusmonate.

Der 1976 geborene Kläger und seine Ehefrau, die 1980 geborene Klägerin, sind Eltern der 2016 geborenen Zwillinge A und B. Am 29.07.2016 beantragten die Kläger bei der Beklagten Elterngeld in Form von Basiselterngeld in Höhe des Mindestbetrages für den 1. und 2. Lebensmonat des Kindes (Klägerin) bzw Elterngeld plus für den 1.-24. Lebensmonat der Kinder (Kläger). Außerdem beantragten die Kläger Elterngeld für vier Partnerschaftsbonusmonate (25. bis 28. Lebensmonat, 21.07.2018 bis 20.11.2018). Hierzu gab die Klägerin an, sie arbeite in ihrer selbständigen Tätigkeit durchschnittlich 25 Stunden in der Woche. Der Kläger legte die Arbeitgeberbescheinigung der Firma B vom 08.08.2016 vor, wonach die Arbeitszeit des Klägers in seiner abhängigen Beschäftigung in der Zeit vom 21.07.2016 bis 20.11.2018 25 Wochenstunden betragen werde.

Nachdem die Beklagte der Klägerin zunächst mit Bescheid vom 06.09.2016 lediglich Basiselterngeld für die ersten beiden Lebensmonate bewilligt hatte, erging am 20.09.2016 ein Änderungsbescheid, worin die Beklagte der Klägerin Basiselterngeld für die ersten beiden Lebensmonate der Kinder in Höhe von jeweils 600 € sowie Elterngeld in Höhe von 300 € monatlich für die vier Partnerschaftsbonusmonate vom 21.07. bis 20.11.2018 bewilligte. Ebenfalls mit Bescheid vom 20.09.2016 bewilligte sie dem Kläger Elterngeld plus für 24 Monate in Höhe von 777,13 € monatlich sowie weiteres Elterngeld für die vier Partnerschaftsbonusmonate (21.07.2018 bis 20.11.2018) in Höhe von ebenfalls monatlich 777,13 €. Den Klägern wurde in den Bescheiden mitgeteilt, die Gewährung erfolge vorläufig. Nach Ablauf des Bezugszeitraumes werde abschließend überprüft, ob die Voraussetzungen für den Bezug von Partnerschaftsbonusmonaten erfüllt waren. Soweit die Voraussetzungen nicht vorlagen, würden bereits ausgezahlten Partnerschaftsbonusbeträge zurückgefordert.

Mit Schreiben vom 09.01.2019 leitete die Beklagte die Überprüfung ein. Die Klägerin erklärte daraufhin mit Schreiben vom 22.01.2019, sie habe durchgängig durchschnittlich 30 Stunden in der Woche gearbeitet. Der Kläger legte zunächst die Arbeitgeberbescheinigung vom 06.02.2019 vor (Bl 137 V-Akte), wonach die Arbeitszeit des Klägers vom 21.07.2016 bis 20.11.2018 25 Wochenstunden betragen habe. Wegen Unstimmigkeiten in den Arbeitgeberbescheinigungen (unterschiedlich hohe monatliche Bruttoeinkommen) bat die Beklagte mit Schreiben vom 21.02.2019 um lückenlose Verdienstabrechnungen inklusive Korrekturabrechnungen für die Kalendermonate Juli 2016 bis Januar 2019. Nach Auswertung dieser Unterlagen änderte die Beklagte mit Bescheid vom 27.02.2019 (Bl 204 V-Akte) den Bescheid vom 20.09.2016 in Bezug auf den Kläger ab und gewährte ihm für den 1.-24. Lebensmonat nunmehr endgültig 802,63 € monatlich. Ein Anspruch auf Elterngeld für die Partnerschaftsbonusmonate bestehe nicht. Diese könnten nur gewährt werden, wenn beide Elternteile gleichzeitig für vier aufeinander folgende Lebensmonate die Voraussetzungen für den Bezug von Elterngeld erfüllten und in diesen Monaten nicht weniger als 25 und nicht mehr als 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats erwerbstätig seien. Diese Anspruchsvoraussetzungen lägen nicht vor. Es errechne sich ein Betrag von 2.496,52 €, den der Kläger zu erstatten habe. In Bezug auf die Klägerin erließ die Beklagte am 28.02.2019 einen Änderungsbescheid (Bl 214 V-Akte), wonach auch der Klägerin kein Anspruch auf Partnerschaftsbonusmonate zustehe. Sie habe daher 1.200 € zu erstatten.

