S 18 KA 266/20

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 18 KA 266/20
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 19/22
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 18/22 R
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze

Die Heranziehung und Kostenbeteiligung von Privatärzten zum bzw. am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ist vom Gestaltungsspielraum des hessischen Landesgesetzgebers und der Ermächtigungsgrundlage des § 23 Nr. 2 HessHeilberG gedeckt.

Die von der Beklagten in ihrer Bereitschaftsdienstordnung aufgenommene Regelung zur Berechnung der Beitragshöhe für die Kostenbeteiligung am ÄBD verstößt jedoch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, da bei der Berechnung der Beitragshöhe ohne sachliche Gründe im Fall der Vertragsärzte auf eine Berücksichtigung der Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit verzichtet wird, während im Fall der Privatärzte gerade das Jahresbruttoeinkommen als Bezugsgröße dient.
 

1. Die Bescheide der Beklagten vom 18.09.2019 und 09.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2020 werden aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu 77 % und die Beklagte zu 23 % zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 19.500,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Heranziehung zur Kostenbeteiligung am Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) in den Quartalen III/19 bis IV/19 und I/20 bis IV/20 aufgrund ausschließlich privatärztlicher Tätigkeit. Weiterhin wendet sich die Klägerin gegen im Zusammenhang mit der Einbeziehung ergangene Schreiben der Beklagten.

Die Klägerin ist als Privatärztin niedergelassen und in Teilzeit an vier halben Tagen in der Woche in eigener Einzelpraxis tätig.

Mit Schreiben vom 20.03.2019 (gemeinsam mit der Landesärztekammer Hessen) und vom 15.05.2019 versandte die Beklagte ein an alle Privatärzte gerichtetes Rundschreiben über die Einbeziehung der Privatärzte in den Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (kurz: ÄBD). In den Schreiben teilte die Beklagte mit, dass eine Einbeziehung der Privatärzte in den ÄBD ab dem 01.07.2019 geplant sei. Sie informierte über das Procedere zur Teilnahme und machte Ausführungen zu den bestehenden Teilnahmevoraussetzungen und die beizubringenden Nachweise und informierte über Befreiungsgründe. Weiter stellte sie die finanziellen Rahmenbedingungen dar und verwies auf zukünftig jährlich ergehende Beitragsbescheide. Das Schreiben schloss mit der Bitte, sich bei Bedarf rechtzeitig zu einem Seminar anzumelden und die erforderlichen Unterlagen einzureichen, damit ein reibungsloser Beginn der Mitwirkung im ÄBD gewährleistet werden könne.

Am 18.09.2019 erließ die Beklagte einen Bescheid über die Höhe des zur Finanzierung des ÄBD zu leistenden Beitrages für die Quartale III/19 und IV/19. Nach § 23 Heilberufsgesetz seien in eigener Praxis niedergelassene Privatärzte verpflichtet, am ÄBD der Beklagten teilzunehmen und sich an den Kosten des ÄBD zu beteiligen. Dabei würden Privatärzte gemäß § 8 Abs. 3 Bereitschaftsdienstordnung (BDO) einen pauschalen ÄBD-Betrag zahlen, dessen Höhe sich pro Quartal auf die Hälfte des von den Vertragsärzten zu leistenden Höchstbetrages belaufe. Der Höchstbetrag für die Vertragsärzte sei vom Vorstand der Beklagten gemäß § 8 Abs. 2 BDO auf 1.500,00 € je Quartal festgelegt worden. Der Beitrag für die Quartale III/19 und IV/19 belaufe sich für die Klägerin auf jeweils 750,00 €. Für die Quartale vor der Umsetzung der Regelung zum 01.07.2019 würden hingegen keine Beiträge erhoben, sodass sich der Beitrag für das Beitragsjahr 2019 auf insgesamt 1.500,00 € belaufe.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin anwaltlich vertreten mit Schriftsatz vom 14.10.2019 Widerspruch ein. Sie trug vor, die Bereitschaftsdienstordnung könne sie nicht binden, da sie nicht Mitglied der Beklagten sei. Es sei der Beklagten verwehrt, gegen sie Rechtsakte festzusetzen. Im Übrigen wäre die Ungleichbehandlung der Privatärzte hinsichtlich der in § 8 Abs. 3 BDO normierten Kostentragungspflicht evident rechtswidrig. Hinzukomme, dass sie als Mutter von zwei Kindern ihre freiberufliche Tätigkeit in Teilzeit an 4 halben Tagen ausübe und deswegen überproportional stark durch einen pauschalen Kostenbeitrag belastet wäre. Es stehe aber auch die Rechtmäßigkeit einer bisher noch nicht erfolgten Einbeziehung in den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst grundsätzlich in Frage und damit auch die Rechtmäßigkeit von § 23 Ziff. 2 HessHeilberufG. 
Klarstellend ließ sie mit Schriftsatz vom 15.12.2019 mitteilen, dass sich der Widerspruch gegen den Bescheid insgesamt richte und kein Antrag auf einen prozentualen Abzug oder ähnliches darstelle.

Mit Schreiben vom 05.02.2020 (Bl. 20 bis 22 der Verwaltungsakte) teilte die Beklagte der Klägerin die ihr zugeteilte ÄBD-Betriebsstättennummer und die Lebenslange Arztnummer (LANR) mit. Weiter bat sie um Mitteilung der Bankverbindung unter Verwendung eines beigefügten Erklärungsbogens und um Mitteilung der Kommunikationsdaten unter Verwendung des ebenfalls beigefügten Kontaktformulars. Daneben informierte sie die Klägerin über die Mittel zur Erstellung der Abrechnung.

Der Bevollmächtigte der Klägerin teilte der Beklagten mit, dass die Klägerin nicht am ÄBD teilnehme. Die Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben vom 11.02.2020 und stellte klar, dass es sich bei dem Schreiben vom 05.02.2020 lediglich um ein Informationsschreiben gehandelt habe und eine konkrete Diensteinteilung der Klägerin bislang nicht stattgefunden hätte. Die Rückmeldung der Klägerin werde nicht als Widerspruch gewertet da ein Widerspruch nur gegen einen Verwaltungsakt zulässig sei. Bei dem Schreiben vom 05.02.2020 habe es sich aber nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt.

Mit Schriftsatz vom 07.03.2020 beharrte der Bevollmächtigte der Klägerin darauf, dass es sich bei dem Schreiben vom 05.02.2020 um einen Verwaltungsakt gehandelt hätte, da mit dem Schreiben die sog. „ÄBD-Betriebsstättennummer“ und die „Lebenslange Arztnummer“ zugeteilt worden sei und die Klägerin aufgefordert worden sei, ein Kontaktformular zurückzusenden und einen Abrechnungsstempel zu „konfigurieren“. All dies seien Regelungen eines Einzelfalles und mithin ein Verwaltungsakt. Er fasse das Schreiben der Beklagte vom 11.02.2020 als Rücknahme dieses Verwaltungsaktes auf. Sollte die Beklagte dies anders sehen bitte er darum, sein Schreiben als Widerspruch aufzufassen und einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erlassen. Im Übrigen weise er darauf hin, dass die in dem vermeintlichen Informationsschreiben angekündigte Datenspeicherung mangels einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig sei. Er fordere die Beklagte deshalb auf mitzuteilen, welche die Klägerin betreffende Daten bei der Beklagten gespeichert seien und diese Daten sofort zu löschen.

