L 11 R 966/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 1346/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 966/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.02.2020 abgeändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 16.05.2018 in der Fassung des Bescheides vom 21.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2019 verurteilt, dem Kläger ab Rentenbeginn eine höhere Regelaltersrente unter Zugrundelegung der dem Grunde nach berücksichtigten Beitragszeiten vom 01.08.1987 bis 15.04.1994 in ungekürzter Höhe zu 6/6 zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt 40 v.H. der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung einer höheren Rente nach dem Fremdrentengesetz (FRG).

Der Kläger wurde.1952 in K, Region P, in K1 in der ehemaligen S geboren. Er arbeitete in der Zeit vom 06.02.1978 bis zum 20.04.1994 in K1 an verschiedenen Schulen als Sportlehrer und zeitweise als Direktor. 1994 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er als Vertriebener anerkannt wurde und seither lebt.

Am 09.03.2018 beantragte der Kläger Regelaltersrente, die ihm die Beklagte mit Bescheid vom 16.05.2018 ab dem 01.04.2018 gewährte. Dabei stufte die Beklagte die Tätigkeit des Klägers im Zeitraum vom 06.02.1978 bis zum 20.04.1994 in die Qualifikationsgruppe 2 (Fachhochschulabsolventen) im Bereich 18 (Bildung, Gesundheitswesen, Kultur und Sozialwesen) ein und rechnete diese zu fünf Sechsteln als glaubhaft gemachte Zeit an.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 15.06.2018 Widerspruch ein mit der Begründung, die Kürzung der Beitragszeiten um ein Sechstel sei nicht korrekt. Ein Abzug aufgrund von krankheitsbedingten Fehlzeiten sei falsch, da er im maßgeblichen Zeitraum gesund gewesen und der Arbeit nicht ferngeblieben sei. Des Weiteren machte er geltend, die Einstufung in Qualifikationsstufe 2 sei für den streitgegenständlichen Zeitraum zu Unrecht erfolgt. Er sei vielmehr in Qualifikationsgruppe 1 einzustufen. Zudem seien seine Wehrdienstzeiten vom 13.11.1975 bis 02.11.1976 sowie Fachschulzeiten vom 18.04.1995 bis 30.01.1997 nicht zutreffend berücksichtigt worden. Mit dem Widerspruch legte der Kläger neben seinem Arbeitsbuch eine Bescheinigung des Gewerkschaftskomitees des Gebiets P nebst beglaubigter Übersetzung vom 22.06.2018 aus der russischen Sprache vor mit folgendem Inhalt: „Die vorliegende Bescheinigung wurde A als Nachweis dafür ausgestellt, dass er in der Zeit seiner Tätigkeit im Schuldienst vom 06. April 1978 bis 15. April 1994 vorübergehend keine krankheitsbedingten Fehlzeiten beantragte“.

Mit Schreiben vom 05.12.2018 reichte der Kläger nach Aufforderung seitens der Beklagten Kopien der Originalunterlagen seines Arbeitsbuches sowie des Diploms nebst Auflistung der belegten Fächer nach. Aus dem Arbeitsbuch ergaben sich für die Zeit vom 06.02.1978 bis zum 20.04.1994 durchgängig Tätigkeiten als Lehrer bzw Direktor im Gebiet der ehemaligen S.

Mit Teilabhilfebescheid vom 21.12.2018 berechnete die Beklagte die Rente des Klägers unter Zugrundelegung der Qualifikationsgruppe 1 für den streitgegenständlichen Zeitraum neu. Hinsichtlich der Anrechnung der hier streitgegenständlichen Zeiten mit fünf Sechsteln erfolgte keine Abhilfe, die Bewertung der Wehrdienst- und Fachschulzeiten blieb gleich.

Den im Übrigen aufrecht erhaltenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2019 zurück. Die Beitragszeiten im streitgegenständlichen Zeitraum seien nur glaubhaft gemacht und nicht nachgewiesen, so dass eine Kürzung auf fünf Sechstel zu erfolgen habe. Der Kläger habe den erforderlichen Nachweis nicht durch das Arbeitsbuch erbracht, das lediglich Angaben zu Beginn und Ende der Arbeitsverhältnisse, nicht aber zu Unterbrechungen enthalte. Auch die vorgelegte Pauschalbescheinigung könne als Nachweis nicht überzeugen. Die Wehrdienst- und Fachschulzeiten seien bei der Bewertung mit Entgeltpunkten zutreffend berücksichtigt worden.