Hiergegen legten die Kläger jeweils Widerspruch ein und baten um Angabe der Berechnungsgrundlagen für die Rückforderung. Mit Anhörungsschreiben vom 03.09.2019 teilte die Beklagte den Klägern mit, die Voraussetzungen für den Partnerschaftsbonus müssten von beiden Eltern erfüllt werden. Wenn ein Elternteil weniger als 25 Wochenstunden im Monatsdurchschnitt gearbeitet habe, könne dies dazu führen, dass der Anspruch beider Elternteile aufgehoben werde. Soweit die Voraussetzungen nicht von beiden Elternteilen für die Dauer von vier Monaten eingehalten würden, würden bereits ausgezahlte Partnerschaftsbonus-Beträge zurückgefordert und zwar auch dann, wenn nur ein Elternteil die Voraussetzungen nicht erfülle. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit des Klägers habe im 25. Lebensmonat 22,65 Stunden, im 26. Lebensmonat 21,06 Stunden, im 27. Lebensmonat 22 Stunden und im 28. Lebensmonat 33,97 Stunden betragen. Damit seien die Voraussetzungen zum Bezug der vier Partnerschaftsbonusmonate nicht erfüllt.

Zur Begründung des Widerspruchs führte der Prozessbevollmächtigte aus, die Voraussetzungen für die Bewilligung der Partnerschaftsbonusmonate für die Klägerin lägen unstreitig vor. In Bezug auf den Kläger könne nicht nachvollzogen werden, wie die dargestellten Wochenstunden ermittelt worden seien. Der Kläger habe Wert darauf gelegt, dass die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit gemäß § 4 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) eingehalten werde, es sei eine Arbeitszeit von 7:00 bis 12:00 Uhr vereinbart worden. Inzwischen habe der Arbeitgeber Insolvenz angemeldet. In der Folge habe es im Betrieb erhebliche Verwerfungen gegeben. Sofern es nicht zur Ableistung der vereinbarten Stunden gekommen sei, habe dies nicht am Kläger gelegen, der seine Arbeitskraft für die vereinbarte Zeit angeboten habe. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass der Rückforderung § 328 Abs 2 Satz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) entgegenstehe, da in einem vorläufigen Bescheid Umfang und Grund der Vorläufigkeit anzugeben seien. Diese Voraussetzungen seien jedenfalls im Bescheid an die Klägerin nicht erfüllt. Auch habe die Beklagte kein Ermessen ausgeübt.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 12.11.2019 wies die Beklagte die Widersprüche der Kläger zurück.

Hiergegen haben die Kläger am 12.12.2019 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben unter Wiederholung ihrer Begründung aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend ist ausgeführt worden, die in den maßgeblichen Lohnabrechnungen ausgewiesenen Arbeitsstunden könnten nicht schematisch genommen werden. Rechnerisch bestehe nur eine geringe Differenz zwischen tatsächlich gearbeiteten Stunden und vereinbarten Arbeitsstunden.

Die Beklagte hat ausgeführt, da das Elterngeld für die Partnerschaftsbonusmonate beiden Klägern nur vorläufig gewährt worden sei, könne die Beklagte ihre Rückforderung ohne weiteres auf § 39 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) stützen. Ein Ermessen hinsichtlich der Rückforderung stehe ihr entgegen der Auffassung der Klägerseite nicht zu. Sie hat außerdem ausgeführt, sie habe die Wochenarbeitsstunden aufgrund der Unstimmigkeiten in den Arbeitgeberbescheinigungen aus den Gehaltsabrechnungen entnommen. Das Elterngeld in den Partnerschaftsbonusmonaten solle den Eltern den Wiedereinstieg in das Erwerbsleben erleichtern und, indem die Wochenarbeitszeit 62 % bis 75 % einer Vollzeitstelle umfasse, zu einer stabilen Sicherung des Lebensunterhalts der Familie - neben dem Elterngeld - beitragen. Es komme nicht darauf an, aus welchen Gründen die Arbeitszeit gegebenenfalls nicht habe eingehalten werden können. Die Einhaltung der Wochenarbeitszeit sei als unbedingte Tatbestandsvoraussetzung unverzichtbar.