Am 09.03.2020 übersandte die Beklagte der Klägerin ein neues SEPA-Lastschriftmandat und bat um Überprüfung, Korrektur und Rücksendung mit einer rechtsverbindlichen Unterschrift (Bl. 31 der Verwaltungsakte). Die Klägerin erhob gegen dieses Schreiben Widerspruch. Ihrer Auffassung nach handele es sich auch bei dem Schreiben vom 09.03.2020 um die Regelung eines Einzelfalles und mithin um einen Verwaltungsakt.

Ebenfalls mit Datum vom 09.03.2020 erließ die Beklagte einen weiteren Bescheid über die Höhe des zur Finanzierung des ÄBD zu leistenden Beitrages für die Quartale I/20 bis IV/20 (Bl. 48, 49 der Verwaltungsakte). Sie setzte einen Betrag von insgesamt 3.000,00 € für das Beitragsjahr 2020 fest.
Auch gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 13.03.2020 teilte die Beklagte mit, dass sie das Schreiben vom 07.03.2020 als Antrag auf Wahrnehmung der Rechte aus dem datenschutzrechtliche Auskunftsrecht sowie als Antrag auf Löschung nach den Vorgaben der DSGVO verstehe. Im nächsten Schritt teilte die Beklagte der Klägerin die bei ihr gespeicherten personenbezogenen Daten mit. Hinsichtlich der Speicherung führte sie aus, dass diese auf Grundlage von § 285 SGB V und den hieraus folgenden Zwecken verarbeitet würden. Eine Löschung der Daten könne nicht erfolgen, da sie die Daten zur Erfüllung gesetzlicher Aufgaben benötige. Der Löschungsanspruch aus Art. 17 DSGVO i. V. m. § 84 SGB X werde von Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO eingeschränkt.

Die Beklagte übersandte der Klägerin am 24.06.2020 eine Zahlungserinnerung bezüglich der offenen ÄBD-Beiträge für die Quartale III/19 und IV/19.

Ebenfalls mit Datum vom 24.06.2020 erließ die Beklagte einen Widerspruchsbescheid bezüglich der Widersprüche gegen die Bescheide über die Höhe der zur Finanzierung des ÄBD zu leistenden Beiträge für die Quartale III/19 und IV/19, sowie der Quartale I/20 bis IV/20 (Bl. 52 bis 57 der Verwaltungsakte). Dabei wies sie die Widersprüche als unbegründet zurück. Die Beitragsbescheide vom 18.09.2019 und 09.03.2020 seien rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Verpflichtung zur Kostenbeteiligung am ÄBD sei § 23 Nr. 2 Heilberufsgesetz i. V. m. § 26 Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Hessen (BO) i. V. m. § 8 Abs. 3 BDO. Die Klägerin sei ihr seitens der Landesärztekammer Hessen (LÄKH) als in eigener Praxis niedergelassene Privatärztin und Kammerangehörige für die Einbeziehung in den ÄBD gemeldet worden. Somit sei sie Privatärztin im Sinne des § 23 Nr. 2 Heilberufsgesetz. Als Privatärztin bestünde die Pflicht am ÄBD der Beklagten teilzunehmen und sich an den Kosten des ÄBD zu beteiligen. Eine Befreiungsmöglichkeit sei nach dem Heilberufsgesetz und der Berufsordnung nur hinsichtlich der Pflicht zur Teilnahme vorgesehen. Soweit sie eine Ungleichbehandlung bei der Kostentragungspflicht moniere, sei dem nicht zuzustimmen. Die ihr angebotene Möglichkeit, einen prozentualen Abzug zu beantragen, habe sie abgelehnt. Gerade mit dieser Möglichkeit eines prozentualen Abzugs bei der Beitragsbemessung berücksichtige die Beklagte unterschiedliche Lebens- und Praxisplanungen. Die Berechnungsweise entspräche dem Solidaritätsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung. 
Im Übrigen wird auf den Widerspruchsbescheid vollinhaltlich Bezug genommen.

Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 24.06.2020 wies die Beklagte den Widerspruch gegen das Schreiben vom 05.02.2020 als unzulässig zurück. Bei dem Schreiben handele es sich nicht um einen um einen Verwaltungsakt, sondern um ein Informationsschreiben. Es fehle der Regelungsgehalt. Es sei keine konkrete Diensteinteilung vorgenommen worden. 
Gleichzeitig wies sie den Widerspruch gegen das Schreiben vom 09.03.2020 zur Erteilung eines SEPA-Lastschriftmandats ebenfalls mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2020 als unzulässig zurück. Auch bei dem Schreiben vom 09.03.2020 handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um das Angebot, einen Lastschrifteinzug zu erklären, um die Zahlungsvorgänge zu vereinfachen.

Die Klägerin hat gegen sämtliche Widerspruchsbescheide mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 29.06.2020 (Eingangsdatum: 01.07.2020) Klage am Sozialgericht Marburg erhoben. Sie betreibe ihre Kinderarztpraxis in ihrem Wohnhaus, weshalb sie in der Regel auch außerhalb der Praxiszeiten für Notfälle erreichbar sei. Während ihrer Ferien sorge sie für eine Praxisvertretung. Daneben würden die Privatärzte einen privatrechtlich organisierten Notdienst anbieten. Privatpatienten stehe der kassenärztliche Bereitschaftsdienst nicht kostenfrei zur Verfügung. Vielmehr rechne der behandelnde Arzt seine Leistung gegenüber dem Privatpatienten auf Grundlage der Gebührenordnung für Ärzte ab und vereinnahme diese Einnahmen vollständig selbst. Diese Einnahmen würden weder ganz noch teilweise zur Finanzierung des ÄBD herangezogen.
Sie bestreite die Zuständigkeit des Sozialgerichts Marburg. Inhaltlich bestünde keine Gesetzgebungskompetenz des Landes. Es läge ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, da Privatärzte über GOÄ abrechnen würden und somit mit Vertragsärzten mit Blick auf die Kostentragung des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes nicht vergleichbar seien. Es fehle weiter an einer Konkretisierung der Kostentragungspflicht, die daneben auch hinsichtlich der Höhe eine Ungleichbehandlung darstelle. Dies ergäbe sich zum einem daraus, dass die Umlage der Vertragsärzte anders als der von den Privatärzten verlangte Kostenbeitrag kein zusätzlicher Beitrag sei, da der kassenärztliche Bereitschaftsdienst eine vergütete Pflichtleistung der Beklagten sei, die durch das mit den Krankenkassen vereinbarte Honorarvolumen abgedeckt sei, während es sich bei Privatärzten um eine Gegenleistung für konkret erbrachte Tätigkeit handele. Zum anderen würde bei den Kassenärzten nur das vertragsärztliche Honorar berücksichtigt, während bei Privatärzten sämtliche Berufseinnahmen maßgebend seien; ein Vertragsarzt mit einem (hohen) Anteil an Privatpatienten bezahle folglich einen (deutlich) geringere Umlage als der Beitrag des Privatarztes, dessen Berufseinkünfte gleich hoch seien. Zuletzt verstoße die Beklagte gegen das Kostendeckungsprinzip, da die Klägerin für die Beklagte keine weiteren Kosten verursache.
Mangels Berechtigung zur Verlangung eines Kostenbeitrages dürfe sie auch keine personenbezogenen Daten speichern und der Klägerin eine „Betriebsstättennummer“ und eine „lebenslange Arztnummer“ zuteilen. Schließlich könne sie auch nicht die Erteilung eines Lastschriftmandats von der Klägerin verlangen. Letzteres sei auch nicht nur ein bloßes Angebot der Beklagten, da diese im Beitragsbescheid vom 18.09.2019 erklärt gehabt hätte, dass sie sich für das Lastschriftverfahren entschieden hätte. 