Der Kläger hat am 21.03.2019 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, mit der er sein Begehren hinsichtlich der Kürzung der Beitragszeiten um ein Sechstel weiterverfolgt. Er ist der Ansicht, dass die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen einen ausreichenden Nachweis darstellten. Zudem berufe er sich auf Erfahrungssätze, dass sportliche Menschen seltener krank seien sowie dass Menschen ohne chronische Erkrankungen in den ersten 42 Lebensjahren in der Regel keine nennenswerten krankheitsbedingten Fehlzeiten aufwiesen. Auch lasse sich das Fehlen von Krankheitszeiten durch seinen eigenen Vortrag belegen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat das SG die Ehefrau des Klägers, Frau A1, als Zeugin vernommen und anschließend die Klage mit Urteil vom 13.02.2020 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Altersrente unter Berücksichtigung der Entgeltpunkte für die Zeit vom 06.04.1978 bis zum 15.04.1994 ohne Kürzung um ein Sechstel. Die Beklagte habe diese Zeiten zutreffend als nicht nachgewiesen im Sinne des § 22 Abs 3 FRG, sondern nur als glaubhaft gemacht berücksichtigt. Nicht nachgewiesen seien Beitragszeiten iSd § 15 FRG zB dann, wenn in diese Zeiten auch Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit oder einer sonstigen Arbeitsunterbrechung fallen könnten, für die der Arbeitgeber keine Beiträge zur Rentenversicherung habe entrichten müssen, oder solche Zeiten jedenfalls nicht ausgeschlossen werden könnten. Eine volle Anrechnung der entsprechenden Zeiten setze demgemäß voraus, dass in die betreffenden Zeiten nachweisbar keine Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit oder sonstigen Arbeitsunterbrechung ohne Beitragsentrichtung fielen oder sie nicht ein Sechstel der Zeiten erreichten. Die Kürzung der Entgeltpunkte für nicht nachgewiesene Beitragszeiten um ein Sechstel gemäß § 22 Abs 3 FRG beruhe auf der durch statistische Untersuchungen gewonnenen Erfahrung, dass auch die durchschnittliche Beitragsdichte im Bundesgebiet (nur) diesem Umfang entspreche. Um eine Besserstellung des fremdrentenberechtigten Personenkreises gegenüber den in der Bundesrepublik Deutschland rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern zu vermeiden, müsse daher eine höhere Beitragsdichte bezüglich etwaiger Fremdrentenzeiten jeweils im Einzelfall nachgewiesen werden. Nachgewiesen seien Beitragszeiten nicht schon dann, wenn lediglich Anfang und Ende des jeweiligen Zeitraums einer Beschäftigung genau bekannt seien, da sich aus einem Nachweis einer ununterbrochenen Beschäftigungszeit nicht auch zwingend ergebe, dass während dieser Zeit auch ununterbrochen Beiträge entrichtet worden seien. Vielmehr müsse darüberhinausgehend zur Überzeugung des Gerichts feststehen, dass Unterbrechungen in der Beitragsentrichtung, zB durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, unbezahlten Urlaub, unentschuldigte Fehlzeiten oder Arbeitslosigkeit nicht eingetreten seien. Ausgehend von diesen Grundsätzen könnten die streitgegenständlichen Beitragszeiten nur als glaubhaft gemacht, nicht aber als nachgewiesen angesehen werden. Die vorliegenden Unterlagen führten lediglich zu dem Schluss, dass der Kläger in der ehemaligen S zu bestimmten Zeiten in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden und grundsätzlich der Beitragspflicht zur dortigen Rentenversicherung unterlegen habe. Von einer lückenlosen tatsächlichen Beitragsentrichtung während des streitigen Zeitraums könne die Kammer jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgehen. Dem Arbeitsbuch könne nur entnommen werden, dass der Kläger im hier streitigen Zeitraum durchgehend bei dem jeweiligen Arbeitgeber beschäftigt gewesen sei und grundsätzlich der Beitragspflicht zur Rentenversicherung in seinem Herkunftsgebiet unterlegen habe. Es sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass in diese Zeiträume auch Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit oder sonstigen Arbeitsunterbrechung gefallen seien. Angaben zum Vorliegen oder Fehlen von Arbeitsunterbrechungen enthalte das Arbeitsbuch des Klägers nicht. Auch die vom Kläger vorgelegte Kopie der Bescheinigung des Gewerkschaftskomitees des Gebiets P nebst beglaubigter Übersetzung könne den erforderlichen Beweis nicht erbringen. Zwar könne der volle Nachweis von Beitrags- und Beschäftigungszeiten auch durch sonstige Bescheinigungen erbracht werden. Diese müssten jedoch konkrete und glaubwürdige Angaben über den Umfang der Beschäftigung- bzw Beitragszeiten sowie über dazwischenliegende Fehlzeiten enthalten. Des Weiteren müsse sich aus der Bescheinigung nachvollziehbar ergeben, aus welchen Unterlagen und Akten die jeweiligen Angaben entnommen seien. Diese Anforderungen erfülle die vorgelegte Bescheinigung nicht. Sie enthalte lediglich die pauschale Angabe, dass der Kläger in der Zeit seiner Tätigkeit im Schuldienst vom 06.04.1978 bis 15.04.1994 vorübergehend keine krankheitsbedingten Fehlzeiten beantragt habe. Dabei sei bereits nicht ersichtlich, ob tatsächlich keine krankheitsbedingten Fehlzeiten vorgelegen hätten oder ob der Kläger hinsichtlich solcher lediglich keinen Antrag - worauf auch immer bezogen - gestellt habe. Zudem lägen Abweichungen des mitgeteilten Zeitraums im Vergleich zu den im Arbeitsbuch genannten Zeiträumen vor. Eine konkrete Aufschlüsselung nach den einzelnen Tätigkeiten finde sich ebenfalls nicht. Auch bleibe offen, ob es nicht Fehlzeiten aus anderen Gründen, wie zB unbezahlten Urlaub, gegeben habe. Zuletzt ergebe sich aus der Bescheinigung nicht, auf welchen Quellen die Angaben beruhten. Auch aus den eigenen Aussagen des Versicherten folge kein Nachweis im Sinne des § 22 Abs 3 FRG. Zur Überzeugung der Kammer lasse sich der Nachweis durch die eigene Einlassung des Klägers bereits generell nicht führen. Es treffe zwar zu, dass die gerichtliche Überzeugung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu gewinnen sei, doch könne auch eine als glaubhaft einzuschätzende Angabe des Versicherten nicht die maßgebliche Grundlage für die richterliche Feststellung bilden und damit den Nachweis erbringen. Es sei zwar zutreffend, dass Vertriebene oft in Beweisnot gerieten. Gerade aufgrund dieser Beweisschwierigkeiten habe aber der Gesetzgeber im Bereich des Fremdrentenrechts dem Versicherten die Möglichkeit der Glaubhaftmachung mittels einer eidesstattlichen Versicherung eingeräumt, vgl § 4 Abs 3 Satz 1 FRG. Selbst der durch eine eidesstattliche Versicherung bekräftigten Aussage eines FRG-Berechtigten schreibe der Gesetzgeber aber damit ausdrücklich nur die Wirkung einer Glaubhaftmachung zu. Wenn aber im Rahmen des Fremdrentenrechts selbst eine eidesstattliche Versicherung nur ein Mittel der Glaubhaftmachung sei, könne die bloße Aussage eines Versicherten nicht als Mittel angesehen werden, den Vollbeweis zu erbringen. Dies würde einen deutlichen Wertungswiderspruch darstellen. Die vom Kläger geltend gemachten Erfahrungssätze, dass sportliche Menschen seltener krank seien sowie dass Menschen ohne chronische Erkrankungen in den ersten 42 Lebensjahren in der Regel keine nennenswerten krankheitsbedingten Fehlzeiten aufwiesen, begründeten ebenfalls keinen Nachweis. Zuletzt sei der Nachweis auch nicht durch die Zeugenaussage der Ehefrau geführt worden. Die Zeugin habe zwar angegeben, der Kläger sei im streitgegenständlichen Zeitraum zwar auch mal etwas krank gewesen, sei dann aber dennoch arbeiten gegangen. Zu weiteren möglichen Unterbrechungen wie durch unbezahlten Urlaub oder unentschuldigte Fehlzeiten habe sie jedoch lediglich angegeben, solche habe es nicht gegeben. Diese pauschale Angabe sei für die Kammer im Ansatz bereits nicht überprüfbar. Auch die Angabe, der Kläger habe auch bei Krankheit gearbeitet, sei pauschal gehalten und so nicht überprüfbar. Aus diesem Grund habe sich die Kammer auch nicht veranlasst gesehen, die Zeugin hierzu weitergehend zu befragen. Ermittlungen ins Blaue hinein ohne Anhaltspunkte habe das Gericht nicht vorzunehmen. Jedenfalls sei zu berücksichtigen, dass die Zeugin nicht mit dem Kläger zusammengearbeitet habe und daher von vorneherein nicht in der Lage sei, zu sämtlichen Anwesenheits- oder Fehlzeiten des Klägers Angaben zu machen. Die Klägerin habe zwar angegeben, zwischen 1987 und 1994 an der gleichen Schule wie der Kläger gearbeitet zu haben. Sie habe den Kläger zwischendurch gesehen, da sie ihren eigenen Unterricht gehalten habe. Nach Auffassung der Kammer hätten der Kläger und die Zeugin damit nicht in einem solchen Maß zusammengearbeitet, das zu einer anderen Bewertung führen könnte. Sie hätten lediglich an der gleichen Schule, jedoch jeweils für sich gearbeitet. Es sei daher nicht ausgeschlossen, dass es zu Fehlzeiten des Klägers gekommen sei, die zum Ausfall von Beitragszeiten geführt hätten. Im Zeitraum vor 1987 hätten die beiden bereits nicht einmal an der gleichen Schule gearbeitet.