Mit Urteil vom 11.02.2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, die Bewilligung von Elterngeld für die Partnerschaftsbonusmonate aufzuheben und die bereits geleisteten Zahlungen zurückzufordern, da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Elterngeld für Partnerschaftsbonusmonate nicht vorgelegen hätten. Nach § 8 Abs 3 BEEG werde Elterngeld bis zum Nachweis der jeweils erforderlichen Angaben vorläufig unter Berücksichtigung der glaubhaft gemachten Angaben gezahlt, wenn das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt nicht ermittelt werden könne, die berechtigte Person nach den Angaben im Antrag auf Elterngeld im Bezugszeitraum voraussichtlich Einkommen aus Erwerbstätigkeit habe oder die berechtigte Person weitere Monatsbeträge Elterngeld Plus nach § 4 Abs 4 Satz 3 beantrage (Partnerschaftsbonusmonate). Nach § 328 Abs 1 Satz 2 SGB III, der gemäß § 26 BEEG auch im Bereich des Elterngeldrechts gelte, seien Umfang und Grund der Vorläufigkeit in dem Verwaltungsakt anzugeben. Entgegen dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten der Kläger habe die Beklagte Umfang und Grund der Vorläufigkeit den Klägern in den Bewilligungsbescheiden vom 20.09.2016 mitgeteilt. Sie habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bereits ausgezahlte Partnerschaftsbonus-Beträge zurückgefordert würden, wenn sich herausstelle, dass die Voraussetzungen für den Bezug von Partnerschaftsbonusmonaten nicht vorlägen. Die Beklagte habe zutreffend festgestellt, dass die Voraussetzungen für den vorläufig bewilligten Anspruch auf Elterngeld für den 25.-28. Lebensmonat der Kinder nicht erfüllt seien. Nach § 4 Abs 4 Satz 3 BEEG bestehe Anspruch auf Partnerschaftsbonusmonate, wenn beide Elternteile in vier aufeinander folgenden Lebensmonaten gleichzeitig nicht weniger als 25 und nicht mehr als 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats erwerbstätig seien. Nach den Richtlinien des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) zum BEEG müssten für den Anspruch auf Partnerschaftsbonus beide Eltern die Voraussetzungen zum Elterngeldbezug nach § 1 erfüllen, im Umfang von 25-30 Wochenstunden im Monatsdurchschnitt arbeiten und beide das Kind betreuen können. Die Voraussetzungen müssten in vier aufeinanderfolgenden Lebensmonaten erfüllt werden. Wenn die Voraussetzungen in der Person eines Elternteils nicht erfüllt seien, führe dies dazu, dass der durch Elterngeldbescheid festgesetzte Anspruch beider Elternteile aufgehoben werde. Nach Ziff. 8.3.3 der Richtlinien des BMFSFJ würden die weiteren Partnerschaftsbonus-Monatsbeträge im abschließenden Bescheid nicht gewährt, sollte einer der beiden Elternteile auch nur für einen Monat die Voraussetzungen des § 4 Abs 4 Satz 3 BEEG nicht erfüllen. In diesen Fällen seien alle bereits als Partnerschaftsbonus ausgezahlten Monatsbeträge zurückzufordern. Der Nachweis für das Vorliegen des Stundenkorridors von 25-30 Wochenstunden könne durch eine Arbeitszeitbescheinigung oder andere glaubhafte Unterlagen (Arbeitsvertrag, Lohn- und Gehaltsbescheinigungen) erfolgen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift des § 4 Abs 4 Satz 3 BEEG komme es darauf an, dass die Eltern in dem Zeitraum, für den Partnerschaftsbonus Monate gewährt würden, tatsächlich in dem beschriebenen Umfang erwerbstätig seien. In § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 4 iVm Abs 6 BEEG sei definiert, wann eine Person keine volle Erwerbstätigkeit ausübe bzw wann sie nicht voll erwerbstätig sei, nämlich unter anderem dann, wenn ihre Arbeitszeit 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats nicht übersteige. Zu dieser Regelung sei höchstrichterlich entschieden worden, dass Erholungsurlaub im Vollzeitarbeitsverhältnis die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht unterbreche, jedoch keine Erwerbstätigkeit bei einer Freistellung von der Arbeitsleistung bei voller Lohnzahlung vorliege. Wende man diese Rechtsprechung im Rahmen von § 4 Abs 4 Satz 3 BEEG an, so ergebe sich, dass es auf die tatsächliche Arbeitszeit im Bezugszeitraum ankomme und es nicht genüge, dass eine entsprechende Arbeitszeit vorab mit dem Arbeitgeber vereinbart worden sei. Die Beklagte habe die Arbeitszeit des Klägers in dem streitgegenständlichen Zeitraum zutreffend aus den vorgelegten Gehaltsbescheinigungen, in denen die monatlich abgerechneten Arbeitsstunden aufgeführt seien, errechnet. Der Kläger habe hiergegen auch keine Einwendungen mehr erhoben. Danach habe der Kläger in den ersten drei Partnerschaftsbonusmonaten weniger als 25 und im letzten Partnerschaftsbonusmonat mehr als 30 Stunden gearbeitet. Elterngeld für Partnerschaftsbonusmonate könne nach § 4 Abs 3 Satz 4 BEEG nur bezogen werden, wenn beide Eltern in allen vier Monaten die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllten. Die Richtlinien wiesen zutreffend auf diesen Sachverhalt hin. Selbst wenn der Kläger in den ersten drei Monaten des Zeitraumes wie vereinbart 25 Wochenstunden gearbeitet hätte, würden die Voraussetzungen für beide Kläger allein deshalb entfallen, weil er im letzten Monat des Zeitraumes mehr als 30 Stunden wöchentlich im Durchschnitt erwerbstätig gewesen sei. Es komme nicht darauf an, aus welchem Grund die Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die Beklagte sei berechtigt und verpflichtet, die Bewilligung von Elterngeld für die Partnerschaftsbonusmonate für beide Kläger aufzuheben und die hierauf entfallenden Beträge zurückzufordern. Nach § 328 Abs 3 SGB III seien aufgrund einer vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt werde. Diese Regelung setze voraus, dass über den Anspruch nach Ermittlung der notwendigen Tatsachen endgültig entschieden werde. Während der Erlass eines vorläufigen Bescheides im Ermessen des Leistungsträgers stehe („kann vorläufig entscheiden“), bestehe beim Erlass des endgültigen Bescheides kein Ermessensspielraum. Dieser müsse vielmehr der wirklichen Sach-und Rechtslage entsprechen.