Die Klägerin beantragt,
1. den Rechtsstreit an das zuständige Verwaltungsgericht Frankfurt am Main zu verweisen, 
2. die als Anlage beigefügten Widerspruchsbescheide aufzuheben und
3. die Beklagte zu verurteilen, sämtliche bei ihr gespeicherten personenbezogenen Daten der Klägerin zu löschen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, mit § 23 Nr. 2 HessHeilberufsG i. V. m. § 8 Abs. 3 BDO läge eine wirksame Rechtsgrundlage vor. Nach ihrem Dafürhalten läge auch keine unverhältnismäßige Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund vor, da es bereits an einer wesentlichen Gleichheit der Gruppen der Vertragsärzte und Privatärzte fehlen würde. Die Beitragsbescheide für Vertragsärzte würden auf § 75 SGB V i. V. m. § 8 Abs. 2 BDO beruhen, während die Beitragsbescheide gegenüber den Privatärzten auf § 23 Nr. 2 HessHeilberG i. V. m. § 8 Abs. 3 BDO beruhen würden. Das bedeute im Umkehrschluss, dass die Beklagte privatärztliche Honorare von Vertragsärzten schon mangels entsprechender Rechtsgrundlage nicht berücksichtigen könne, da § 75 SGB V dies nicht hergebe. Auf Einnahmen von Vertragsärzten außerhalb ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit könne die Beklagte schlichtweg nicht zugreifen. Davon abgesehen würde die Unterscheidung zu keiner Benachteiligung der Privatärzte führen. Während bei diesen bei beantragter prozentualer Beitragsbemessung nach § 8 Abs. 3 Satz 4 BDO lediglich der jeweilige Jahresgewinn berücksichtigt werde, diene bei Vertragsärzten der jeweilige, höhere GKV-Umsatz als Bezugsgröße. Es sei zu berücksichtigen, dass den Vertragsärzten eine unbegrenzte privatärztliche Betätigung als Nebentätigkeit verwehrt sei, da sie bei übermäßiger privatärztlicher Betätigung de facto ihrem Versorgungsauftrag nicht hinreichend nachkommen könnten. Anders sei dies bei Privatärzten, die keinem Versorgungsauftrag unterliegen würden und damit frei wählen könnten, in welchem Umfang sie privatärztlich tätig seien. Entsprechend würden reine Privatärzte wesentlich höhere Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit erwirtschaften, die in der Höhe mit denen eines nur nebenbei privatärztlich tätigen Vertragsarztes nicht zu vergleichen seien. Vor diesem Hintergrund würden Privatärzte gegenüber Vertragsärzten bei der Beitragsbemessung nicht benachteiligt. Die Option der prozentualen Beitragsbemessung ermögliche überdies die Berücksichtigung der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sodass auch Härtefälle nicht vernachlässigt würden. Im Übrigen verweise sie auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid. 

Das Gericht hat mit Beschluss vom 03.09.2020 festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist. Die Beschwerde der Klägerin hat das Hessische Landessozialgericht mit Beschluss vom 13.10.2020 (L 4 KA 55/20 B) zurückgewiesen. Die weitergehende Beschwerde hat das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 05.05.2021 (Az. B 6 SF 11/20 R) ebenfalls zurückgewiesen.

Mit Verfügung vom 15.11.2021 hat das Gericht die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.


Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache weist keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 15.11.2021 angehört. 

Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist eröffnet. Insoweit wird auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts im vorliegenden Verfahren (B 6 SF 11/20 R) verwiesen, der sich die Kammer anschließt. Danach ist für Streitigkeiten über die Teilnahme am ÄBD der Beklagten einschließlich der Verpflichtung zur Kostenbeteiligung der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Eine Verweisung des Rechtsstreits ist nur dann geboten und zulässig, wenn der beschrittene Rechtsweg schlechthin, d. h. für den Klageanspruch mit allen in Betracht kommenden Klagegründen, nicht eröffnet ist. Ist das – wie hier – nicht der Fall, entscheidet das angegangene Gericht des zulässigen Rechtsweges nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten.

Die Klage ist hinsichtlich der angegriffenen Widerspruchsbescheide zulässig (unter I.), jedoch nur insoweit begründet, wie sie sich gegen die Bescheide über die Höhe der zur Finanzierung des ÄBD zu leistenden Beiträge für die Quartale III/19 bis IV/20 wendet (unter II.1). Im Übrigen ist die Klage unbegründet (unter II.2).

I. Die Klage ist hinsichtlich der Anträge auf Aufhebung der Widerspruchsbescheide vom 24.06.2020 als isolierte Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG statthaft. Sie ist weiterhin form- und fristgerecht am zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Soweit die Klägerin daneben einen Anspruch auf Datenlöschung verfolgt, ist die Klage jedoch bereits unzulässig. Die Beklagte hat diesen Antrag mit Bescheid vom 13.03.2020 beschieden. Widerspruch wurde gegen die Ablehnung des Antrages auf Datenlöschung nicht eingelegt. Zwar enthält der Bescheid vom 13.03.2020 keine Rechtsbehelfsbelehrung, dies ändert aber nichts daran, dass vor Klageerhebung ein Vorverfahren durchzuführen ist. Hieran mangelt es vorliegend.

II. Die Klage ist im Übrigen nur teilweise begründet.

1. Die Klage ist begründet, soweit sich die Klägerin gegen die Bescheide über die Festsetzung der Höhe der zur Finanzierung des ÄBD zu leistenden Beiträge für die Quartale III/19 bis IV/20 wendet.