Gegen das seiner Bevollmächtigten am 24.02.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.03.2020 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt mit der Begründung, das SG überspanne die Anforderungen an den Vollbeweis in Angelegenheiten des Fremdrentenrechts. Die Ausführungen im Urteil zeigten, dass das Gericht die rechtliche Einordnung des Beteiligtenvorbringen bei der Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verkenne ebenso wie die Möglichkeit, auch im Rahmen des Fremdrentenrechts einen Vollbeweis durch Zeugenaussagen zu erbringen. Zudem verletze das erstinstanzliche Gericht § 118 Abs 1 SGG iVm § 396 Abs 2 Zivilprozessordnung (ZPO), indem - wie sich aus dem Protokoll zusammen mit dem Urteil ergebe - aus Sicht des Gerichts offensichtlich notwendige weitere Fragen nicht gestellt worden seien. Hätte das Gericht das Beteiligtenvorbringen richtig eingeordnet im Rahmen der Beweiswürdigung und der Zeugin die Fragen gestellt, deren Beantwortung das Gericht offensichtlich für erforderlich gehalten habe, dann hätte es den Vollbeweis für die fraglichen Beitragszeiten anerkennen und der Klage stattgeben müssen. Richtig sei, dass Beitragszeiten nur ohne Kürzung angerechnet werden könnten, wenn sie im Sinne eines Vollbeweises nachgewiesen seien, und dass Arbeitsbücher aus der ehemaligen S lediglich als Mittel der Glaubhaftmachung dienten. Anders verhalte es sich jedoch mit dem Beweis durch Beteiligtenvorbringen und Zeugen, wie das Bundessozialgericht (BSG) mehrfach entschieden habe. Ganz generell stelle das Bundesverfassungsgericht zu § 286 ZPO fest, dass „nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) eine Überzeugung des Gerichts auch (allein) auf die Würdigung von Parteierklärungen gestützt werden könne. Im Rahmen der Argumentation, eine Aussage vor Gericht könne nicht für einen Vollbeweis ausreichen, da auch eine eidesstattliche Versicherung nur Mittel der Glaubhaftmachung sei, werde verkannt, dass einer eidesstattlichen Versicherung von vorneherein ein geringerer Beweiswert zukomme als einer (Zeugen-) Aussage in einer mündlichen Verhandlung. Diese geringere Wertigkeit ergebe sich vor allem daraus, dass bei der eidesstattlichen Versicherung - anders als bei einer mündlichen Aussage in einer Gerichtsverhandlung - die Glaubwürdigkeit des jeweiligen Unterzeichnenden nicht aus einem persönlichen Eindruck überprüfbar sei. Soweit das SG bemängele, die Zeugin habe lediglich pauschale Angaben gemacht, wäre es verpflichtet gewesen, zur Aufklärung und Vervollständigung der Aussage nötigenfalls weitere Fragen zu stellen (§ 396 Abs 2 ZPO). Im Übrigen sei mit der Aussage, „er hat in dem Zeitraum nicht gefehlt“, im Prinzip schon alles gesagt. Soweit das SG feststelle, die Aussage der Zeugin sei „nicht überprüfbar“, könne dies nicht dazu führen, dass der Aussage nicht gefolgt werde. Zeugenaussagen bezögen sich regelmäßig auf Tatsachen, die anderweitig nicht überprüfbar seien. Ob das Gericht der Aussage folge, hänge von der Glaubwürdigkeit des Zeugen ab. Ebenso unrichtig sei die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, die Zeugin könne keine Aussagen über die Fehlzeiten machen, weil sie mit dem Kläger nicht ständig eng zusammengearbeitet habe. Das erstinstanzliche Gericht übersehe dabei die Tatsache, dass die Zeugin im streitgegenständlichen Zeitraum mit dem Kläger verheiratet gewesen sei. Zudem habe die Zeugin die überwiegende Zeit an derselben Schule gearbeitet wie der Kläger.