Gegen das ihm am 24.02.2021 zugestellte Urteil hat der Klägerbevollmächtigte am 23.03.2021 für beide Kläger Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingereicht. Es gehe um die Klärung der Frage, ob es für die Erfüllung der Voraussetzungen für den Bezug von Partnerschaftsbonusmonatsbeträgen gemäß § 4 Abs 4 BEEG ausreiche, dass eine arbeitsvertragliche Regelung mit mindestens 25 und höchstens 30 Wochenarbeitsstunden vorliege, oder ob diese Stundenzahl auch tatsächlich für alle vier Bezugsmonate geleistet worden sein müsse. § 4 Abs 4 BEEG regele, dass die Anspruchsteller für Partnerschaftsbonusmonate wöchentlich für die aufgeführte Mindest- bzw Höchststundenzahl „erwerbstätig“ sein müssten. Nach der Definition der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sei erwerbstätig, wer mindestens eine Stunde in der Woche gegen Entgelt irgendeiner beruflichen Tätigkeit nachgehe beziehungsweise in einem Arbeitsverhältnis stehe. Belegt durch die vorausgegangene Bestätigung der damaligen Arbeitgeberin des Klägers zu Ziff 1, habe er im fraglichen Zeitraum tatsächlich in einem Arbeitsverhältnis mit vereinbarten 25 Wochenarbeitsstunden gestanden, sei also im vorstehend definierten Sinne erwerbstätig gewesen. Dieser Annahme können Probleme, welche ausschließlich dem Risikobereich der Arbeitgeberin zuzurechnen seien, nicht entgegenstehen. Der Kläger zu Ziff 1 habe nur die Möglichkeit, die Vergütung im Nachhinein wegen nicht angebotener Arbeitsstunden aus Annahmeverzug einzuklagen. Dies könne aber angesichts der Aussichtslosigkeit, diese Forderung infolge der Insolvenz der Arbeitgeberin realisieren zu können, nicht gefordert werden und wäre reine Förmelei. Dieser Ansicht stehe auch nicht entgegen, dass mit dem Zuverdienst neben den Leistungen für Partnerschaftsbonusmonate das Familieneinkommen gesichert werden solle. Für den Zuverdienst sei nämlich keine Lohnhöhe vorgeschrieben, sondern letztlich das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses mit vereinbarten mindesten 20 und höchsten 30 Wochenarbeitsstunden. Damit sei aber nichts über die Absicherung des Familieneinkommens über dieses Arbeitserfordernis gesagt. Der tatsächlich erzielte Lohn könne deshalb ersichtlich für den angeblichen Gesetzeszweck, das Familieneinkommen durch Erwerbstätigkeit abzusichern, keine Rolle spielen. Dann sei es auch unerheblich, ob der jeweilige Arbeitgeber die im Übrigen fest vereinbarten Wochenarbeitsstunden dann auch tatsächlich anbiete oder wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht mehr vollständig anbieten könne.