Die angegriffenen Bescheide vom 18.09.2019 und 09.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2020 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Sie sind deshalb aufzuheben.

Gegenstand der Bescheide vom 18.09.2019 und 09.03.2020 ist die Verpflichtung der Klägerin zur Kostenbeteiligung am ÄBD der Beklagten einschließlich der Festsetzung der konkreten Höhe der Kostenbeteiligung für die Quartale III/19 bis IV/19 und I/20 bis IV/20.

Während die Kammer die Heranziehung und Verpflichtung der Klägerin als Privatärztin zur Kostenbeteiligung am ÄBD durch die Beklagte für grundsätzlich rechtmäßig erachtet (dazu unter a.), verstößt die Satzungsregelung zur Berechnung der Beitragshöhe zur Überzeugung der Kammer gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG (dazu unter b.).

a. Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zur Kostenbeteiligung am ÄBD der Beklagten ist § 23 Nr. 2 des hessischen Gesetzes über die Berufsvertretungen, die Berufsausübung, die Weiterbildung und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufsgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Februar 2003, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 3. Mai 2018 (GVBl. S. 82) (im Folgenden HessHeilberG) i. V. m. § 8 Abs. 3 Bereitschaftsdienstordnung der Beklagten.

Nach § 23 Nr. 2 HessHeilberG haben Berufsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HessHeilberG, also Ärzte, die in eigener Praxis tätig sind und zu denen auch der Kläger gehört, am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilzunehmen und sich an den Kosten des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen zu beteiligen. Danach ist für die Einrichtung und Durchführung des ÄBD im Einzelnen für alle nach § 23 des Heilberufsgesetzes verpflichteten Berufsangehörigen die Bereitschaftsdienstordnung der Beklagten in der von der Vertreterversammlung am 25.05.2013 beschlossenen Fassung, in Kraft getreten am 01.10.2013, zuletzt geändert am 27.10.2018 und 30.03.2019 (im Folgenden BDO), maßgebend.

Die Vorschrift des § 23 Nr. 2 HessHeilberG wurde durch Art. 1 Nr. 15 Zehntes Gesetz zur Änderung des Heilberufsgesetzes vom 19.12.2016 (GVBl. Nr. 23 vom 27.12.2016, S. 329) neu eingefügt und trat zum 28.12.2016 in Kraft (Art. 2 Zehntes Gesetz zur Änderung des Heilberufsgesetzes). Nach der Entwurfsbegründung soll mit der Änderung die Möglichkeit eröffnet werden, dass auch ausschließlich privatärztlich niedergelassene Ärzte verpflichtend am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilnehmen und sich an den dabei entstehenden Kosten zu beteiligen haben (vgl. LTag-Drs. 19/3742, S. 5). 

Mit der Vorschrift hat der hessische Landesgesetzgeber eine ausdrückliche Verpflichtung aller niedergelassenen Ärzte, auch soweit sie ausschließlich privatärztlich tätig sind, zur Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und zur Kostenbeteiligung geschaffen und insoweit die Satzungsbefugnis der Landesärztekammer eingeschränkt. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb dies vom Gestaltungsspielraum des hessischen Landesgesetzgebers nicht gedeckt sein sollte. 

Die Ausgestaltung des ÄBD fällt als Teil des ärztlichen Berufsrechts gemäß Art. 30, 70 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in die Gesetzgebungskompetenz der Länder (vgl. Bristle in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 3. Aufl. 2018, § 17 Rn. 83).

Die in § 23 Nr. 2 HessHeilberG geregelte Konzentration des ÄBD bei der Beklagten unter Einbeziehung der Privatärzte verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des vorgebrachten Verstoßes gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Die Ausgestaltung des ÄBD stellt einen Eingriff in der Form einer Berufsausübungsregelung dar. Innerhalb der Berufsausübungsregelungen nimmt das BSG die Zuordnungen danach vor, ob die Intensität des Eingriffs derjenigen einer Berufswahlregelung nahekommt. Entscheidend ist, ob der Kernbereich des Berufsfeldes betroffen ist oder ob nur ein - nicht statusrelevanter - minder schwerer Eingriff gegeben ist (zu diesen Maßstäben vgl. z. B. BSG, Urteil vom 31.01.2001, Az. B 6 KA 24/00 R, Juris Rn. 24 und BVerfG, Beschluss vom 16.07.2004, Az. 1 BvR 1127/01, Juris Rn. 21 ff.). Die hier streitgegenständliche ordnungsrechtliche Umsetzung einer für alle Ärzte geltenden berufsrechtlichen Pflicht unterfällt dem Organisationsrecht und betrifft als solche weder den Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit noch stellt sie einen schweren Eingriff in den Beruf des Arztes dar. Vielmehr ist die Regelung von dem Gemeinwohlziel eines effektiven Bereitschaftsdienstes getragen und als solche von dem weiten Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers umfasst. Der ÄBD bleibt weiterhin Aufgabe aller niedergelassenen Ärzte, so dass auch der befreite Arzt zur Finanzierung herangezogen werden kann. Die Umlage ist dazu bestimmt, die Kosten des Vorteils zu decken, den der einzelne Arzt aus der Durchführung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes hat (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20.11.2013, Az. 7 K 4877/11, Juris Rn. 59 ff.).

Im Hinblick auf das dargestellte Gemeinwohlziel stellt sich die Regelung auch als verhältnismäßig dar. Grundsätzlich gilt bei der Überprüfung von Gesetzen auf ihre Verhältnismäßigkeit, dass die Gerichte nur dann eingreifen können, wenn die normative Regelung bezogen auf das ihr zugrunde liegende Gemeinwohlziel schlechthin ungeeignet, eindeutig nicht erforderlich oder – auch bei Anerkennung eines Beurteilungsspielraums – unzumutbar ist, also insbesondere dann, wenn die der Rechtsnorm zugrunde liegenden Einschätzungen so offensichtlich fehlerhaft sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für normative Maßnahmen abgeben können (s. BSG, Urteil vom 09.04.2008, Az. B 6 KA 40/07 R unter Verweis auf BSG, Urteil vom 08.03.2000, Az. B 6 KA 12/99 R und m. w. N.). Das ist hier indessen nicht der Fall. Insofern hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass aufgrund der bereits bei ihr bestehenden Strukturen eine Konzentration des ÄBD bei ihr erfolgen sollte.

Die Heranziehung von Privatärzten durch die genannte Vorschrift und die weitergehenden Konkretisierungen durch Berufsordnung und Bereitschaftsdienstordnung ist mit dem Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar und deshalb verfassungsrechtlich unbedenklich. Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, die Privatärzte von der Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung außerhalb der regulären Praxiszeiten auszunehmen. Es ist nicht zu beanstanden, wenn alle niedergelassenen Ärzte am allgemeinen Notfalldienst teilzunehmen haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.2013, Az. 3 B 35/13, Juris Rn. 3; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21.11.2016, Az. 7 K 3288/16, Juris Rn. 24 jeweils m. w. N.).