Zuletzt hat der Kläger Bescheinigungen der staatlichen Behörde „Allgemeinbildende Mittelschule Nr 18 der Stadt P“ über die Zeit von Januar 1979 bis Mai 1982, der Kinder- und Jugendsportschule Nr 5 der Stadt P über die Zeit von Juni 1982 bis Juli 1987 sowie der staatlichen Behörde der Stadt P „Allgemeinbildende Mittelschule Nr 39 innovativen Typs mit Gymnasialklassen“ über die Zeit von August 1987 bis April 1994 vorgelegt, in denen bezahlte krankheitsbedingte Fehltage verneint werden. Hierzu hat er vortragen lassen, die Bescheinigungen seien richtig und glaubwürdig. Der Umstand, dass darin zT Sonntagsarbeit enthalten sei, beruhe darauf, dass er als Sportlehrer auch für die Veranstaltung von Wettkämpfen zuständig gewesen sei und hier insbesondere im April und September zuweilen an Sonntagen tätig gewesen sei, um die Leistungsgruppe der Schule für Wettkämpfe vorzubereiten, sich mit Sportlehrern anderer Schulen wegen Wettkämpfen abzusprechen bzw um an Wettkämpfen teilzunehmen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.02.2020 aufzuheben, den Rentenbescheid der Beklagten vom 16.05.2018 in der Fassung des Bescheides vom 21.12.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2019 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger ab Rentenbeginn eine höhere Regelaltersrente unter Zugrundelegung der dem Grunde nach berücksichtigten Beitragszeiten vom 06.04.1978 bis 15.04.1994 in nicht nach § 22 Abs 3 FRG gekürzter Höhe zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie argumentiert, der Nachweis einer Beitrags- oder Beschäftigungszeit sei nur dann erbracht, wenn aus den Unterlagen ersichtlich sei, in welchem Umfang Fehlzeiten vorhanden gewesen seien oder dass sie nicht vorgelegen hätten. Enthielten die Unterlagen dagegen lediglich Angaben über Beginn und Ende einer Beschäftigung, ohne zweifelsfrei erkennen zu lassen, ob und in welchem Umfang die Beschäftigung und damit die Beitragszahlung durch Fehlzeiten unterbrochen worden sei, stellten sie lediglich ein Mittel der Glaubhaftmachung dar. Bei Zeugenerklärungen naher Verwandter oder eigenen Erklärungen des Berechtigten sei deren eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens zu berücksichtigen. Das bedeute aber nicht, dass solche Erklärungen nicht als Mittel der Glaubhaftmachung in Betracht kämen. „Nachweis" bedeute das Bestehen eines so hohen Grades von Wahrscheinlichkeit, dass kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifele. Das Arbeitsbuch enthalte keine entsprechenden Fehlzeiten, die Bescheinigung des Gewerkschaftskomitees sei nur pauschal erfolgt und ohne Angaben, auf welchen Grundlagen es beruhe. Die Zeugin habe auch keine detaillierten Angaben gemacht, sondern lediglich pauschal über einen sehr langen und lange zurückliegenden Zeitraum berichtet. Die vom Kläger zuletzt vorgelegten Bescheinigungen der Schulen änderten hieran nichts. Arbeitgeberbescheinigungen könnten dann als Nachweis anerkannt werden, wenn diese auf Grundlage von Lohnlisten erstellt worden und in sich schlüssig seien. Eine Bestätigung, dass für die Bescheinigungen Lohnlisten herangezogen worden seien, finde sich nicht. Außerdem seien darin für den September 1985, 1990, 1991 und 1979 jeweils 26 Arbeitstage bescheinigt worden, obwohl nur jeweils 25 Arbeitstage schlüssig gewesen wären. Gleiches gelte für den Monat April 1978.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 11.10.2021 hat der Senat den Kläger zum Sachverhalt befragt und zusätzlich dessen Ehefrau, den an einer Parallelschule tätig gewesenen Sportlehrer E sowie den Sporterzieher H als Zeugen befragt. Insoweit wird auf den Inhalt des Protokolls verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die statthafte Berufung (§ 143, § 144 Abs 1 SGG) des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs 1 SGG), und zum Teil auch begründet.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Rentenbescheid vom 16.05.2018 in der Form des Änderungsbescheides vom 21.12.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.02.2019, mit dem die Beklagte dem Kläger eine Regelaltersrente ab 01.04.2018 gewährt und dabei die von ihm in der ehemaligen S und K1 zurückgelegten Beitragszeiten vom 06.04.1978 bis 15.04.1994 lediglich mit 5/6 - anstatt mit 6/6 wie vom Kläger gefordert - berücksichtigt hat. Statthafte Klageart zur Erreichung des vom Kläger angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1, Abs 4 SGG.

Vorliegend hat der Kläger einen Anspruch auf eine höhere Altersrente ohne Kürzung um 1/6 für die rentenrechtlichen Zeiten ab dem 01.08.1987 bis 15.04.1994.

Die Höhe der Rente richtet sich nach § 63 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) vor allem nach der Höhe des während des Versicherungslebens versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. Zu den zu berücksichtigenden Zeiten gehören die Beitragszeiten. Da der Kläger die streitige Zeit nicht im Bundesgebiet zurückgelegt hat, kommt eine Berücksichtigung der Beitragszeiten nur nach dem FRG in Betracht. Für den Kläger als Vertriebenen im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes findet gemäß § 1 Abs 1 FRG das FRG Anwendung.

Nach § 15 Abs 1 in Verbindung mit § 1a FRG stehen bei anerkannten Vertriebenen wie dem Kläger die einem nicht deutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegten Beitragszeiten inländischen Beitragszeiten gleich. Für Zeiten der in § 15 FRG genannten Art werden gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 FRG (in der hier anzuwendenden, ab 01.01.2002 geltenden Fassung des 4.-Euro-Einführungsgesetzes vom 21.12.2000, BGBl. I S. 1982) Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1, Satz 2 und 9 SGB VI ermittelt. Hierzu werden nach § 22 Abs 1 Satz 2 FRG für Zeiten nach dem 31.12.1949 die in Anlage 14 des SGB VI genannten oder nach § 256b Abs 1 Satz 2 SGB VI festgestellten Durchschnittsjahresverdienste um ein Fünftel erhöht. Für Beitragszeiten, die nicht nachgewiesen sind, werden nach § 22 Abs 3 FRG die ermittelten Entgeltpunkte um 1/6 gekürzt. Nach § 22 Abs 4 FRG werden die nach den Absätzen 1 und 3 der Vorschrift maßgeblichen Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt. Für die Feststellung zurückgelegter Beitragszeiten genügt gemäß § 4 Abs 1 Satz 1 FRG, dass sie glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist nach § 4 Abs 1 Satz 2 FRG dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtlich erreichbare Beweismittel erstrecken soll, überwiegend wahrscheinlich ist.

Zwischen den Beteiligten streitig ist vorliegend lediglich die Kürzung der Entgeltpunkte für nicht nachgewiesene Beitragszeiten um 1/6 in Anwendung des § 22 Abs 3 FRG. Diese Kürzung erfolgte für den Zeitraum vom 01.08.1987 bis 15.04.1994 zu Unrecht. Im Übrigen erfolgte die Kürzung zu Recht.