Die Kläger beantragen (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11.02.2021 und die Änderungsbescheide der Beklagten vom 27.02.2019 und 28.02.2019 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12.11.2019 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Sie hat ausgeführt, es sei auf die tatsächlich geleisteten und nicht die potentiell zu erbringenden Arbeitsstunden abzustellen. Unerheblich sei, aus welchen Gründen die gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitsstunden nicht hätten eingehalten werden können. Für die Rechtsauffassung der Beklagten, dass es auf die tatsächlich erbrachte und nicht etwa auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit ankomme, spreche neben dem Wortlaut des § 4 Abs 4 Satz 3 Nr 1 BEEG auch der des § 8 Abs 1 BEEG. Danach seien nach Ablauf des Bezugszeitraums für diese Zeit das tatsächliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit und die Arbeitszeit nachzuweisen, soweit im Antrag auf Elterngeld Angaben zum voraussichtlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit gemacht worden seien. Zeiten ohne Arbeitsleistung gölten nur dann als Arbeitszeit mit der vertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit, wenn darin Erwerbseinkommen erzielt werde, wie zB während des Erholungsurlaubs oder bei Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit von 25 bis 30 Wochenstunden des Klägers wäre von der Beklagten daher nur zu berücksichtigen, wenn trotz der Weigerung des Arbeitgebers, die Arbeitsleistung im vereinbarten Umfang anzunehmen, das Einkommen des Klägers dem vertraglichen Erwerbsumfang entspräche. Dies sei hier jedoch nicht der Fall.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

 

II.

Die Berufungen bleiben ohne Erfolg.

Nach § 153 Abs 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann der Senat außer in den - hier nicht gegebenen - Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1 SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. So liegt es hier. Die Beteiligten sind hierzu angehört worden. Eine Zustimmung der Beteiligten zur Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 SGG ist nicht erforderlich (vgl Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Auflage 2020, § 153 Rn 14).

Die Berufungen sind zulässig. Sie sind gemäß § 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG). Gegenstand der Berufungen sind die Bescheide der Beklagten vom 27.02.2019 bzw 28.02.2019 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12.11.2019, in denen die Beklagte die bewilligten Partnerschaftsbonusmonate zurückgefordert hat. Dagegen wenden sich die Kläger im Wege der subjektiven Klagehäufung statthaft mit der Anfechtungsklage.