Der einzelne niedergelassene Arzt ist grundsätzlich verpflichtet, für die Betreuung seiner Patienten in dem Umfange Sorge zu tragen, wie es deren Krankheitszustand erfordert (vgl. § 26 Abs. 3 BO). Der niedergelassene Arzt muss daher ggf. auch in den sprechstundenfreien Zeiten seine Patienten versorgen. Die ärztliche Versorgung ist nicht auf gewisse Zeiträume (z. B. Sprechstunden, Werktage) beschränkt, sondern muss auch in zeitlicher Hinsicht umfassend sein („rund um die Uhr“). Die Erfüllung dieser Aufgabe macht es, wenn nicht anderweitig vorgesorgt wird, erforderlich, für bestimmte Zeiten (insb. für die Wochenenden) einen Notfallvertretungsdienst zu organisieren. Hierbei handelt es sich um eine gemeinsame Aufgabe aller Ärzte, weshalb § 23 Nr. 2 HessHeilberG und § 26 Abs. 1 Satz 1 BO alle niedergelassenen Ärzte verpflichten, am ÄBD der Beklagten teilzunehmen. Der ärztliche Bereitschaftsdienst entlastet den einzelnen Arzt von der Versorgung seiner eigenen Patienten in den Zeiten, in denen er eingerichtet ist (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20.11.2013, Az. 7 K 4877/11, Juris Rn. 51 ff.). Der ÄBD ist grundsätzlich Aufgabe aller Ärzte.

§ 24 Abs. 1 Satz 2 HessHeilberG sieht eine Befreiung eines Arztes vom ÄBD nur aus wichtigem Grund bzw. § 26 Abs. 1 Satz 2 BO nur aus schwerwiegenden Gründen vor. Dies schützt den einzelnen Arzt, wenn schwerwiegende Gründe einer Teilnahme am ÄBD entgegenstehen, er aber dennoch seine Praxis versorgen kann. Die Befreiung von der Teilnahme am ÄBD führt aber nur dazu, dass der befreite Arzt nicht selbst am ÄBD teilnehmen muss. Der ÄBD bleibt weiterhin Aufgabe aller niedergelassenen Ärzte, so dass auch der befreite Arzt zur Finanzierung herangezogen werden kann. Die Umlage ist dazu bestimmt, die Kosten des Vorteils zu decken, den der einzelne Arzt aus der Durchführung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes hat (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20.11.2013, Az. 7 K 4877/11, Juris Rn. 59 ff.). Gerade aufgrund des Umstandes, dass durch die Einbeziehung der Privatärzte in den ÄBD der Beklagten die Trennung des privatärztlichen und des vertragsärztlichen Bereitschaftsdienstes aufgegeben wurde und es nun nur noch den einen (allgemeinen) Bereitschaftsdienst für alle Ärzte gibt, entlastet die erhobene Umlage auch die Privatärzte von der Verpflichtung der umfassenden zeitlichen Versorgung der Patienten.

Bedenken hinsichtlich des Bestimmtheitsgrundsatzes aus Art. 20 Abs. 3 GG bestehen ebenfalls nicht. Die Norm selbst regelt klar die Verpflichtung aller niedergelassenen Ärzte, auch soweit sie ausschließlich privatärztlich tätig sind, zur Teilnahme und Kostenbeteiligung am ÄBD der Beklagten. Nicht zu beanstanden ist es, dass die Finanzierung bzw. Ausgestaltung der Kostenbeteiligung am ÄBD nicht direkt in § 23 Nr. 2 HessHeilberG geregelt ist, sondern sich erst über den Verweis in § 24 HessHeilberG auf § 26 Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. März 2019, zuletzt geändert am 01.12.2020 (HÄBL 1/2021, S. 31 < BO >) und von dort in § 7, 8 BDO ergibt. Eine unmittelbare Ausgestaltung in § 23 Nr. 2 HessHeilberG ist hier nicht erforderlich, da es sich – wie bereits zuvor dargelegt – nur um einen organisationsrechtlichen Bereich handelt. Die Verpflichtung des Gesetzgebers, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen und die Schrankenbestimmung nicht anderen Stellen zu überlassen, gilt nur bei – hier nicht einschlägigen – statusrelevanten Berufsausübungsregelungen (vgl. BSG, Urteil vom 18.03.1998, Az. B 6 KA 23/97 R; Schnapp/Nolden in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 3. Aufl. 2017, § 4 Rn. 18-20).

Der Gesetzgeber konnte die weitere Ausgestaltung auch der Landesärztekammer bzw. im Ergebnis der Beklagten überlassen. Die Landesärztekammer hat ihren verbliebenen Satzungsspielraum im Rahmen von § 24 HessHeilberG ausgestaltet. Danach regelt das Nähere zu § 23 die Berufsordnung. Sie hat insbesondere zu § 23 Nr. 2 HessHeilberG vorzusehen, dass die Teilnahmeverpflichtung nur für einen bestimmten regionalen Bereich gilt und von ihr aus wichtigem Grund, insbesondere wegen körperlicher Behinderung oder außergewöhnlicher familiärer Belastung sowie wegen Teilnahme an einem klinischen Bereitschaftsdienst mit Notfallversorgung, auf Antrag ganz, teilweise oder vorübergehend befreit werden kann. Der Umstand, dass § 24 HessHeilberG offensichtlich nicht an die Änderung durch Art. 1 Nr. 15 Zehntes Gesetz zur Änderung des Heilberufsgesetzes angepasst worden ist, sondern unverändert geblieben ist, ist vorliegend unbeachtlich, da hier weder Fragen der Teilnahmeverpflichtung noch der Befreiung vom ÄBD Gegenstand des Verfahrens sind. Mit § 23 Nr. 2 HessHeilberG ist jedenfalls die Beitragspflicht und damit auch die Beitragsgestaltung auf die Beklagte übertragen worden.

Es bedarf keiner Regelung der Landesärztekammer zur Umsetzung dieser Beitragsverpflichtung, sondern dieser Gegenstand ist aufgrund des § 23 Nr. 2 HessHeilberG weitgehend ihrer Satzungsgewalt entzogen. Letztlich kann dies dahinstehen, da § 26 Abs. 2 Satz 1 BO ausdrücklich auf die BDO verweist. Ein solcher Verweis verstößt jedenfalls nicht gegen §§ 23 Nr. 2, 24 HessHeilberG.

Demzufolge kann die Beklagte die Klägerin grundsätzlich zur Kostenbeteiligung am ÄBD heranziehen.

b. Die angegriffenen Bescheide sind dennoch rechtswidrig, da die in § 8 BDO getroffene Regelung zur Berechnung der Beitragshöhe gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.