Aus § 22 Abs 3 FRG folgt, dass Beitragszeiten im Sinne des FRG nur dann zu 6/6 angerechnet werden können, wenn sie nachgewiesen sind. Der Nachweis im Sinne eines Vollbeweises ist regelmäßig erst dann geführt, wenn für das Vorliegen der behaupteten rechtserheblichen Tatsachen ein derart hoher, an Gewissheit grenzender Grad von Wahrscheinlichkeit spricht, dass sämtliche begründeten Zweifel demgegenüber aus der Sicht eines vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen vollständig zu schweigen haben. Es darf also kein vernünftiger, in den Umständen des Einzelfalles begründeter Zweifel mehr bestehen (ständige Rechtsprechung; vgl BSG 28.11.1957, 4 RJ 186/56, BSGE 6, 142; BSG 17.03.1964, 11/1 RA 216/62, BSGE 20, 255; BSG 09.11.1982, 11 RA 64/81, juris; s ausführlich hierzu und zum Folgenden LSG Baden-Württemberg 24.01.2020, L 8 R 3896/19, Rn. 33 - 35, juris; LSG Baden-Württemberg 21.02.2019, L 7 R 4280/17, Rn 27 ff, juris)). Die in § 22 Abs 3 FRG vorgesehene Berücksichtigung der ermittelten Entgeltpunkte nur zu 5/6 für lediglich glaubhaft gemachte Beitrags- oder Beschäftigungszeiten beruht auf der Erfahrungstatsache, dass auch die durchschnittliche Beitragsdichte im Bundesgebiet (nur) diesem Umfang entspricht (vgl BSG 20.08.1974, 4 RJ 241/73, BSGE 38, 80; BSG 05.02.1976, 11 RA 48/75, BSGE 41, 163; Bayerisches LSG 25.02.2014, L 9 R 1048/12; LSG Baden-Württemberg 24.01.2020 und 21.02.2019 jeweils aaO). Um eine Besserstellung des fremdrentenberechtigten Personenkreises gegenüber den in Deutschland rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern zu vermeiden, muss daher eine höhere Beitragsdichte bezüglich etwaiger Fremdrentenzeiten jeweils im Einzelfall nachgewiesen werden. Nachgewiesen sind Beitragszeiten in diesem Sinne nicht schon dann, wenn lediglich Anfang und Ende des jeweiligen Zeitraums einer beitragspflichtigen Beschäftigung genau bekannt sind; denn aus dem Nachweis einer ununterbrochenen Beschäftigungszeit ergibt sich nicht zwingend, dass während dieser Zeit auch ununterbrochen Beiträge entrichtet worden sind (BSG 12.11.1970, 5 RKn 10/68, Rn 21 f, juris). Vielmehr muss darüber hinausgehend zur Überzeugung des Gerichts feststehen, dass Unterbrechungen in der Beitragsentrichtung (zB durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, unbezahlten Urlaub, unentschuldigte Fehlzeiten, Arbeitslosigkeit usw) nicht eingetreten sind, mithin im Einzelfall eine den Anteil von 5/6 übersteigende höhere Beitragsdichte erreicht worden ist. Dies kann nach der Rechtsprechung angenommen werden, wenn eine Arbeitsbescheinigung vorliegt, die nicht nur konkrete und glaubwürdige Angaben über Beginn und Ende der Beschäftigungs- bzw Beitragszeiten enthält, sondern auch über dazwischenliegende Arbeitsunterbrechungen etwa durch Krankheit, unentschuldigtes Fehlen, Urlaub oder Arbeitslosigkeit (Bayerisches LSG 22.04.2015, L 13 R 148/13). Den dem Rentenversicherungsträger vorgelegten Arbeitsbescheinigungen und sonstigen Unterlagen müssen sonach die jeweiligen Unterbrechungszeiträume genau zu entnehmen sein (vgl BSG 20.08.1974, 4 RJ 241/73, BSGE 38, 80; BSG 24.07.1980, 5 RJ 38/79; LSG Baden-Württemberg 24.01.2020 und 12.02.2019 jeweils aaO; Bayerisches LSG 22.04.2015, L 13 R 148/14; LSG Baden-Württemberg 25.02.2014, L 9 R 1048/12; LSG Baden-Württemberg 21.12.2010, L 6 R 342/09; Hessisches LSG 28.03.2008, L 5 R 32/07). Dies gilt jedenfalls dann, wenn in einem ausländischen Rentensystem wie hier dem der UdSSR in solchen Zeiten der Unterbrechung keine Beiträge zu leisten waren (so bereits BSG 21.04.1982, 4 RJ 33/81, Rn 10, juris; Bayerisches LSG 08.02.2017, L 13 R 899/13, Rn 50 f, juris; Saarländisches LSG 26.04.2018, L 1 R 94/16, juris Rn 25; Hessisches LSG 17.06.2016, L 5 R 314/12, Rn 36 f, juris; LSG Niedersachsen-Bremen 17.11.2010, L 2 R 435/10, Rn 89, juris; LSG Baden-Württemberg, 21.02.2019 aaO; vgl auch LSG Baden-Württemberg 16.07.2020, L 10 R 2853/16, Rn 35, juris). Dies galt auch für Lehrer, die in der ehemaligen S grundsätzlich keinen besonderen Regelungen unterfielen (so auch Bayerisches LSG 18.07.2018, L 19 R 36/17, Rn 37, juris; vgl hierzu auch Rechtsportal der Deutschen Rentenversicherung, rvRecht, GRA FRG/FANG, Recht der Herkunftsgebiete, S Ziffer 2.3).