Die Berufungen sind unbegründet. Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen., weil die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzen. Das SG hat in dem angefochtenen Urteil vom 11.02.2021 die rechtlichen Voraussetzungen der endgültigen Festsetzung des Elterngeldes sowie die Voraussetzungen der Rückforderung ausführlich dargelegt und zudem überzeugend begründet, aus welchen Gründen es nur auf die tatsächliche und nicht auf die ursprünglich vereinbarte Arbeitszeit ankommt. Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs 2 SGG).

Im Hinblick auf das Klägervorbringen im Berufungsverfahren ist lediglich zu ergänzen, dass § 4 Abs 4 Satz 3 BEEG (in der bis zum 31.08.2021 gültigen Fassung vom 23.05.2017, BGBl I 2017, 1228, im Folgenden aF) auf die tatsächliche Arbeitszeit abstellte, die zwischen 25 und 30 Wochenstunden betragen musste. Ob arbeitsvertraglich eine andere Arbeitszeit vereinbart wurde, ist demgegenüber zweitrangig. Sämtliche Regelungen zum Elterngeld Plus sollen die Förderung von Eltern verbessern, die nach der Geburt eines Kindes gemeinsam in Teilzeit erwerbstätig sein wollen (BT-Drs 18/2583, 26, zu § 4 Abs 3-6 BEEG; vgl hierzu auch LSG Baden-Württemberg 07.11.2017, L 11 EG 2662/17, Rn 28 - 29, juris). Zur Begründung hat der Gesetzgeber ua ausgeführt: „Ein Partnerschaftsbonus ergänzt das Elterngeld Plus. Er besteht aus vier zusätzlichen Elterngeld Plus-Monaten je Elternteil und kann während oder im Anschluss an den Elterngeldbezug eines Elternteils bezogen werden. Elternpaare, die sich gemeinsam um das Kind kümmern und beide zwischen 25 und 30 Stunden erwerbstätig sind, werden hierdurch länger unterstützt. Dadurch wird es Eltern erleichtert, in einer frühen Phase der Elternschaft in die partnerschaftliche Arbeitsteilung hineinzufinden. Alleinerziehende haben einen eigenen Anspruch auf einen entsprechenden Bonus, wenn sie in dem festgelegten Umfang erwerbstätig sind.“ (BT-Drs 18/2583, 17 f). Die Bonusregelung des § 4 Abs 3 S 4 BEEG verlangt nach der Gesetzesbegründung mit der Anknüpfung an 25 bzw 30 Wochenstunden - unter Zugrundelegung einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden - eine Erwerbstätigkeit im Umfang von etwa 60 bis 75 vH (BT-Drs 18/2583, 28: „Eltern, die sich gemeinsam um das Kind kümmern und beide zwischen 25 und 30 Stunden erwerbstätig sind, werden durch den Partnerschaftsbonus länger gefördert. Der Partnerschaftsbonus soll die partnerschaftliche Arbeitsteilung unterstützen. [...] Nach § 4 Absatz 4 Satz 3 Nummer 1 müssen beide Eltern gleichzeitig zwischen 25 und 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats erwerbstätig sein. Ausreichend ist damit eine Erwerbstätigkeit im Umfang von nicht weniger als 25 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats. Eine Arbeitszeit von 30 Wochenstunden darf hingegen – wie nach den allgemeinen Voraussetzungen für den Elterngeldbezug – nicht überschritten werden. Die Regelung verlangt folglich – unter Zugrundelegung einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden – eine Erwerbstätigkeit im Umfang von etwa 60-75 %. Sie verlangt eine gegenüber der Vollzeitbeschäftigung merkliche Verringerung zugunsten der Betreuung des Kindes und eine Erwerbstätigkeit in einem größeren Umfang als nur einer halben Stelle, um die dauerhafte wirtschaftliche Absicherung in Familien zu gewährleisten.“). Diese Ziele werden somit nicht erreicht, wenn ein Elternteil entweder zu wenig arbeitet oder aber zu viel. Im ersten Fall ist die wirtschaftliche Absicherung der Familie gefährdet, im zweiten die partnerschaftliche Arbeitsteilung nicht gewährleistet. Insofern kann es entgegen dem Klägervortrag nicht auf die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit ankommen, sondern nur auf die tatsächlich verrichteten Arbeitsstunden.