Nach § 8 Abs. 1 BDO erfolgt die Finanzierung des ÄBD auf der Grundlage der im ÄBD abgerechneten Leistungen nach § 7 Abs. 3, mit Ausnahme der Wegepauschalen im ÄBD. Im ÄBD und im gebietsärztlichen Bereitschaftsdienst, sofern dieser in ÄBD-Zentralen durchgeführt wird, erhebt die Beklagte einen allgemeinen einheitlichen Abzug (Betriebskostenabzug) von 35 % des Anteils des ordnungsgemäß abgerechneten, anerkannten und beregelten Honorars, der in der Diensteinheit die Summe der Stundenpauschalen gemäß § 7 Abs. 1 Buchstabe a. BDO übersteigt.

Gemäß § 8 Abs. 2 BDO wird, wenn die Erträge nach Abs. 1 nicht zur Deckung des Gesamtaufwandes nach Abs. 4 ausreichen, zusätzlich ein jeweils einheitlicher ÄBD-Beitrag unter allen abrechnenden Ärzten und Psychotherapeuten sowie ermächtigten Krankenhausärzten nach folgender Regel erhoben: „Prozentualer, jeweils einheitlicher Abzug je Quartal vom Honorar jedes abrechnenden Arztes und Psychotherapeuten sowie jedes ermächtigten Krankenhausarztes mit einem festgelegten Höchstbeitrag. Die Höhe des Abzugssatzes und des Höchstbetrages wird durch den Vorstand der KVH festgelegt.“

Nach § 8 Abs. 3 BDO wird bei Privatärzten grundsätzlich abweichend von Abs. 2 zur Deckung des Gesamtaufwandes nach Abs. 4 zusätzlich zu den Erträgen nach Abs. 1 als pauschaler ÄBD-Beitrag die Hälfte des in Abs. 2 genannten Höchstbeitrages je Quartal erhoben. Das Beitragsjahr beginnt jeweils zum 1. Januar eines Kalenderjahres. Näheres regelt der Vorstand.

Auf Antrag kann für das jeweilige Beitragsjahr abweichend von Satz 1 bei der Beitragserhebung der prozentuale Abzug nach Abs. 2 zugrunde gelegt werden. Als Bezugsgröße für die prozentuale Beitragsberechnung wird das Jahresbruttoeinkommen aus ärztlicher Tätigkeit aus dem Kalenderjahr herangezogen, das zum Zeitpunkt des aktuellen Beitragsjahres zwei Jahre zurückliegt (Vor-Vorjahr). Vom Antragsteller ist dem Antrag als Nachweis der entsprechende Einkommensteuerbescheid beizufügen. In besonderen Fällen kann der Vorstand auf Antrag entscheiden, dass eine abweichende Bezugsgröße für den Einzelfall berücksichtigt wird. Der Widerspruch und die Klage gegen die Beitragsbescheide haben keine aufschiebende Wirkung. Der Beitrag wird nach Möglichkeit mit den Ansprüchen des Privatarztes gegen die Beklagte verrechnet.

Weiter regelt § 8 Abs. 4 BDO, dass die Beklagte aus den Erträgen nach den Absätzen 1 bis 3 sowie des pauschalierten Aufwendungsersatzes nach § 4 Abs. 5 BDO den gesamten Aufwand des ÄBD finanziert, einschließlich der Zahlungen an ÄBD-Ärzte gemäß § 7 BDO.

Die in § 8 Abs. 3 BDO getroffene Regelung zur Berechnung der Beitragshöhe der Klägerin verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Zu den für das öffentliche Abgabenrecht geltenden Maßstäben gehören das Kostendeckungsprinzip, das Äquivalenzprinzip sowie der Gleichheitsgrundsatz. Diese Grundsätze beanspruchen für alle Formen der Abgabenerhebung gleichermaßen Geltung. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet, wesentlich Gleiches ohne zureichende sachliche Gründe ungleich oder wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Im Rahmen einer vorteilsbezogenen Bemessung der Abgaben bedeutet dies, dass die Beiträge auch im Verhältnis der Beitragspflichtigen zueinander grundsätzlich vorteilsgerecht zu bemessen sind (BSG, Urteil vom 30.10.2013, Az. B 6 KA 1/13 R, Juris Rn. 22 f.).

Nach dieser Maßgabe liegt vorliegend ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, da taugliche Vergleichsgruppen existieren, die ungleich behandelt werden (aa), und für deren Ungleichbehandlung es an einer Rechtfertigung fehlt (bb).

aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei Vertrags- und Privatärzten um vergleichbare Gruppen, die im Hinblick auf die streitgegenständliche Regelung als wesentlich gleich zu erachten sind und deshalb auch gleichbehandelt werden müssen. Es kommt nicht darauf an, ob die Heranziehung zum Bereitschaftsdienst aufgrund von unterschiedlichen Rechtsgrundlagen erfolgt, sondern für die Bildung der Vergleichsgruppen ist entscheidend, dass sowohl die Vertrags- als auch die Privatärzte verpflichtet sind, für die Betreuung ihrer Patienten in dem Umfange Sorge zu tragen, wie es deren Krankheitszustand erfordert. Folgerichtig werden beide Gruppen nun auch in den selben Bereitschaftsdienst einbezogen, um die umfassende ärztliche Versorgung sämtlicher Patienten (egal ob gesetzlich oder privat versichert) rund um die Uhr vorzunehmen. Zwar mag die Einbeziehung der Vertragsärzte bislang primär aufgrund ihres Status als Vertragsarzt erfolgt sein und deren Versorgungsauftrag entsprechen. Durch die Anpassung von § 23 Nr. 2 HessHeilberufG und die nunmehr geregelte Einbeziehung sämtlicher Ärzte in den Bereitschaftsdienst der Beklagten handelt es sich aber gerade nicht mehr nur um einen rein vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst. Vielmehr besteht ein gemeinsamer Notdienst, dessen Organisation auf die Beklagte übertragen wurde. Der Umstand, dass die Einbeziehung der Vertragsärzte weiterhin über § 75 SGB V hergeleitet wird, kann im Hinblick auf die gemeinsame Ausübung des Notdienstes keine wesentliche Ungleichheit zu der Einbeziehung von Privatärzten begründen. Gemeinsamer Oberbegriff der Vergleichsgruppen ist die Eigenschaft als niedergelassener Arzt. 

Die Ungleichbehandlung der Vergleichsgruppen ergibt sich vorliegend daraus, dass bei der Berechnung der Beitragshöhe ohne sachliche Gründe im Fall der Vertragsärzte auf eine Berücksichtigung der Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit verzichtet wird, während im Fall der Privatärzte gerade das Jahresbruttoeinkommen als Bezugsgröße dient.

bb) Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt, da im Hinblick auf die streitgegenständliche Regelung zwischen den Vergleichsgruppen keine Unterschiede von besonderer Art oder besonderem Gewicht vorliegen.