Der Senat teilt an dieser Stelle nicht die Auffassung des LSG Niedersachsen-Bremen, aus § 26 Satz 2 FRG folge, dass lediglich Krankheitszeiten von mehr als einem Monat Dauer relevant seien (vgl insoweit LSG Niedersachsen-Bremen 03.06.2015, L 2 R 227/13, Rn 32, juris). § 26 Satz 1 FRG bestimmt Folgendes: Werden Beitrags- und Beschäftigungszeiten nur für einen Teil eines Kalenderjahres angerechnet, werden bei Anwendung des § 22 Abs 1 FRG die Entgeltpunkte nur anteilmäßig berücksichtigt. Dabei zählen Kalendermonate, die zum Teil mit Anrechnungszeiten nach § 58 Abs 1 Nr 1 SGB VI belegt sind, als Zeiten mit vollwertigen Beiträgen (§ 26 Satz 2 FRG). Dieser Satz 2 bezieht sich, wie bereits das Wort „dabei“ zeigt, nur auf Satz 1 und damit auf die Anwendung des § 22 Abs 1 FRG im Falle einer nur zeitanteiligen Belegung des Kalenderjahres mit Beitrags- oder Beschäftigungszeiten (LSG Baden-Württemberg, 21.02.2019, L 7 R 4280/17, Rn 30, juris unter Verweis auf BSG 27.06.2018, B 13 R 273/16 B, Rn 14, juris; BSG, 29.06.2018, B 13 R 9/16 R, Rn 16, juris; BSG, 12.02.2009, B 5 R 39/06, BSGE 102, 248, Rn 24, juris; so auch Bayerisches LSG, 08.02.2017, L 13 R 899/13, Rn 55, juris). Eine Modifikation des § 22 Abs 3 FRG, dass nur noch Arbeitsunfähigkeitszeiten von über einem Monat von Bedeutung sind, ist damit nicht verbunden.

Vorliegend hat der Kläger ein Arbeitsbuch vorgelegt, aus dem sich lediglich Beginn und Ende seiner Beschäftigungen als Lehrer ergeben, in dem jedoch keine Unterbrechungen verzeichnet sind. Aus dem Umstand fehlender diesbezüglicher Eintragungen kann nicht auf ein ununterbrochenes Beschäftigungsverhältnis geschlossen werden, da die Eintragung solcher Einzelheiten offensichtlich von vornherein nicht vorgesehen ist. Das Arbeitsbuch gliedert sich in drei Spalten, nämlich die Spalte „Eintragungs-Nr/Datum“, die Spalte „Angaben über die Aufnahme der Arbeit, über die Versetzung und über die Kündigung (mit der Angabe von Gründen)“ und die Spalte „Auf welcher Grundlage folgt die Eintragung“ (vgl beglaubigte Übersetzung aus der russischen Sprache, R 7 V-Akte). Insofern taugt das vorgelegte Arbeitsbuch weder im positiven noch im negativen Sinne zum Beweis von Unterbrechungen. Die Bescheinigung des Gewerkschaftskomitees hilft hier auch nicht weiter. Wie das SG zutreffend und ausführlich herausgearbeitet hat, wird daraus schon der Erklärungswert nicht deutlich, da nicht erkennbar ist, ob krankheitsbedingte Fehlzeiten tatsächlich fehlten oder solche nur nicht „beantragt“ wurden. Ebenso wenig - und auch hierauf hat das SG zutreffend hingewiesen - ist daraus zu ersehen, auf welchen Quellen diese Angaben beruhen und ob es Fehlzeiten aus anderen Gründen (Urlaub, Fortbildung etc) gab.

Etwas anderes folgt auch nicht aus den vom Kläger vorgelegten Schulbescheinigungen über die Anzahl der bezahlten Arbeits-, Urlaubs- und krankheitsbedingten Fehltage. Wie oben bereits dargelegt, müssen den dem Rentenversicherungsträger vorgelegten Arbeitsbescheinigungen und sonstigen Unterlagen die jeweiligen Unterbrechungszeiträume genau zu entnehmen sein. Fehlen in den Unterlagen dagegen konkrete Angaben über einzelne Fehlzeiten und ist nicht angegeben, aus welchen Quellen diese Angaben entnommen wurden, kann nur eine Anrechnung zu 5/6 erfolgen (Bayerisches LSG 22.04.2015, L 13 R 148/13, juris). Eine Bescheinigung, die diesen Anforderungen genügt, ist dann glaubwürdig, wenn sie mit den Angaben des Betroffenen sowie mit den sonstigen vorliegenden Bescheinigungen über das Arbeitsverhältnis übereinstimmt und in sich widerspruchsfrei ist (Bayerisches LSG 22.04.2015, L 13 R 148/13, juris). Vorliegend lässt sich den Schulbescheinigungen in keiner Weise entnehmen, worauf die Angaben zu den Arbeits- und Urlaubstagen sowie krankheitsbedingten Fehltagen beruhen, ein Bezug zu Lohnlisten oder sonstigen Quellen wird nicht hergestellt. Im April und Mai 1986 finden sich lediglich Arbeitstage von 16 bzw 13 Tagen, ohne dass erkennbar wäre, wie diese reduzierte Zahl zustandegekommen ist. Da es sich laut Bescheinigung weder um bezahlte Urlaubs- noch bezahlte Krankentage handelt, kämen unbezahlte Krankheitstage, unbezahlter Urlaub oder sonstige Gründe in Betracht, die es aber nach dem Vortrag des Klägers im gesamten Zeitraum nicht gegeben haben soll. Hinzu kommt, dass die Angaben in den Bescheinigungen sich nicht mit den Angaben des Klägers bzw des Zeugen E in Einklang bringen lassen. Sowohl der Kläger als auch der Zeuge E haben im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 11.10.2021 angegeben, Lehrer hätten zum damaligen Zeitpunkt in K1 eine Sechs-Tage-Woche gehabt. Zusätzlich seien Sportlehrer an zahlreichen Sonntagen im Rahmen von Wettkämpfen tätig geworden, wobei sich nicht klären ließ, ob diese Sonntage ebenfalls entlohnt wurden oder aber ehrenamtlich erfolgten. Jedenfalls wären bei einer Sechs-Tage-Woche in Monaten mit 30 Tagen mit 26 bzw 25 bezahlten Arbeitstagen und bei Monaten mit 31 Arbeitstagen mit 26 bzw 27 bezahlten Arbeitstage zu rechnen, abhängig von der Zahl der Sonntage (4 oder 5). Tatsächlich aber weisen die Bescheinigungen in den meisten Monaten zu wenige Arbeitstage aus. Beispielhaft sei das Jahr 1979 betrachtet, in dem ausgehend von einer Sechs-Tage-Woche im Januar 27 Arbeitstage zu erwarten wären (bescheinigt sind 25), im Februar 24 (bescheinigt sind 23), im März 27 (bescheinigt sind 26), im April 25 (bescheinigt sind 24), im Mai 27 (bescheinigt 26), im Juni 26 (bescheinigt 26), im Juli 26 (bescheinigt 25 inklusive Urlaubstage), im August 27 (bescheinigt 26 inklusive Urlaubstage), im September 25 (bescheinigt 26), im Oktober 27 (bescheinigt 24), im November 26 (bescheinigt 25) und im Dezember 26 (bescheinigt 24). Dann wieder gibt es (einzelne) Monate, in denen offensichtlich mehr als an sechs Tagen gearbeitet wurde und bei denen sich die Frage stellt, ob nun offensichtlich auch Sonntage als Arbeitstage gewertet wurden, die zu anderen Zeiten keine Berücksichtigung gefunden haben. Genannt sei als Beispiel der September 1985 mit bestätigten Arbeitstagen von 26. Ausgehend von 30 Tagen, 4 Samstagen und 5 Sonntagen hätte der Kläger hier jeden Samstag arbeiten müssen und zusätzlich sogar noch an einem Sonntag. Ähnliches gilt zB für April 1978, September 1978, September 1979, November 1982, November 1984, September 1985, September 1986, Februar 1987, Juni 1988. Im Ergebnis taugen die vorgelegten Bescheinigungen angesichts der fehlenden Quellen sowie der aufgezeichneten Inkonsistenzen nicht für einen Nachweis fehlender Unterbrechungen.