Der Senat lässt offen, ob dies auch im Falle eines Annahmeverzugs des Arbeitgebers gilt (§§ 615, 293 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]), wenn also der Arbeitnehmer vertragsgemäß seine Arbeitskraft anbietet, der Arbeitgeber diese aber nicht abruft und dennoch zum Lohn verpflichtet ist. Ob hier ein solcher Annahmeverzug vorlag, vermag der Senat nicht zu entschieden. Aus den Entgeltbescheinigungen ergibt er sich nicht, auch hat der Kläger keinen ausstehenden Lohn gegenüber seinem Arbeitgeber geltend gemacht. Doch selbst, wenn in Bezug auf die ersten drei Partnerschaftsbonusmonate vom 21.07.2018 bis 20.10.2018 ein Annahmeverzug unterstellt und gleichzeitig argumentiert würde, bei vereinbarten 25 Wochenarbeitsstunden sei der Kläger auch in diesem Umfang als erwerbstätig anzusehen, änderte dies am Ergebnis nichts. Im letzten Partnerschaftsbonusmonat (21.10.2018 bis 20.11.2018) jedenfalls hat der Kläger unzweifelhaft zu viel gearbeitet, nämlich mehr als 30 Wochenstunden im Durchschnitt. Die Beklagte hat hier einen Wert von 33,97 Stunden errechnet, der Senat kommt je nach Berechnung unter Heranziehung der Entgeltbescheinigungen Oktober und November 2018 jedenfalls auf einen Wert von 30,5 bzw 31,57 Stunden (bei Berechnung nach Kalendertagen: Oktober 2018: 92 Stunden, dies entspricht bei 31 Tagen gerundet 2,97 Stunden pro Tag; November 160,67 Stunden, dies entspricht bei 30 Tagen gerundet 5,36 Stunden pro Tag; 21.10. bis 31.10.2018: 11 Tage, 11 x 2,97 = 32,67; 01.11. bis 20.11.2018: 20 Tage, 20 x 5,36 = 107,20; 32,67 + 107,20 = 139,87 [Arbeitsstunden insgesamt im Zeitraum vom 21.10 bis 20.11.2018]; 139,87 Arbeitsstunden : 31 Tage = 4,51 Arbeitsstunden/Tag; 4,51 Arbeitsstunden x 7 Tage = 31,57 Arbeitsstunden pro Woche). Werden die geleisteten Arbeitsstunden auf eine 5-Tage-Woche (Montag bis Freitag) heruntergebrochen, wird das Ergebnis noch knapper, liegt aber immer noch über 30 Stunden, nämlich bei 30,5 Stunden (Oktober 2018: 23 Arbeitstage; 92 Arbeitsstunden insgesamt : 23 Arbeitstage = 4 Arbeitsstunden pro Tag; 21.10. bis 31.10.2018: 8 Arbeitstage, 8 Tage x 4 Stunden = 32 Arbeitsstunden vom 21.10. bis 31.10.2018; November: 22 Arbeitstage; 160,67 Arbeitsstunden : 22 Arbeitstage = 7,30 Arbeitsstunden pro Tag; 01.11. bis 20.11.2018: 14 Arbeitstage, 14 Tage x 7,30 Stunden = 102,2 Arbeitsstunden vom 01.11. bis 20.11.2018; 32 Arbeitsstunden Oktober + 102,2 Arbeitsstunden November = 134,2 Arbeitsstunden vom 21.10.2018 bis 20.11.2018; 134,2 Stunden : 22 Arbeitstage = 6,1 Arbeitsstunden pro Tag; bei einer 5-Tage-Woche: 5 x 6,1 = 30,5). Bereits diese einzelne Abweichung reicht aus, um den Anspruch gemäß § 4 Abs 4 Satz 3 BEEG aF für den Kläger ebenso wie für seine Ehefrau, die Klägerin, zu Fall zu bringen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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