Für die Kammer ist vielmehr kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb bei der Berechnung der Beitragshöhe im Fall der Vertragsärzte auf eine Berücksichtigung der Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit verzichtet wird, während im Fall der Privatärzte gerade das Jahresbruttoeinkommen als Bezugsgröße dient. Die privatärztliche Tätigkeit der Vertragsärzte unterliegt grundsätzlich den gleichen Regeln wie die Tätigkeit der ausschließlich privatärztlich tätigen Ärzte. Rechtlich führen sie neben der vertragsärztlichen Praxis eine privatärztliche Praxis (SG Marburg, Gerichtsbescheid vom 08.06.2020, Az. S 12 KA 304/19, Juris Rn. 49, vgl. weiter BSG, Urteil vom 28.05.2008, Az. B 6 KA 9/07 R, Juris Rn. 35 u. 46; BSG, Urteil vom 14.05.1997, Az. 6 RKa 25/96, Juris Rn. 33; BT-Drs. 15/1525, S. 112).

Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 BDO erfolgt bei den Vertragsärzten eine vorteilsbezogene Bemessung des Beitrages zum ÄBD. Eine Berücksichtigung der Einnahmen aus einer daneben geführten privatärztlichen Praxis erfolgt nicht. Bei den Privatärzten ist eine vorteilsbezogene Bemessung des Beitrages zum ÄBD auf Antrag nach § 8 Abs. 3 Satz 4 BDO ebenfalls möglich. Es erfolgt dann ein prozentualer Abzug vom Jahresbruttoeinkommen.

Sachliche Gründe dafür, diese gleichartigen Einnahmen im einen Fall der Privatärzte als einzige Bezugsgröße festzulegen, im anderen Fall der Vertragsärzte hingegen überhaupt nicht zu berücksichtigen, sind für die Kammer nicht ersichtlich. Der Aspekt der Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens kann einen derart tiefgreifenden Gleichheitsverstoß jedenfalls nicht rechtfertigen. Entsprechende Bedenken hatte auch bereits die 12. Kammer des Sozialgerichts Marburg in einer Entscheidung aus dem Jahr 2020 ausdrücklich geäußert (SG Marburg, Gerichtsbescheid vom 08.06.2020, Az. S 12 KA 304/19, Juris Rn. 52).

Gleiches gilt, soweit die Beklagte ausführt, dass die Einnahmen aus einer neben der vertragsärztlichen Tätigkeit ausgeübten privatärztlichen Tätigkeit geringer sein müssten als die Einnahmen von ausschließlich privatärztlich tätigen Ärzten. Dies mag zwar vielfach zutreffen, zwingend ist dieser Schluss indes nicht. So gibt es eine Reihe von Privatärzten, die nur eine kleine Praxis führen und dabei wenig Einnahmen erzielen. Gerade im Vergleich mit diesen Privatärzten scheint eine Ausklammerung von sämtlichen privatärztlich erzielten Einnahmen von Vertragsärzten gleichheitswidrig. Hieran ändert auch die Möglichkeit der prozentualen Beitragsbemessung nichts, die diese die Ungleichbehandlung nicht vollkommen beseitigen kann. Für die Kammer überzeugt der Einwand der Beklagten auch deshalb nicht, weil die Argumentation, dass Privatärzte wesentlich höhere Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit erwirtschaften, die in der Höhe mit denen eines nur nebenbei privatärztlich tätigen Vertragsarztes nicht zu vergleichen seien, nicht mit dem Einwand harmoniert, auf die Einnahmen von Vertragsärzten außerhalb ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit könne grundsätzlich nicht zugegriffen werden. Der Kammer ist ein solcher Erfahrungssatz, dass Vertragsärzte nicht zumindest im Einzelfall auch hohe Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit erzielen können, nicht bekannt.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes, dass die Vertragsärzte bereits in einem viel stärken Ausmaß mit Honorarabzügen belastet sein könnten und sie schon einen Höchstbetrag von bis zu 1.500,00 € zahlen müssten, weshalb eine weitere Berücksichtigung der privatärztlichen Tätigkeit unangemessen sein könnte. Denn wenn sich ein Vertragsarzt dazu entscheidet, neben seiner vertragsärztlichen Tätigkeit auch noch privatärztlich tätig zu werden, so führt er im Ergebnis zwei Praxen. Im Rahmen seiner privatärztlichen Tätigkeit ist er als vollwertiger Privatarzt zu betrachten mit der Folge, dass er in dieser Tätigkeit zur Aufrechterhaltung und Finanzierung des ÄBD herangezogen wird. Zu Unrecht geht die Beklagte davon aus, dass sie keine Möglichkeit hätte, dass privatärztliche Honorar von Vertragsärzten zu berücksichtigen. Vielmehr gelingt ihr dies über § 8 Abs. 3 BDO. Danach gilt auch für die privatärztliche Tätigkeit eines Vertragsarztes, dass über § 8 Abs. 3 BDO ein pauschalierter Betrag bzw. bei Vorlage von Einkommenssteuerbescheiden ein prozentualer Abzug festgesetzt werden kann. Dass § 8 BDO in seiner Gesamtheit für die Konstellation von Ärzten, die sowohl vertragsärztlich als auch privatärztlich tätig werden, keine passgenaue Regelung enthält, ändert nichts an der rechtlichen Möglichkeit, jede privatärztliche Tätigkeit zu berücksichtigen. Weiterhin verfängt auch das Argument nicht, dass nicht mit wesentlichen Mehreinnahmen zu rechnen sei. Hierbei handelt es sich nur um eine Vermutung, die sich – da die Beklagte selbst vorträgt, keinen Einblick in die privatärztliche Tätigkeit von Vertragsärzten zu haben – nicht weiter belegen lässt. Dem Umstand, dass der Anteil von Privatpatienten bei unter 10 % liegt, kommt keine besondere Bedeutung zu, da der Gesetzgeber mit der grundsätzlichen Einbeziehung aller Ärzte in den ÄBD der Beklagten zu erkennen gegeben hat, dass er jeden Privatarzt heranziehen will. Auf die Höhe der Mehreinnahmen im Einzelfall kam es dem Gesetzgeber dabei nicht an, sonst hätte er bei den Privatärzten eine Einkommensuntergrenze eingeführt, um sicherzustellen, dass der Verwaltungsaufwand nicht die zu erwartenden Mehreinnahmen übersteigt. Eine solche Regelung weist aber weder § 23 Nr. 2 HessHeilberufG noch die BDO der Beklagten auf. Es wäre der Beklagten in der Zukunft möglich, eine Einkommensuntergrenze unter Beachtung des Gleichheitssatzes – also zum Beispiel für alle Einkommen aus privatärztlicher Tätigkeit – festzuschreiben, wenn der Verwaltungsaufwand ihr andernfalls zu groß erscheint. Hinsichtlich der aktuellen Regelung zeigt gerade § 3 Abs. 7 BDO (Befreiung von der Teilnahmepflicht am ÄBD), dass der Umfang der (privatärztlichen) Tätigkeit weder hinsichtlich der Teilnahmeverpflichtung noch hinsichtlich der Finanzierungspflicht von entscheidender Bedeutung ist. Vielmehr gilt, dass jeder Arzt im Rahmen seiner vertragsärztlichen und / oder privatärztlichen Tätigkeit zur Teilnahme und Finanzierung des ÄBD verpflichtet ist.