Für die Zeit von 1978 bis Juli 1987 konnte sich der Senat auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 11.10.2021 nicht vom Nachweis lückenloser Beitragszeiten überzeugen. Die Zeugenaussage der Ehefrau des Klägers reicht dem Senat zum Beweis nicht aus. Zwar können Beitragszeiten auch durch Zeugenerklärungen bestätigt werden, sofern sich aus ihnen mit ähnlicher Sicherheit wie aus Versicherungsunterlagen oder Lohnlisten ergibt, dass eine ununterbrochene Beitragsleistung vorgelegen hat (so auch LSG Nordrhein-Westfalen 19.01.1998, L 4 J 164/97, Rn 33, juris; Bayerisches LSG 15.02.2012, L 19 R 8/10, Rn 29, juris; Bayerisches LSG 08.02.2017, L 13 R 900/13, Rn 66, juris; BSG 17.03.1964, 11/1 RA 216/62, BSGE 20, 255, SozR Nr 1 zu § 19 FRG). Vorliegend indes reichen die Angaben der Ehefrau nicht aus, um letzte Zweifel zu zerstreuen. Zum einen liegt der Zeitraum 1978 bis 1987 etliche Jahre zurück, nämlich dessen Beginn über 40 Jahre und sein Ende 34 Jahre, so dass der bloße Zeitablauf das Erinnerungsvermögen erschwert. Dies gilt umso mehr, als es an schriftlichen Unterlagen als Gedächtnisstütze gerade fehlt. Zum anderen war die Ehefrau des Klägers erst ab August 1987 Lehrerin in derselben Schule wie der Kläger und konnte somit erst ab diesem Zeitraum aus eigener Erfahrung beurteilen, ob der Kläger ebendort als Lehrer lückenlos arbeitete. Für den Zeitraum davor konnte sie aus eigener Anschauung lediglich beurteilen, ob und wann er das Haus verließ, nicht aber, ob er auch die Schule aufsuchte und somit Beitragszeiten anfielen. Gleiches trifft für die Zeugen E und H zu, die ebenfalls erst ab 1987 bzw sogar erst ab 1989 (Zeuge H) mit dem Kläger in der Schule Kontakt hatten.

Auch aus den Einlassungen des Klägers folgt für die Zeit bis Juli 1987 nichts anderes. Zwar ist grundsätzlich auch der Beteiligtenvortrag geeignet, Beitragszeiten nachzuweisen. Gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Hierbei würdigt das Gericht das Gesamtergebnis des Verfahrens einschließlich der Beweisaufnahme frei nach der Überzeugungskraft der jeweiligen Beweismittel und des Beteiligtenvortrags unter Abwägung aller Umstände und insbesondere einander widersprechender Beweisergebnisse darauf, ob die maßgebenden Tatsachen mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen. Es kann die Entscheidung auch nur auf den Beteiligtenvortrag stützen, wenn er glaubhaft ist, der Lebenserfahrung entspricht und nicht entscheidend zu anderen festgestellten Tatsachen im Widerspruch steht (vgl hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage, § 128 Rn 4). Anders als Teile der Rechtsprechung hält der Senat den Beteiligtenvortrag auch im Rahmen des § 22 Abs 3 FRG grundsätzlich für geeignet, den Vollbeweis für fehlende Unterbrechungen der Beitragszeiten zu erbringen. Diesbezüglich wird in der Rechtsprechung zT argumentiert, Angaben im Verfahren bzw die Einvernahme des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung könnten, um einen Wertungswiderspruch zu vermeiden, von ihrem Nachweiswert her nicht anders beurteilt werden als eine eidesstattliche Versicherung, die aber nach § 4 Abs 3 Satz 1 FRG nur als Mittel der Glaubhaftmachung gelte (vgl LSG Saarland 13.02.2004, L 7 RJ 145/03, Rn 18, juris; Hessisches LSG 17.06.2016, L 5 R 314/12 , Rn 43, juris; im Ergebnis auch LSG Nordrhein-Westfalen 19.01.1998, L 4 J 164/97, Rn 33, juris). Dieser Argumentation folgt der Senat nicht. Vielmehr wurde § 4 FRG von Gesetzgeber geschaffen, um - gerade auch im Verwaltungsverfahren - Schwierigkeiten beim Nachweis von Beitragszeiten abzumildern, denen der Vertriebene/Spätaussiedler naturgemäß ausgesetzt ist, weil die zu beurteilenden Zeiträume oft Jahrzehnte zurückliegen und Unterlagen im Herkunftsland nicht zu beschaffen sind. Aus diesem Grund soll grundsätzlich eine Glaubhaftmachung der erheblichen Tatsachen ausreichen, die auch mittels eidesstattlicher Versicherung erfolgen kann. § 4 FRG diente damit der Beweiserleichterung (vgl hierzu auch BT-Drucks III/1109, 37). Diese Intention des GesetzgE würde konterkariert, wenn nun auf der anderen Seite zu Lasten des Klägers in die Beweiswürdigung des Gerichts eingegriffen und dem Kläger die Möglichkeit der Beweisführung in Form des Beteiligtenvortrags genommen würde. Dessen ungeachtet wird indes der bloße Beteiligtenvortrag zumeist nicht ausreichen, um das Gericht von Tatsachen im Vollbeweis zu überzeugen, jedenfalls sofern diese bestritten werden (vgl hierzu Schmidt in Meyer-Ladewig ua aaO § 103 Rn 7a) - dies zu beurteilen, ist aber eine Frage der Beweiswürdigung und ein Beweis durch Beteiligtenvortrag nicht von vornherein unmöglich (so wie hier: LSG Niedersachsen-Bremen 17.11.2010, L 2 R 435/10, Rn 84, juris; so auch LSG Baden-Württemberg 16.07. 2020, L 10 R 2853/16, Rn 46, juris; aA: Schleswig-Holsteinisches LSG 18.06.2020, L 1 R 110/18, Rn 33, juris).