Die zuvor festgestellte gleichheitswidrige Berechnung des pauschalen ÄBD-Betrages für Privatärzte führt zur Nichtigkeit der maßgeblichen Norm des § 8 Abs. 3 BDO.

Darüber hinaus bestehen Bedenken der Kammer, dass von den Privatärzten nur die Hälfte des in Abs. 2 genannten Höchstbeitrages je Quartal erhoben wird. Sachliche Gründe, warum der pauschale ÄBD-Beitrag bei Privatärzten niedriger angesetzt wird als bei den Vertragsärzten (derzeit 750,00 € statt 1.500,00 €), sind für die Kammer nicht ersichtlich. Die pauschale Herabsetzung des ÄBD-Beitrags für Privatärzte unabhängig vom Versorgungsauftrag (oder im Falle der Privatärzte einer vergleichbaren Größe) oder vom Einkommen, dürfte sich nicht mit dem Grundsatz einer vorteilsgerechten Bemessung in Einklang bringen lassen.

Infolgedessen besteht für die in den Bescheiden vom 18.09.2019 und 09.03.2020 gegenüber der Klägerin festgesetzten ÄBD-Beträgen keine Rechtsgrundlage. Die Bescheide sind rechtswidrig und ersatzlos aufzuheben.

Entgegen der Auffassung der Beklagten muss ihr im vorliegenden Fall auch keine Gelegenheit gegeben werden, den Gleichheitsverstoß im laufenden Verfahren zu beseitigen. Gegenstand ist hier alleine die Überprüfung der Bescheide vom 18.09.2019 und 09.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2020 im Rahmen einer isolierten Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG. Es handelt sich also gerade nicht um die Konstellation einer notwendigen Neubescheidung, da die Klägerin von der Beklagten keine Leistung begehrt, sondern sich alleine gegen die ihr von der Beklagten auferlegten Verpflichtung zur Zahlung eines Beitrages zum ÄBD wendet. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von dem vom BSG entschiedenen Fall zum Aktenzeichen B 6 KA 47/14 R (Urteil vom 17.02.2016), den die Beklagte anführt. In der dortigen Entscheidung begehrte der Kläger als Psychologischer Psychotherapeut die Vergütung nach der GOP Nr. 01102, was sich als problematisch darstellte, da die GOP im für Psychologische Psychotherapeuten maßgeblichen Abschnitt nicht aufgeführt war. Daran änderte sich alleine durch die Feststellung der Gleichheitswidrigkeit der Nichtaufnahme der GOP in den maßgeblichen Leistungsabschnitt nichts, was die Beklagte hinsichtlich der erst- und zweitinstanzlichen Verurteilung zur Auszahlung der streitigen GOP vor Probleme stellte. Hierauf entschied das BSG, dass dem Normgeber Gelegenheit gegeben werden müsse, eine verfassungsgemäße Regelung zu schaffen, bevor die Verwaltung erneut durch Verwaltungsakt entscheidet (vgl. BSG a.a.O. Rn. 37). Diese Konstellation ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, da sich hier der Gleichheitsverstoß nur auf die Satzung der Beklagten bezieht, die es selbst in der Hand hat, eine neue verfassungsgemäße Regelung zu erlassen und hierauf aufbauend die Klägerin (zukünftig) zur Kostenbeteiligung heranzuziehen.

Aus diesem Grund bedurfte es auch keiner Beiordnung der Landesärztekammer. Mit der Entscheidung wird nicht in deren Rechte eingegriffen.

Insoweit war der Klage stattzugeben und die Bescheide vom 18.09.2019 und 09.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2020 aufzuheben.

II.2. Im Übrigen ist die Klage jedoch unbegründet.
Weder besteht ein Anspruch auf Aufhebung der weiteren angefochtenen Widerspruchsbescheide vom 24.06.2020 (unter a), noch ein Anspruch auf Datenlöschung (unter b).

a. Soweit sich die Klägerin gegen die Schreiben vom 05.02.2020 und 09.03.2020, jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 24.06.2020, wendet, ist die Klage unbegründet.

Die Widerspruchsbescheide vom 24.06.2020 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die angegriffenen Schreiben stellen keine Verwaltungsakte im Sinne von § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dar.
Danach ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Weder das Schreiben vom 05.02.2020 noch das Schreiben vom 09.03.2020 weisen eine Regelungswirkung auf, da sie nicht auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtet sind. 
In dem Schreiben vom 05.02.2020 wird die Klägerin über die ihr zugeteilte ÄBD-Betriebsstättennummer und Lebenslange Arztnummer (LANR) informiert. Das Schreiben setzt dabei die – sich bereits aus der gesetzlichen Regelung des § 23 Nr. 2 HessHeilberG ergebene – Einbeziehung der Klägerin in den ÄBD der Beklagten voraus und enthält insoweit keine eigenständige Regelung. Ebenso wird durch die bloße Zuteilung einer Betriebsstättennummer noch keine konkrete Diensteinteilung vorgenommen.
Auch das Schreiben vom 09.03.2020 ist nicht auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtet, da der Klägerin damit nur die Möglichkeit der Einrichtung eines SEPA-Lastschriftmandats eröffnet wird.
Zur Ergänzung wird auf die jeweiligen Widerspruchsbescheide vom 24.06.2020 gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug genommen.

b. Soweit unter I. bereits darauf hingewiesen wurde, dass der Antrag der Klägerin auf Löschung ihrer bei der Beklagten gespeicherten personenbezogenen Daten unzulässig ist, so wird hier nur noch der Vollständigkeit halber ausgeführt, dass ein solcher Antrag auch unbegründet wäre.
Dadurch, dass die Einbeziehung der Klägerin in den ÄBD der Beklagten grundsätzlich rechtmäßig ist, ist die Beklagte auch berechtigt personenbezogene Daten zu verarbeiten. Dies ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 lit. e) der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.04.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung - DSGVO).
Ein Anspruch auf Löschung der gespeicherten personenbezogenen Daten besteht demzufolge nicht.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und berücksichtigt das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten.

IV. Die Streitwertentscheidung ergeht als Beschluss.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 1 i. V. m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Hinsichtlich der angefochtenen Beitragsbescheide ist nach § 51 Abs. 1 GKG die Höhe der streitigen Beitragsforderung maßgebend (6 x 750,00 € für die Quartale III/19 bis IV/20). Für die gegen die Schreiben vom 05.02.2020 und 09.03.2020 gerichteten Anträge sowie den auf Löschung von Daten gerichteten Antrag ist zusätzlich jeweils der Regelstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG anzusetzen (3 x 5.000,00 €).
Dies ergibt den festgesetzten Streitwert von 19.500,00 €.
 

Rechtskraft
Aus
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