Hier hat der Kläger für die Zeit bis Juli 1987 allerdings durch seine Einlassung den Senat nicht im Vollbeweis von fehlenden Unterbrechungen seiner Beitragszeiten überzeugen können. Wie bei seiner Ehefrau besteht auch hier die Schwierigkeit, dass der zu beurteilende Zeitraum Jahrzehnte zurückliegt, außerdem rund 11 Jahre (1978 bis 1987) umfasst und der Kläger ebenso wenig wie seine Ehefrau auf seinen Vortrag untermauernde Dokumente als Gedächtnisstützen zurückgreifen kann. Dementsprechend konnte der Kläger auch nicht mehr mit Sicherheit sagen, ob seine Teilnahme an sonntäglichen Wettkämpfen bezahlte Arbeitszeit war oder nicht und wie die reduzierte Zahl seiner Arbeitstage im April und Mai 1986 zu erklären sei (Tschernobyl sei jedenfalls nicht der Grund gewesen). Insofern kann der Senat nicht sicher ausschließen, dass sich der Kläger an andere Unterbrechungen seiner Beschäftigung allein aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr erinnern kann. Die Argumentation, Sportlehrer und auch jüngere Arbeitnehmer seien weniger krank, überzeugt nicht, da zum einen nicht auf Durchschnittsarbeitnehmer, sondern den individuell zu beurteilenden Arbeitnehmer abzustellen ist und zum anderen solche statistischen Wahrheiten in die Studien, die der 1/6-Kürzung vorangingen, naturgemäß eingeflossen sind. Hinzu kommt, dass bei Sportlehrern wegen ihres körperlichen Einsatzes sogar häufiger mit Arbeitsunfähigkeitszeiten zu rechnen ist als bei anderen Lehrern. Doch selbst wenn Sportlehrer wie jüngere Arbeitnehmer seltener krank sein mögen, gibt es noch andere Unterbrechungstatbestände (Arbeitslosigkeit, unbezahlten Urlaub, Teilnahme an Fortbildungen oä), die alters- und berufsunabhängig sind.

Anderes gilt für die Zeit ab August 1987. Bereits beim Vortrag des Klägers ließ sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung ablesen, dass die Erinnerung an seine Tätigkeit an der damals neu erbauten Schule Nr 39 wesentlich lebendiger ist als die Erinnerung an die vorhergehenden Schulen. So konnte der Kläger nicht nur die Zahl der Schüler (über 3.000), Lehrer (120) und sogar Sportlehrer (18) noch benennen, sondern schwärmte von dem Schwimmbad (dem einzigen in einer Schule in P) und der übrigen Ausstattung der Schule. Sein Vortrag, in dieser Schule nie wegen Krankheit oder sonstiger Unterbrechungen gefehlt zu haben, wird durch die Zeugenaussagen seiner Ehefrau, die gleichzeitig mit ihm Lehrerin an der besagten Schule war, sowie der Zeugen H und E untermauert. Der Zeuge H, der vor allem nachmittags als Sporterzieher ab 1989 an derselben Schule tätig war, hat glaubhaft und ohne Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens versichert, den Kläger jeden Tag gesehen und mit ihm oft gemeinsam Sport- und Trainingsmaßnahmen durchgeführt zu haben. Man habe „Hand in Hand“ gearbeitet. Der Kläger sei nie krank gewesen, sondern immer ansprechbar. Der Zeuge E hat diese ununterbrochene Anwesenheit des Klägers bestätigt. Er war zwar nicht wie der Kläger an der Schule Nr 39 als Sportlehrer tätig, sondern an einer anderen Schule in P (Schule Nr 17), hat gegenüber dem Senat jedoch glaubhaft versichert, den Kläger jeden Montag um 15 Uhr bei den Sitzungen des Sportamtes getroffen zu haben, im Rahmen derer mit den Sportlehrern aller Schulen die bevorstehenden Sporttermine besprochen wurden. Dorthin kamen jede Woche dieselben Sportlehrer, nach Angaben des Zeugen E insgesamt 43, so dass der Kläger dem Zeugen gut bekannt war. Zudem trafen sie sich am Wochenende zumeist samstags und auch sonntags bei den Wettkämpfen, bei denen der Kläger und der Zeuge E jeweils ihre Schüler betreuten. Der Zeuge E hat überzeugend ausgeführt, der Kläger habe bei keinem Montagstermin und auch an den Wochenenden nicht gefehlt. Er selbst sei zwar wegen einer Sportverletzung einmalig sechs Wochen als Sportlehrer ausgefallen, habe aber die Montagstermine dennoch wahrgenommen und könne somit die ununterbrochene Anwesenheit des Klägers bezeugen. Zwar kann der Zeuge E naturgemäß die ununterbrochene Anwesenheit des Klägers an der Schule Nr 39 nicht aus eigener Anschauung bestätigen, doch spricht auch sein Vortrag überzeugend dafür, dass jedenfalls längere Unterbrechungen der Beschäftigung im Umfang von mindestens einem Sechstel nicht eingetreten sind.

In der Gesamtschau hält es der Senat daher aufgrund der Einlassungen des Klägers, der Aussagen seiner Ehefrau sowie der Zeugen E und H für nachgewiesen, dass eine Unterbrechung der Beitragszeiten in der Zeit ab August 1987 bis zum Ausscheiden aus der Schule 1994 im Umfang von mindestens einem Sechstel auszuschließen ist. Für die Zeit davor sind die Beitragszeiten indes nur glaubhaft gemacht worden, so dass diesbezüglich die Kürzung um ein Sechstel gemäß § 22 Abs 3 FRG zu Recht erfolgte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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